Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.239/2004
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5P.239/2004 /bnm

Urteil vom 16. August 2004
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiberin Scholl.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Klaus Schmuki,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Carlo Parolari,
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12, 8500 Frauenfeld.

Art. 9 und 29 BV (definitive Rechtsöffnung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Thurgau vom 21. April 2004.

Sachverhalt:

A.
Gestützt auf die mit Urteil vom 12. September 1979 genehmigte
Scheidungskonvention wurde X.________ vom Bezirksgericht Uster verpflichtet,
an Y.________ und den gemeinsamen Sohn monatliche Unterhaltsbeiträge zu
leisten. Die Unterhaltsverpflichtung wurde mit einer Indexklausel versehen.

B.
Mit Zahlungsbefehl vom 5. Mai 2003 betrieb Y.________ X.________ für
ausstehende Unterhaltsbeiträge und Indexsteigerungen von Fr. 10'720.-- nebst
Zins zu 5 % seit 1. August 1992 und von Fr. 37'960.-- nebst Zins zu 5 % seit
1. Januar 1998. Im nachfolgenden Rechtsöffnungsverfahren erteilte das
Gerichtspräsidium Arbon mit Verfügung vom 19. Dezember 2003 die definitive
Rechtsöffnung für Fr. 10'720.-- nebst Zins zu 5 % seit 1. März 1993 sowie für
Fr. 29'960.-- nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 1998.

Einen dagegen erhobenen Rekurs von X.________ hiess das Obergericht des
Kantons Thurgau mit Entscheid vom 21. April 2004 teilweise gut und erteilte
die definitive Rechtsöffnung nur für Fr. 12'000.-- nebst Zins zu 5 % seit 1.
Juni 1998.

C.
X. ________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Er
verlangt im Wesentlichen die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids vom

21. April 2004.

Y.  ________ beantragt in ihrer Vernehmlassung, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten, eventualiter sei sie vollumfänglich abzuweisen. Zudem stellt sie
ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das
bundesgerichtliche Verfahren. Das Obergericht schliesst ebenfalls auf
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über die definitive
Rechtsöffnung kann nur staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden (Art. 84
Abs. 2 OG; BGE 120 Ia 256 E. 1a S. 257). Die staatsrechtliche Beschwerde ist
indes grundsätzlich rein kassatorischer Natur (BGE 125 I 104 E. 1b S. 107;
129 I 173 E. 1.5 S. 176). Es kann regelmässig nur die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids beantragt werden. Soweit der Beschwerdeführer mehr,
insbesondere die Abweisung des Rechtsöffnungsbegehrens verlangt, ist daher
nicht darauf einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer macht unter anderem eine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör geltend (Art. 29 Abs. 2 BV). Er führt aus, das Obergericht
habe sich ausschliesslich mit der Frage der Verjährung der Unterhaltsbeiträge
befasst. Indes habe es übersehen, dass er die vollumfängliche Abweisung des
Rechtsöffnungsbegehrens verlangt habe. Dabei habe er sich auf die Einrede der
"res iudicata" sowie auf eine andere Auslegung der Indexklausel berufen. Mit
diesen beiden Argumenten setze sich das Obergericht in seinem Entscheid nicht
auseinander.

2.1  Auf Grund der formellen Natur des rechtlichen Gehörs führt dessen
Verletzung ungeachtet der Erfolgsaussichten in der Sache selbst grundsätzlich
zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 119 Ia 136 E. 2b S. 138; 126
I 19 E. 2d/bb S. 24).                                           Die
entsprechende Rüge ist daher vorab zu behandeln.

Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt unter anderem die Pflicht des
Richters, die Verfahrensanträge und Argumente einer Partei entgegenzunehmen,
zu prüfen und in seiner Entscheidfindung zu berücksichtigen (BGE 87 I 100 E.
7 S. 110; 124 I 241 E. 2 S. 242). Im Rahmen der Begründungspflicht - welche
sich ebenfalls aus Art. 29 Abs. 2 BV ergibt - müssen zudem wenigstens kurz
die Überlegungen genannt werden, von denen sich der Richter leiten liess und
auf die sich sein Entscheid stützt (BGE 112 Ia 107 E. 2b S. 109 f.; 129 I 232
E. 3.2 S. 236). Das Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob der
erwähnte, sich unmittelbar aus der Bundesverfassung ergebende Gehörsanspruch
verletzt ist (BGE 121 I 230 E. 2b S. 232).

2.2  Aus den Akten wird ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im kantonalen
Verfahren in erster Linie geltend gemacht hat, das Gerichtspräsidium Arbon
habe die Indexklausel falsch ausgelegt, bzw. in diesem Punkt liege eine
abgeurteilte Sache vor, die nicht erneut hätte überprüft werden dürfen. Das
Obergericht führt zu Beginn seines Entscheids denn auch aus, umstritten sei
zwischen den Parteien die Auslegung der Indexklausel, zudem rufe der
Beschwerdeführer die Verjährung und die "res iudicata" an. In der Folge setzt
es sich jedoch nur mit der Frage der Verjährung auseinander. Auf die übrigen
Vorbringen des Beschwerdeführers geht es nicht weiter ein, sondern hält ohne
Begründung fest, Ausführungen dazu würden sich erübrigen. Da indes das
Obergericht nicht die gesamten Unterhaltsforderungen als verjährt angesehen
hat, ist nicht ersichtlich, weshalb es die Hauptargumente des
Beschwerdeführers als gegenstandslos angesehen hat. Aus dem angefochtenen
Entscheid lässt sich auch nicht entnehmen, dass sich das Obergericht in
diesen Punkten den Erwägungen des Gerichtspräsidiums angeschlossen hätte (BGE
103 Ia 407 E. 3a S. 409; 123 I 31 E. 2c S. 34), welches sich zu diesen Fragen
ausführlich geäussert hat. Das Obergericht hat folglich den Anspruch des
Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt.

3.
Dementsprechend ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen, soweit
darauf eingetreten werden kann. Eine Behandlung der weiteren vom
Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen erübrigt sich damit. Bei diesem
Verfahrensausgang wird die Beschwerdegegnerin grundsätzlich kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Da die
Voraussetzungen nach Art. 152 OG erfüllt sind, kann ihr Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gutgeheissen werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten
ist, und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 21. April
2004 wird aufgehoben.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege der Beschwerdegegnerin wird
gutgeheissen, und Rechtsanwalt Carlo Parolari wird ihr als unentgeltlicher
Rechtsbeistand beigegeben.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdegegnerin auferlegt,
einstweilen jedoch auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

5.
Rechtsanwalt Carlo Parolari wird aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von
Fr. 800.-- ausgerichtet.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. August 2004

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: