Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.358/2004
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2004
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2004


4C.358/2004 /zga

Urteil vom 22. November 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Widmer.

X. ________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Andreas Rohrer,

gegen

Y.________,
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch
Rechtsanwalt Jost Spälti.

Rückforderung einer Anzahlung an einen Immobilienkauf; culpa in contrahendo,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche
Abteilung, vom 31. August 2004.

Sachverhalt:

A.
A. ________ und B.________ (heute: C.________) (nachfolgend: Zedenten)
unterzeichneten am 1. Dezember 1999 eine Kaufzusage für das 6
½-Zimmer-Doppeleinfamilienhaus in D. Verkäuferin war die X.________ AG
(Beklagte). Am 10. Dezember 1999 überwiesen die Zedenten eine Anzahlung von
CHF 60'000.- an die Beklagte. Mit Schreiben vom 4. Januar 2000 teilte die
Schwyzer Kantonalbank den Zedenten mit, das für den Kauf des
Doppeleinfamilienhauses benötigte Hypothekardarlehen könne nicht gewährt
werden. Die Zedenten informierten die Beklagte am 13. Januar 2000
entsprechend und forderten diese auf, die Anzahlung von CHF 60'000.- zinslos
zurückzuerstatten. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung.

Mit Abtretungserklärung vom 15. März 2001 traten die Zedenten ihre Forderung
auf Rückerstattung der Anzahlung an Y.________ (Kläger) ab.

B.
Am 7. Juni 2001 stellte der Kläger dem Kantonsgericht Zug das Begehren, die
Beklagte sei zu verpflichten, ihm CHF 60'000.- nebst Zins zu bezahlen. Das
Kantonsgericht wies die Klage am 9. Januar 2002 wegen Verjährung ab. Das
Obergericht des Kantons Zug hiess die dagegen erhobene Berufung des Klägers
am 11. Juni 2002 gut und wies die Sache zur weiteren Beurteilung an die
Erstinstanz zurück.

Mit Urteil vom 10. Dezember 2003 hiess das Kantonsgericht Zug die Klage gut.
Dagegen erhob die Beklagte Berufung, welche das Obergericht des Kantons Zug
mit Urteil vom 31. August 2004 in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils
abwies.

C.
Die Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, den
Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Berufungsverfahren hat das Bundesgericht seiner Entscheidung die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als wahr und vollständig zugrunde
zu legen, es sei denn, diese beruhten auf einem offensichtlichen Versehen,
seien unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen
oder bedürften der Ergänzung, weil das kantonale Gericht in fehlerhafter
Rechtsanwendung einen gesetzlichen Tatbestand nicht oder nicht hinreichend
klärte, obgleich ihm entscheidwesentliche Behauptungen und Beweisanträge
dazu frist- und formgerecht unterbreitet wurden (vgl. Art. 63 und 64 OG; BGE
130 III 102 E. 2.2; 127 III 248 E. 2c). Die Partei, die den Sachverhalt
berichtigt oder ergänzt haben will, hat darüber genaue Angaben mit
Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG; BGE 115 II 484 E. 2a).

Die vorliegende Berufungsschrift enthält etwelche Vorbringen, die über die
tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil hinausgehen, ohne dass
Sachverhaltsrügen vorgetragen würden, die den genannten
Begründungsanforderungen entsprächen. So etwa, wenn ausgeführt wird, die
Parteien hätten während Tagen sehr intensive Vertragsverhandlungen geführt,
die Zedenten seien über das Bauprojekt in allen Details informiert gewesen
(Baubeschrieb, sämtliche Pläne, Möglichkeit, zur tagtäglichen Besichtigung
der Baustelle) oder diese hätten das Haus im Wissen darum nach ihren Wünschen
ausbauen lassen, dass ihnen die Finanzierung des Hauses unmöglich sei. Auf
diese Vorbringen ist deshalb nicht einzugehen.

2.
Es ist unbestritten, dass die Beklagte durch die Anzahlung der Zedenten
grundsätzlich bereichert ist. Die Beklagte macht indes verrechnungsweise
Schadenersatzforderungen aus culpa in contrahendo geltend. Das Obergericht
verneinte eine entsprechende Haftung der Zedenten. Dagegen wendet sich die
Beklagte mit ihrer Berufung.

2.1 Die Haftung aus culpa in contrahendo beruht auf der Überlegung, dass die
Parteien sich während der Vertragsverhandlungen nach Treu und Glauben zu
verhalten haben. Mit dem Eintreten in Verhandlungen ergeben sich zwangsläufig
gegenseitige Verpflichtungen (BGE 121 III 350 E. 6c S. 354; 120 II 331 E. 5a
S. 335 f.). Dazu gehört insbesondere, dass die Parteien Verhandlungen ihrer
wirklichen Absicht gemäss führen und einander in gewissem Masse über
Tatsachen unterrichten, die den Entscheid der Gegenpartei über den
Vertragsschluss oder dessen Bedingungen beeinflussen können (BGE 105 II 75 E.
2a).

2.2 Vorliegend macht die Beklagte geltend, die Zedenten hätten ihre
Aufklärungspflicht gegenüber der Beklagten verletzt, indem sie sie nicht
darüber informiert hätten, dass A.________ zum Zeitpunkt der
Vertragsverhandlungen arbeitslos gewesen sei. Zudem hätten die Zedenten
fälschlicherweise angegeben, über Eigenmittel in der Höhe von CHF 150'000.-
bis CHF 180'000.- zu verfügen.

Tatsachenverschweigung ist nur verpönt, soweit eine Aufklärungspflicht
besteht; eine solche kann sich aus besonderer gesetzlicher Vorschrift und aus
Vertrag ergeben, oder wenn eine Mitteilung nach Treu und Glauben und den
herrschenden Anschauungen geboten ist. Wann dies zutrifft, ist im konkreten
Einzelfall zu bestimmen (BGE 116 II 431 E. 3a S. 434). Der Grundsatz von Treu
und Glauben verpflichtet eine Partei nicht, bei Vertragsverhandlungen auf
Umstände aufmerksam zu machen, von denen die Gegenpartei sich bei gehöriger
Aufmerksamkeit selber Kenntnis verschaffen kann und muss (Urteil des
Bundesgerichts 4C.189/2002 vom 27. September 2002 E. 1.5 mit Hinweisen; vgl.
auch BGE 105 II 75 E. 2a S. 80; 102 II 81 E. 2 S. 84).

2.2.1 Ob die Zedenten in casu eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der
Arbeitslosigkeit von A.________ hatten, kann offen bleiben. Denn die
Vorinstanz stellte aufgrund der Zeugenaussagen in tatsächlicher Hinsicht
fest, dass die Beklagte über die damals bestehende Arbeitslosigkeit von
A.________ informiert war. Von dieser für das Bundesgericht verbindlichen
Feststellung (vgl. Erwägung 1 hiervor) ist auszugehen. Somit scheidet
diesbezüglich eine Verletzung einer allfälligen Aufklärungspflicht von
vornherein aus.

2.2.2 Betreffend die Angaben über die vorhandenen Eigenmittel stellte die
Vorinstanz fest, es lasse sich aufgrund der Zeugenaussagen nicht eindeutig
erkennen, ob die Zedenten gegenüber der Beklagten höhere Eigenmittel als CHF
60'000.- erwähnt hätten. Eine Täuschungsabsicht der Zedenten sei jedenfalls
nicht nachgewiesen. Die Beklagte sei anfangs Dezember 1999 darüber orientiert
worden, dass die Zedenten bei der Kantonalbank nunmehr ein Hypothekargesuch
einreichen würden. Am 4. Januar 2000 habe die Kantonalbank den Zedenten
mitgeteilt, das gewünschte Hypothekardarlehen könne nicht gewährt werden.
Dies sei der Beklagten mit Schreiben vom 13. Januar 2000 umgehend zur
Kenntnis gebracht worden. Damit hätten die Zedenten ihre Informations- resp.
Aufklärungspflicht erfüllt, soweit eine solche gegenüber der Beklagten
überhaupt bestanden habe.

Die Beklagte legt nicht dar, inwiefern die Vorinstanz mit diesen, auf der
Grundlage des von ihr festgestellten Sachverhalts angestellten Erwägungen
eine Aufklärungspflicht der Zedenten zu Unrecht verneint haben soll, sondern
baut ihre Argumentation auf tatsächlichen Behauptungen auf, die nach dem
Dargelegten im angefochtenen Urteil keine Stütze finden. Damit vermag sie von
vornherein nicht durchzudringen.

2.3 Dies gilt auch für die weiteren Vorbringen der Beklagten, das Verhalten
der Zedenten widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, da diese
während der Bauphase laufend Änderungen gewünscht und den Baufortgang
"kommentarlos konstatiert" hätten, um sich schliesslich vom Bauprojekt
zurückzuziehen, ohne die umfangreichen Aufwendungen der Beklagten abgelten zu
wollen.

Die Vorinstanz stellte dazu fest, gemäss den Zeugenaussagen des Architekten
sei das Haus im Zeitpunkt der Kaufzusage am 1. Dezember 1999 im Rohbau
gestanden. Er habe bestätigt, dass die Kaufinteressenten angewiesen worden
seien, sich an bestimmte Unternehmen zu wenden, um dort Innenausbauteile zu
begutachten und auszuwählen. Die Initiative zur Auswahl der Innenausbauteile
sei somit nicht von den Zedenten ausgegangen. Die Beklagte habe anfangs
Dezember 1999 gewusst, dass die Zedenten noch kein Hypothekardarlehen
zugesichert erhalten hätten. Es wäre deshalb an ihr gewesen, sich vor der
Realisierung des Innenausbaus finanziell abzusichern. Mangels eines den
gesetzlichen Formvorschriften entsprechenden Vorvertrags seien die Zedenten
nicht verpflichtet gewesen, einen Kaufvertrag abzuschliessen.

Die Beklagte verkennt die Funktion der Berufung, wenn sie in ihrer
Berufungsschrift bestreitet, dass der Anstoss zur Auswahl der
Inneneinrichtung nicht von den Zedenten ausgegangen sei, und ihre Bestreitung
der vorinstanzlichen Auffassung auch im Übrigen auf Sachverhaltselemente
stützt, die im angefochtenen Urteil keine Stütze finden. Dies namentlich
indem sie geltend macht, bei den als Anzahlung geleisteten Fr. 60'000.-- habe
es sich nicht um Eigenmittel der Zedenten, sondern um ein Darlehen gehandelt,
das ihnen der Kläger gewährt habe, oder indem sie sich wiederum darauf
beruft, dass ihr die Zedenten Eigenmittel von CHF 150'000.- bis 180'000.- in
Aussicht gestellt hätten, um daraus zu folgern, dass eine Finanzierung über
eine Bank mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit hätte möglich sein müssen und
sie daher entgegen der Ansicht der Vorinstanz keine weitergehenden
Sicherheiten betreffend die Finanzierung habe verlangen müssen. Auch insoweit
kann sie nicht gehört werden (vgl. Erwägung 1 oben).

2.4 Gestützt auf den Sachverhalt, wie er von der Vorinstanz verbindlich
festgestellt wurde, liegt kein Verhalten der Zedenten vor, das eine Haftung
aus culpa in contrahendo zu begründen vermöchte. Eine solche wurde daher zu
Recht verneint. Eine Bundesrechtswidrigkeit des vorinstanzlichen Entscheids
ist nicht dargetan.

3.
Die Berufung erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Dem Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr
der Beklagten aufzuerlegen, die zudem den Kläger für das bundesgerichtliche
Verfahren zu entschädigen hat (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
3'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. November 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: