Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.216/2004
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5P.216/2004 /bnm

Urteil vom 5. Juli 2004
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Herren Dres. Jürg Rieben und Christoph
Zimmerli, Fürsprecher, c/o Wenger Plattner, Rechtsanwälte,

gegen

Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern,
Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern,
Betreibungs- und Konkursamt A.________.

Art. 9 BV (Herausgabe),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern vom 17. Mai 2004.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Verlaufe der Abwicklung des Konkurses einer Firma ersuchte das Konkursamt
A.________ X.________ um Herausgabe der Aktien der Y.________ AG zur
Einsichtnahme, wobei ihr die Rückgabe für den folgenden Tag versprochen
wurde. Mit Antwortbrief vom 19. Februar 2004 teilte das Konkursamt X.________
mit, die Aktien würden zum heutigen Zeitpunkt nicht zurückgegeben.

X. ________ beschwerte sich dagegen am 27. Februar 2004 bei der
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen des Kantons Bern. Am
11. Mai 2004 (eröffnet am 12. Mai 2004) beschlagnahmte das Kantonale
Untersuchungsrichteramt in einer gegen X.________ geführten Strafuntersuchung
die Aktien zu Beweiszwecken, worauf die Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen am 17. Mai 2004 das Beschwerdeverfahren
gegen das Konkursamt als gegenstandslos abschrieb.

X. ________ führt gegen den Beschluss der Aufsichtsbehörde vom 17. Mai 2004
sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch Beschwerde an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Mit
staatsrechtlicher Beschwerde beantragt sie, den Beschluss aufzuheben. Es ist
keine Vernehmlassung eingeholt worden.

Gegen die untersuchungsrichterlich angeordnete Beschlagnahme reichte
X.________ bei der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern mit
Eingabe vom 19. Mai 2004 innert der 10-tägigen Rechtsmittelfrist Beschwerde
ein.

2.
Die Beschwerdeführerin wirft der Aufsichtsbehörde Rechtsverweigerung vor und
macht zur Begründung geltend, die Behörde habe übersehen, dass sie gegen den
Beschlagnahmebeschluss des Untersuchungsrichteramtes vom 11. Mai 2004
Beschwerde erhoben habe. Die Beschlagnahme sei folglich noch gar nicht in
Rechtskraft erwachsen und der Gewahrsam des Konkursamtes an den unrechtmässig
zurückbehaltenen Aktienzertifikaten - entgegen der Behauptung der
Aufsichtsbehörde - nicht erloschen. Der Vorwurf erweist sich als unbegründet.

Gemäss Art. 332 StV/BE hat die Einreichung der Beschwerde bei der
Anklagekammer nur aufschiebende Wirkung, wenn das Präsidium der Kammer sie
anordnet. Dass die 10-tägige Rechtsmittelfrist gegen den Beschluss des
Untersuchungsrichteramtes (Art. 330 Abs. 2 StV/BE) im Zeitpunkt des
Beschlusses der Aufsichtsbehörde (17. Mai 2004) noch offen war, hat somit für
sich genommen keinen Einfluss auf die Rechtswirksamkeit der
untersuchungsrichterlichen Beschlagnahme gehabt. Die Beschwerdeführerin hat
mit der Beschwerde an die Anklagekammer vom 19. Mai 2004 kein Gesuch um
aufschiebende Wirkung eingereicht und behauptet auch nicht, dies später getan
zu haben; Letzteres kann auch den Akten nicht entnommen werden. Ferner ist
nicht ersichtlich, dass die Anklagekammer der Beschwerde gegen die
Beschlagnahme aufschiebende Wirkung erteilt hätte. Konnte aber das Konkursamt
mangels Gewahrsams an den Aktien auch im Falle der Gutheissung der Beschwerde
nicht zur Herausgabe der Zertifikate angehalten werden, so fehlte es der
Beschwerdeführerin an einem rechtlich geschützten Interesse an der Behandlung
der gegen das Konkursamt erhobenen Beschwerde (vgl. BGE 114 II 189 E. 2 S.
190). Aufgrund dessen war die Aufsichtsbehörde nicht gehalten, die Beschwerde
materiell zu behandeln. Der Beschwerdeführerin bleibt es allerdings
unbenommen, die Herausgabe ihrer Aktien im Rahmen des hängigen
Strafverfahrens zu verlangen, was sie mit ihrer Beschwerde gegen den
untersuchungsrichterlichen Beschluss bereits getan hat.

3.
Soweit sich die Beschwerdeführerin zum Verhalten des Konkursamtes äussert und
dieses als Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben kritisiert, ist
darauf nicht einzutreten; die Aufsichtsbehörde hat die bereits im kantonalen
Verfahren vorgebrachte Rüge nicht beurteilt, musste es aber auch nicht, weil
zufolge Beschlagnahme das Interesse der Beschwerdeführerin an der Behandlung
der Rüge entfallen war.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig
(Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Entschädigung ist nicht geschuldet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und der Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern sowie dem Betreibungs- und
Konkursamt A.________ schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Juli 2004

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: