Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.48/2004
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4C.48/2004 /bie

Urteil vom 27. Mai 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Arroyo.

1. X.________ Ltd.

2. Y.________ S.A.
Klägerinnen und Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Dr. Felix H. Thomann
und Dr. Oscar Olano, Advokaten,

gegen

Z.________ AG,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Dr. Werner Stieger und/oder
Dr. Fritz Blumer, Rechtsanwälte,

Art. 68 ff. OG (Patentrecht; vorsorgliche Massnahmen;

örtliche Zuständigkeit),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss
des Kantonsgerichtspräsidiums des Kantons
Basel-Landschaft vom 29. August 2003 und den Beschluss des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 11. November 2003.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Mit Beschluss vom 29. August 2003 trat der Präsident des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, auf ein Gesuch der
X.________ Ldt., Kanada (Beschwerdeführerin 1) und der Y.________ S.A.,
Luxemburg (Beschwerdeführerin 2) nicht ein. Er verneinte die örtliche
Zuständigkeit zum Erlass der beantragten vorsorglichen Verfügung gegen die
Z.________ AG in A.________ (Beschwerdegegnerin). Die Beschwerdeführerinnen
hatten vorsorgliche Massnahmen beantragt mit der Begründung, die
Beschwerdegegnerin verletze ihr schweizerisches Patent Nr. 123456 zum Kühlen
von in Hitze oder Wärme geformten Gegenständen.

1.2 Mit Beschluss vom 11. November 2003 trat das Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Dreierkammer der Abteilung Zivil- und Strafrecht, auf das
kantonale Rechtsmittel der Beschwerdeführerinnen nicht ein. Das Gericht
führte zur Begründung aus, in einem Entscheid vom 27. November 1979 sei eine
Beschwerdemöglichkeit unter Hinweis auf § 233 der Zivilprozessordnung des
Kantons Basel-Landschaft (ZPO BL) und auf die Möglichkeit des Weiterzugs von
Präsidialentscheiden über die unentgeltliche Rechtspflege bejaht worden.
Dieser Entscheid sei jedoch in der Literatur auf Kritik gestossen. Das
Gericht schloss sich der kritischen Lehrmeinung an.

1.3 Mit zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde vom 30. Dezember 2003 stellen
die Beschwerdeführerinnen folgende Rechtsbegehren:
1.Es sei der Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 11. November
2003 aufzuheben und es sei die Zuständigkeit des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft zu bejahen.

2. Es sei der Beschluss des Präsidiums des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 29. August 2003 aufzuheben, und es sei das Präsidium des Kantonsgerichts
für zuständig zu erklären.
Die Beschwerdeführerinnen berufen sich auf Art. 68 Abs. 1 lit. e OG und
rügen, die angefochtenen Beschlüsse seien in qualifiziert unrichtiger
Anwendung von § 233 ZPO BL ergangen und verletzten Art. 2 Abs. 3 PVÜ (SR
0.232.04) sowie Art. 3 Abs. 1 TRIPs-Abkommen (SR 0.632.20).

1.4 Das Kantonsgericht Basel-Landschaft beantragt ebenso wie die
Beschwerdegegnerin die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.

2.
Gemäss Art. 68 Abs. 1 OG ist in Zivilsachen, die nicht nach den Artikeln
44-46 der Berufung unterliegen, gegen letztinstanzliche Entscheide kantonaler
Behörden Nichtigkeitsbeschwerde zulässig, wenn statt des massgebenden
eidgenössischen Rechts kantonales (lit. a) oder ausländisches Recht
angewendet worden ist oder umgekehrt (lit. b) oder wenn nicht das
ausländische Recht angewendet worden ist, wie es das schweizerische
internationale Privatrecht vorschreibt (lit. c) oder wenn das nach
schweizerischem internationalem Privatrecht anwendbare ausländische Recht
nicht oder nicht genügend sorgfältig ermittelt worden ist (lit. d) oder wegen
Verletzung von Vorschriften des eidgenössischen Rechtes, mit Einschluss der
durch den Bund abgeschlossenen Staatsverträge über die sachliche, die
örtliche oder die internationale Zuständigkeit der Behörden (lit. e). Nach
Art. 69 Abs. 1 OG ist die Beschwerde innert 30 Tagen, von der nach kantonalem
Recht massgebenden Eröffnung des Entscheides an gerechnet, bei der Behörde
einzulegen, die den Entscheid gefällt hat. Diese Frist wird weder durch die
Einlegung eines ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels verlängert noch
durch eine Verfügung, die ihm aufschiebende Wirkung verleiht.

2.1 Die Beschwerdeführerinnen haben den Beschluss des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft vom 11. November 2003, der ihnen am 18. November 2003
zugestellt wurde, unter Berücksichtigung der Gerichtsferien gemäss Art. 34
Abs. 1 lit. c OG fristgerecht angefochten. Mit diesem Beschluss ist das
Kantonsgericht auf die kantonale Beschwerde nicht eingetreten. Die
Beschwerdeführerinnen beantragen, es sei dieser Beschluss aufzuheben und die
Zuständigkeit des Kantonsgerichts zu bejahen. Sie rügen dabei nicht, das
Kantonsgericht habe mit der Verweigerung der Anhandnahme des kantonalen
Rechtsmittels bundesrechtliche Zuständigkeitsvorschriften missachtet oder im
Sinne von Art. 68 Abs. 1 lit. a bis d OG gegen eidgenössisches Recht
verstossen. Sie rügen vielmehr eine Verletzung von § 233 ZPO BL und damit
eine Verletzung kantonalen Rechts. Dazu steht das Rechtsmittel der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Verfügung. Da die
Beschwerdeführerinnen keine nach Art. 68 Abs. 1 OG zulässigen Rügen erheben,
ist auf die Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft nicht einzutreten.

2.2 Die Beschwerdeführerinnen beantragen, der Beschluss des Präsidiums des
Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 29. August 2003 sei aufzuheben und es
sei das Präsidium des Kantonsgerichts für zuständig zu erklären. Sie rügen,
mit der Verneinung der örtlichen Zuständigkeit habe der Gerichtspräsident
Zuständigkeitsvorschriften im Sinne von Art. 68 Abs. 1 lit. e OG verletzt.

2.2.1 Der Beschluss des Kantonsgerichtspräsidiums wurde den
Beschwerdeführerinnen nach den Feststellungen im Beschluss des
Kantonsgerichts vom 11. November 2003 am 3. September 2003 zugestellt. Die
30-tägige Beschwerdefrist (Art. 69 Abs. 1 OG) endete am 3. Oktober 2003. Die
Beschwerde vom 30. Dezember 2003 ist verspätet, was die Beschwerdeführerinnen
nicht in Abrede stellen. Sie halten jedoch dafür, sie könnten den früheren
Beschluss des Kantonsgerichtspräsidiums im Rahmen der Beschwerde gegen den
Beschluss des Kantonsgerichts mitanfechten.

2.2.2 Die Rechtsprechung zur Mitanfechtung unterinstanzlicher Entscheide bei
eingeschränkter Kognition der oberen Instanz findet entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerinnen keine Anwendung, wenn eine obere Instanz die
Angelegenheit materiell überhaupt nicht behandelt hat (BGE 109 Ia 248 E. 1,
bestätigt im Urteil 2P.101/1996 vom 8. Oktober 1996 E. 1b). Wenn eine
kantonale Behörde auf ein Rechtsmittel nicht eintritt, kommt als
Rechtsgrundlage für eine Erstreckung der Beschwerdefrist gegen den
unterinstanzlichen Entscheid einzig Art. 35 Abs. 1 OG in Frage (BGE 111 Ia
355/357 mit Verweisen). Nach dieser Bestimmung kann Wiederherstellung gegen
die Folgen der Versäumung einer Frist nur dann erteilt werden, wenn der
Gesuchsteller oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis
abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln, und wenn er binnen zehn
Tagen nach Wegfall des Hindernisses die Wiederherstellung verlangt und die
versäumte Rechtshandlung nachholt. Dass dem Beschwerdeführer dadurch die
Beschwerdefrist praktisch auf 10 Tage verkürzt wird, liegt in der Ordnung der
Wiederherstellung begründet, wie sie in Art. 35 OG ausgestaltet ist (BGE 111
Ia 357 f.).
2.2.3 Das Kantonsgericht ist auf das Rechtsmittel der Beschwerdeführerinnen
nicht eingetreten und hat sich zur Überprüfung des Beschlusses des
Kantonsgerichtspräsidiums als nicht zuständig erachtet. Der
Nichteintretensentscheid des Kantonsgerichts wurde den Beschwerdeführerinnen
am 18. November 2003 zugestellt; mit dessen möglicher Kenntnisnahme entfiel
das von den Beschwerdeführerinnen angeführte Hindernis der unerwarteten
Änderung der Praxis des Kantonsgerichts. Die 10-tägige Frist gemäss Art. 35
Abs. 1 OG endete am 28. November 2003. Die Rechtshandlung vom 30. Dezember
2003 ist verspätet, weshalb offen bleiben kann, ob die Voraussetzungen der
Wiederherstellung im Übrigen erfüllt wären. Da die Frist für die
Wiederherstellung nach Art. 35 Abs. 1 OG nicht eingehalten ist, ist auf die
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichtspräsidiums nicht
einzutreten.

3.
Auf die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht einzutreten. Diesem
Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr den
Beschwerdeführerinnen zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie haben der
anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin überdies die Parteikosten für das
bundesgerichtliche Verfahren zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird den Beschwerdeführerinnen unter
solidarischer Haftbarkeit (intern je zur Hälfte) auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerinnen haben die Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit (intern je zur
Hälfte) mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgerichtspräsidium des Kantons
Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil-
und Strafrecht, Dreierkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Mai 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts:

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: