Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.389/2004
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4C.389/2004 /lma

Urteil vom 22. März 2005

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________ AG,
Klägerin und Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Philipp Stolkin,

gegen

Gemeinde Wünnewil-Flammatt,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Rechtsanwalt Elmar Perler.

Architekturvertrag; Zusatzleistungen,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, I. Appellationshof,
vom 16. August 2004.

Sachverhalt:

A.
In den Jahren 1996 bis 1999 plante und baute die Gemeinde Wünnewil-Flammatt
ein neues Gebäude für die Primarschule in Flamatt. Mit Vertrag vom 9. Mai
1996 beauftragte sie die A.________ AG mit der Ausführung der
Architekturarbeiten. In diesem Vertrag, der die SIA-Norm 102 (Ausgabe 1984)
für anwendbar erklärt, werden die Grundleistungen aufgezählt und ihr Anteil
an der Gesamtleistung in Prozenten angegeben. Zusatzleistungen und "weitere
Leistungen" sollten "nach Absprache" erbracht werden. Das Honorar war in
Prozenten der Baukosten auf Grund der Schlussabrechnung zu berechnen. Im
Anhang zum Vertrag werden die voraussichtlichen Gesamtbaukosten - die
tatsächlich unterschritten wurden - auf etwa Fr. 11'800'000.-- und das
voraussichtliche Architekten-Honorar in Prozenten der Baukosten auf etwa Fr.
918'600.-- zusätzlich Mehrwertsteuer von etwa Fr. 59'700.-- und Nebenkosten
von etwa Fr. 37'300.-- geschätzt.

Nach Beendigung des Neubaus stellte die A.________ AG Rechnung betreffend die
Grundleistungen im Betrag von Fr. 929'663.--. Die Gemeinde anerkannte die
Rechnung und bezahlte sie bis auf Fr. 7'018.--, die sie mit der Begründung
zurückbehielt, die Baudokumentation sei noch nicht übergeben worden. Eine
weitere Rechnung vom 25. Oktober 1999 für "diversen Zusatzaufwand" bzw.
"Zusatzleistungen Architekt" über Fr. 168'030.55 wurde von der Gemeinde
bestritten.

B.
Am 14. September 2000 erhob die A.________ AG beim Bezirksgericht der Sense
Klage gegen die Gemeinde Wünnewil-Flamatt mit den Anträgen, die Beklagte zur
Zahlung von Fr. 175'048.55 nebst 5 % Zins seit 25. November 1999 sowie eines
zusätzlichen Mehrwertsteuerprozents auf dem eingeklagten Betrag nebst 5 %
Zins seit 25. November 1999 zu verpflichten. Die Beklagte schloss auf
Abweisung der Klage und erhob Widerklage mit den Rechtsbegehren, es sei von
ihrem Vorbehalt zur Schadenersatzklage Kenntnis zu nehmen und die Klägerin
sei unter Androhung von Strafe zu verpflichten, die Baupläne gemäss Art.
4.5.2 und 4.5.3 der SIA Ordnung 102 herauszugeben.
Das Zivilgericht der Sense wies die Klage mit Urteil vom 6. Juni 2003 ab,
hiess die Widerklage teilweise gut und verpflichtete die Klägerin, der
Beklagten die Baupläne gemäss Art. 4.5.2 und 4.5.3 der SIA Ordnung 102
herauszugeben. Die Verfahrenskosten wurden der Klägerin auferlegt. Diese
reichte gegen das Urteil des Zivilgerichts Berufung ein, die vom I.
Appellationshof des Kantonsgerichts Freiburg mit Urteil vom 16. August 2004
abgewiesen wurde, soweit darauf einzutreten war.

C.
Die Klägerin hat das Urteil des Kantonsgerichts mit staatsrechtlicher
Beschwerde und Berufung beim Bundesgericht angefochten. Die Beschwerde ist
mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen worden, soweit auf sie eingetreten
werden konnte.

Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Klägerin, das Urteil des
Kantonsgerichts aufzuheben und die Streitsache zur Ergänzung des Sachverhalts
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte hat eine Berufungsantwort
eingereicht und beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell sie
abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen
Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, sofern sie nicht
offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen oder wegen fehlerhafter Rechtsanwendung
durch die Vorinstanz zu ergänzen sind (Art. 63 Abs. 2 und 64 OG). Die Partei,
welche den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt berichtigt oder ergänzt
wissen will, hat darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen. Eine
Ergänzung setzt zudem voraus, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im
kantonalen Verfahren prozessrechtskonform aufgestellt, von der Vorinstanz
aber zu Unrecht für unerheblich gehalten oder übersehen worden sind, was
wiederum näher anzugeben ist. Ohne diese Angaben gelten Vorbringen, die über
die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil hinausgehen, als
unzulässige Noven (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 126 III 59 E. 2a S. 65; 119
II 353 E. 5c/aa S. 357 und 115 II 484 E. 2a S. 485 f., je mit Hinweisen).

Nicht zu hören ist die Klägerin mit ihren Rügen, die Vorinstanz habe Art. 6
OR verletzt und übersehen, dass die von ihr gestellten Anträge, die in der
Honorarnote vom 25. Oktober 1999 einzeln aufgeführten Zusatzleistungen gegen
zusätzliche Vergütungen zu erbringen, an den Gemeinderatssitzungen der
Beklagten von dieser stillschweigend angenommen worden seien. Dabei beruft
sich die Klägerin auf Tatsachen, die dem angefochtenen Urteil nicht entnommen
werden können. Da sich die Klägerin auch nicht auf eine der genannten
Ausnahmen von der Bindung des Bundesgericht an den vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalt stützt, ist auf ihre Behauptungen und die damit
verbundenen Rechtsrügen nicht einzutreten.

2.
Das Kantonsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Zivilgericht zum Ergebnis
gelangt, die Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift und Replik
genügten nicht zur ausreichenden Substanziierung der Sachbehauptungen in
Bezug auf die eingeklagte Forderung betreffend Zusatzleistungen.

Mit der Berufung hält die Klägerin daran fest, dass sie die eingeklagte
Forderung ausreichend substanziiert habe und wirft dem Kantonsgericht in
diesem Zusammenhang eine Verletzung von Bundesrecht vor. Wie indessen im
Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde festgehalten worden ist (E.
2), fällt die hier interessierende Frage in den Regelungsbereich des
kantonalen Verfahrensrechts, in welchen das Bundesrecht nicht eingreift. Da
die Verletzung kantonalen Rechts im Berufungsverfahren nicht gerügt werden
kann (Art. 43 Abs. 1 und 55 Abs. 1 lit. c OG), ist auf die Berufung insoweit
nicht einzutreten.

3.
Als Verletzung von Art. 8 ZGB rügt die Klägerin sodann, dass das
Kantonsgericht ihre Beweisanträge betreffend Expertise und Urkundenedition
abgelehnt hat. Nach ständiger Rechtsprechung setzt indessen der aus Art. 8
ZGB abgeleitete Beweisanspruch namentlich voraus, dass die Beweismittel
rechtzeitig und in der vom kantonalen Verfahrensrecht vorgeschriebenen Form
in den Prozess eingeführt worden sind (BGE 126 III 315 E. 4a S. 317; 122 III
219 E. 3c S. 223; 114 II 289 E. 2a S. 290). Das traf im vorliegenden Fall
nicht zu, wie bereits im Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde
erörtert worden ist (E. 4). Eine Verletzung des Beweisanspruchs gemäss Art. 8
ZGB durch die Vorinstanz scheidet damit aus.

4.
Auf die im kantonalen Berufungsverfahren von der Klägerin vorgebrachte Rüge,
das Zivilgericht habe die Widerklage auf Herausgabe der überarbeiteten Pläne
zu Unrecht gutgeheissen, ist die Vorinstanz nicht eingetreten, weil die
Vorbringen der Klägerin den vom kantonalen Recht vorgeschriebenen
Begründungsanforderungen nicht genügten. Diesen Umstand lässt die Klägerin
völlig ausser Acht, wenn sie in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art.
82 OR durch die Vorinstanz rügt. Da die Anwendung des kantonalen Rechts vom
Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüft werden kann, ist auch in
diesem Punkt auf die Berufung nicht einzutreten.

5.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Klägerin
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese hat die Beklagte für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'500.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
6'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg, I.
Appellationshof, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. März 2005

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: