Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.284/2004
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4C.284/2004 /ruo

Urteil vom 19. Juli 2005

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Huguenin.

X. ________ Beklagter und Berufungskläger,
vertreten durch Rechtsanwalt Till Gontersweiler,

gegen

Y.________ Kläger und Berufungsbeklagten,
vertreten durch Rechtsanwalt Ralph Butz.

Einfache Gesellschaft,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 8. Juni 2004.

Sachverhalt:

A.
X. ________ und Y.________ bildeten eine als Konsortium "Z.________"
bezeichnete einfache Gesellschaft. Seit Januar 1993 standen sie als
Solidarschuldner mit der Bank A.________ in einem Darlehensverhältnis (Fester
Vorschuss von Fr. 200'000.--), das 1994 von der Bank gekündigt wurde. Nachdem
die Bank die beiden Solidarschuldner erfolglos zur Rückzahlung des
Darlehensbetrages aufgefordert hatte, vereinbarte sie anfangs 1995 mit
Y.________, dass dieser das Darlehen von Fr. 200'000.-- als Alleinschuldner
übernehme (Vertrag vom 22. Februar/1. März 1995).

B.
Y.________, der seinen Mitgesellschafter für die Hälfte der übernommenen
Bankschuld als haftbar betrachtete, reichte im Januar 1999 beim
Bezirksgericht Zürich gegen diesen Klage auf Zahlung von Fr. 101'964.05
(später erhöht auf Fr. 105'927.60) nebst Zins ein. Der Beklagte widersetzte
sich der Klage und erhob Widerklage mit dem Rechtsbegehren, es sei
gerichtlich festzustellen, dass er dem Kläger nichts schulde.

Mit Beschluss und Urteil vom 30. April 2002 trat das Bezirksgericht Zürich
auf die Widerklage nicht ein und hiess die Klage im Betrag von Fr. 102'427.60
nebst 5 % Zins seit 1. April 1995 gut. Das Bezirksgericht kam zum Ergebnis,
dass die von den Parteien gebildete einfache Gesellschaft aufgelöst, jedoch
bis zum Zeitpunkt der Klageeinleitung durch den Kläger noch nicht liquidiert
worden sei. Nachdem das vom Bezirksgericht durchgeführte Beweisverfahren
ergab, dass keine Aktiven der Gesellschaft, dagegen Passiven in Höhe der
erwähnten Bankschuld vorhanden waren, nahm es die Liquidation selbst vor,
indem es gemäss der mangels besonderer Vereinbarung anwendbaren Regel von
Art. 533 Abs. 1 OR den Gesellschaftsverlust zu gleichen Teilen unter die
Gesellschafter aufteilte. Dies führte zur Gutheissung der Klage im erwähnten
Umfang.

Der Beklagte appellierte an das Obergericht des Kantons Zürich, das sein
Rechtsmittel mit Urteil vom 8. Juni 2004 abwies und den Entscheid des
Bezirksgerichts mit gleicher Begründung wie dieses bestätigte.

Das Urteil des Obergerichts focht der Beklagte mit kantonaler
Nichtigkeitsbeschwerde an, die vom Kassationsgericht des Kantons Zürich mit
Zirkulationsbeschluss vom 17. Februar 2005 abgewiesen wurde, soweit es darauf
eintrat.

C.
Mit Berufung beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 8. Juni 2004 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.

Der Kläger schliesst in seiner Berufungsantwort auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen
Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, sofern sie nicht
offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen oder wegen fehlerhafter Rechtsanwendung
durch die Vorinstanz zu ergänzen sind (Art. 63 Abs. 2 und 64 OG). Die Partei,
welche den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt berichtigt oder ergänzt
wissen will, hat darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen. Eine
Ergänzung setzt zudem voraus, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im
kantonalen Verfahren prozessrechtskonform aufgestellt, von der Vorinstanz
aber zu Unrecht für unerheblich gehalten oder übersehen worden sind, was
wiederum näher anzugeben ist. Ohne diese Angaben gelten Vorbringen, die über
die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil hinausgehen, als
unzulässige Noven (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 126 III 59 E. 2a S. 65; 119
II 353 E. 5c/aa S. 357 und 115 II 484 E. 2a S. 485 f., je mit Hinweisen).
Blosse Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz ist im Berufungsverfahren
ausgeschlossen (BGE 116 II 745 E. 3 S. 749).

2.
Der Beklagte hält in der Berufungsschrift an seiner bereits in allen
kantonalen Verfahren vorgebrachten Behauptung fest, dass er anfangs 1995 aus
der einfachen Gesellschaft ausgeschieden sei und diese damals im Einvernehmen
mit dem Kläger liquidiert worden sei. Sämtliche Aktiven der Gesellschaft
seien dem Kläger übertragen worden, der im Gegenzug sämtliche Verpflichtungen
der Gesellschaft gegenüber der Bank übernommen habe.
Die Behauptung des Beklagten scheitert an den für das Bundesgericht
verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Diese hat gestützt
auf das vom Bezirksgericht durchgeführte Beweisverfahren festgestellt, dass
das vom Beklagten behauptete einzige Aktivum der einfachen Gesellschaft - die
Rechte am Z.________-Verfahren - in Wirklichkeit von der Gesellschaft nie
erworben worden sei und deshalb vom Kläger weder in Besitz genommen noch habe
verkauft werden können. Die Vorinstanz hat weiter festgestellt, dass sich die
Parteien entgegen der Darstellung des Beklagten nicht über die Liquidation
der einfachen Gesellschaft geeinigt hätten. Was der Beklagte in der
Berufungsschrift gegen diese Feststellungen vorbringt, ist nicht zu hören.
Wenn er in diesem Zusammenhang geltend macht, der Kläger hätte gemäss Art. 8
ZGB beweisen müssen, dass er von der Bank zur alleinigen Übernahme der
Gesellschaftsschuld gezwungen worden sei, verkennt er völlig die
Rechtsgrundlage des angefochtenen Urteils. Die Vorinstanz ist - wie bereits
das Bezirksgericht - in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass der
Beklagte die Gesellschaftsschuld, das heisst die solidarische Verpflichtung
der beiden Gesellschafter gegenüber der Bank, im externen Verhältnis zur
alleinigen Rückzahlung übernommen hat. Der Regress des Klägers gegenüber dem
Beklagten richtet sich nach den Regeln des Obligationenrechts betreffend die
Liquidation der einfachen Gesellschaft. Danach ist der Verlust der
Gesellschaft von den Gesellschaftern zu gleichen Teilen zu tragen (Art. 549
Abs. 2 in Verbindung mit Art. 533 Abs. 1 OR). Daraus folgt die Berechtigung
des Klägers, vom Beklagten Geldersatz zu verlangen, soweit die gegenüber der
Bank übernommene Schuld mehr als die Hälfte des Gesellschaftsverlustes
beträgt. Auf dieser rechtlichen Grundlage ist unerheblich, ob der Kläger von
der Bank zur alleinigen Übernahme der Gesellschaftsschuld gezwungen worden
ist, weshalb diese Frage von den kantonalen Gerichten nicht beweismässig
abgeklärt werden musste und die Frage der Beweislastverteilung keine Rolle
spielt.

Ebenfalls fehl geht die Berufung des Beklagten auf BGE 116 II 316. Im
Gegensatz zu jenem Fall ist im hier vorliegenden bekannt, welche Aktiven -
nämlich keine - und welche Passiven nach der Auflösung der einfachen
Gesellschaft vorhanden waren. Die Liquidation konnte deshalb im
Gerichtsverfahren durch die kantonalen Gerichte vorgenommen werden. Der
Grundsatz der Einheitlichkeit der Liquidation wurde eingehalten, da mit dem
Entscheid in der Sache alle liquidationsbedürftigen Verhältnisse
berücksichtig worden sind. An dieser Rechtslage vorbei geht schliesslich auch
der weitere Einwand des Beklagten, die Vorinstanzen hätten ein vollständiges
Liquidationsverfahren angenommen, obschon viele für eine Liquidation
relevante Fragen unbeantwortet geblieben seien, und die damit verbundene Rüge
einer Verletzung von Art. 8 ZGB durch "eine nicht zulässige antizipierte
Beweiswürdigung zu Gunsten des Klägers". In diesem Zusammenhang ist noch
einmal zu wiederholen, dass nach den Feststellungen der Vorinstanz alle für
die Liquidation der Gesellschaft relevanten Fragen abgeklärt waren und
deshalb die Liquidation im Gerichtsverfahren selbst vorgenommen werden
konnte. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im Berufungsverfahren blosse
Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz unzulässig ist, und zwar auch
unter dem Titel einer behaupteten Verletzung von Art. 8 ZGB. Diese Bestimmung
schreibt den kantonalen Gerichten nicht vor, wie sie die Beweise zu würdigen
haben und verbietet ihnen namentlich nicht, angebotene Beweise aufgrund
antizipierter Würdigung nicht abzunehmen (BGE 129 III 18 E. 2.6 S. 25 mit
Hinweisen).

3.
Unzulässig ist schliesslich die Rüge des Beklagten, die kantonalen Gerichte
hätten sich auf die Liquidation der Gesellschaft konzentriert, womit sie
einen anderen Prozessgegenstand behandelt hätten, als der Kläger zu behandeln
begehrt habe; die Vorinstanzen seien damit weit über die Parteianträge
hinausgegangen und hätten die falsche Anspruchsgrundlage geprüft. Ob und wie
weit im kantonalen Verfahren die Dispositions- und Verhandlungsmaxime
anwendbar war, ist im vorliegenden Fall eine Frage des kantonalen
Verfahrensrechts (BGE 111 II 358 E. 1; Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur
zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 1997, N. 1 und 14 f. zu
§ 54 ZPO). Die Verletzung kantonalen Rechts kann im Berufungsverfahren nicht
gerügt werden (Art. 43 Abs. 1 und 55 Abs. 1 lit. c OG).

4.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr dem Beklagten
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Dieser hat den Kläger für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.

3.
Der Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juli 2005

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: