Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.337/2004
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4C.337/2004 /lma

Urteil vom 5. November 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Fürsprech Dieter Trümpy,

gegen

B.________,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Fürsprecher Dr. Jürg Amsler,
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78,
Postfach, 5001 Aarau.

Arbeitsvertrag; fristlose Kündigung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts, Zivilkammer, des Kantons
Solothurn vom 29. Juli 2004.

Sachverhalt und Erwägungen:

1.
B. ________ (Klägerin) war bei der A.________ AG (Beklagte) in deren Boutique
X.________ als Verkäuferin angestellt. Im Jahre 2003 kam es zu
Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin und einer weiteren Angestellten,
weil diese sich auf ein Verhältnis mit dem Ehemann der Klägerin eingelassen
hatte. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 27.
März 2003 auf den 31. Mai 2003. Am 1. April 2003 reichte die Klägerin ein
Arztzeugnis ein, welches ihr ab dem 31. März 2003 eine hundertprozentige
Arbeitsunfähigkeit für 6 Tage bescheinigte. Mit Schreiben vom 2. April 2003
forderte die Beklagte die Klägerin auf, entweder am 4. April 2003 zur Arbeit
zu erscheinen oder den Vertrauensarzt der Firma aufzusuchen. Die Klägerin
leistete dieser Aufforderung in keiner Weise Folge. Hierauf kündigte die
Beklagte mit eingeschriebenem Brief vom 4. April 2003 das Arbeitsverhältnis
fristlos.

Die Klägerin belangte die Beklagte am 13. April 2003 vor Arbeitsgericht
Olten-Gösgen. Sie hielt die ordentliche Kündigung wegen Krankheit für
nichtig, die fristlose für unbegründet. Ferner verlangte sie die Ausstellung
eines seriösen Arbeitszeugnisses, den Lohn bis zum tatsächlichen Vertragsende
sowie eine Genugtuung wegen übler Verleumdung. Die öffentliche
Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau trat dem Verfahren als Streitgenossin
bei. Das Arbeitsgericht verpflichtete die Beklagte am 8. Dezember 2003, der
Arbeitslosenkasse und der Klägerin je Fr. 2'071.15 bzw. Fr. 5'184.20 brutto
zu bezahlen. Zudem wurde die Beklagte verpflichtet, der Klägerin ein
Arbeitszeugnis folgenden Wortlauts auszustellen:
"Arbeitszeugnis

B.________ war als Modeberaterin vom August 1996 bis April 1998 und dann von
August 1998 bis April 2003 in unserem X.________-Shop, Mode für Frauen und
Männer, tätig. B.________ erledigte folgende Arbeiten:
Verkauf
Warenpräsentation
Warenauszeichnung und -kontrolle
Mitwirken im Einkauf
Instandhaltung und Reinigung des Ladens
kleine, administrative Arbeiten
Wir lernten B.________ als charmante, tüchtige und selbstbewusste Person
kennen. In der Beratung unserer Kunden war sie unübertrefflich. Mit ihrem
modischen Flair und der Fähigkeit für jeden Kunden das perfekte Outfit
zusammenzustellen, erwarb sie sich in kurzer Zeit eine grosse und zufriedene
Stammkundschaft.
Gegenüber Vorgesetzten war sie immer korrekt.
Wir wünschen B.________ für die Zukunft weiterhin viel Glück und Erfolg und
alles Gute in ihrem weiteren Berufs- und Lebensweg.
Ganz herzlichen Dank für ihren geleisteten Einsatz!"

2.
Mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde beantragte die Beklagte dem Obergericht
des Kantons Solothurn, das Urteil vom 8. Dezember 2003 aufzuheben und
sämtliche klägerische Begehren kostenfällig abzuweisen. Mit Urteil vom 29.
Juli 2004 wurde die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen.

3.
Die Beklagte führt eidgenössische Berufung. Sie beantragt dem Bundesgericht,
das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im
Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Klägerin schliesst
auf Abweisung der Berufung, eventuell auf Nichteintreten. Die
Arbeitslosenkasse stellt den Antrag, das angefochtene Urteil vollumfänglich
zu bestätigen. Im Übrigen verzichtet sie auf eine Stellungnahme.

4.
Gemäss Art. 46 OG ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert nach
Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch
streitig waren, wenigstens Fr. 8'000.-- beträgt. Der Streitwert für das
Berufungsverfahren bemisst sich nach dem Interesse, das für die Parteien
unmittelbar vor der angefochtenen kantonalen Entscheidung auf dem Spiele
stand (BGE 116 II 431 E. 1).

5.
Mit Bezug auf den massgeblichen Streitwert bringt die Beklagte in der
Berufung vor, im Verfahren vor dem Obergericht seien zum einen Fr. 7'255.35
brutto und zum anderen die Formulierung des Arbeitszeugnisses streitig
gewesen. Die Klägerin habe vor Arbeitsgericht unter anderem die Formulierung
verlangt: "Gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war sie immer korrekt.".
Diese Aussage habe nicht lediglich einen unbedeutenden Bereich, sondern eine
fundamentale Kernaussage über wichtige Verhaltensweisen und
Charaktereigenschaften der Klägerin betroffen. Die Beklagte habe im
erstinstanzlichen Verfahren erläutert, weshalb dieser Satz nicht im
Arbeitszeugnis stehen dürfe. Ihrer Meinung nach rechtfertigt es sich daher,
den Wert des Arbeitszeugnisses mit einem monatlichen Bruttolohn
einschliesslich des Anteils am 13. Monatslohn, also mit Fr. 3'740.--
einzusetzen.

6.
Richtig ist, dass Streitigkeiten betreffend die Ausstellung oder Formulierung
von Arbeitszeugnissen nach Lehre und Rechtsprechung vermögensrechtlicher
Natur sind, wobei bezüglich der Streitwerthöhe in erster Linie auf die
übereinstimmenden Angaben der Parteien abgestellt wird (BGE 116 II 379 E. 2b
mit Hinweisen). Nicht zu hören ist die Beklagte indessen, soweit sie sich für
ihren sinngemäss eingenommenen Standpunkt, wonach sich der Streitwert nach
der vor erster Instanz eingeklagten Forderung richtet und spätere Reduktionen
daran nichts mehr ändern können, auf die gefestigte Lehre und Rechtsprechung
zu Art. 343 OR beruft. Der im Sinne von Art. 343 Abs. 2 OR massgebliche
Streitwert ist nämlich lediglich in Bezug auf die in  Art. 343 OR zwingend
vorgesehenen Verfahrensgrundsätze massgebend. Zur Bestimmung der sachlichen
Zuständigkeit, der zulässigen Rechtsmittel oder anderer von Art. 343 OR nicht
erfasster Gegenstände dürfen die einschlägigen Prozessordnungen eine andere
Art der Streitwertberechnung vorschreiben (Rehbinder/Portmann, Basler
Kommentar, 3. Aufl., N. 13 zu Art. 343 OR). Entgegen der Auffassung der
Beklagten sind demnach im Hinblick auf Art. 46 OG sämtliche Änderungen des
Streitgegenstandes im Laufe des kantonalen Verfahrens bis zum Zeitpunkt, in
welchem das Urteil der letzten kantonalen Instanz ergeht, zu beachten
(Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, N. 1.5 zu
Art. 46 OG, S. 239, mit Hinweisen).

Wie die Beklagte selbst einräumt, ist der für die Berufung erforderliche
Streitwert von Fr. 8'000.-- nicht erreicht, sofern ausschliesslich auf die
klar bezifferten Forderungen abgestellt wird, wie sie vor Obergericht noch
streitig waren. Das Obergericht hat im angefochtenen Urteil die Frage der
Formulierung des Arbeitszeugnisses nicht thematisiert. Die Beklagte legt
nicht dar, dass sie vor dem Obergericht einen Antrag auf diesbezügliche
Änderungen des erstinstanzlichen Urteils gestellt hätte. Dem
erstinstanzlichen Urteil ist im Übrigen zu entnehmen, dass der eingereichte
Entwurf des Arbeitszeugnisses, soweit die Arbeitsleistungen betreffend,
unbestritten war, und dass das Arbeitsgericht den Zeugnisentwurf, was das
Verhalten der Klägerin gegenüber ihren Mitarbeitern anbelangt, entsprechend
dem Begehren der Beklagten angepasst hat. Vor diesem Hintergrund ist nicht
ersichtlich, inwiefern die Beklagte insoweit noch beschwert und zur
Ergreifung eines Rechtsmittels legitimiert hätte sein können. Da feststeht,
dass sich die Klägerin mit dem erstinstanzlichen Urteil abgefunden hat, ist
ihr beizupflichten, wenn sie in der Berufungsantwort darlegt, die
Formulierung des Leistungszeugnisses sei jedenfalls vor Obergericht nicht
mehr streitig gewesen. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der
Streitwert nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten
kantonalen Instanz noch streitig waren, Fr. 8'000.-- nicht erreicht. Auf die
Berufung ist deshalb nicht einzutreten.

7.
Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 343 Abs. 3 OR). Hingegen hat die
im bundesgerichtlichen Verfahren unterliegende Beklagte der Klägerin eine
Parteientschädigung zu zahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG; BGE 115 II 30 E. 5c
S. 42 mit Hinweis). Die nicht anwaltlich vertretene Arbeitslosenkasse kann
dagegen keine Entschädigung beanspruchen.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

2.
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

3.
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des
Kantons Aargau und dem Obergericht, Zivilkammer, des Kantons Solothurn
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. November 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: