Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.423/2004
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2004
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2004


4C.423/2004 /ast

Urteil vom 14. April 2005

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
Ersatzrichter Geiser,
Gerichtsschreiber Huguenin.

X. ________,
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, 5401 Baden,
Kläger und Berufungskläger,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger,

gegen

A.________ AG, Obergasse 7, 8854 Galgenen,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Guido
Schmidhäusler.

Arbeitsvertrag; fristlose Kündigung,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, vom 31. August 2004.

Sachverhalt:

A.
Mit Arbeitsvertrag vom 20. April 2000 stellte die A.________ AG X.________
als Vertriebsdirektor an. Nachdem der Arbeitnehmer die Stelle
vereinbarungsgemäss am 15. Mai 2000 angetreten hatte, fertigten die Parteien
am 19. Juni 2000 einen detaillierten Arbeitsvertrag aus. Dieser sah
insbesondere Folgendes vor:

"Probezeit:   3 Monate (bis Ende August 2000)
Kündigungsfrist:   ab 1. September 2000 6 Monate"

Am 17. August 2000 kündigte die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag auf den 24.
August 2000, stellte den Arbeitnehmer vom 21. August 2000 an frei und
forderte ihn auf, am 24. August 2000 zur Übergabe sämtlicher Unterlagen bei
ihr zu erscheinen.

Mit Schreiben vom 21. August 2000 teilte der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin
mit, dass ihm die Kündigung nach Ablauf der Probezeit zugegangen sei und das
Arbeitsverhältnis deshalb erst auf den 28. Februar 2001 aufgelöst werden
könne. Trotz sofortiger Freistellung stünden ihm grundsätzlich sämtliche
Lohnansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu. Nachdem die
Arbeitgeberin zuerst an der Kündigung auf den 24. August 2000 festgehalten
hatte, forderte sie den Arbeitnehmer am 5. September 2000 schriftlich auf,
die Arbeit am übernächsten Tag wieder aufzunehmen, und verwies für den
Säumnisfall auf Art. 337d OR. Als der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erschien,
sprach die Arbeitgeberin am 8. September 2000 die fristlose Kündigung aus.

X. ________, der nach der fristlosen Kündigung arbeitslos war, erhielt von
der öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau im September 2000 Fr.
525.10, im Oktober 2000 Fr. 5'776.10, im November 2000 Fr. 5'776.10 und im
Dezember 2000 Fr. 5'513.55 ausbezahlt.

B.
Am 19. Januar 2001 reichten X.________ und die Arbeitslosenkasse gegen die
A.________ AG Klage ein mit den Rechtsbegehren, die Beklagte zur Zahlung von
Fr. 95'543.-- brutto nebst 5 % Zins seit 8. September 2000 zu verpflichten
unter gleichzeitiger Verpflichtung von X.________ zur Herausgabe des
Geschäftsfahrzeugs. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und erhob
Widerklage auf Herausgabe des Geschäftsfahrzeugs und Zahlung von
Schadenersatz wegen Vorenthaltens des Fahrzeugs. Das Fahrzeug wurde im Laufe
des Verfahrens zurückgegeben.

Mit Urteil vom 2. Dezember 2002 verpflichtete der Einzelrichter des
Bezirksgerichts March die Beklagte zur Zahlung von Fr. 12'421.05 netto an den
Kläger 1 und von Fr. 525.10 netto an die Klägerin 2. Die Widerklage wurde
abgewiesen.

Auf Berufung der Kläger und Anschlussberufung der Beklagten verpflichtete das
Kantonsgericht Schwyz die Beklagte mit Urteil vom 31. August 2004 zur Zahlung
von Fr. 15'209.80 netto nebst 5 % Zins auf Fr. 2'463.70 seit 8. September
2000, auf Fr. 8'996.10 seit 1. Oktober 2000 und auf Fr. 3'750.-- seit 1.
Januar 2001 an den Kläger 1 sowie zur Weiterleitung der entsprechenden
Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an die zuständigen
Sozialversicherungskassen und zur Zahlung von Fr. 525.10 netto nebst 5 % Zins
seit 1. Oktober 2000 an die Klägerin 2.

C.
Die Kläger haben das Urteil des Kantonsgerichts mit staatsrechtlicher
Beschwerde und Berufung beim Bundesgericht angefochten. Die Beschwerde ist
mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen worden, soweit auf sie eingetreten
werden konnte. Mit der vorliegenden Berufung beantragen die Kläger, das
Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem
Kläger 1 Fr. 42'979.15 und der Klägerin 2 Fr. 34'965.85 netto, je nebst 5 %
Zins seit 8. September 2000 zu bezahlen sowie je die entsprechenden
Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an die zuständigen
Sozialversicherungskassen weiterzuleiten.

Die Beklagte schliesst in ihrer Berufungsantwort auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Vor Bundesgericht ist einzig noch die Frage streitig, ob für die am 17.
August 2000 ausgesprochene Kündigung die einmonatige Kündigungsfrist gemäss
der gesetzlichen Regel von Art. 335c Abs. 1 OR gilt, wie das Kantonsgericht
annimmt, oder die sechsmonatige Kündigungsfrist, wie sie vertraglich für die
Zeit ab 1. September 2000 vereinbart worden ist. Letzteres wird von den
Klägern in den Verfahren vor dem Bundesgericht vertreten. Nicht mehr streitig
ist dagegen, dass die am 8. September 2000 von der Beklagten ausgesprochene
fristlose Entlassung ungültig ist, weil kein wichtiger Grund im Sinne von
Art. 337 OR gegeben war.

1.1 Der Inhalt eines Vertrages bestimmt sich in erster Linie durch subjektive
Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen
(Art. 18 Abs. 1 OR). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung
unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die
Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie
sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen
verstanden werden durften und mussten. Während das Bundesgericht die
objektivierte Vertragsauslegung als Rechtsfrage prüfen kann, beruht die
subjektive Vertragsauslegung auf Beweiswürdigung, die vorbehaltlich der
Ausnahmen von Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG der bundesgerichtlichen
Überprüfung im Berufungsverfahren entzogen ist. Der Vorrang der subjektiven
vor der objektivierten Vertragsauslegung ergibt sich aus Art. 18 OR als
Auslegungsregel. Die Verletzung dieses Grundsatzes kann deshalb mit der
Berufung gerügt werden (BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123 mit Hinweisen).

1.2 Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass der Wille der
Parteien zwar klar, aber insoweit gesetzeswidrig ist, als vertraglich eine
mehr als drei Monate dauernde Probezeit vereinbart wurde. Es ist deshalb
danach zu fragen, ob die Parteien für diesen Fall einen subsidiären
Parteiwillen hatten oder ob an die Stelle des gewollten, aber nicht
zulässigen Vertragsinhaltes die subsidiäre gesetzliche Regelung tritt. Auch
diese Frage ist grundsätzlich nach dem Vertrauensprinzip zu beantworten,
indem der mutmassliche bzw. hypothetische Parteiwille ermittelt wird, sofern
nicht ein diesbezüglicher tatsächlicher Parteiwille nachgewiesen werden kann.

1.3 Das Kantonsgericht ist nach der geschilderten Methode vorgegangen. Dabei
ist es zum Ergebnis gelangt, dass die Parteien mutmasslich für die Zeit
zwischen Mitte und Ende August 2000 die gesetzliche Kündigungsfrist gewollt
haben und nicht die für die Zeit ab September vereinbarte längere Frist.
Dafür kann sich das Kantonsgericht auf die Überlegung stützen, dass die
Parteien bis Ende August offenbar eine sehr kurze Kündigungsfrist haben
wollten. Es ist folglich nicht anzunehmen, dass sie für den Fall, dass sich
die Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Kündigungsfrist von
einem Monat als rechtswidrig erweist, eine längere, nämlich die für die Zeit
nach August 2000 vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Monaten wollten. Diese
Überlegung entspricht auch der Wertung, die Art. 20 Abs. 2 OR zugrunde liegt.
Erweist sich eine vertragliche Vereinbarung nur teilweise als rechtlich
unzulässig, ist nur der entsprechende Teil des Vertrages nichtig, sofern
nicht anzunehmen ist, dass die Parteien den Vertrag ohne den nichtigen Teil
nicht geschlossen hätten. Es ist somit von einer blossen Teilnichtigkeit
auszugehen und der Vertrag ist in abgeänderter Form so nahe am Willen der
Parteien aufrecht zu erhalten wie möglich. Lehre und Rechtsprechung gehen
deshalb davon aus, dass eine von den Parteien für mehr als drei Monate
vereinbarte Probezeit auf das erlaubte Mass zu reduzieren ist (BGE 129 III
124 E. 3.1; Rehbinder, Berner Kommentar, N. 2 zu Art. 335b OR; Streiff/von
Kaenel, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. Aufl., Zürich 1992, N. 5 zu
Art. 335b OR; Brühwiler, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., Bern
1996, N. 5a zu Art. 335b OR).

Wenn die Parteien für die Zeit bis Ende August 2000 eine möglichst kurze
Kündigungsfrist wollten und sich die von ihnen vereinbarte als unzulässig
erweist, liegt es auf der Hand, die etwas längere gesetzliche anzuwenden und
nicht die noch längere, die für die Zeit danach vereinbart worden ist. Der
hier zu beurteilende Fall lässt sich nicht mit jenem vergleichen, welchen das
Bundesgericht in BGE 109 II 449 ff. entschieden hat. Dort ging es um einen
befristeten Arbeitsvertrag mit einer Probezeit. Nach deren Ablauf lag ein
befristeter Arbeitsvertrag vor. Die Teilnichtigkeit hatte deshalb zur Folge,
dass der Vertrag nicht mehr kündbar war. Die Anwendung einer gesetzlichen
Kündigungsfrist anstelle der vertraglich vereinbarten festen Vertragsdauer
stand nicht zur Diskussion. Im vorliegend zu beurteilenden Fall liegt
demgegenüber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor, bei dem die subsidiäre
gesetzliche Kündigungsfrist die ungültige Vereinbarung ersetzen kann. Aus
diesen Gründen erweist sich die Vertragsauslegung der Vorinstanz als
bundesrechtskonform.

2.
Nicht geprüft hat das Kantonsgericht allerdings die Frage, ab wann die
Kündigungsfrist zu laufen begann. Diese Frage ist rechtlich erheblich, weil
gemäss der vertraglichen Vereinbarung ab dem 1. September 2000 die
Kündigungsfrist sechs Monate betrug und bei Anwendung der Regel von Art. 335c
Abs. 1 OR die im August ausgesprochene Kündigung erst auf Ende September 2000
wirksam wurde.
Gelten je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses unterschiedliche
Kündigungsfristen, kommt jene zur Anwendung, die im Zeitpunkt des Beginns der
Kündigungsfrist gilt. Es ist nicht darauf abzustellen, wann diese endet
(Arbeitsgericht Zürich, Urteil vom 12. Oktober 1984, in JAR 1985 S. 226 f.).
2.1 Fraglich erscheint aber, ob die Kündigungsfrist mit dem Zugang der
Erklärung zu laufen beginnt oder die Frist vom Zeitpunkt an zurückzurechnen
ist, auf den die Erklärung das Arbeitsverhältnis beenden soll
(Favre/Munoz/Tobler, Le contrat de travail, Lausanne 2001, N. 2.4. ff. zu
Art. 336c OR). Diese beiden Zeitpunkte unterscheiden sich erheblich, wenn die
Kündigung während eines laufenden Monats ausgesprochen wird, aber bloss auf
Ende eines Monats das Arbeitsverhältnis beenden kann. Wäre die
Kündigungsfrist vom Endtermin rückwärts zu berechnen, hätte sie im
vorliegenden Fall erst am 1. September 2000 zu laufen begonnen und würde
zeitlich in den Bereich fallen, für den vertraglich eine sechsmonatige
Kündigungsfrist vereinbart worden ist. Begänne die Frist dagegen bereits mit
der Zustellung der Kündigungserklärung zu laufen und würde das
Arbeitsverhältnis bloss wegen des Endtermins der Kündigung bis zum Ende des
Monats verlängert, hätte sie im vorliegenden Fall Mitte August 2000 zu laufen
begonnen und wäre Ende September 2000 unbeeinflusst von der Vereinbarung der
Parteien betreffend sechsmonatiger Kündigungsfrist abgelaufen.

Soweit ersichtlich hat das Bundesgericht bis jetzt noch nie ausdrücklich zu
dieser Frage Stellung genommen. In Bezug auf Kündigungen in der Probezeit
stellt sie sich in der Regel nicht, weil nach Art. 335b Abs. 1 OR die
Kündigung auf jeden beliebigen Zeitpunkt möglich ist. Demgegenüber spielt die
Frage beim zeitlichen Kündigungsschutz eine Rolle, weil dort die Regel gilt,
dass eine Arbeitsunfähigkeit die Kündigung nur dann nichtig macht bzw. die
Kündigungsfrist verlängert, wenn sie in die Kündigungsfrist fällt (BGE 109 II
330 ff.; 121 III 107 E. 2; 124 III 474 E. 2 mit Literaturzitaten). Diese
Rechtsprechung wurde zwar im Zusammenhang mit der Verlängerung der
Kündigungsfrist nach einer Sperrfrist entwickelt. Es sind indessen keine
Gründe ersichtlich, weshalb sie nicht allgemein für die Berechnung der
Kündigungsfrist gelten soll. Daraus folgt, dass die Kündigungsfrist stets mit
der Zustellung der Kündigung bzw. am darauf folgenden Tag zu laufen beginnt
und am entsprechenden Tag des der Dauer der Frist entsprechenden Monats
endet. Das Arbeitsverhältnis verlängert sich indessen wegen des
Kündigungstermins über die Dauer der Kündigungsfrist hinaus bis zum Ende des
Monats. Arbeitsverhinderungen, die in die Zeit zwischen der Zustellung der
Kündigungserklärung und dem Beginn des darauf folgenden Monats fallen, sind
somit beim zeitlichen Kündigungsschutz zu berücksichtigen (a. M. Hans-Peter
Egli, in: Kren Kostkiewicz/Bertschinger/Breitschmied/Schwander (Hrsg.),
Handkommentar OR, Zürich 2002, N. 14 zu Art. 336c in Verb. mit N. 1 zu Art.
335a OR). Arbeitsverhinderungen, die in die Zeit der blossen Verlängerung des
Arbeitsverhältnisses fallen, bleiben dagegen ausser Betracht.

2.2 Die Anwendung dieser Regeln auf den vorliegenden Fall führt zum Ergebnis,
dass die Kündigungsfrist am 17. bzw. 18. August 2000 zu laufen begonnen hat
und einen Monat später unbeeinflusst von der vertraglichen Vereinbarung der
Parteien betreffend sechsmonatige Kündigungsfrist abgelaufen ist. Da die
Kündigung auf Ende September 2000 terminiert war, endete das
Arbeitsverhältnis in diesem Zeitpunkt. Das angefochtene Urteil, das zum
gleichen Ergebnis gelangt ist, verletzt demnach kein Bundesrecht.

3.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen.

Dem Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr den Klägern unter
solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG). Die Kläger
haben die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren - ebenfalls unter
solidarischer Haftbarkeit - zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1, 2 und 5 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Klägern unter solidarischer
Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Kläger haben die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren unter
solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. April 2005

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: