Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.79/2004
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4C.79/2004 /lma

Urteil vom 27. Mai 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.

A. ________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland
Bühler,

gegen

B.________ AG,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Leonhard
Müller.

Kaufvorvertrag; Täuschung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1.
Zivilkammer, vom 15. Dezember 2003.

Sachverhalt:

A.
Am 23. Oktober/10. November 1997 schloss A.________ als Mieter (Beklagter)
mit der B.________ AG (Klägerin) einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag
über eine 5½-Zimmerwohnung ab. Zusätzlich dazu schlossen die Parteien am 20.
November 1997 einen öffentlich beurkundeten Vorvertrag über den späteren Kauf
der Mietliegenschaft durch den Mieter. Darin verpflichteten sie sich, den
Kaufvertrag bis spätestens am 20. November 2000 abzuschliessen, und der
Beklagte verpflichtete sich zu einer Anzahlung von Fr. 15'000.--. Gemäss
Ziff. VI/3 des Vorvertrags verfällt diese Anzahlung bzw. ein Teil davon, wenn
der Käufer den Abstand vom Kauf erklärt. Wird der Verzicht auf den Kauf der
Wohnung im dritten Jahr nach Abschluss des Vorvertrages erklärt, verfällt die
ganze Anzahlung.

B.
Am 29. August 2000 erklärte der Beklagte den "Abstand vom Vorvertrag" und
verlangte die Rückerstattung der Anzahlung von Fr. 15'000.--. Gleichzeitig
bezahlte er die Mietzinse im Umfang von Fr. 12'000.-- für die Monate
September 2000 bis Januar 2001 nicht mehr. Nach erfolgloser Durchführung des
Schlichtungsverfahrens beantragte die Klägerin dem Gerichtspräsidium Zurzach
im Wesentlichen, den Beklagten zur Bezahlung von Fr. 12'000.-- zuzüglich Zins
zu verpflichten. Mit Urteil vom 9. Juli 2002 hiess der Gerichtspräsident von
Zurzach die Klage teilweise gut und verpflichtete den Beklagten, der Klägerin
Fr. 10'200.-- zuzüglich Zins zu bezahlen (Ziff. 1). Die Verfahrenskosten von
insgesamt Fr. 2'010.20 wurden zu 6/7 dem Beklagten und zu 1/7 der Klägerin
auferlegt (Ziff. 2). Schliesslich wurde der Beklagte verpflichtet, der
Klägerin die Parteikosten in der Höhe von Fr. 5'275.10 im Umfang von 5/7 zu
ersetzen (Ziff. 3). Dagegen erhob der Beklagte Appellation und die Klägerin
Anschlussappellation ans Obergericht des Kantons Aargau. Mit Urteil vom 15.
Dezember 2003 wies das Obergericht des Kantons Aargau die Appellation ab.
Demgegenüber wurde die Anschlussappellation gutgeheissen, Ziff. 2 und 3 des
Urteils des Gerichtspräsidiums Zurzach vom 9. Juli 2002 aufgehoben und die
Verfahrenskosten von Fr. 2'010.20 vollumfänglich dem Beklagten auferlegt.
Weiter wurde der Beklagte verpflichtet, der Klägerin deren Parteikosten in
der Höhe von Fr. 5'275.10 zu ersetzen.

C.
Mit Berufung vom 16. Februar 2003 beantragt der Beklagte dem Bundesgericht,
das Urteil des Obergerichtes des Kantons Aargau vom 15. Dezember 2003 sei
aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen;
eventuell sei die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung sei abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei.
Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

D.
Eine gleichzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde wurde mit Urteil vom
heutigen Tag abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im kantonalen Verfahren hat die Klägerin den ausstehenden Mietzins in der
Höhe von Fr. 12'000.-- eingeklagt. Dagegen hat der Beklagte zwei
Gegenforderungen vorgebracht und diese zur Verrechnung gestellt. Einerseits
hat er einen Mietzinsherabsetzungsanspruch wegen Mängeln geltend gemacht.
Diesbezüglich hat das Bezirksgerichtspräsidium erkannt, dass eine Reduktion
für die Zeit vom 29. August 2000 bis zur Beendigung des Mietverhältnisses am
31. Januar 2001 im Umfang von insgesamt Fr. 1'800.-- ausgewiesen sei. Die vom
Beklagte im kantonalen Appellationsverfahren dagegen erhobenen Beanstandungen
hielt des Obergericht für unbegründet, und die von der ersten Instanz
angeordnete Herabsetzung um Fr. 1'800.-- wurde geschützt, da die
Mietzinsherabsetzung in diesem Umfang seitens der Klägerin in der
Anschlussappellation nicht in Frage gestellt worden war. Im Verfahren vor
Bundesgericht ist der Mietzinsherabsetzungsanspruch nicht mehr umstritten.
Andrerseits hat der Beklagte im kantonalen Verfahren einen Gegenanspruch auf
Rückerstattung der im Zusammenhang mit dem Kaufvorvertrag vom 20. November
1997 geleisteten Anzahlung von Fr. 15'000.-- geltend gemacht. Im
erstinstanzlichen Verfahren wurde als Anspruchsgrundlage für die
Rückerstattung Täuschung, Grundlagenirrtum und positive Vertragsverletzung
geltend gemacht. Im kantonalen Appellationsverfahren war nur noch umstritten,
ob der Beklagte von der Klägerin getäuscht worden war.

2.
Auch im Verfahren vor Bundesgericht ist nur noch die Frage des Vorliegens
einer Täuschung umstritten. Vorweg ist dazu festzuhalten, dass eine Täuschung
im Sinn von Art. 28 OR in der Regel durch Vorspiegelung falscher Tatsachen
erfolgt. Im vorliegenden Fall wird die Täuschung indessen aus einer
Verschweigung von Tatsachen hergeleitet. Nach der Rechtsprechung stellt eine
Tatsachenverschweigung nur dann eine Täuschung dar, wenn eine
Aufklärungspflicht besteht (BGE 116 II 431 E. 3a S. 434). Eine solche
Aufklärungspflicht setzt unter anderem voraus, dass die betreffende Person
selbst Kenntnis vom betreffenden Umstand hat bzw. haben musste.

2.1 Im Zusammenhang mit dem Kenntnisstand der Klägerin im Zeitpunkt des
Abschlusses des Kaufvorvertrages hat sich der Beklagte im erstinstanzlichen
Verfahren darauf beschränkt zu behaupten, dass die Klägerin die Liegenschaft
selber erstellt und demnach die behaupteten baulichen Mängel gekannt habe.
Dazu hat das Gerichtspräsidium ausgeführt, aus der Tatsache, dass die
Klägerin die Baute selbst erstellt habe, könne der Beklagte nicht ableiten,
dass diese die Mängel gekannt habe. Im kantonalen Appellationsverfahren hat
der Beklagte zunächst seine Behauptung wiederholt, der Klägerin seien die
Mängel von allem Anfang an bekannt gewesen, weil sie die Baute selbst
erstellt habe. Zusätzlich hat der Beklagte im Verfahren vor Obergericht neu
ausgeführt, dass es bereits vor dem Abschluss des Vorvertrages wegen
Feuchtigkeit zu Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin sowie anderen
Mietern und Stockwerkeigentümern gekommen sei, weshalb erwiesen sei, dass die
Klägerin den Konstruktionsmangel im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gekannt
habe. Dazu hat das Obergericht unter Hinweis auf § 321 Abs. 1 ZPO/AG
ausgeführt, bei der erstmals im Appellationsverfahren vorgetragenen
Behauptung, die Klägerin habe aufgrund der Auseinandersetzung mit anderen
Mietern und Stockwerkeigentümern Kenntnis von den Feuchtigkeitsproblemen in
der Wohnung des Beklagten gehabt, handle es sich um ein unzulässiges Novum,
welches nicht gehört werden könne.

2.2 In diesem Zusammenhang macht der Beklagte zunächst geltend, die
Auffassung der Vorinstanz, bei der umstrittenen Behauptung, die Klägerin habe
aufgrund der Auseinandersetzung mit anderen Mietern und Stockwerkeigentümern
bereits beim Abschluss des Kaufvorvertrages Kenntnis von den
Feuchtigkeitsproblemen in der Wohnung des Beklagten gehabt, handle es sich um
ein unzulässiges Novum, "gehe an der Sache vorbei". Diesbezüglich ist auf die
Berufung nicht einzutreten. Die Frage, ob eine im kantonalen Verfahren
erhobene Behauptung aus novenrechtlichen Gründen unzulässig ist, richtet sich
nach kantonalem Prozessrecht. Mit der Berufung kann aber nur die Verletzung
von Bundesrecht gerügt werden; die Rüge der Verletzung von kantonalem
(Prozess-)Recht kann nicht Gegenstand einer Berufung sein (Art. 43 Abs. 2
OG). In diesem Zusammenhang verfängt insbesondere auch der Hinweis des
Beklagten auf Art. 51 Abs. 1 lit. c OG nicht. Die Kritik des Beklagten
betrifft nicht die Abfassung des Entscheides, bezüglich welcher Art. 51 OG
bundesrechtliche Mindestanforderungen aufstellt, sondern die
Nichtberücksichtigung von Tatsachenbehauptungen, die nach Auffassung der
Vorinstanz verspätet erhoben worden sind. Diese Frage, die kantonalem Recht
untersteht, kann wie erwähnt nicht Gegenstand einer Berufung sein.

2.3 War die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe aufgrund von
Auseinandersetzungen mit anderen Mietern und Stockwerkeigentümern bereits im
Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvorvertrages Kenntnis von den Baumängeln
gehabt, nach den im Berufungsverfahren nicht zu überprüfenden Bestimmungen
des kantonalen Prozessrechts ein unzulässiges Novum, so war über diese
Behauptung auch kein Beweis abzunehmen. Soweit der Beklagte diesbezüglich
eine Verletzung seines Anspruchs auf Beweisführung und damit eine Verletzung
von Art. 8 ZGB rügt, erweist sich die Berufung von vornherein als
unbegründet. Im Übrigen verfängt auch diesbezüglich die Rüge der Verletzung
von Art. 51 Abs. 1 lit. c OG nicht, weil damit nicht die Abfassung des
angefochtenen Entscheides, sondern die Nichtberücksichtigung von verspäteten
Tatsachenbehauptungen gerügt wird. Dafür steht die Berufung wie erwähnt nicht
zur Verfügung.

2.4 Weiter wirft der Beklagte dem Obergericht eine Verletzung von Art. 8 ZGB
vor, weil im angefochtenen Entscheid übersehen worden sei, dass er - genau
gleich wie im erstinstanzlichen Verfahren - auch im kantonalen
Appellationsverfahren geltend gemacht habe, die Kenntnis der Klägerin
bezüglich der Mängel im Zeitpunkt des Abschlusses des Vorvertrages ergebe
sich auch daraus, dass sie die Baute selbst erstellt habe. Diesbezüglich sei
seinem Antrag, ein Gutachten einzuholen, seitens des Obergerichtes zu Unrecht
nicht entsprochen worden. Diesem Beweisantrag hätte aber entsprochen werden
müssen, weil das beantragte Gutachten hätte Aufschluss darüber geben können,
dass "die Mängel der fraglichen Wohnung von einer Art [gewesen seien], die
dem Erbauer als professionellem Bauunternehmer unmöglich habe verborgen"
bleiben können. Dazu ist zu bemerken, dass der Beklagte weder im
erstinstanzlichen Verfahren noch vor Obergericht geltend gemacht hat, mit dem
Beweisantrag sei abzuklären, ob die Mängel im konkreten Fall ein derartiges
Ausmass angenommen hätten, dass sie der Bauherrschaft spätestens bei der
Fertigstellung zur Kenntnis gelangt seien. Da es der Beklagte unterlassen
hatte, den genauen Zweck des beantragten Gutachtens zu nennen, bestand für
das Obergericht kein Anlass, eine Expertise anzuordnen, da erstmals im
vorliegenden Verfahren geltend gemacht wird, welche rechtserheblichen
Tatsachen - Tragweite der Mängel, die von der Bauherrschaft spätestens bei
der Fertigstellung der Baute hätte bemerkt werden müssen - mit dem Gutachten
hätten bewiesen werden sollen. Hinzu kommt, dass der Beklagte im kantonalen
Appellationsverfahren nicht substantiiert gerügt hat (vgl. § 323 Abs. 2
ZPO/AG), das Gerichtspräsidium habe zu Unrecht kein Gutachten eingeholt.
Vielmehr hat er sich damit begnügt, die bereits vor erster Instanz
aufgestellten Behauptungen und Beweisanträge zu wiederholen. Das Obergericht
durfte sich daher darauf beschränken, die vorinstanzliche Begründung als
"zutreffend" zu bezeichnen, und es bestand kein Anlass, im Einzelnen darauf
einzugehen, weshalb kein Gutachten einzuholen sei. Aus diesen Gründen erweist
sich die Kritik am angefochtenen Entscheid, es sei zu Unrecht kein Gutachten
eingeholt und damit Art. 8 ZGB verletzt worden, als unbegründet. Desgleichen
ist auch in diesem Zusammenhang der Vorwurf der Verletzung von Art. 51 Abs. 1
lit. c OG unbegründet. Wie erwähnt betrifft die Kritik des Beklagten nicht
die Abfassung des Entscheides, bezüglich welcher Art. 51 OG bundesrechtliche
Mindestanforderungen aufstellt, sondern die Frage, ob der durch Art. 8 ZGB
gewährleistete Anspruch auf Beweis verletzt worden ist.

3.
Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass die Berufung abzuweisen ist,
soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird
der Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art.
159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.

3.
Der Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Mai 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: