Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.323/2004
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4C.323/2004 /bie

Urteil vom 6. Juli 2005

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiber Widmer.

1. A.________,
2.B.________,
Klägerinnen und Berufungsklägerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Peyer,

gegen

Bank X.________, Beklagte und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Erik Birgelen,

Auftrag; Vermögensverwaltung,

Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts
des Kantons Zürich vom 2. Juli 2004.

Sachverhalt:

A.
A. ________ und B.________ (Klägerinnen) eröffneten im Sommer 1997 ein
Gemeinschaftskonto und -depot bei der Bank X.________ (Beklagten) und
betrauten diese mit der Vermögensverwaltung. Die Klägerinnen unterzeichneten
dazu am 4. August 1997 verschiedene Dokumente:
einen "Vertrag über die Errichtung eines Kontos und Depots",
"Besondere Vereinbarungen zum Vertrag über die Errichtung eines Kontos und
Depots",
ein "Anlageprofil" mit der angekreuzten Portefeuille-Struktur
"kapitalgewinnorientiert" sowie
"Bedingungen für die Vermittlung von Optionskontrakten".
Das Anlageprofil "kapitalgewinnorientiert" ist auf dem entsprechenden
Formular wie folgt umschrieben:
"Anlageziele:
langfristiges Vermögenswachstum durch die stärkere Ausrichtung auf Kapital-
und Währungsgewinne
Risikobereitschaft:
überdurchschnittliche Risikobereitschaft
Inkaufnahme erhöhter Vermögensschwankungen
Vermögensaufteilung:
Sachwerte in der Regel gegenüber Nominalwerten deutlich übergewichtet
das Fremdwährungs-Engagement kann hoch sein."
Unter "Bemerkungen" wurde auf dem Formular zudem maschinenschriftlich
folgendes festgehalten:
"Die erhaltene Prämie aus dem Schreiben von Put-Optionen können wir zum Kauf
von Stillhalter-Optionen verwenden".
Die Beklagte verfolgte daraufhin eine "dynamische Strategie mit Optionen".
Auf dem Konto bzw. dem Depot der Klägerinnen traten erhebliche Verluste ein.
Per Saldo waren Fr. 650'000.-- auf das Konto einbezahlt worden. Ende 2001
belief sich der Vermögensstand noch auf Fr. 153'095.-- bzw. im Zeitpunkt der
Klageeinleitung auf Fr. 34'000.-- bzw. Fr. 0.--.

B.
Am 23. September 2003 belangten die Klägerinnen die Beklagte beim
Handelsgericht des Kantons Zürich auf Bezahlung von Fr. 700'000.-- nebst Zins
als Schadenersatz aus der Verletzung des Vermögensverwaltungsauftrags. Das
Handelsgericht wies die Klage mit Urteil vom 2. Juli 2004 ab.

C.
Dagegen erhoben die Klägerinnen eidgenössische Berufung und kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat das Kassationsgericht
des Kantons Zürich am 31. März 2005 abgewiesen, soweit es darauf eingetreten
ist.

Mit ihrer Berufung beantragen die Klägerinnen dem Bundesgericht, das Urteil
des Handelsgerichts aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Eventuell sei das
Urteil zur Ergänzung des Sachverhalts und zur neuen Entscheidung an das
Handelsgericht zurückzuweisen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der
Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG hat die Berufungsschrift die Begründung der
Anträge zu enthalten. Sie soll kurz darlegen, welche Bundesrechtssätze und
inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind. Ausführungen,
die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen richten, das Vorbringen neuer
Tatsachen, neue Einreden, Bestreitungen und Beweismittel, sowie Erörterungen
über die Verletzung kantonalen Rechts sind unzulässig. Das Bundesgericht hat
seiner Entscheidung im Berufungsverfahren die Feststellungen der letzten
kantonalen Instanz über die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen, es
wäre denn, sie beruhten auf einem offensichtlichen Versehen, seien unter
Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen oder
bedürften der Ergänzung, weil das kantonale Gericht in fehlerhafter
Rechtsanwendung einen gesetzlichen Tatbestand nicht oder nicht hinreichend
klärte, obgleich ihm entscheidwesentliche Behauptungen und Beweisanträge
rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form unterbreitet worden sind (Art.
63 und 64 OG; BGE 130 III 102 E. 2.2; 127 III 248 E. 2c; 125 III 193 E. 1e S.
205, 368 E. 3 S. 372; 123 III 110 E. 2; 115 II 484 E. 2a).

2.
Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hatten sich die Klägerinnen im
vorinstanzlichen Verfahren zur Begründung ihres Schadenersatzanspruchs auf
den Standpunkt gestellt, die von der Beklagten tatsächlich verfolgte
Anlagestrategie widerspreche zum einen (als solche) der getroffenen
Vereinbarung. Zum anderen habe die Beklagte die Optionsstrategie auch nicht
korrekt bzw. sorgfaltswidrig verfolgt; sie habe sich nicht an die Richtlinien
für Vermögensverwaltungsaufträge der Schweizerischen Bankiervereinigung
gehalten, indem sie Klumpenrisiken und potentielle Sollpositionen eingegangen
sei sowie Optionsgeschäfte mit Hebelwirkung auf das Gesamtportfolio getätigt
habe.

2.1 Zunächst wandte sich die Vorinstanz der Frage zu, ob der Beklagten
insoweit eine Vertragsverletzung vorzuwerfen sei, als diese eine "dynamische
Strategie mit Optionen" verfolgt hatte, die schon als solche der
ursprünglichen Parteivereinbarung im Vermögensverwaltungsvertrag widersprach.
Sie bejahte zwar eine entsprechende Abredewidrigkeit nach einer
objektivierten Auslegung der Parteierklärungen, in der sie zum Schluss kam,
die Parteien hätten bloss einen Vermögensverwaltungsvertrag mit dem
Anlageprofil "kapitalgewinnorientiert" abgeschlossen, der die
Optionsstrategie nicht zugelassen habe. Letztlich liess sie die Frage, ob in
der Verfolgung einer Optionsstrategie an sich eine Vertragsverletzung liege,
jedoch offen, indem sie darauf verzichtete, ein Beweisverfahren zur
beklagtischerseits erhobenen Behauptung durchzuführen, dass ein vom
objektivierten Auslegungsergebnis abweichender tatsächlicher Vertragswille
der Parteien vorliege, der die verfolgte Optionsstrategie abdecke. Denn es
sei jedenfalls anzunehmen, dass die gemessen am objektivierten
Auslegungsergebnis abredewidrigen Verwaltungshandlungen von den Klägerinnen
genehmigt worden seien und entsprechend eine (allfällige) Vertragsverletzung
geheilt worden wäre. Es lägen Umstände vor, nach denen die Beklagte davon
habe ausgehen dürfen, dass die Klägerinnen mit der Optionsstrategie (im
Grundsatz) einverstanden gewesen seien.

2.2 Soweit die Klägerinnen darüber hinaus Schadenersatzfolgen aus der von
ihnen geltend gemachten Missachtung von Sorgfaltspflichten bei der Verfolgung
der "Optionsstrategie", d.h. aus der nicht korrekten Durchführung derselben
ableiteten (Verstoss gegen die Richtlinien der Bankiervereinigung), wies die
Vorinstanz die Klage sodann in Anwendung der Verhandlungsmaxime (§ 54 Abs. 1
ZPO/ZH) ab. Die Klägerinnen hätten es unterlassen, für den (Eventual-)Fall,
dass sich das Vertragsverständnis der Gegenpartei als richtig herausstellen
sollte oder eine Genehmigung einer Optionsstrategie angenommen würde,
darzulegen, welche Sorgfaltspflichtverletzungen inwiefern zu welchem Schaden
geführt hätten. So hätten sie ihre Schadensberechnung ausschliesslich auf
eine Gegenüberstellung der tatsächlichen Performance ihres Portefeuilles und
der durchschnittlichen Performance des beklagtischen Referenzportfolios für
das Anlageprofil "kapitalgewinnorientiert" gestützt. Sie hätten es
unterlassen, einen Vergleich des hypothetischen Vermögensstandes bei
korrekter Durchführung der Optionsstrategie mit dem tatsächlichen
Vermögensstand anzustellen, der aus der angeblich sorgfaltswidrigen
Verfolgung der Optionsstrategie resultiert habe. Damit seien sie ihrer
Obliegenheit, das Klagefundament darzulegen, nicht nachgekommen.

3.
Im vorliegenden Verfahren rügen die Klägerinnen im Wesentlichen, die
Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen, dass sie das Anlageverhalten der
Beklagten und die der Beklagten dabei vorzuwerfenden Verletzungen von
Sorgfaltspflichten genehmigt hätten. Sie vertreten dabei nicht mehr den
Standpunkt, es sei schon grundsätzlich vertragswidrig gewesen, eine
Optionsstrategie zu fahren, wie sie die Beklagte praktiziert habe. Vielmehr
erklären sie, die Vorinstanz habe übersehen, dass der Genehmigung einer
Optionsstrategie für sich allein keine Bedeutung zukomme, da eine
Optionsstrategie gemäss Vertrag eindeutig zulässig gewesen sei. Die
Vermögensschwankungen des Portfolios seien keineswegs auf die Anwendung einer
Optionsstrategie zurückzuführen. Die Verluste seien vielmehr die Folge der
Verletzung der Grundsätze der Bankiervereinigung bei der Verfolgung dieser
Strategie.

Zur Begründung ihrer Rüge werfen die Klägerinnen der Vorinstanz keine
Bundesrechtsverletzungen vor, zeigen solche jedenfalls nicht in
rechtsgenüglicher Weise auf (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 116 II 745 E. 3 S.
749; vgl. auch BGE 121 III 397 E. 2a S. 400). Vielmehr machen sie im
Wesentlichen geltend, der beanstandete vorinstanzliche Schluss beruhe in
tatsächlicher Hinsicht auf einer Vielzahl von offensichtlichen Versehen und
einem unvollständig festgestellten Sachverhalt, der zur Anwendung des
Bundesrechts in mannigfacher Hinsicht der Berichtigung oder Vervollständigung
bedürfe. Dabei vermischen sie das Thema der Genehmigung einer der
ursprünglichen Parteiabrede allenfalls widersprechenden Anlagestrategie mit
Optionen weitgehend mit der (nach dem vorinstanzlichen Urteil davon zu
unterscheidenden) Frage nach der Genehmigung des angeblich sorgfaltswidrigen
Anlageverhaltens im Rahmen der tatsächlich verfolgten "Optionsstrategie".

3.1 Da die Klägerinnen im vorliegenden Verfahren anerkennen, dass die
Verfolgung einer Optionsstrategie grundsätzlich nicht vertragswidrig sei,
braucht auf die Erwägungen des Handelsgerichts über die Genehmigung einer
solchen nicht weiter eingegangen zu werden. Die in der Berufung erhobenen
Rügen sind nicht darauf zu beziehen.

3.2 Soweit die Klägerinnen rügen, die Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen,
sie hätten das Anlageverhalten der Beklagten mit der damit einhergehenden
Verletzung von Sorgfaltspflichten genehmigt, verkennen sie, dass die
Vorinstanz nur angenommen hat, dass sie die Verfolgung einer eigentlichen
Optionsstrategie im Grundsatz genehmigt hätten. Ob die Klägerinnen auch die
allenfalls sorgfaltswidrige Ausübung einer solchen Strategie genehmigt haben,
hat sie nicht geprüft. Dies ergibt sich aus den vorinstanzlichen Erwägungen,
in denen bloss von einer Genehmigung von "gemessen am objektivierten
Auslegungsergebnis abredewidrigen" Verwaltungshandlungen der Beklagten die
Rede ist bzw. davon, dass die Klägerinnen gewusst hätten, dass eine
Optionsstrategie anstelle der nach objektivierter Auslegung vereinbarten
Anlagestrategie verfolgt worden sei, und dass sie mit der "Optionsstrategie
(im Grundsatz)" einverstanden gewesen seien.

Ob die Beklagte bei der Verfolgung der genehmigten bzw. nunmehr
zugestandenermassen vertragsgemäss verfolgten Optionsstrategie
sorgfaltswidrig vorging und die Klägerinnen eine allenfalls sorgfaltswidrige
Anlagetätigkeit der Beklagten genehmigt hatten, musste die Vorinstanz aus
bundesrechtlicher Sicht nicht prüfen. Denn insoweit ergab sich die Abweisung
der eingeklagten Ansprüche in Anwendung der Verhandlungsmaxime bereits
daraus, dass die Klägerinnen das Klagefundament nicht ausreichend
substanziiert, ihren Anspruch insoweit nicht prozessrechtskonform geltend
gemacht hatten (vgl. vorstehende Erwägung 2.2). Demzufolge musste die
Vorinstanz keine tatsächlichen Feststellungen über die geltend gemachte
sorgfaltswidrige Verfolgung der Optionsstrategie und deren Genehmigung
treffen und besteht für eine diesbezügliche Berichtigung oder Ergänzung des
Sachverhalts nach Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG kein Raum. Die entsprechenden
Sachverhaltsrügen sind allesamt abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
kann. - Dass die Vorinstanz mit ihrem Vorgehen die Verhandlungsmaxime
verletzt hätte, machen die Klägerinnen im vorliegenden Verfahren zu Recht
nicht geltend, da es sich bei der Verhandlungsmaxime um einen
kantonalrechtlichen Grundsatz handelt (§ 54 Abs. 1 ZPO/ZH), dessen Verletzung
mit Berufung nicht gerügt werden kann (Art. 43 und Art. 55 Abs. 1 lit. c OG;
BGE 127 III 248 E. 1b S. 251; 127 IV 215 E. 2d S. 218; 106 II 201 E. 3b).

3.3 Den Klägerinnen kann in diesem Zusammenhang nicht gefolgt werden, soweit
sie vorbringen, die Definition des Vertragsinhalts im Sachverhalt der
Vorinstanz sei derart unklar, dass nicht erkennbar sei, was unter der von der
Vorinstanz als im Grundsatz genehmigt angesehenen Optionsstrategie zu
verstehen sei, namentlich ob es im Rahmen dieser Strategie zulässig gewesen
sei, von den Richtlinien für Vermögensverwaltungsaufträge der
Bankiervereinigung abzuweichen. Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor,
dass die Vorinstanz die als genehmigt betrachtete "eigentliche Strategie mit
Optionen" als blosse Abweichung von der nach objektivierter Vertragsauslegung
vereinbarten Anlagepolitik "kapitalgewinnorientiert" definierte, bei der sich
die Optionsgeschäfte nicht im zulässigen Rahmen der Portfeuillestruktur
"kapitalgewinnorientiert" bewegten. So hätten die Optionskontrakte den
Hauptteil des Vermögensverzeichnisses der Klägerinnen per Ende 2000
ausgemacht, während im Rahmen des Vermögensverwaltungsauftrags mit dem
Anlageprofil "kapitalgewinnorientiert" nach objektivierter Auslegung
lediglich "zusätzlich" Optionsgeschäfte hätten getätigt werden dürfen. Eine
nähere Präzisierung der "eigentlichen Optionsstrategie" und des in deren
Rahmen zulässigen Anlageverhaltens erübrigte sich für die Vorinstanz
angesichts der Tatsache, dass die Klägerinnen das Klagefundament für den Fall
der sorgfaltswidrigen Abweichung von einer näher präzisierten, im Grundsatz
genehmigten Optionsstrategie ohnehin nicht prozessrechtskonform dargelegt
hatten.

4.
Die Berufung ist aus den dargelegten Gründen abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Ausgangsgemäss werden die Klägerinnen für das Verfahren vor
Bundesgericht kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art.
159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 9'000.-- wird den Klägerinnen unter solidarischer
Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Klägerinnen haben die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren unter
solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 10'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Juli 2005

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: