Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.15/2004
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5P.15/2004 /rov

Urteil vom 11. März 2004
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.

L. ________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Roland Schaub,

gegen

M.________ (Ehefrau), Neunbrunnenstrasse 104c, 8050 Zürich,
Beschwerdegegnerin,
Kantonsgericht des Kantons Schwyz, 1. Rekurskammer, Kollegiumstrasse 28,
Postfach 2265, 6431 Schwyz.

Art. 9 BV etc. (Eheschutzmassnahmen),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts des
Kantons Schwyz, 1. Rekurskammer, vom 24. November 2003.

Sachverhalt:

A.
L. ________ (Ehemann) und M.________ (Ehefrau) heirateten am 31. Dezember
1986. Mit Verfügung vom 3. Mai 2001 bewilligte der Einzelrichter des Bezirks
Küssnacht am Rigi den Parteien das Getrenntleben und verpflichtete den
Ehemann unter anderem dazu, ab dem 1. Mai 2001 an den persönlichen Unterhalt
der Ehefrau Fr. 5'500.-- pro Monat zu bezahlen.

B.
Mit Verfügung vom 21. März 2003 hiess der Einzelrichter des Bezirks Küssnacht
ein Gesuch des Ehemannes um Abänderung des Unterhaltsbeitrages an die Ehefrau
teilweise gut und verpflichtete ihn, mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2001 bis
zum 31. Dezember 2002 Fr. 4'500.-- pro Monat sowie ab dem 1. Januar 2003 für
die weitere Dauer des Getrenntlebens einen Betrag von Fr. 2'400.-- pro Monat
zu bezahlen (E 3 01 58).

Der Ehemann gelangte mit Rekurs an das Kantonsgericht des Kantons Schwyz mit
dem Antrag, die Verfügung des Einzelrichters aufzuheben und die
Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau rückwirkend per 1. Januar 2002
angemessen zu reduzieren. Das Kantonsgericht trat mit Beschluss vom 24.
November 2003 auf den Rekurs nicht ein (Ziff. 1). Zur Begründung führte es
zusammengefasst aus, obwohl eine Bezifferung des Antrages möglich gewesen
wäre, sei weder aus dem Antrag noch aus der Begründung des Rekurses
ersichtlich, was der Ehemann mit Bezug auf den Unterhaltsbeitrag an die
Ehefrau beantrage. Da der Ehemann durch einen Anwalt vertreten sei, habe die
Ansetzung einer Frist zur Behebung des Mangels zu unterbleiben.

C.
Der Ehemann führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, Ziff. 1 des
Beschlusses des Kantonsgerichts vom 24. November 2003 aufzuheben.
Das Kantonsgericht beantragt, die staatsrechtliche Beschwerde sei abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden könne. Die Beschwerdegegnerin ersucht um
Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer hat vor Kantonsgericht lediglich beantragt, die
Verfügung des Einzelrichters vom 21. März 2003 sei aufzuheben und die
Unterhaltspflicht rückwirkend per 1. Januar 2002 angemessen zu reduzieren.
Das Kantonsgericht hat den Nichteintretensentscheid damit begründet, der
Beschwerdeführer habe im Gerichtsverfahren aufgrund der Dispositionsmaxime
den Umfang des Rechtsstreites zu umschreiben, was bei Geldzahlungen in Form
der Bezifferung der Rechtsbegehren zu geschehen habe. Von der Pflicht
bezifferter Anträge könne abgesehen werden, wenn die Begründung den als
angemessen betrachteten Unterhaltsbeitrag erkennen lasse. Der
Beschwerdeführer beschränke sich vor Kantonsgericht auf einige Rügen, ohne
aber den als angemessen erachteten Unterhaltsbeitrag zu beziffern.
Diesbezüglich belasse er es bei grundsätzlichen Überlegungen und ziehe andere
Schlussfolgerungen. So bemerke er einerseits, dass die Beschwerdegegnerin
kein finanzielles Manko zu tragen habe, und verlange damit sinngemäss die
Aufhebung der Unterhaltspflicht. Anderseits verneine er demgegenüber eine
volle Aufhebung und erachte den Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'666.-- für
angemessen. Mithin sei auch aus der Begründung des Rekurses nicht erkennbar,
was der Beschwerdeführer beantrage, obwohl eine Bezifferung möglich gewesen
wäre. Im Übrigen gelte nicht die Offizial-, sondern die Dispositionsmaxime,
weshalb aus diesen Gründen auf den Rekurs in Bezug auf die beantragte
angemessene Reduktion der Unterhaltspflicht nicht eingetreten werden könne.
Da der Beschwerdeführer rechtlich vertreten sei, erübrige es sich, ihm eine
Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen.

2.
Gemäss § 208 Abs. 2 ZPO/SZ sind in der Rekursschrift die Rekursanträge zu
stellen und zu begründen. Genügt die Rekursschrift diesen Anforderungen
nicht, so wird dem Rekurrenten laut dieser Bestimmung eine kurze Frist zur
Behebung des Mangels angesetzt verbunden mit der Androhung, dass sonst auf
den Rekurs nicht eingetreten werde. Der Beschwerdeführer macht geltend, das
Kantonsgericht sei davon ausgegangen, dass der Antrag nicht vorschriftsgemäss
beziffert gewesen sei. Dennoch habe es die Rekursschrift nicht zur
Verbesserung zurückgesandt. In Verletzung der in Art. 9 BV enthaltenen
Pflicht ausreichender Begründung erläutere der angefochtene Beschluss nicht
näher, weshalb entgegen dem Wortlaut von § 208 Abs. 2 ZPO/SZ bei einer
rechtlich vertretenen Partei eine Frist zur Verbesserung nicht in Frage
komme.

2.1 Das rechtliche Gehör als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht
verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner
Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft
prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die
grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Aufgrund
dieses allgemeinen verfassungsrechtlichen Anspruchs lassen sich allerdings
keine generellen Regeln aufstellen, denen eine Begründung zu genügen hätte.
Die Begründung eines Entscheides muss so abgefasst sein, dass der Betroffene
ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Dies ist nur dann möglich,
wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des
Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz
die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und
auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 112 Ia 107 E. 2b S. 109; 121 I 108
E. 3a S. 112; 124 I 241 E. 2 S. 242).

2.2 Wie der Beschwerdeführer selbst zu Recht bemerkt, wird im angefochtenen
Beschluss eine Nachfrist zur Verbesserung der Rechtsschrift deshalb
abgelehnt, weil er von einem Anwalt vertreten werde. Dabei hat das
Kantonsgericht in der Tat nicht näher ausgeführt, weshalb es trotz der
einschlägigen Bestimmung dem Anwalt des Beschwerdeführers keine Nachfrist
angesetzt hat. Es gilt jedoch der allgemeine Grundsatz, dass an die
Begründung von Rechtsschriften höhere Anforderungen gestellt werden dürfen,
wenn eine Partei anwaltlich vertreten ist. Dass ein Anwalt aufgrund seiner
Ausbildung und beruflichen Tätigkeit besser in der Lage sein muss, eine den
gesetzlichen Anforderungen gerecht werdende Rechtsschrift einzureichen,
versteht sich von selbst (BGE 116 II 745 E. 2b S. 748). Im Lichte dieses
Grundsatzes ist für den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer und das
Bundesgericht erkennbar, weshalb das Kantonsgericht von einer Fristansetzung
abgesehen hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt demnach nicht
vor.

3.
Der Beschwerdeführer beanstandet den angefochtenen Entscheid ausserdem als
willkürlich. Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere
Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst
dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung
eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 123 I 1 E. 4a
S. 5 mit Hinweisen; 127 I 54 E. 2b S. 56).

3.1 Zur Begründung macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, er habe in
Ziff. 20 der Rekursschrift den Unterhaltsbedarf der Beschwerdegegnerin
ausdrücklich mit Fr. 1'660.-- beziffert und gleichzeitig ausgeführt, dass nie
die völlige Aufhebung der Unterhaltspflicht, sondern nur eine Reduktion auf
ein angemessenes Mass verlangt worden sei; darunter habe er den vorerwähnten
Betrag verstanden. Zudem sei im Rekursantrag bereits klar festgehalten
worden, ab welchem Datum die verlangte Änderung gelten solle. Das
Kantonsgericht verfalle in Willkür, wenn es unter diesen Umständen behaupte,
es sei nicht klar, welchen Betrag der Beschwerdeführer verlange.

3.2 Der Willkürvorwurf ist begründet. Parteierklärungen, die im Rahmen eines
Prozesses abgegeben werden, sind unter Berücksichtigung von Treu und Glauben
auszulegen (BGE 105 II 149 E. 2a S. 152 mit Hinweisen), d.h. so, wie der
Empfänger sie nach den gesamten Umständen in Treu und Glauben verstehen
musste und durfte (BGE 116 Ia 56 E. 3b S. 58 mit Hinweis). Anträge der
Parteien sind anhand der in der Rekursschrift enthaltenen Begründung
auszulegen (BGE 99 II 176 E. 2 S. 180/81; Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire
de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Band II, S. 419, N. 1.4.1., S.
421, N. 1.4.1.3.). In der Rekursschrift hat der Beschwerdeführer dem
Kantonsgericht beantragt, die Verfügung des Einzelrichters vom 21. März 2003
sei aufzuheben und die Unterhaltspflicht des Rekurrenten rückwirkend per 1.
Januar 2002 angemessen zu reduzieren. In Ziff. 20 der Rekursbegründung
erläutert der Beschwerdeführer, dass die erste Instanz von einem Bedarf der
Beschwerdegegnerin von monatlich Fr. 5'000.-- ausgegangen sei, ohne diesen
näher zu spezifizieren. Der Beschwerdeführer fährt alsdann fort, selbst wenn
von diesem Betrag ausgegangen würde, wäre in Anbetracht der
Kinderunterhaltsbeiträge sowie des Eigenverdienstes ein Unterhaltsbeitrag
(für die Beschwerdegegnerin) von Fr. 1'660.- pro Monat ausreichend, um deren
Bedarf zu decken. Wie aus den Akten hervorgehe, habe er nie die gänzliche
Aufhebung der Unterhaltspflicht beantragt, sondern lediglich eine Reduktion
auf ein angemessenes Mass. Der genannte Betrag würde diesem Anspruch gerecht.
Damit ist ohne weiteres ersichtlich, dass der Beschwerdeführer lediglich
einen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'660.-- an seine Ehefrau zu zahlen bereit
ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin lässt sich nicht sagen,
es seien lediglich in der Begründung, nicht aber in der Forderung
Quantifizierungen vorgenommen worden. Aus Ziff. 20 der Begründung ergibt sich
ferner nach dem Gesagten kein Widerspruch mit Bezug auf das vom
Beschwerdeführer Verlangte. Insbesondere lässt sich daraus - entgegen der
Auffassung des Kantonsgerichts - nach Treu und Glauben gerade nicht
entnehmen, dass der Beschwerdeführer um vollständige Aufhebung des
Unterhaltsbeitrages ersucht. Dies wäre - abgesehen von der
unmissverständlichen Aussage in der Begründung - auch mit dem Sinngehalt des
Antrages nicht zu vereinbaren, der ausdrücklich auf eine angemessene
Reduktion des Unterhaltsbeitrages lautet und zudem die Reduktion ab einem
bestimmten Datum (1. Januar 2002) gelten lassen will. Die Auffassung des
Kantonsgerichts, es sei nicht klar, auf welchen monatlichen Betrag der
Beschwerdeführer den Unterhaltsbeitrag an die Ehefrau reduziert haben wolle,
lässt sich mit dem Willkürverbot nicht vereinbaren.

3.3 Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen und Ziff. 1 des
angefochtenen Beschlusses aufzuheben. Ob der Beschluss auch deshalb
willkürlich wäre, weil das Kantonsgericht dem anwaltlich vertretenen
Beschwerdeführer trotz des ausdrücklichen Wortlautes von § 208 Abs. 2 ZPO/SZ
keine Frist zur Behebung des Mangels (unbezifferter Antrag) gesetzt hat, kann
damit offen bleiben. Desgleichen braucht auch der im gleichen Zusammenhang
erhobene Vorwurf des überspitzten Formalismus nicht geprüft zu werden.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und die Ziffer 1 des
Beschlusses des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz, 1. Rekurskammer, vom 24.
November 2003 (KG153/03 RK 1) aufgehoben.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz, 1.
Rekurskammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. März 2004

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: