Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.256/2004
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5P.256/2004 /rov

Urteil vom 22. September 2004
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiberin Scholl.

Z. ________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Lienhard,

gegen

Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Suter,
Obergericht des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000
Aarau.

Art. 9 BV (Ehescheidung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, 2. Zivilkammer,
vom 29. April 2004.

Sachverhalt:

A.
Z.  ________ (Ehemann) und Y.________ (Ehefrau) heirateten im Jahr 1988. Sie
sind Eltern der beiden Söhne X.________, geb. 1984, und W.________, geb.

1989.  Per 1. Januar 1997 hoben die Ehegatten den gemeinsamen Haushalt auf.

B.
Im März 2001 wurde vor dem Bezirksgericht Aarau das Scheidungsverfahren
anhängig gemacht. Dieses schied die Parteien mit Urteil vom 26. März 2003 in
Anwendung von Art. 112 ZGB und regelte unter anderem die Unterhaltspflicht
von Z.________: Es verpflichtete ihn zur Bezahlung von persönlichen
Unterhaltsbeiträgen an Y.________ von monatlich Fr. 2'500.--, befristet bis
Ende Februar 2007. Gegen dieses Urteil gelangten beide Parteien mit
Appellation bzw. Anschlussappellation an das Obergericht des Kantons Aargau.
Dieses hiess beide Rechtsmittel mit Urteil vom 29. April 2004 teilweise gut
und gestaltete die Unterhaltspflicht von Z.________ wie folgt aus: Bis und
mit Februar 2005 hat er Y.________ einen Betrag von Fr. 2'500.-- zu bezahlen,
ab März 2005 bis sie das gesetzliche AHV-Alter erreicht Fr. 2'000.--, und ab
diesem Zeitpunkt bis er selber das gesetzliche AHV-Alter erreicht Fr.
1'500.--.

C.
Z. ________ führt staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Er
verlangt im Wesentlichen die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils.
Strittig sind ausschliesslich die Höhe und die Dauer der zu leistenden
Unterhaltsbeiträge.

Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

In der gleichen Sache ist Z.________ auch mit eidgenössischer Berufung an das
Bundesgericht gelangt (Verfahren 5C.140/2004).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche
Beschwerde erhoben, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche
Beschwerde zu befinden, und der Entscheid über die Berufung ist auszusetzen
(Art. 57 Abs. 5 OG). Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, anders zu
verfahren.

2.
Nach Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde unzulässig, wenn
die behauptete Rechtsverletzung sonst wie beim Bundesgericht gerügt werden
kann. Streitig sind Höhe und Dauer des nachehelichen Unterhalts. Dies stellt
eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit dar, die grundsätzlich der
eidgenössischen Berufung zugänglich ist (Art. 46 OG), so dass die Verletzung
von Bundesrecht mit dieser geltend zu machen ist. Wie nachfolgend aufzuzeigen
ist, betreffen mehrere Rügen des Beschwerdeführers Rechtsfragen, auf welche
im vorliegenden Verfahren dementsprechend nicht eingetreten werden kann.

2.1  Als unzulässig erweist sich zunächst das Vorbringen, bei den Wohnkosten
sei ein Anteil der Eigenkapitalverzinsung zu berücksichtigen. Der
Beschwerdeführer hält fest, er wohne in einer Liegenschaft, die seiner neuen
Ehefrau gehöre, mit welcher er Gütertrennung vereinbart habe. Neben der
Hälfte des Hypothekarzinses und der Nebenkosten sei ihm daher noch die Hälfte
der Eigenkapitalverzinsung anzurechnen.

Welche Positionen in die Wohnkosten einzubeziehen sind, stellt indes eine
Rechtsfrage dar, so dass in diesem Punkt auf die Beschwerde nicht eingetreten
werden kann.

2.2  Aus dem gleichen Grund kann auch auf die beiden Rügen betreffend die
Aufwendungen für die Kinder nicht eingetreten werden. Der Beschwerdeführer
verlangt einerseits, ihm seien an das Existenzminimum nicht nur die
Unterhaltsbeiträge anzurechnen, welche er an seinen unmündigen Sohn leiste,
sondern auch die Zahlungen, die er an seinen bereits mündigen Sohn ausrichte.
Andererseits kritisiert er den Einbezug der Kosten (Grundbetrag,
Krankenkassenprämie) für den unmündigen Sohn in den Notbedarf der
Beschwerdegegnerin.

Ob und beim Notbedarf welcher Partei (in ihrer Höhe nicht umstrittene)
Aufwendungen für Kinder zu berücksichtigen sind, ist nicht Tatfrage.
Insbesondere ist Rechtsfrage, wie sich das Verhältnis zwischen der
Unterhaltspflicht für die geschiedene Ehefrau, für ein mündiges sowie für ein
unmündiges Kind darstellt. Damit kann offen bleiben, inwieweit es sich bei
diesen Rügen nicht ohnehin um im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
unzulässige Noven handelt (BGE 118 Ia 20 E. 5a S. 26; 129 I 49 E. 3 S. 57).

2.3  Um eine Rechtsfrage handelt es sich schliesslich auch beim Vorbringen
bezüglich der höheren Wohnkosten der Beschwerdegegnerin nach ihrem
Wohnungswechsel. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Erhöhung der
Wohnkosten dann erfolge, wenn das Zusammenleben der Beschwerdegegnerin mit
ihren Kindern ende.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Punkt überhaupt eine eigenständige Rüge
erhebt, ist darauf hinzuweisen, dass in der Berücksichtigung unangemessen
hoher Wohnkosten ein Ermessensmissbrauch und damit eine Verletzung von
Bundesrecht liegt.

3.
Der Beschwerdeführer wendet sich weiter gegen das der Beschwerdegegnerin
angerechnete Einkommen: Da der jüngste Sohn heute 15 Jahre alt sei, müsse ihr
ein Arbeitspensum von mindestens 50 % und nicht bloss ein solches von 30 %
angerechnet werden. Zudem sei auch der Beschäftigungsgrad von 70 % nach Ende
der Betreuungspflicht zu tief; es gebe keinen Grund für eine Beschränkung der
Erwerbsquote der Beschwerdegegnerin.

Die Aufnahme bzw. Ausdehnung einer Erwerbstätigkeit kann einer Partei
angerechnet werden, wenn eine solche ihr tatsächlich möglich und zumutbar
ist. Soweit es um die "Zumutbarkeit" geht, liegt eine Rechtsfrage vor, die
nur im Berufungsverfahren überprüft werden kann. Was die "Möglichkeit"
betrifft, ist zu unterscheiden, ob die obergerichtlichen Annahmen auf
konkreten Anhaltspunkten oder auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhen;
während Schlussfolgerungen aus allgemeiner Lebenserfahrung auf Berufung hin
geprüft werden können, bilden solche aus Indizien Ergebnis der
Beweiswürdigung, welche der staatsrechtlichen Beschwerde zugänglich sind (BGE
126 III 10 E. 2b S. 12 f.).

Vorliegend hat das Obergericht zwischen dem Kriterium der Möglichkeit und
demjenigen der Zumutbarkeit im Wesentlichen nicht unterschieden, sondern ist
zum Schluss gelangt, es sei der Beschwerdegegnerin nicht möglich und nicht
zumutbar, für ihren Lebensunterhalt alleine aufzukommen. Nur bezüglich des
gesundheitlichen Zustands der Beschwerdegegnerin hat es konkret auf ein
Arztzeugnis verwiesen. Ansonsten hat es sich vornehmlich auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt.

Die Feststellung des Obergerichts, die Beschwerdegegnerin sei zumindest im
Moment gesundheitlich angeschlagen, rügt der Beschwerdeführer nicht
substantiiert (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Seine Vorbringen richten sich
vielmehr in erster Linie gegen die Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit. Damit
wird über das der Beschwerdegegnerin anzurechnende Einkommen und den
Beschäftigungsgrad im Berufungsverfahren zu entscheiden sein.

4.
Weiter kritisiert der Beschwerdeführer das der Beschwerdegegnerin
zugestandene Existenzminimum in zwei Punkten: Als Erstes bringt er vor, es
sei willkürlich und aktenwidrig, dass die Verbilligung der
Krankenkassenprämie nicht berücksichtigt worden sei. Das Obergericht hat auf
eine von der Beschwerdegegnerin eingereichte Prämienabrechnung abgestellt.
Inwiefern dieser Beleg die von der Beschwerdegegnerin zu bezahlende
Krankenkassenprämie falsch oder unvollständig ausweist, wird vom
Beschwerdeführer nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich (Art. 90 Abs.
1 lit. b OG).

Als Zweites führt er aus, obwohl die Beschwerdegegnerin nach dem
Wohnungwechsel einen kürzeren Arbeitsweg haben werde, welcher zudem noch mit
öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen sei, habe das Obergericht die
Arbeitswegkosten nicht entsprechend reduziert. Diese Rüge ist grundsätzlich
berechtigt; das Obergericht hat offenbar übersehen, dass der Umzug der
Beschwerdegegnerin auch Auswirkungen auf ihren Arbeitsweg haben wird. Indes
ist zu beachten, dass ungefähr auf den gleichen Zeitpunkt, in dem die
Beschwerdegegnerin ihren Wohnsitz verlegt, diese auch verpflichtet ist, ihre
Erwerbstätigkeit auszudehnen und damit auch die Arbeitswegkosten steigen
werden. Die Auswirkung der Erhöhung des Arbeitspensums auf den Arbeitsweg hat
das Obergericht ebenfalls nicht berücksichtigt, so dass in diesem Punkt
zumindest im Ergebnis keine Willkür vorliegt.

5.
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, die Feststellung des
Obergerichts, die Parteien hätten während ihrer Ehe zeitweise vom
Pensionskassenguthaben der Beschwerdegegnerin gelebt, sei willkürlich.
Inwiefern diese Annahme aber unhaltbar sein soll, legt der Beschwerdeführer
nicht nachvollziehbar dar, zumal er selber angibt, die Parteien hätten "eine
gewisse Zeit lang von den Vorsorgeansprüchen" der Beschwerdegegnerin gelebt.
Vielmehr rügt er in diesem Punkt die teilweise Ausgestaltung des
Unterhaltsbeitrags als Vorsorgeunterhalt. Ob und in welcher Höhe der
Beschwerdegegnerin ein Vorsorgeunterhalt zusteht, stellt indes eine
Rechtsfrage dar, auf welche im vorliegenden Verfahren nicht eingetreten
werden kann.

6.
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit überhaupt darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er schuldet der
Beschwerdegegnerin allerdings keine Parteientschädigung für das
bundesgerichtliche Verfahren, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. September 2004

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: