Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.81/2004
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4C.81/2004 /lma

Urteil vom 10. Mai 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch.
Gerichtsschreiberin Schoder.

A. ________,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwältin Hannelore
Fuchs,

gegen

B.________,
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Victor Benovici.

Geschäftsbesorgungsvertrag; Honorar,

Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, III.
Zivilkammer, vom 3. Dezember 2003.

Sachverhalt:

A.
B. ________ (Kläger) hat vor über 50 Jahren in U.________ den ersten so
genannten "Malort" gegründet. Indem er einen besonders gestalteten Raum zur
Verfügung stellt und den Teilnehmern bestimmte Umgangsregeln setzt,
ermöglicht er ihnen, sich ohne Leistungsdruck und Bewertungsängste malerisch
zu äussern. Nach Ideen des Klägers angelegte Malorte bestehen mittlerweile
auch in der Schweiz.

A. ________ (Beklagte) lernte das Schaffen des Klägers anlässlich eines
Aufenthalts in Frankreich kennen. Sie setzte sich damit vertieft auseinander
und eröffnete 1968 ihr eigenes Mal-Atelier in V.________. Seit 1988 arbeitete
sie mit dem Kläger zusammen. Sie organisierte jährlich stattfindende, vom
Kläger geleitete Ausbildungsseminare in der Schweiz, betrieb die
Pressewerbung, versandte Informations-Broschüren und hielt den Kontakt zu den
Interessenten aufrecht. Im Rahmen der Seminarorganisation sorgte sie auch für
die Information der Teilnehmer vor den Veranstaltungen. Ab 1997 stellte sie
ihr eigenes Atelier in V.________ als Malort zur Verfügung.

B.
Vom 7. bis zum 9. April 2000 fand im Hotel X.________ in Y.________ ein
Kurzseminar statt. Im Anschluss daran entstand ein Zwist unter den Parteien
ob der Frage, welcher Betrag dem Kläger für seinen für das Seminar
geleisteten Einsatz zustand. Nach seiner Meinung waren es Fr. 7'500.--, nach
Meinung der Beklagten Fr. 6'500.--. Anlässlich der hierüber geführten
Auseinandersetzung äusserte die Beklagte den Wunsch, die finanziellen
Bedingungen vor dem nächsten Seminar klar zu regeln. Mit Schreiben vom 11.
April 2000 erklärte sie dem Kläger, sie habe seine fristlose
Vertragsauflösung zur Kenntnis genommen und werde sich dieser nicht
widersetzen. Nach ihrer Überzeugung sei jedoch nicht vertretbar, das bereits
angekündigte Intensivseminar in Y.________ abzusagen. Sie sei deshalb bereit,
dieses Seminar über die Bühne zu bringen. Sobald es jedoch am 22. Oktober
2000 beendet und auch ihre letzten Organisationsarbeiten abgeschlossen sein
würden, werde die "Zusammenarbeit" zu Ende sein.

Mit Schreiben vom 26. April 2000 antwortete der Kläger, er benötige vorerst
eine Abrechnung, um seine Honorarforderungen danach zu richten. Er wolle
nichts Unmögliches fordern. In einem früheren Seminar seien ihm trotz aller
Spesen mindestens noch zwei Drittel der Einnahmen zugefallen. Da habe er wohl
Grund zu fragen, weshalb es jetzt nur noch 55 % sein sollten. Eigentlich
müsste er die Beklagte fragen, was sie als Honorar erwarte, denn in den
Jahren ihres begeisterten Einsatzes für die Sache sei das nie klar festgelegt
worden. Dass er die Zusammenarbeit fristlos gekündigt habe, treffe nicht zu.

C.
Am 19. Mai 2000 übermittelte die Beklagte dem Kläger das Budget 2000. Sie
erläuterte, dass die Budget-Zahlen "auf den Erfahrungen der letzten Jahre
einerseits und der bisher erfolgten Einnahmen/Ausgaben für 2000 anderseits"
sowie "auf der Annahme von 20 Anmeldungen" basierten. Das Honorar des Klägers
für das Kurz- und das Intensivseminar war mit Fr. 35'480.-- veranschlagt. Die
Beklagte wies ferner darauf hin, dass im Falle der Absage des Seminars nach
dem 31. Mai 2000 Annulationskosten von 50 % der Pensionsgebühren anfallen
würden, und sie forderte den Kläger auf, ihr bis spätestens zum 25. Mai 2000
definitiv mitzuteilen, ob er das Intensivseminar abhalten wolle.

Der Kläger liess die ihm gesetzte Frist unbenutzt verstreichen, führte aber
das Intensivseminar vom 3. bis 18. August 2000 durch. Während dieses Seminars
machte er für das Jahr 2000 ein Honorar von insgesamt Fr. 55'977.85 geltend
mit der Begründung, dass nicht zwanzig, wie im Budget vorgesehen, sondern
siebenundzwanzig Personen am Seminar teilgenommen und sich dadurch die
Einnahmen auf Fr. 67'900.-- erhöht hätten. Die Kosten hätten wie budgetiert
Fr. 11'922.15 betragen und seien bei der Honorar-Berechnung von den Einnahmen
ebenso wie die im April geleistete Anzahlung von Fr. 6'500.-- und die "Miete
von Z.________" von Fr. 1'800.-- abzuziehen. Allerdings komme noch ein
Restbetrag des letzten Seminars in V.________ hinzu.

Am 9. August 2000 überwies die Beklagte dem Kläger Fr. 21'000.--. Sie bot ihm
zudem unmittelbar nach Abschluss des zweiten Teils des vom 17. bis zum 22.
Oktober 2000 in Y.________ durchgeführten Intensivseminars vergleichsweise
an, Fr. 23'000.-- per Saldo aller Ansprüche zu bezahlen. Der Kläger beharrte
indessen auf der Zahlung von Fr. 27'277.85 und verlangte Schlussabrechnungen
für die Seminare ab etwa 1998 und entsprechende Nachzahlungen.

D.
Mit Klage vom 25. April 2002 belangte der Kläger die Beklagte vor
Bezirksgericht St. Gallen auf Zahlung von Fr. 27'277.85. Das Bezirksgericht
schützte die Klage im Teilbetrag von Fr. 6'180.-- nebst Zins entsprechend dem
im Budget 2000 eingesetzten Honorar von Fr. 35'480.-- abzüglich der daran
geleisteten Zahlungen (Fr. 6'500.--, Fr. 1'800.-- und Fr. 21'000.--).

E.
Auf Berufung des Klägers und Anschlussberufung der Beklagten verpflichtete
das Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, die Beklagte am 3. Dezember
2003, dem Kläger Fr. 19'103.75 nebst 5 % Zins seit 26. Oktober 2000 zu
bezahlen. Die Gerichtskosten beider Verfahren wurden den Parteien je zur
Hälfte auferlegt, und jede Partei hatte ihre eigenen Parteikosten zu tragen.
Wie bereits das erstinstanzliche Gericht hielt auch das Kantonsgericht das
dem Kläger zugestellte Budget für die massgebliche Abrechnungsgrundlage. Es
legte seiner Berechnung des klägerischen Anspruchs jedoch nicht wie das
Bezirksgericht die budgetierten, sondern die tatsächlich erzielten (höheren)
Einnahmen zugrunde, denn der Kläger habe dem Hinweis der Beklagten im Budget,
die Zahlen würden auf der Annahme von zwanzig Teilnehmern beruhen, wobei sich
diese Anzahl wahrscheinlich bis im August erhöhen würde, nach Treu und
Glauben entnehmen dürfen, er sei gemäss Budget an den effektiven Einnahmen
beteiligt.

F.
Die Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung die
Aufhebung des Urteils des Kantonsgerichts St. Gallen vom 3. Dezember 2003 und
die Abweisung der Klage. Ferner verlangt sie, die Sache sei zur Neuregelung
der Kostenfolgen im kantonalen Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen,
eventuell auch zu neuem Urteil in der Sache.

Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ist in der Berufungsschrift anzugeben, welche
Bundesrechtssätze der angefochtene Entscheid verletzt und inwiefern er gegen
sie verstösst. Aus den Vorbringen muss mindestens hervorgehen, gegen welche
Regeln des Bundesrechts die Vorinstanz verstossen haben soll. Daher ist
unerlässlich, dass auf die Begründung des angefochtenen Urteils eingegangen
und im Einzelnen dargetan wird, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegen
soll (BGE 121 III 397 E. 2a S. 400). Unzulässig sind dagegen Rügen, die sich
gegen die tatsächlichen Feststellungen und gegen die Beweiswürdigung der
Vorinstanz richten, es sei denn, es werden zugleich substanziierte Rügen im
Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG (offensichtliches Versehen) oder Art. 64 OG
(unvollständige Ermittlung des Sachverhalts) erhoben (BGE 130 III 102 E. 2.2
S. 106, 136 E. 1.4 S. 140; 127 III 390 E. 1f S. 393, je mit Hinweisen) sowie
Rügen der Verletzung von Verfassungsrecht (vgl. Art. 43 Abs. 1 Satz 2 OG) -
so insbesondere der Vorwurf der Willkür - und Erörterungen über die Anwendung
kantonalen Rechts (vgl. Art. 43 Abs. 1 und 2 OG). Dieselben Grundsätze gelten
für die Berufungsantwort (Art. 59 Abs. 3 OG).
Soweit die Beklagte diese Regeln missachtet, ist auf ihre Vorbringen nicht
einzutreten. Das gilt insbesondere für Sachverhaltselemente in der Berufung,
die im angefochtenen Urteil keine Stütze finden. Unbeachtlich bleibt auch die
in der Berufungsantwort vorgebrachte Willkürrüge des Klägers mit Bezug auf
den vom kantonalen Recht beherrschten Entscheid der Vorinstanz über die
Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens.

2.
Der Inhalt eines Vertrages bestimmt sich in erster Linie durch subjektive
Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen
(Art. 18 Abs. 1 OR). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung nicht
besteht oder unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen
Parteiwillens die Parteierklärungen so auszulegen, wie sie vom Empfänger in
guten Treuen verstanden werden durften und mussten (BGE 129 III 118 E. 2.5 S.
122).

Die Vorinstanz schloss aus eigenen Äusserungen der Beklagten, mithin in
Beweiswürdigung, dass sie selbst das Budget für das Jahr 2000 als Grundlage
für die Entscheidfindung des Klägers verstand und ihm damit eine bindende
Offerte habe unterbreiten wollen. Wiederum in Beweiswürdigung stellte die
Vorinstanz weiter fest, der Kläger habe die Offerte denn auch entsprechend
als bindend aufgefasst. Die Vorinstanz ging somit von einem tatsächlichen
Konsens über die Bedeutung des Budgets 2000 aus, weshalb für eine normative
Auslegung der Willenserklärungen kein Raum blieb. Die Rüge der Beklagten, die
Vorinstanz habe in Verletzung von Art. 2 Abs. 1 ZGB verkannt, dass der Kläger
nach dem Vertrauensprinzip im Budget 2000 kein Angebot im technischen Sinne,
sondern lediglich eine Vororientierung habe erkennen dürfen, fällt damit ins
Leere. Dasselbe gilt für ihre Rüge der Verletzung von Art. 1 OR, die
ebenfalls auf der irrigen Annahme beruht, die Vorinstanz habe eine normative
Bindung des Klägers an das Budget 2000 angenommen.

3.
Die Vorinstanz hat ausgeführt, die Beklagte habe ungeachtet des Umstandes,
dass sich der Kläger erst lange nach Ablauf des bis zum 25. Mai 2000
festgesetzten Termins zum Budget äusserte, die Anmeldungen zum Seminar
vorgenommen und weitere organisatorische Vorkehren zu dessen Durchführung
getroffen. Daraus folgert die Vorinstanz, dass die Beklagte selbst nicht an
der von ihr festgesetzten Frist bis zum 25. Mai 2000 festgehalten habe. An
dieser für das Bundesgericht verbindlichen Feststellung bricht sich die
sinngemäss vorgetragene Rüge der Beklagten, die Vorinstanz habe, sollte im
Budget 2000 eine verbindliche Offerte zu erblicken sein, Art. 5 Abs. 1 OR
verletzt, indem sie verkannt habe, dass die am 7. August 2000 erfolgte
Annahme zu spät erfolgt und die Beklagte damals nicht mehr daran gebunden
gewesen sei. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, der
Kläger sei in seiner Annahmeerklärung bewusst zu ihren Lasten von den im
Budget figurierenden Zahlen abgewichen, ist ihr Vorbringen nicht
entscheiderheblich, wird doch im angefochtenen Urteil auf die von der
Beklagten genannten Beträge abgestellt. Dass sich aber der Kläger in seinem
Schreiben vom 7. August 2000 wesentlich auf das Angebot der Beklagten stützte
und es damit im Grundsatz akzeptierte, stellt die Beklagte mit Recht nicht in
Abrede.

4.
Schliesslich bringt die Beklagte in der Berufung vor, die Vereinbarung
betreffend die finanzielle Auseinandersetzung, sollte sie entsprechend der
Auffassung der Vorinstanz zustande gekommen sein, sei wegen besonders krasser
Inäquivalenz der beidseitigen Leistungen und Gegenleistungen gemäss Art. 20
Abs. 1 OR als nichtig zu betrachten. Wiederum legt die Beklagte ihrer Rüge
einen Sachverhalt zugrunde, der dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen
ist, indem sie behauptet, gemäss Budget hätte sich für den Kläger ein
Stundenansatz von Fr. 465.--, für sie selbst ein solcher von Fr. 6.--
ergeben. Darauf ist nicht einzutreten. Abgesehen davon begründet nach der
neueren Rechtsprechung eine Wertdisparität von Leistung und Gegenleistung für
sich allein keine Sittenwidrigkeit. Dieser Problemkreis wird vielmehr
abschliessend vom Übervorteilungstatbestand des Art. 21 Abs. 1 OR erfasst,
wonach ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nur
dann die Unverbindlichkeit des Vertrages zur Folge hat, wenn die eine Partei
dessen Abschluss durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des
Leichtsinns der andern herbeigeführt hat (BGE 115 II 232 E. 4c S. 236;
bestätigt im Urteil des Bundesgerichts 4C.214/2003 vom 21. November 2003, E.
4.2). Dass derartige Umstände vorgelegen hätten, hat die Vorinstanz -
insoweit unangefochten - verneint. Die Beklagte hat dem Kläger die Offerte
zur Berechnung seines Honorars in Ausübung ihrer Vertragsfreiheit
unterbreitet. Sie ist daran gebunden. Für eine Änderung der Rechtsprechung,
wie sie die Beklagte unter Hinweis auf bestimmte Lehrmeinungen anstrebt,
besteht im vorliegenden Falle kein Grund.

5.
Der Kläger kritisiert in der Berufungsantwort als bundesrechtswidrig, dass
die Vorinstanz den als unpräjudiziell bezeichneten Vergleichsvorschlag der
Beklagten, ihm Fr. 24'000.-- zu bezahlen, nicht als Schuldanerkennung
eingestuft hat. Da der Kläger keine Anschlussberufung eingelegt hat, ist
mangels Rechtsschutzinteresses auf die Rüge nicht einzutreten.

6.
Nach dem Gesagten ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beklagte kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, III.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Mai 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: