Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.354/2004
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2004
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2004


4C.354/2004 /ruo

Urteil vom 9. November 2005

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger,

gegen

B.________,
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwältin Claudia
Biedermann.

Auftrag; culpa in contrahendo,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 23. August 2004.

Sachverhalt:

A.
A. ________(Kläger) war von Dezember 1983 bis Ende Februar 1986 als
Analytiker/Programmierer bei der X.________ AG tätig. In der gleichen
Funktion führte er in den Jahren 1988 und 1989 im Auftragsverhältnis für die
X.________ AG EDV-Aufgaben aus. Von Mai bis September 1993 war er wieder in
der EDV-Abteilung der X.________ AG angestellt. In der Folge kam es zwischen
dem Kläger und der X.________ AG zu Meinungsverschiedenheiten und zu einem
Verfahren vor dem Arbeitsgericht Zürich, das mit Verfügung vom 20. November
1995 als durch Vergleich erledigt abgeschrieben wurde.
Mit Schreiben vom 8. April 1998 machte der Kläger gegen B.________
(Beklagter) - den Gründer der X.________ AG und bis Ende 1994 deren
Geschäftsführer - als "negativen Schaden aus Arbeitseinbusse von 3-4 Monaten"
eine Schadenersatzforderung in der Höhe von Fr. 76'680.-- geltend.

B.
In den folgenden Jahren reichte der Kläger bei den Friedensrichterämtern
Volketswil und Stadt Zürich (Kreise 7 und 8) jährlich eine Klage auf
"Schadenersatzforderung aus culpa in contrahendo" im Betrag von Fr. 72'000.--
ein. Allerdings verzichtete er jeweils darauf, durch Einreichung der ihm
ausgestellten Weisungen beim zuständigen Gericht eine entsprechende Klage
rechtshängig zu machen.
Erst am 10. Dezember 2002 machte der Kläger beim Bezirksgericht Zürich eine
Klage mit dem Antrag rechtshängig, der Beklagte sei zu verpflichten, ihm Fr.
72'000.-- nebst Zins sowie Ersatz für den weiteren Folgeschaden zu bezahlen.
Mit Urteil vom 2. September 2004 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Auf
Berufung des Klägers wies auch das Obergericht des Kantons Zürich die Klage
mit Urteil vom 23. August 2004 ab.

C.
Mit Berufung vom 24. September 2004 beantragt der Kläger dem Bundesgericht,
das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 23. August 2004 sei
aufzuheben, und der Beklagte sei zu verpflichten, Schadenersatz in der Höhe
von Fr. 72'000.-- zuzüglich Zins sowie Schadenersatz und Genugtuung für
sämtliche Folgeschäden zu bezahlen; eventualiter sei das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung ans Obergericht zurückzuweisen.
Eine parallel zur eidgenössischen Berufung erhobene kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit
Zirkulationsbeschluss vom 20. Juni 2005 ab, soweit darauf eingetreten wurde.

D.
Mit Zwischenbeschluss vom 3. August 2005 wies das Bundesgericht ein Gesuch
des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zufolge
Aussichtslosigkeit der Berufung ab und setzte den Kostenvorschuss auf Fr.
4'000.-- fest.
Dieser Kostenvorschuss wurde rechtzeitig bezahlt. Auf die Einholung einer
Berufungsantwort wurde verzichtet.

E.
Mit Urteil vom heutigen Tag wurde eine gleichzeitig erhobene staatsrechtliche
Beschwerde abgewiesen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht hat im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass die Ansprüche
aus "culpa in contrahendo" nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes der
Verjährungsbestimmung von Art. 60 OR unterstehe. Danach verjähre der Anspruch
auf Schadenersatz in einem Jahr seit Kenntnis des Geschädigten vom Schaden
und von der Person des Ersatzpflichtigen. Selbst wenn der Auffassung des
Klägers gefolgt werde, dass er erst am 7. April 1997 - und nicht bereits im
Dezember 1993 - Kenntnis vom Schaden und von der Person des Schädigers
erlangt habe, seien die Ansprüche des Klägers verjährt. Der Kläger habe
zunächst zwar regelmässig den Lauf der Verjährung unterbrochen, so auch durch
das Sühnbegehren vom 11. April 2000. Das nächste Sühnbegehren sei erst am 14.
Mai 2001 und damit mehr als ein Jahr nach der letzten
verjährungsunterbrechenden Handlung gestellt worden. Insbesondere habe die am
11. Mai 2000 durchgeführte Sühnverhandlung und die gleichentags ausgestellte
Weisung keine verjährungsunterbrechende Wirkung.

2.
Der Kläger wirft dem Obergericht zunächst vor, die Haftung aus culpa in
contrahendo zu Unrecht der Verjährungsbestimmung des Art. 60 OR - anstatt
derjenigen des Art. 127 OR - unterstellt zu haben.

2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes verjährt die Haftung aus
culpa in contrahendo nach Art. 60 OR. Zur Begründung wird im Wesentlichen
ausgeführt, aus Gründen der Rechtssicherheit sei nicht angebracht, dass eine
Partei, die Vertragsverhandlungen geführt habe, während der 10-jährigen Frist
von Art. 127 OR Schadenersatzansprüchen ausgesetzt sei. Vielmehr seien die
Ansprüche aus culpa in contrahendo innert angemessener Frist zu regeln. Die
Verjährungsbestimmung von Art. 60 OR werde den Interessen der Beteiligten
gerecht. Einerseits sei es dem Geschädigten zumutbar, innerhalb der
Jahresfrist von Art. 60 OR zu klagen oder die Verjährung zu unterbrechen.
Andrerseits sei es der anderen Partei nicht zuzumuten, während einer
übertrieben langen Dauer mit Ansprüchen konfrontiert zu werden, wenn der
Geschädigte vom Schaden und der Person des Geschädigten Kenntnis habe (BGE
101 II 266 E. 4c S. 269). Seither ist diese Rechtsprechung bestätigt worden
(BGE 104 II 94, 121 III 350 E. 6c S. 354 f.).
2.2 Der Kläger weist in der Berufung zutreffend darauf hin, dass in der
Literatur zur Frage, ob die Haftung aus culpa in contrahendo nach Art. 60
oder nach Art. 127 OR verjähre, geteilte Auffassungen vertreten werden (vgl.
zur Kontroverse Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht,
Allgemeiner Teil, Band I, 8. Auflage, Zürich 2003, Rz. 972). Dennoch besteht
im vorliegenden Fall kein Grund, die vom Kläger und einem Teil der Literatur
kritisierte Rechtsprechung in Frage zu stellen. Der Kläger, der am 7. April
1997 Kenntnis vom behaupteten Schaden und von der Person des Geschädigten
erlangt haben soll, hat in der Folge mehrmals die Verjährung durch
Einreichung eines Sühnbegehrens unterbrochen. Mit der mehrmaligen
rechtzeitigen Unterbrechung der Verjährung hat der Kläger selbst zum Ausdruck
gebracht, dass es demjenigen, der Ansprüche aus culpa in contrahendo geltend
macht, zumutbar ist, innerhalb einer Frist von einem Jahr seit Kenntnis des
Schadens und des Schädigers aktiv zu werden, wie dies von der Rechtsprechung
des Bundesgerichtes unterstellt wird. Wenn die Ansprüche des Klägers verjährt
sein sollten, ist dies nicht auf eine zu kurze Verjährungsfrist
zurückzuführen, sondern darauf, dass es der Kläger versäumt hat, nach
mehrmaliger wirksamer Unterbrechung die Verjährungsfrist auch im April 2001
rechtzeitig eine verjährungsunterbrechende Handlung vorzunehmen.

2.3 Aus diesen Gründen ist daran festzuhalten, dass die Ansprüche aus culpa
in contrahendo der Verjährung nach Art. 60 OR unterstehen.

3.
Weiter macht der Kläger geltend, dass das Obergericht die vom Friedensrichter
am 11. Mai 2000 ausgestellte Weisung zu Unrecht nicht als
verjährungsunterbrechende Verfügung oder Entscheidung qualifiziert und
dadurch Art. 135 Ziff. 2 und Art. 138 Abs. 1 OR verletzt habe.

3.1 Gemäss Art. 135 Ziff. 2 OR wird die Verjährung u.a. durch die Einreichung
einer Klage unterbrochen. Im Verlauf eines gerichtlichen Klageverfahrens wird
die Verjährung gemäss Art. 138 Abs. 1 OR mit "jeder gerichtlichen Handlung
der Parteien" und "mit jeder Verfügung oder Entscheidung des Richters"
unterbrochen. Umstritten ist im vorliegenden Fall nur die Frage, ob die
Ausstellung der Weisung durch den Friedensrichter als "Verfügung oder
Entscheidung des Richters" zu qualifizieren ist.

3.2 Wie das Obergericht ausgeführt hat, ist das Verfahren vor dem Zürcher
Friedensrichter - abgesehen von Bagatellstreitigkeiten (§ 6 Abs. 1 GVG/ZH) -
kein gerichtliches Verfahren, sondern ein Sühnverfahren. Das gerichtliche
Verfahren wird erst mit der Einreichung der Weisung beim zuständigen Gericht
eingeleitet (§ 102 Abs. 1 ZPO/ZH). Auf weitere Ausführungen des Klägers zu
Stellung und Funktion des Friedensrichters nach Zürcher Prozessrecht ist
nicht einzutreten, da die Anwendung von kantonalem Prozessrecht im
Berufungsverfahren nicht überprüft werden kann (Art. 43 Abs. 1 ZPO). Wenn
aber der Friedensrichter nicht als Richter im Sinn von Art. 138 Abs. 1 OR
tätig geworden ist, kann die Ausstellung der Weisung nicht als "Verfügung
oder Entscheidung eines Richters" gelten. Die Ausstellung der Weisung ist
nicht ein Entscheid oder eine Verfügung, die in einem gerichtlichen Verfahren
von einem Richter, sondern im Sühnverfahren von einem Friedensrichter gefällt
wird. Das Obergericht hat daher zutreffend festgehalten, dass die Ausstellung
der Weisung keine verjährungsunterbrechende Wirkung im Sinn von Art. 138 Abs.
1 OR hat.

4.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Kläger kostenpflichtig (Art.
156 Abs. 1 OG). Da auf die Einholung einer Berufungsantwort verzichtet wurde,
entfällt eine Entschädigungspflicht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Kläger auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. November 2005

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: