Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.62/2004
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4C.62/2004 /lma

Urteil vom 5. Mai 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Arroyo.

A. ________ AG (vormals: B.________ AG),
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs
Hess-Odoni,

gegen

E.________,
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Anton
Egli.

Werkvertrag; Sacheinlagevertrag; Aktivlegitimation,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Obwalden als
Appellationsinstanz in Zivilsachen vom 31. Dezember 2003.

Sachverhalt:

A.
E. ________ (Beklagter) und F.________ trafen am 29. Mai 1998 im Zusammenhang
mit einem Wohnungskauf folgende Vereinbarung:
"Hiermit bestätigt die Bauherrschaft, dass die Firma B.________ AG, [...] im
Zusammenhang mit dem Wohnungskauf von F.________, Wohnung Nr. [...], in oben
erwähnter Überbauung Gipserarbeiten ausführen kann. Die Gipserarbeiten werden
zu einem mittleren Konkurrenzpreis der übrigen Mitbewerber, zwischen dem 1.
bis 3. Unternehmer vergeben. Das Arbeitsvolumen beträgt mindestens 1 bis 2
Häuser von der Gesamtüberbauung. Die Arbeiten können von der Bauherrschaft
auch in Etappen vergeben werden."
In der Folge führte die B.________ AG in einem Haus Gipserarbeiten aus. Mit
Schreiben vom 5. Februar 2000 berief sich die B.________ AG auf die
Vereinbarung vom Mai 1998 und verlangte, dass der Beklagte sie, wie
vereinbart, bei der nächsten Arbeitsvergabe kontaktiere. Zu einer weiteren
Arbeitsvergabe an die B.________ AG kam es jedoch nicht.

Am 28. Juni 2002 wurde die B.________ AG in 'A.________ AG' (Klägerin)
umfirmiert. Am gleichen Tag gründeten die Klägerin, D.________ und G.________
eine Aktiengesellschaft unter der Firma 'C.________ AG'. Ebenfalls am 28.
Juni 2002 schlossen die Klägerin als Sacheinlegerin und die C.________ AG
einen Sacheinlagevertrag, dessen erste Ziffer wie folgt lautet:
"I. Sacheinlage
Die Sacheinlegerin überträgt der in Gründung begriffenen C.________ AG
Aktiven von Fr. 466'732.02 und Passiven von Fr. 116'433.23 laut Bilanz vom 1.
Januar 2002. Diese Bilanz wird zum Bestandteil dieses Vertrages erklärt und
von den Parteien mitunterzeichnet. Die Sacheinlegerin überträgt der
Gesellschaft alle Rechte und Forderungen aus bestehenden Rechtsverhältnissen.
Die in Gründung begriffene C.________ AG übernimmt die Schuldpflicht zur
Verzinsung und Abzahlung für alle in der Bilanz enthaltenen Passiven,
künftige Haftpflichtansprüche und Pflichten aus bestehenden Verträgen, usw.,
unter vollständiger Entlastung der Sacheinlegerin.

Die in der Übernahmebilanz per 1. Januar 2002 nicht aufgeführten Aktiven und
Passiven verbleiben bei der A.________ AG (vergleiche Bilanz per 31. Dezember
2002 [recte 2001] - Bilanz vom 1. Januar 2002)."

B.
Vor Abschluss des Sacheinlagevertrages hatte die B.________ AG am 26. April
2002 beim Kantonsgericht Obwalden Klage eingereicht. Sie beantragte, der
Beklagte sei zu verpflichten, den am 29. Mai 1998 abgeschlossenen Vorvertrag
zum Abschluss eines Hauptvertrages zu erfüllen; weiter sei der Beklagte
aufgrund der Nichterfüllung des Vorvertrages zur Leistung von Schadenersatz
nach Art. 377 OR zu verurteilen; zudem sei er zur Zahlung von Fr. 80'000.--
nebst 5 % Zins seit 28. Juni 2000 zu verpflichten. In der Begründung machte
die B.________ AG im Wesentlichen geltend, der Beklagte habe ihr
vereinbarungswidrig nur in untergeordnetem Masse Gipserarbeiten übertragen.

Nach Abschluss des Schriftenwechsels reichte die B.________ AG - auf
Verlangen des Kantonsgerichtspräsidenten - einen aktuellen
Handelsregisterauszug nach. Gestützt auf diesen Auszug teilte der
Gerichtspräsident der B.________ AG mit, dass sie erst am 3. Juli 2002
eingetragen worden sei, unter dieser Firma aber bereits am 26. April 2002
Klage erhoben habe. In ihrer Stellungnahme machte die B.________ AG geltend,
dass sie am 28. Juni 2002 in A.________ AG (Klägerin) umfirmiert worden sei;
es handle sich dabei bloss um eine Namensänderung; das Gericht habe daher
nichts Anderes zu tun, als diese Änderung im Prozess anzumerken. Der Beklagte
hielt demgegenüber dafür, dass am 28. Juni 2002 nach der erwähnten
Umfirmierung ausserdem eine neue Unternehmung unter der Firma 'C.________ AG'
gegründet worden sei; dabei seien alle Rechte aus bestehenden
Rechtsverhältnissen der Klägerin auf diese neue Unternehmung übergegangen;
folglich sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert.

Mit Urteil vom 18. Dezember 2002 wies das Kantonsgericht die Klage der
A.________ AG im Wesentlichen mit folgender Begründung ab: Aus dem
Sacheinlagevertrag gehe hervor, dass die Sacheinlegerin (Klägerin) der
C.________ AG alle Rechte und Forderungen aus bestehenden Rechtsverhältnissen
übertragen habe; die Klägerin habe die Forderung gegenüber E.________ an die
C.________ AG abgetreten, weshalb sie nicht aktivlegitimiert sei.

Die dagegen erhobene Appellation wies das Obergericht des Kantons Obwalden am
31. Dezember 2003 ab. Das Gericht kam zum Schluss, die von der Klägerin
gegenüber dem Beklagten geltend gemachte Forderung sei durch den
Sacheinlagevertrag auf die C.________ AG übergegangen. Der Klägerin fehle
somit die Aktivlegitimation.

C.
Die Klägerin beantragt mit eidgenössischer Berufung, es sei das angefochtene
Urteil aufzuheben und festzustellen, dass sie aktivlegitimiert sei; ausserdem
sei die Sache zur Weiterbehandlung und materiellen Gutheissung der Klage an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe in bundesrechtswidriger Weise ihre
Aktivlegitimation verneint, indem sie den vertraglichen Übergang der
umstrittenen Forderung auf die C.________ AG bejaht habe. Die Vorinstanz ist
von einem zutreffenden Begriff der Aktivlegitimation ausgegangen. Steht eine
Forderung einer Partei nicht (mehr) zu, ist sie nicht aktivlegitimiert. Die
Aktivlegitimation der Klägerin hängt somit einzig davon ab, ob die
umstrittene Forderung in Höhe von Fr. 80'000.-- aufgrund des
Sacheinlagevertrags bei der Klägerin verblieben ist oder ob sie, wie die
Vorinstanz schloss, auf die C.________ AG übertragen wurde.

2.
Die Klägerin macht geltend, die Vorinstanz habe bei der Auslegung des
Sacheinlagevertrages das aus Art. 2 ZGB folgende Vertrauensprinzip unrichtig
angewandt.

2.1 Nach Ziffer I des Sacheinlagevertrages überträgt die Klägerin als
Sacheinlegerin der C.________ AG alle Rechte und Forderungen aus bestehenden
Rechtsverhältnissen. Die Vorinstanz erwog, im Vertrag werde vorab
festgehalten, welche Aktiven - also auch welche eingebuchten Forderungen -
auf die neue Gesellschaft übergingen. Die Vertragsklausel, wonach die
Sacheinlegerin der Gesellschaft alle Rechte und Forderungen aus bestehenden
Rechtsverhältnissen überträgt, sei deshalb als Auffangklausel für diejenigen
Forderungen anzusehen, die unter den Aktiven nicht bilanziert worden seien.
Nach den vorinstanzlichen Erwägungen durfte und musste die Klausel von beiden
Parteien in diesem Sinn verstanden werden. Die gegenteilige Auffassung der
Klägerin, wonach nur die aktivierten Forderungen übertragen worden seien,
könne der Klausel nicht entnommen werden. Die Vorinstanz führte aus, die
geschilderte Vertragsauslegung folge auch aus dem zweiten Absatz der Klausel,
wonach "die in der Übernahmebilanz per 1. Januar 2002 nicht aufgeführten
Aktiven und Passiven bei der Klägerin verbleiben (vergleiche Bilanz per 31.
Dezember 2001 - Bilanz per 1. Januar 2002)". Nach dieser Vertragsbestimmung
seien nur diejenigen Aktiven nicht übertragen worden, die zwar in die Bilanz
vom 31. Dezember 2001, nicht aber in die Übernahmebilanz vom 1. Januar 2002
Eingang gefunden hätten. Ein Vergleich dieser Bilanzen ergebe, dass von allen
Forderungen einzig das "Darlehen X.________" nicht von der neuen Gesellschaft
übernommen worden sei. Somit könne nicht davon ausgegangen werden, dass
andere Forderungen bei der Klägerin verblieben seien. Weil die umstrittene
Forderung von der Klägerin auf die C.________ AG übertragen worden sei, könne
im Übrigen die Frage offen bleiben, ob sie in die Bilanz vom 1. Januar 2002
aufgenommen worden sei.

2.2 Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Auslegung
privater Willenserklärungen ist in erster Linie das übereinstimmende
tatsächliche Verständnis der Parteien massgebend. Lässt sich ein subjektiv
übereinstimmender Parteiwille nicht feststellen, ist die Erklärung
objektiviert zu interpretieren, d.h. so wie sie vom jeweiligen Empfänger nach
Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste (BGE 130 III 66 E. 3.2
mit Verweisen). Während nach konstanter Praxis der tatsächliche Parteiwille
beweisfähige Tatfrage bildet, kann der objektivierte Bedeutungsgehalt als
Rechtsfrage beurteilt werden und ist somit im Rahmen der Berufung frei zu
prüfen (BGE 128 III 419 E. 2.2).

Da die Vorinstanz keinen übereinstimmenden tatsächlichen Parteiwillen
festgestellt hat, ist zu prüfen, ob sie in bundesrechtskonformer Weise den
mutmasslichen Parteiwillen zum Sinngehalt von Ziffer I des
Sacheinlagevertrages ermittelt hat. Aus dieser Klausel wird zunächst
ersichtlich, dass die Klägerin der C.________ AG Aktiven in Höhe von Fr.
466'732.02 gemäss Bilanz vom 1. Januar überträgt (1. Abs., 1. Satz). Weiter
wird vereinbart, dass die Klägerin der genannten Gesellschaft alle
Forderungen aus bestehenden Rechtsverhältnissen überträgt (1. Abs., 3. Satz).
Daraus geht der Wille hervor, sämtliche - d.h. auch die nicht unter den
Aktiven in Höhe von Fr. 466'732.02 bilanzierten - Forderungen zu übertragen.
Die Auffassung der Klägerin, wonach die Parteien nur ganz bestimmte Aktiven
in einer genau begrenzten Höhe übernommen hätten, ist aus dieser Klausel -
wie die Vorinstanz zu Recht festhielt - nicht ersichtlich.
Wollte man der Ansicht der Klägerin folgen, käme dem 3. Satz zudem keinerlei
(selbständige) Bedeutung zu. Denn würde dieser Satz einzig die Bestätigung
des ersten Satzes bezwecken, wäre er überflüssig. Bei der objektivierten
Vertragsauslegung ist als Vertragswille anzusehen, was vernünftige Parteien
durch die Verwendung der fraglichen Worte ausgedrückt und folglich gewollt
haben würden (Gauch/Schluep/Schmid/ Rey, Schweizerisches Obligationenrecht
Allgemeiner Teil, Bd. I, 8. Aufl. 2003, N 1201, 1235; BGE 129 III 118 E.
2.5). Deshalb ist davon auszugehen, dass die Parteien keine überflüssigen
bzw. bedeutungslosen Abreden treffen wollten (BGE 110 II 141 E. 2b; vgl. auch
BGE 122 III 420 E. 3a). Der Ansicht der Klägerin, wonach nur die aktivierten
Forderungen vertraglich übertragen wurden, kann nicht gefolgt werden.
Aus Absatz 2 von Ziffer 1 des Sacheinlagevertrages lässt sich nichts zu
Gunsten der Klägerin ableiten. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2 OG) ergibt ein Vergleich der
beiden Bilanzen vom 31. Dezember 2001 und 1. Januar 2002, dass die C.________
AG von allen Forderungen einzig das vorliegend unbeachtliche "Darlehen
X.________" nicht übernahm; den Bilanzen könne nicht entnommen werden, dass
andere Forderungen bei der Klägerin verblieben seien. Selbst wenn also mit
der Klägerin anzunehmen wäre, dass die umstrittene Forderung nicht in der
Übernahmebilanz vom 1. Januar 2002 erscheint - was die Vorinstanz offen liess
-, folgt daraus keineswegs, dass die Forderung nicht übertragen wurde. Der
Vergleich der beiden Bilanzen stützt im Gegenteil das vorinstanzliche
Auslegungsergebnis, wonach nicht nur die bilanzierten, sondern sämtliche
Forderungen aus bestehenden Rechtsverhältnissen übertragen wurden.
Der Schluss der Vorinstanz, die Klägerin habe durch den Sacheinlagevertrag
die umstrittene Forderung auf die C.________ AG übertragen und damit ihre
Aktivlegitimation verloren, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

3.
Die Klägerin rügt weiter, die Vorinstanz hätte die Beweislastregel von Art. 8
ZGB zur Anwendung bringen und gegen den Beklagten entscheiden müssen; denn
dieser habe mit seinen gegenteiligen Schutzbehauptungen eine für ihn günstige
Rechtsfolge bewirken wollen. Soweit überhaupt ersichtlich ist, worauf die
Klägerin mit diesen Vorbringen hinaus will, verkennt sie die Tragweite von
Art. 8 ZGB. Diese Bestimmung regelt im Bereich des Bundesprivatrechts
zunächst die Verteilung der Beweislast und verleiht darüber hinaus der
beweisbelasteten Partei das Recht, zu dem ihr obliegenden Beweis zugelassen
zu werden. Indessen schreibt sie dem Sachgericht nicht vor, mit welchen
Mitteln der Sachverhalt abzuklären ist oder wie die Beweise zu würdigen sind.
Die Schlüsse, die das kantonale Gericht in tatsächlicher Hinsicht aus
Beweisen und konkreten Umständen zieht, sind im Berufungsverfahren nicht
überprüfbar (BGE 122 III 219 E. 3c). Auf die Berufung ist somit nicht
einzutreten, soweit die Klägerin Kritik an der vorinstanzlichen
Beweiswürdigung übt (BGE 127 III 73 E. 6a). Die Vorinstanz ist in Würdigung
der Beweise zu einem Beweisergebnis gelangt und hat nicht auf Beweislosigkeit
geschlossen. In einem solchen Fall ist die Beweislastverteilung
gegenstandslos, was einen Verstoss gegen Art. 8 ZGB ausschliesst (BGE 114 II
289 E. 2a).

4.
Nach dem Ausgeführten hat die Vorinstanz die Aktivlegitimation der Klägerin
zu Recht verneint, womit die Berufung abzuweisen ist. Diesem
Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Klägerin zu
auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat dem anwaltlich vertretenen Beklagten
überdies die Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu ersetzen
(Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Die Klägerin hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Obwalden als
Appellationsinstanz in Zivilsachen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Mai 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: