Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.267/2004
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4C.267/2004 /lma

Urteil vom 23. November 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hess,

gegen

B.________,
C.________,
Beklagte und Berufungsbeklagte, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Anton
Egli,

Kaufvertrag,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer als
Appellationsinstanz, vom 18. Mai 2004.

Sachverhalt:

A.
Am 22. Februar 1999 verkaufte A.________ (Kläger) eine Eigentumswohnung mit
zwei Autoabstellplätzen in Meggen zum Preis von Fr. 590'000.-- an B.________
und C.________ (Beklagte). Im Kaufvertrag wurde die Gewährleistung für Mängel
des Kaufgrundstücks ausgeschlossen (Freizeichnungsklausel). In der Folge
machten die Beklagten verschiedene Mängel geltend und verweigerten die
Bezahlung des ausstehenden Kaufpreises von Fr. 90'000.--.

B.
Am 8. November 2000 beantragte der Kläger dem Amtsgericht Luzern-Land, die
Beklagten seien zu verpflichten, ihm unter solidarischer Haftbarkeit Fr.
90'000.-- nebst 5 % Zins seit dem 1. Juni 1999 zu bezahlen. Mit Urteil vom
22. November 2002 verpflichtete das Amtsgericht Luzern-Land die Beklagten,
dem Kläger unter solidarischer Haftung Fr. 81'500.-- nebst 5 % Zins seit 1.
Juni 1999 zu bezahlen. Gegen diese Urteil erhoben die Beklagten Appellation
ans Obergericht des Kantons Luzern. Mit Urteil vom 18. Mai 2004 verpflichtete
das Obergericht die Beklagten, dem Kläger unter solidarischer Haftbarkeit Fr.
20'000.-- nebst 5 % Zins seit dem 1. Juni 1999 zu bezahlen.

C.
Mit Berufung vom 1. Juli 2004 beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 18. Mai 2004 sei aufzuheben
und die Beklagten seien zu verpflichten, unter solidarischer Haftung Fr.
81'500.-- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 1999 zu bezahlen. Eventualiter sei
die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung.

D.
Mit Urteil vom heutigen Tag wurde eine gleichzeitig erhobene staatsrechtliche
Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht hat im angefochtenen Urteil ausgeführt, der Kläger habe um
die Schallprobleme in den betreffenden Häusern gewusst. Wegen absichtlicher
Täuschung sei die Freizeichnungsklausel im Kaufvertrag vom 22. Februar 1999
unbeachtlich (Art. 199 OR). Der Einwand, die Mängelrügen seien nicht
rechtzeitig erhoben worden, sei unzutreffend, weil sich der Verkäufer bei
absichtlicher Verschweigung von Mängeln nicht auf eine allfällige verspätete
Rüge berufen könne (Art. 203 OR). Abgesehen davon seien die Rügen ohnehin
rechtzeitig erhoben worden. Dies ist im Verfahren vor Bundesgericht
unbestritten.

2.
Umstritten ist nur die Frage, ob der Kläger in Bezug auf die Schallisolation
bestimmte Eigenschaften verbindlich zugesichert hat. Das Obergericht hat dazu
ausgeführt, im Verkaufsinserat sei die Wohnung mit der Umschreibung "Alles in
hervorragender Bauqualität gebaut" angepriesen worden. Zudem habe der Kläger
in der Kaufsvereinbarung vom 29. Januar 1999 bestätigt: "Sie kaufen eine
ausgezeichnete Immobilie mit einem sehr guten Baustandard". Die Beklagten als
Adressaten dieser Erklärungen hätten daher nach Treu und Glauben von einer
erhöhten Schallisolation als zugesicherte Eigenschaft des Kaufsobjektes
ausgehen dürfen. Massgebend seien die Werte der SIA-Norm 181 (Ausgabe 1988),
welche im Zeitpunkt des Verkaufs Gültigkeit gehabt habe.

2.1 Gemäss Art. 197 Abs. 1 OR haftet der Verkäufer dem Käufer für die
zugesicherten Eigenschaften. Von "zugesicherten Eigenschaften" sind
unverbindliche Äusserungen des Verkäufers zu unterscheiden. Als Zusicherung
gilt die ernsthafte Behauptung einer bestimmten, objektiv feststellbaren
Eigenschaft. Demgegenüber fallen unverbindliche, reklamehafte Anpreisungen
nicht unter den Begriff der Zusicherung (BGE 88 II 410 E. 3c S. 416; Hans
Giger, Berner Kommentar, Bern 1980, N 15 zu Art. 197 OR; Schumacher/Rüegg,
Die Haftung des Grundstückverkäufers, in: Alfred Koller [Hrsg.], Der
Grundstückkauf, 2. Auflage, Bern 2001, S. 234 Rz. 174). Ob eine Äusserung des
Verkäufers als verbindliche Zusicherung oder als blosse Anpreisung zu
qualifizieren ist, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Der Inhalt eines
Vertrages bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das
heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 OR). Wenn
eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur
Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien
aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut
und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und
mussten (BGE 129 III 118 E. 2.5 S. 123, 125 III 263 E. 4a S. 266, 121 III 118
E. 4b/aa S. 123, je mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall wird nicht eine
Verletzung des Grundsatzes des Vorrangs der subjektiven vor der
objektivierten Vertragsauslegung gerügt. Vielmehr ist einzig die
objektivierte Auslegung nach dem Vertrauensprinzip umstritten. Als
Rechtsfrage kann diese Auslegung vom Bundesgericht im Berufungsverfahren
überprüft werden (BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123 m.w.H.).
2.2 Der Beklagte macht zunächst geltend, bei den umstrittenen Aussagen im
Verkaufsinserat ("Alles in hervorragender Bauqualität gebaut") und in der
Kaufsvereinbarung vom 29. Januar 1999 ("Sie kaufen eine ausgezeichnete
Immobilie mit einem sehr guten Baustandard") habe es sich nur um allgemein
gehaltene Äusserungen und nicht um verbindliche Zusicherungen gehandelt.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Bei der Aussage im
Zeitungsinserat "Alles in hervorragender Bauqualität gebaut" mag es zwar
darum gegangen sein, das Interesse von möglichen Käufern zu wecken. Insofern
spricht viel dafür, derart allgemein gehaltene Äusserungen in einem
Zeitungsinserat für sich allein nicht als verbindliche Zusicherung, sondern
als unverbindliche Anpreisung zu qualifizieren. Anders verhält es sich
jedoch, wenn in der anschliessenden Kaufsvereinbarung dem Käufer bestätigt
wird: "Sie kaufen eine ausgezeichnete Immobilie mit einem sehr guten
Baustandard". In dieser Phase der Vertragsverhandlungen geht es nicht mehr
darum, das Interesse - durch Anpreisung - zu wecken, sondern den konkreten
Vertragsinhalt - durch verbindliche Zusicherungen - zu definieren. Die
Vorinstanz hat daher zutreffend festgehalten, dass die Beklagten aufgrund der
genannten Umstände nach Treu und Glauben eine erhöhte Schallisolation als
zugesicherte Eigenschaft des Kaufobjektes betrachten durften. Daran ändern
auch die Einwände des Klägers nichts. Unzutreffend ist zunächst die
Auffassung, es seien nicht konkret umschriebene, objektiv feststellbare
Eigenschaften des Kaufobjektes zugesichert worden. Entscheidend ist, dass mit
der Aussage "sehr guter Baustandard" insofern eine konkrete und objektiv
feststellbare Eigenschaftsangabe gemacht wird, als sie nach Treu und Glauben
so zu verstehen war, dass die verkaufte Wohnung den allgemein anerkannten
Regeln der Baukunde entspreche, die in Bezug auf den Schallschutz im Hochbau
in der SIA-Norm 181 definiert werden. Unbegründet ist sodann auch der Einwand
des Klägers, die persönlichen Eigenschaften des Beklagten 2, bei dem es sich
um einen Baufachmann handle, seien bei der Vertragsauslegung ausser Betracht
gelassen worden. Wenn wie im vorliegenden Fall ein "sehr guter Baustandard"
zugesichert wird, darf auch ein Baufachmann nach Treu und Glauben davon
ausgehen, dass die allgemein anerkannten Regeln der Baukunde - d.h. bezüglich
des Schallschutzes in Hochbauten die SIA-Norm 181 - eingehalten wird.
Ergänzende Sachverhaltsfeststellungen erübrigen sich (Art. 64 OG). Weiter ist
die Berufung auch insoweit unbegründet, als der Kläger geltend macht, die
Beklagten hätten sich nach Treu und Glauben nicht auf die erwähnte Aussage in
der Kaufsvereinbarung vom 29. Januar 1999 verlassen dürfen, weil im
Kaufvertrag vom 22. Februar 1999 eine Freizeichnungsklausel vereinbart worden
sei. Wie bereits erwähnt, hat die Vorinstanz unangefochten festgehalten, dass
diese Freizeichnungsklausel wegen absichtlicher Täuschung unbeachtlich sei
(vgl. oben, Erw. 1). Schliesslich ist auf die Berufung insoweit nicht
einzutreten, als der Kläger geltend macht, die umstrittene Äusserung sei
nicht kausal für den Kaufentscheid der Beklagten gewesen. Das angefochtene
Urteil enthält keine Feststellungen darüber, ob der Kaufentschluss auf die
Zusicherung zurückzuführen ist, so dass der Kläger mit seiner ergänzenden
Tatsachendarstellung, ein natürlicher Kausalzusammenhang sei zu verneinen,
nicht zu hören ist (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG, BGE 113 II 52 E. 2 S. 56
m.w.H.).
2.3 Weiter ist umstritten, ob die Einhaltung der zugesicherten Eigenschaft
"sehr guter Baustandard" in Bezug auf den in der SIA-Norm 181 definierten
Schallschutz nach Massgabe der Ausgabe 1976 oder 1988 zu prüfen sei und ob
dabei die Mindestanforderungen oder die erhöhten Anforderungen massgebend
seien. Das Obergericht hat dazu festgehalten, anwendbar sei die SIA-Norm 181
(Ausgabe 1988), weil diese im Zeitpunkt des Verkaufs Gültigkeit gehabt habe,
und innerhalb dieser Ausgabe die erhöhten Grenzwerte, weil die Beklagten
hätten davon ausgehen dürfen, dass die zugesicherte "sehr gute Bauqualität"
über die Minimalanforderungen hinausgehe. Der Kläger wendet dagegen ein, die
Beklagten hätten gewusst, dass das Haus im Jahr 1987 gebaut worden sei,
weshalb die SIA-Norm 181 (Ausgabe 1988), die am 1. Oktober 1988 in Kraft
getreten sei, nicht anwendbar sei. Auch auf diese Beanstandung ist nicht
einzutreten. Mit der Behauptung, die Beklagten hätten davon Kenntnis gehabt,
dass das Gebäude 1987 erstellt worden sei, werden ergänzende
Sachdarstellungen vorgebracht, da das Wissen einer Prozesspartei eine
Tatfrage beschlägt (BGE 126 III 59 E. 4b S. 67). Mit seiner ergänzenden
Darstellung ist der Kläger nicht zu hören (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Nur
nebenbei bemerkt wird in der Verkaufsdokumentation vom Januar 1999, die den
Beklagten angeblich bekannt gewesen sein soll, entgegen der Sachdarstellung
des Klägers nicht 1987 als Baujahr aufgeführt, sondern von "Baujahr
1987/1990" gesprochen. Es ist daher auf jeden Fall im Ergebnis nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz auf die SIA-Norm (Ausgabe 1988) abgestellt
hat. Im Übrigen ist die Auffassung der Vorinstanz überzeugend, angesichts der
Zusicherung "sehr gute Bauqualität" sei von den erhöhten Anforderungen - und
nicht von den Mindestanforderungen - der anwendbaren SIA-Norm 181 (Ausgabe
1988) auszugehen.

3.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Kläger kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Kläger auferlegt.

3.
Der Kläger hat die Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit
insgesamt Fr. 3'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. November 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: