Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.41/2004
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4C.41/2004 /lma

Urteil vom 3. Mai 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Hans-Rudolf Wild,

gegen

B.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Rudolf.

Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Nidwalden,
Zivilabteilung Grosse Kammer, vom 30. Oktober 2003.

Sachverhalt:

A.
Am 27. Mai 1994 wurde die B.________ AG (Beklagte) mit einem Aktienkapital
von Fr. 100'000.-- gegründet und A.________ (Kläger), ausgestattet mit 100
Aktien à Fr. 10.--, zum Verwaltungsrat gewählt. Der von B.D.________ und
C.D.________ als Berater beigezogene Kläger hatte zur Lösung finanzieller
Probleme im Zusammenhang mit einer Liegenschaft der Eheleute D.________ die
Errichtung einer Aktiengesellschaft empfohlen und die Gründung durchgeführt.
Am 31. Juli 2000 führte B.D.________ eine ausserordentliche
Generalversammlung in der Form einer Universalversammlung durch. Anlässlich
dieser Versammlung wurde der Kläger als Verwaltungsrat abgewählt und
B.D.________ einstimmig als neuer Verwaltungsrat bestimmt. Weiter wurde der
bisherige Inhaber der Revisionsstelle, E.________, durch die F.________ AG
ersetzt.

B.
Am 1. März 2001 erhob der Kläger vor Kantonsgericht Nidwalden
Anfechtungsklage gegen die Beklagte mit dem Begehren, es sei festzustellen,
dass die am 31. Juli 2000 von der ausserordentlichen Generalversammlung
gefassten Beschlüsse nichtig seien. Zudem sei das Handelsregisteramt des
Kantons Nidwalden anzuweisen, die Eintragungen im Handelsregister vom 31.
Juli 2000 zu löschen sowie ihn - den Kläger - als Verwaltungsrat und
E.________ als Revisionsstelle wieder einzutragen. Mit Urteil vom 20.
November 2002 wies das Kantonsgericht Nidwalden die Klage ab. Eine dagegen
erhobene Appellation des Klägers wies das Obergericht des Kantons Nidwalden
mit Urteil vom 30. Oktober 2003 ab.

C.
Mit Berufung vom 28. Januar 2004 beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Nidwalden vom 30. Oktober 2003 sei
aufzuheben und die Klage sei gutzuheissen. Eventuell sei die Streitsache zur
Abklärung des vollständigen Sachverhaltes und zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten
sei.
Das Obergericht das Kantons Nidwalden hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im vorliegenden Fall ist die Frage umstritten, ob B.D.________ am 31. Juli
2000 Eigentümer sämtlicher Aktien der Beklagten war und insofern befugt war,
die ausserordentliche Generalversammlung in der Form einer
Universalversammlung im Sinne von Art. 701 OR durchzuführen.

1.1 Die Vorinstanz hat diese Frage bejaht. Zur Begründung wurde im
Wesentlichen ausgeführt, die am 27. Mai 1994 vollzogene Gründung der
beklagten Aktiengesellschaft habe die Übernahme einer privaten Liegenschaft
von B.D.________ bezweckt, um damit ungünstige Festhypotheken auf der
erwähnten Liegenschaft abzulösen und auch andere finanzielle Probleme der
Eheleute D.________ zu bereinigen. D.________ habe den schlüssigen
Urkundenbeweis dafür erbracht, dass das Aktienkapital von Fr. 100'000.-- von
ihm allein finanziert worden sei. Aus dem Zweck und der Finanzierung der
Gesellschaft schliesst die Vorinstanz, dass es sich bei dem zur Beratung
beigezogenen und bei der Gründung in den Verwaltungsrat gewählten Kläger um
einen fiduziarischen Aktionär gehandelt habe. Die Aktionärsstellung des
Klägers ergebe sich zwar aus den auf B.D.________, C.D.________ und den
Kläger ausgestellten Aktienzertifikaten vom 27. Mai 1994. Diese Zertifikate
seien aber gemäss Art. 644 Abs. 1 OR nichtig, weil sie vor der Eintragung der
Gesellschaft am 9. Juni 1994 ausgestellt worden seien. Abzustellen sei
deshalb auf das B.D.________ als Alleinaktionär ausweisende, ebenfalls vom
Kläger ausgefertigte und unterzeichnete Zertifikat vom 10. Juni 1994.

1.2 Eine an das Steueramt Nidwalden gerichtete Bestätigung der Eheleute
D.________ vom 25. Juni 1999, wonach diese die gemäss den Aktienzertifikaten
vom 27. Mai 1994 auf sie lautenden Aktien am 9. Juni 1994 dem Kläger verkauft
hätten, habe der Kläger "fabrizieren" lassen. Zudem sei die Echtheit der
Unterschrift des Klägers auf dem von ihm am 10. Juni 1994 ausgestellten
Zertifikat, das die Stellung von B.D.________ als Alleinaktionär bezeuge,
durch Expertise bestätigt worden. Daran ändere nichts, dass der Kläger, der
seit dem 10. Juni 1994 nicht mehr Aktionär gewesen sei, Verwaltungsrat
geblieben sei. Und daran ändere auch nichts, dass mit dem Aktienzertifikat
vom 10. Juni 1994 aufgrund eines Versehens bei der Auswahl der Formulare der
Bestand von Namenaktien statt von Inhaberaktien bestätigt worden sei. Daher
sei erwiesen, dass die vom Kläger im Rahmen der Gründung gezeichneten 100
Aktien à Fr. 10.-- auf B.D.________ übergegangen seien, wie sich dies aus dem
Aktienzertifikat vom 10. Juni 1994 ergebe. In seiner Eigenschaft als
Alleinaktionär sei B.D.________ daher berechtigt gewesen, die
ausserordentliche Generalversammlung vom 31. Juli 2000 in der Form einer
Universalversammlung im Sinne vom Art. 701 OR durchzuführen.

2.
Im Berufungsverfahren hat das Bundesgericht seiner Entscheidung die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zugrunde zu legen, es sei denn,
sie beruhten auf einem offensichtlichen Versehen, seien unter Verletzung
bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen oder bedürften der
Ergänzung, weil das kantonale Gericht in fehlerhafter Rechtsanwendung einen
gesetzlichen Tatbestand nicht oder nicht hinreichend abgeklärt hat, obgleich
ihm die entscheidwesentlichen Behauptungen und Beweisanträge rechtzeitig und
in der vorgeschriebenen Form unterbreitet worden sind (Art. 63 Abs. 2 und
Art. 64 OG). Blosse Kritik an der Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts
kann mit Berufung nicht vorgetragen werden (BGE 122 III 219 E. 3c S. 223 f.
m.w.H.).
2.1 In seiner Berufung übt der Kläger in verschiedener Hinsicht unzulässige
Kritik an den tatsächlichen Feststellungen und an der Beweiswürdigung der
Vorinstanz. Nicht einzutreten ist auf die Berufung zunächst insoweit, als die
Finanzierung des Aktienkapitals der beklagtischen Gesellschaft durch
B.D.________ in Frage gestellt wird. Darin ist eine unzulässige Kritik an
verbindlichen tatsächlichen Feststellungen zu sehen. Auf dieser Feststellung
beruht auch die Schlussfolgerung der Vorinstanz, der Kläger sei bloss
fiduziarischer Aktionär gewesen. Wenn der Kläger diesen Schluss in Zweifel
zieht, weil er auf einer falschen Voraussetzung beruhe, übt er wiederum
unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung, auf die nicht einzutreten ist. Im
Übrigen hat die Vorinstanz auch aufgrund des von den Eheleuten D.________ mit
der Gründung der beklagtischen Gesellschaft verfolgten Zweckes auf eine
fiduziarische Aktionärsstellung des Klägers geschlossen.

2.2 Weiter übt der Kläger auch insoweit unzulässige Kritik an der
Beweiswürdigung der Vorinstanz, als deren Auffassung, die von den Eheleuten
D.________ am 25. Juni 1999 gegenüber dem Steueramt Nidwalden abgegebene
Erklärung sei als "Fabrikat" des Klägers anzusehen, als unzutreffend
beanstandet wird. Wenn der Kläger zudem geltend macht, die Zweifel an seiner
Interpretation der Bestätigung hätten zusätzliche Beweiserhebungen nötig
gemacht, verkennt er, dass die Vorinstanz aufgrund einer antizipierten
Beweiswürdigung, die im Berufungsverfahren nicht überprüft werden kann (BGE
122 III 219 E. 3c S. 223), von weiteren Beweiserhebungen abgesehen hat. Zudem
hat der Kläger nicht angegeben, mit welchen prozesskonform beantragten und
tauglichen Beweismitteln welche rechtserheblichen Tatsachen hätten unter
Beweis gestellt werden sollen.

2.3 Auch die Vorbringen des Klägers gegen die Echtheit des von ihm
ausgestellten Zertifikates vom 10. Juni 1994 laufen auf eine unzulässige
Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz hinaus. So hat die Vorinstanz
darauf hingewiesen, dass die Echtheit der Unterschrift durch eine Expertise
bestätigt worden sei. Der Kläger habe auch keine Anhaltspunkte für seine
Behauptung geliefert, weshalb das Zertifikat vom 10. Juni 1994 nicht am
genannten Datum unterzeichnet worden sein soll. Zu Unrecht versucht der
Kläger auch einen Widerspruch zwischen dem Aktienzertifikat vom 10. Juni 1994
und der Bestätigung der Eheleute D.________ vom 25. Juni 1999 auszumachen,
nachdem die Vorinstanz dieser Bestätigung jeglichen Beweiswert abgesprochen
hat. Inwieweit der Umstand, dass bei der Ausstellung des Zertifikates Namen-
und Inhaberaktien verwechselt wurde, bei der Würdigung dieser Urkunde zu
berücksichtigen ist, betrifft ebenfalls die Beweiswürdigung, die im
Berufungsverfahren nicht überprüft werden kann.

3.
Auf der Grundlage der verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil
sind im Folgenden die verschiedenen Beanstandungen des Klägers, die
Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, zu prüfen.

3.1 Der Kläger macht zunächst geltend, dass die statutarischen
Voraussetzungen für die Umwandlung der im Aktienzertifikat vom 10. Juni 1994
verurkundeten Namenaktien in Inhaberaktien nicht erfüllt gewesen seien und
die Vorinstanz daher Art. 622 Abs. 3 OR verletzt habe. Dazu ist zu bemerken,
dass das Obergericht verbindlich festgehalten hatte, dass bei der Ausstellung
des Zertifikates Namen- und Inhaberaktien verwechselt worden seien und dass
sich das Zertifikat nach dem Willen der Beteiligten nach wie vor auf die kurz
zuvor bei der Gründung geschaffenen Inhaberaktien bezogen habe. Unter diesen
Umständen stellt sich die Frage nach den statutarischen Voraussetzung für
eine Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien im Sinne von Art. 622 Abs. 3 OR
nicht.

3.2 Unbegründet ist die Berufung auch insofern, als der Kläger geltend macht,
das Fehlen eines Aktienbuches und eines Eintrags im Sinne von Art. 686 Abs. 4
OR seien Ausdruck dafür, dass das Zertifikat vom 10. Juni 1994 keine
Rechtswirkungen entfaltet habe. Wenn das Aktienkapital aus Inhaberaktien
bestand - wovon nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
auszugehen ist -, war die Beklagte nicht verpflichtet, ein Aktienbuch gemäss
Art. 686 OR zu führen.

3.3 Soweit der Kläger sodann geltend macht, er sei unbestritten bis zur
ausserordentlichen Generalversammlung vom 31. Juli 2000 Verwaltungsrat der
Beklagten und in dieser Eigenschaft gemäss Art. 707 Abs. 1 OR auch Aktionär
gewesen, ist dem Kläger entgegenzuhalten, dass die Vorinstanz zutreffend -
und mit Literatur belegt - festgehalten hat, dass die Veräusserung der
(Pflicht-)Aktien durch den Verwaltungsrat dessen Stellung als Mitglied des
Verwaltungsrates nicht tangiere. Zu Recht behauptet auch der Kläger in der
Berufung nichts anderes. Allein der Umstand, dass der Kläger bis zur
umstrittenen Generalversammlung Verwaltungsrat war und an den
Generalversammlungen teilgenommen hatte, vermag somit nichts über die
umstrittene Frage auszusagen, ob der Kläger im Zeitpunkt der
Universalversammlung noch Aktionär war. Auch von einer Verletzung von Art.
707 Abs. 1 OR kann daher keine Rede sein.

3.4 Weiter kritisiert der Kläger die Auffassung der Vorinstanz, die
Aktienzertifikate vom 27. Mai 1994 seien nichtig im Sinne von Art. 644 Abs. 1
OR, weil sie vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister am 9.
Juni 1994 ausgestellt worden seien. Zwar seien die Zertifikate am 27. Mai
1994 tatsächlich verfrüht ausgestellt worden. Doch sei dieser Mangel dadurch
geheilt worden, dass er den Eheleuten D.________ am 9. Juni 1994 - das heisst
zum Zeitpunkt der Eintragung der beklagten Gesellschaft - die Aktien
abgekauft und damit die Gültigkeit der Zertifikate vom 27. Mai 1994
konkludent bestätigt habe. Da nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz dieser Aktienkauf gar nicht zustande gekommen ist, erweist sich
die Auffassung des Klägers, die Nichtigkeit der Ausgabe der Aktienzertifikate
vom 27. Mai 1994 sei geheilt worden, von Vorneherein als unbegründet. Zu
prüfen ist auch nicht die Variante, dass weder die Aktienzertifikate vom 27.
Mai 1994 noch das Zertifikat vom 10. Juni 1994 gültig sei. Denn die
Vorinstanz hat sich aus rechtlich nicht zu beanstandenden Gründen für die
Nichtigkeit der ersten Zertifikate und aufgrund des Beweisverfahrens für die
Echtheit des zweiten Zertifikats entschieden.

3.5 Unbegründet ist die Berufung sodann auch insoweit, als der Kläger dem
Obergericht eine Verletzung von Art. 979 OR vorwirft, weil die beklagte
Gesellschaft mit dem Aktienzertifikat vom 10. Juni 1994 überzählige
Aktientitel in Verkehr gebracht habe. Dazu ist zu bemerken, dass die
Zertifikate vom 27. Mai 1994 von der Vorinstanz gestützt auf Art. 644 Abs. 1
OR zutreffend als nichtig bezeichnet worden sind, weil sie vor der Eintragung
der Gesellschaft ausgestellt worden waren. Auch insofern erweist sich die
Berufung als unbegründet.

3.6 Schliesslich rügt der Kläger eine Verletzung von Art. 8 ZGB, weil die
Vorinstanz den Zeugen G.________ nicht angehört und damit seinen
Beweisführungsanspruch verletzt habe. Dazu ist zu bemerken, dass sich die
Vorinstanz mit der Behauptung des Klägers auseinander gesetzt hat, er habe am
23. November 1994 alle Aktien an G.________ verkauft und sie am 29. Mai 1995
von diesem wieder zurückgekauft. Die Vorinstanz hielt eine Befragung von
G.________ für entbehrlich, weil der Kläger für die behaupteten Transaktionen
keine Urkunden ins Recht gelegt habe, so dass eine Bestätigung der
klägerischen Behauptungen durch den Zeugen G.________ ohnehin als
unglaubwürdig hätte angesehen werden müssen. Selbst wenn die Transaktion in
der vom Kläger dargelegten Weise, das heisst unter Verwendung der nichtigen
Aktienzertifikate vom 27. Mai 1994, durchgeführt worden wäre, würde sie zur
Klärung der Frage, wer am 31. Juli 2000 Alleinaktionär der Beklagten war,
nichts beitragen, weshalb eine Befragung von G.________ ohne Verletzung des
aus Art. 8 ZGB abgeleiteten Beweisführungsanspruches unterbleiben konnte.

4.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Berufung abzuweisen ist,
soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Kläger kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs.
2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Kläger auferlegt.

3.
Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden,
Zivilabteilung Grosse Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Mai 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: