Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.309/2004
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4C.309/2004 /sza

Urteil vom 10. November 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Huguenin.

X. ________,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Fürsprech lic. iur. Dieter
Trümpy,

gegen

Y.________,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter
Reinhart,

Arbeitsvertrag; fristlose Kündigung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, vom 22. Juli 2004.

Sachverhalt:

A.
Y. ________ (Klägerin) arbeitete seit dem 17. April 1991 als kaufmännische
Angestellte für die X.________ (Beklagte) gehörende Tanzschule. Im Dezember
2000 gab sie im Betrieb bekannt, dass sie schwanger sei. Von da an fühlte sie
sich einem systematischen und aggressiven Mobbing ausgesetzt. Vom 16. März
bis zum 29. Oktober 2001 war die Klägerin krank geschrieben. Danach erschien
sie nicht mehr zur Arbeit.

B.
Am 24. Mai 2002 belangte die Klägerin die Beklagte vor dem Arbeitsgericht des
Richteramts Olten-Gösgen, welches die Beklagte am 11. Dezember 2003
verpflichtete, der Klägerin Fr. 20'142.25 brutto nebst 5 % Zins seit dem 30.
Oktober 2001 auf dem Nettolohn und Fr. 136.30 aufgelaufenen Verzugszins zu
bezahlen sowie ein Arbeitszeugnis mit bestimmtem Inhalt auszustellen.

In seinem Urteil hält das Arbeitsgericht fest, der Bürochef und Ehemann der
Beklagten habe bereits im März 2001 in einer der Klägerin zugänglichen Datei
im Computer ein Arbeitszeugnis für die Klägerin abgelegt, obwohl weder die
Beklagte noch die Klägerin bis zum damaligen Zeitpunkt Kündigungsabsichten
geäussert hätten. Ferner habe der Bürochef ohne Grundangabe die Schlüssel von
der Klägerin herausverlangt, und es seien ihr ohne sachliche Begründung ein
anderer Arbeitsplatz und ein anderes Arbeitsgebiet zugewiesen worden. Sodann
habe die Beklagte die Klägerin unter krasser Missachtung des Mutterschutzes
rund 14 Tage nach der Niederkunft zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgeboten.
Schliesslich habe sich die Beklagte in ihrer umfangreichen Korrespondenz mit
der Klägerin eines Tones bedient, der an Herabwürdigung seinesgleichen suche
und auch im Verfahren - nicht bewiesene - Anschuldigungen gegen die Klägerin
mit Heftigkeit vorgetragen. Aufgrund dieser Tatsachen hielt das
Arbeitsgericht dafür, der Mobbingvorwurf sei begründet und der Klägerin die
Wiederaufnahme der Arbeit nach Erlangung ihrer Arbeitsfähigkeit nicht
zumutbar gewesen (Art. 337 Abs. 2 OR).

C.
Die von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde
wies das Obergericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 22. Juli 2004 ab.
Es hielt die Vorwürfe willkürlicher Sachverhaltsermittlung für unbegründet
und kam in rechtlicher Hinsicht gleich wie das Arbeitsgericht zum Ergebnis,
der Bürochef und Ehemann der Beklagten habe die Klägerin spätestens seit
Januar 2001 auf eine Weise schikaniert, belästigt, kritisiert und
ausgegrenzt, die als Mobbing zu qualifizieren sei und die Klägerin nach Art.
337 Abs. 1 OR zur fristlosen Kündigung berechtigt habe.

D.
Die Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 22. Juli 2004 aufzuheben
und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Die Klägerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der
Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Berufungsschrift enthält keinen materiellen Antrag, wie er nach ständiger
Praxis des Bundesgerichts betreffend Art. 55 Abs. 1 lit. b OG erforderlich
ist. Der blosse Rückweisungsantrag reicht im vorliegenden Fall nicht aus, da
die Beklagte in der Berufungsschrift nicht darlegt und auch nicht ersichtlich
ist, inwiefern das Bundesgericht, sollte es ihre Rechtsauffassung für
begründet erachten und zum Ergebnis gelangen, die Klägerin sei nicht zur
fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen, kein
Sachurteil fällen könnte, sondern die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts an
die Vorinstanz zurückweisen müsste. Schon aus diesem Grunde ist auf die
Berufung nicht einzutreten (BGE 125 III 412 E. 1b mit Hinweisen).

2.
Selbst wenn sich den Ausführungen in der Berufungsschrift sinngemäss ein
rechtsgenügender Antrag entnehmen liesse, bliebe die Berufung aus den
nachstehenden Gründen erfolglos.

2.1 Nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ist in der Berufungsschrift kurz
darzulegen, welche Bundesrechtssätze der angefochten Entscheid verletzt und
inwiefern er gegen sie verstösst. Unzulässig sind dagegen Rügen, die sich
gegen die tatsächlichen Feststellungen und gegen die Beweiswürdigung der
Vorinstanz richten, es sei denn, es werde zugleich ein offensichtliches
Versehen, eine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften (Art. 63 Abs.
2 OG) oder eine unvollständige Ermittlung des Sachverhalts vorgeworfen (Art.
64 OG). Wer sich auf solche Ausnahmen von der Bindung des Bundesgerichts an
die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz beruft und
den Sachverhalt gestützt darauf berichtigt oder ergänzt wissen will, hat
darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. d
OG; BGE 115 II 484 E. 2a). Unbeachtlich sind dagegen blosse Verweise auf die
Akten; inwiefern das angefochtenen Urteil Bundesrecht verletzt, ist in der
Berufungsschrift selber darzulegen (BGE 126 III 198 E. 1d).

Die Beklagte stützt ihre Kritik der Verletzung von Bundesrecht durch die
Vorinstanz weitgehend auf einen gegenüber dem angefochtenen Urteil beliebig
erweiterten Sachverhalt, ohne substanziierte Rügen im dargelegten Sinne zu
erheben. Inwiefern die Beurteilung der kantonalen Gerichte aufgrund des für
das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalts gegen Bundesrecht
verstossen soll, legt sie jedoch nicht dar. Zwar macht sie verschiedentlich
eine Verletzung von Art. 8 ZGB geltend. Mit ihren Vorbringen kritisiert sie
jedoch stets positive Feststellungen im angefochtenen Urteil, so dass ihre
Rügen der Verletzung von Art. 8 ZGB durchwegs auf eine unzulässige Kritik an
der Beweiswürdigung durch die Vorinstanz hinauslaufen. Die Beklagte verkennt,
dass bundesrechtlich nicht geregelte Beweiswürdigung vorliegt, wo das Gericht
in Würdigung von Beweisen zur Überzeugung gelangt, eine Tatsachenbehauptung
sei bewiesen oder widerlegt, und dass die Frage der Beweislastverteilung
damit gegenstandslos wird (BGE 128 III 22 E. 2d und 271 E. 2b/aa S. 277).
Auch insoweit könnte auf weite Strecken nicht auf die Berufung eingetreten
werden.

3.
3.1 Nach Art 337 OR kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer das
Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen (Abs. 1).
Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem
Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2). Über das Vorhandensein solcher
Umstände entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Abs. 3)

Eine fristlose Kündigung ist nur bei besonders schweren Verfehlungen des
Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein,
die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören
oder zumindest so tief greifend zu erschüttern, dass dem Arbeitnehmer die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Anderseits
wird vorausgesetzt, dass sie tatsächlich zu einer entsprechenden Zerstörung
oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Sind die
Verfehlungen weniger schwerwiegend, müssen sie trotz Abmahnung wiederholt
vorgekommen sein (BGE 130 III 213 E. 3.1; 129 III 380 E. 2.1 mit Hinweisen).

3.2 Ob eine rechtsgenügende Abmahnung vorliegt, ist an sich eine im
Berufungsverfahren überprüfbare Rechtsfrage. Auf die Berufung wäre somit
grundsätzlich einzutreten, soweit die Beklagte beanstandet, dass die
Vorinstanz im Schreiben von A.________ vom April 2001 eine hinreichende
Abmahnung erblickte. Das würde indes nichts am Verfahrensausgang ändern. Die
Vorinstanz hätte angesichts der Vielzahl der die Klägerin als menschliche
Person herabwürdigenden Vorkommnisse (vgl. lit. B hiervor)
bundesrechtskonform schliessen dürfen, die Verletzung der Fürsorgepflicht
durch die Arbeitgeberin wiege derart schwer, dass sich eine vorgängige
Abmahnung durch die Arbeitnehmerin erübrigt habe. Dies gilt umso mehr, als es
der Bürochef und Ehemann der Beklagten mit seinem Verhalten darauf angelegt
hatte, die Klägerin zur Kündigung der Stelle zu veranlassen, wie das
Arbeitsgericht unangefochten und für das Bundesgericht verbindlich
festgestellt hat. Ob die Vorinstanz zu Recht angenommen hat, die Beklagte sei
durch das Schreiben ihres Vertrauensarztes hinreichend abgemahnt worden, wäre
mithin nicht erheblich.

3.3 Die Vorinstanz ist auf den Einwand der Beklagten, dass die Klägerin nie
erklärt habe, fristlos zu kündigen, mangels gehöriger Behauptung im Verfahren
vor dem Arbeitsgericht nicht eingetreten. Das betreffende Vorbringen in der
Berufungsschrift gilt daher als unzulässiges Novum (Art. 55 Abs. 1 lit. c
OG).

4.
Gerichtskosten sind gemäss Art. 343 Abs. 3 OR nicht zu erheben. Dagegen hat
die im bundesgerichtlichen Verfahren unterliegende Beklagte der Klägerin eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG; BGE 115 II 30 E.
5c S. 42 mit Hinweis).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

2.
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit  Fr.
2'500.-- zu entschädigen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. November 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: