Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.229/2004
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2004
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2004


4C.229/2004 /bie

Urteil vom 9. August 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Gelzer.

X. ________, Klägerin und Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Keiser,

gegen

Konkursmasse Y.________ AG,
handelnd durch das Konkursamt Zug,
Aabachstrasse 5, Postfach 857, 6307 Zug,
Beklagte und Berufungsbeklagte.

Aktienliberierung,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, vom 16. März 2004.

Sachverhalt:

A.
Im Jahre 1988 wurde die A.________ AG mit einem Aktienkapital von Fr.
50'000.-- gegründet. Dieses war in 500 Inhaberaktien à Fr. 100.-- aufgeteilt,
welche vollumfänglich liberiert wurden. Im Juni 1997 erhöhte die A.________
AG den Nennwert ihres Aktienkapitals auf Fr. 100'000.--. Da gleichzeitig die
Liberierungsqote auf 50 % herabgesetzt wurde, waren zur Kapitalerhöhung keine
neuen Einlagen erforderlich. Im Rahmen dieser Kapitalerhöhung zeichnete die
bisherige Aktionärin X.________ am 29. Juni 1997 498 Inhaberaktien der
A.________ AG à nominell Fr. 200.--, wovon Fr. 100.-- pro Aktie bereits
liberiert waren. Gemäss dem von X.________ unterschriebenen Zeichnungsschein
verpflichtete sie sich, auf erstes Verlangen des Verwaltungsrates, die
restlichen und vollständigen Einlagen im Sinne von Art. 634a OR sofort zu
erbringen. Aufgrund der eingegangenen Zeichnungsscheine stellte der
Verwaltungsrat der A.________ AG am 30. Juni 1997 fest, dass die ordentliche
Erhöhung des Aktienkapitals um Fr. 50'000.-- auf Fr. 100'000.-- ausgeführt
wurde.

Mit Eintrag im Handelsregister des Kantons Zug vom 20. März 2001 änderte die
A.________ AG ihre Firma in Y.________ AG ab. Über sie wurde am 15. Januar
2002 der Konkurs eröffnet.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2002 forderte die Konkursverwaltung der Y.________
AG (nachstehend: Konkursverwaltung) X.________ auf, das von ihr gezeichnete
und zur Hälfte einbezahlte Aktienkapital durch die Nachzahlung von Fr.
49'800.-- vollumfänglich zu liberieren. Die Konkursverwaltung mahnte
X.________ mit Schreiben vom 25. Juni 2002 und liess sie mit Zahlungsbefehl
Nr. 1212121 des Betreibungsamts Arth vom 3. Juli 2002 im Umfang von Fr.
49'800.-- nebst Zins und Kosten betreiben. Nachdem X.________ Rechtsvorschlag
erhoben hatte, verlangte die Konkursverwaltung beim Einzelrichter des Bezirks
Schwyz provisorische Rechtsöffnung, welche ihr mit Verfügung vom 29. Oktober
2002 erteilt wurde.

B.
Am 28. November 2002 erhob X.________ (nachstehend: Klägerin) beim
Bezirksgericht Schwyz gegen die Konkursverwaltung (nachstehend: Beklagte)
Aberkennungsklage mit den Anträgen, die provisorische Rechtsöffnung für Fr.
49'800.-- vom 29. Oktober 2002 aufzuheben und die Forderung abzuerkennen. Zur
Begründung führte die Klägerin insbesondere an, sie habe ihre Aktien mit
Vertrag vom 27. Februar 1999 an die C.________ AG verkauft, welche auch die
Liberierungsschuld übernommen habe. Demnach sei die C.________ AG
passivlegitimiert. Das Bezirksgericht wies die Aberkennungsklage mit Urteil
vom 7. Mai 2003 ab. Eine dagegen gerichtete Berufung der Klägerin wies das
Kantonsgericht Schwyz mit Urteil vom 16. März 2004 ab.

C.
Die Klägerin ficht das Urteil des Kantonsgerichts vom 16. März 2004 mit
eidgenössischer Berufung an und beantragt, dieses aufzuheben und die
Aberkennungsklage gutzuheissen.

Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das angefochtene Urteil ist berufungsfähig, weil es eine vermögensrechtliche
Zivilrechtsstreitigkeit betrifft, welche den Streitwert gemäss Art. 46 OG
erreicht, und es nicht durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel
angefochten werden kann (Art. 48 Abs. 1 OG). Auf die form- und fristgerechte
Berufung ist daher einzutreten.

2.
2.1 Die Vorinstanz erwog dem Sinne nach, daraus, dass vor der Volleinzahlung
keine Inhaberaktien ausgegeben werden dürfen, könne entgegen der Ansicht der
Klägerin nicht abgeleitet werden, ihre aus dem Zeichnungsschein folgende
Liberierungspflicht sei untergegangen. Diese Pflicht werde auch durch die
behauptete Übertragung der Inhaberaktien auf die C.________ AG nicht berührt,
da die entsprechende Übernahme der Liberierungsschuld von der Y.________ AG
nicht genehmigt worden sei.

2.2 Auf den Inhaber lautende Aktien dürfen erst nach der Einzahlung des
vollen Nennwerts ausgegeben werden (Art. 683 Abs. 1 OR). Vor der
Volleinzahlung ausgegebene Aktien sind nichtig (Art. 683 Abs. 2 OR). Damit
können teilliberierte Inhaberaktien nicht übertragen werden. Dieses Verbot
bezweckt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, einen Übergang der
Liberierungspflicht der Zeichners auf zahlungsunfähige Dritte zu verhindern.
Dieser Zweck verbiete der Gesellschaft auch, die Übertragung der
Liberierungsverpflichtung des Zeichners auf einen Dritten im Sinne einer
Schuldübernahme zu genehmigen (BGE 86 II 89 E. 4 S. 94).

2.3 Da die Y.________ AG eine Übernahme der Liberierungspflicht der Klägerin
durch die C.________ AG nicht genehmigte und gemäss der genannten
Rechtsprechung auch nicht hätte genehmigen dürfen, hat die Vorinstanz die
Passivlegitimation der Klägerin bundesrechtskonform bejaht.

3.
3.1 Die Vorinstanz erachtete den Einwand der Klägerin, die
Liberierungsforderung sei gemäss Art. 687 Abs. 2 OR verjährt, als
unberechtigt. Zur Begründung führte die Vorinstanz an, diese Bestimmung
beziehe sich ausdrücklich nur auf Namenaktien und sei daher auf Inhaberaktien
nicht anwendbar. Somit finde lediglich die allgemeine Verjährungsfrist von
zehn Jahren gemäss Art. 127 OR Anwendung. Diese Frist sei gewahrt worden.

3.2 Die Klägerin macht sinngemäss geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht
nicht auf Art. 687 Abs. 2 OR abgestellt. Gemäss dieser Bestimmung verwirke
der Anspruch auf Nachliberierung bei Namenaktien innert zwei Jahren nach dem
Eintrag der Gesellschaft im Handelsregister. Da das Gesetz nicht besage, ob
Art. 687 Abs. 2 OR auch für Inhaberaktien gelte, liege eine Lücke vor, welche
durch die analoge Anwendung dieser Bestimmung auch auf Inhaberaktien zu
schliessen sei. So sei nicht einzusehen, weshalb bezüglich der
Verwirkungsfrage zwischen Inhaber- und Namenaktien unterschieden werden soll.

3.3 Das Gesetz verbietet die Ausgabe teilliberierter Inhaberakten   (Art. 683
Abs. 1 OR), nicht jedoch die Ausgabe teilliberierter Namenaktien. Bei
letzteren ist auf jedem Titel der auf den Nennwert einbezahlte Betrag
anzugeben (Art. 687 Abs. 4 OR). Werden nicht voll einbezahlte Namenaktien
übertragen, so ist ihr Erwerber der Gesellschaft gegenüber zur Einzahlung
verpflichtet, sobald er im Aktienbuch eingetragen ist (Art. 687 Abs. 1 OR).
Gleichzeitig wird der Veräusserer durch die Eintragung des Erwerbs der Aktie
im Aktienbuch von der Einzahlungspflicht befreit, wenn er nicht Zeichner ist (Art. 687 Abs. 3 OR). Ist er Zeichner, so kann er gemäss Art. 687 Abs. 2 OR
für den nicht einbezahlten Betrag belangt werden, wenn die Gesellschaft
binnen zwei Jahren seit ihrer Eintragung in das Handelsregister in Konkurs
gerät und sein Rechtsnachfolger seines Rechtes aus der Aktie verlustig
erklärt worden ist. Art. 687 Abs. 2 OR regelt damit die Einzahlungspflicht
des Zeichners, nachdem er seine teilliberierten Namenaktien rechtswirksam an
einen Dritten veräussert hatte. Dass das Gesetz keine entsprechende Regelung
für den Verkauf teilliberierter Inhaberaktien enthält, erklärt sich damit,
dass solche Aktien nicht ausgegeben und damit auch nicht verkauft werden
dürfen (vgl. E. 2 hiervor). Damit fehlt es an einer Lücke bzw. einer
planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, welche durch die analoge
Anwendung von Art. 687 Abs. 2 OR geschlossen werden könnte. Die Vorinstanz
hat daher bezüglich der Verjährung zu Recht nicht auf diese Bestimmung
abgestellt.

In BGE 102 II 353 E. 4b S. 361 kam das Bundesgericht zum Ergebnis, die
Verpflichtung des Zeichners den Aktienbetrag einzuzahlen unterstehe der
allgemeinen zehnjährigen Verjährung gemäss Art. 127 OR. Dabei liesst das
Bundesgericht die in der Literatur umstrittene Frage offen, ob diese
Verjährung mit dem durch den Verwaltungsrat bestimmten Fälligkeitstermin oder
dem Konkurs der Gesellschaft zu laufen beginne. Diese Frage braucht auch im
vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da die Verjährung unabhängig
davon, welcher Meinung gefolgt wird, noch nicht eingetreten war. Demnach hat
die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Verjährungseintritt
verneinte.

4.
4.1 Schliesslich erwog die Vorinstanz, entgegen der Annahme der Klägerin sei
der Liberierungsanspruch der Gesellschaft mit dem Konkurs nicht
untergegangen. Vielmehr sei dieser Anspruch in die Konkursmasse gefallen,
weshalb die Konkursverwaltung gemäss Art. 240 SchKG berechtigt gewesen sei,
die nachträgliche Liberierung der Aktien zu verlangen.

4.2
Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe übersehen, dass gemäss Art. 634a Abs.
1 OR nicht die Konkursmasse, sondern ausschliesslich der Verwaltungsrat
berechtigt sei, eine nachträgliche Leistung von Einlagen auf nicht voll
liberierten Aktien zu beschliessen. Auch im Zeichnungsschein sei ein
Beschluss des Verwaltungsrats ausdrücklich vorbehalten gewesen. Da ein
solcher Beschluss nicht vorliege, fehle die Grundlage einer Forderung gegen
die Klägerin. Die Konkursmasse sei gemäss Art. 687 Abs. 2 OR nur bei
Namenaktien berechtigt, den Zeichner zur Nachliberierung aufzufordern. Diese
Bestimmung gelte aber nicht auch für Inhaberaktien.

4.3
Im von der Klägerin unterschriebenen Zeichnungsschein wird auf die Kompetenz
des Verwaltungsrats verwiesen, gemäss Art. 634a Abs. 1 OR die nachträgliche
Leistung von Einlagen auf nicht voll liberierten Aktien beschliessen zu
können. Diese Kompetenz entfällt mit dem Konkurs der Gesellschaft, da danach
gemäss Art. 740 Abs. 5 OR die Konkursverwaltung die Liquidation nach den
Vorschriften des Konkursrechts besorgt. Dieses sieht in Art. 240 SchKG vor,
dass die Konkursverwaltung alle zur Erhaltung und Verwertung der Masse
gehörenden Geschäfte zu besorgen hat. Zu diesen Geschäften gehört auch die
nachträgliche Einforderung von Einlagen auf nicht voll liberierten Aktien.

4.4 Nach dem Gesagten ist die Kompetenz des Verwaltungsrats, die
nachträgliche Liberierung von Aktien zu verlangen, mit dem Konkurs der
Gesellschaft gemäss Art. 740 Abs. 5 OR in Verbindung mit Art. 240 SchKG auf
die Konkursverwaltung übergegangen. Die Vorinstanz hat daher
bundesrechtskonform angenommen, die Konkursmasse habe an Stelle des
Verwaltungsrats von der Klägerin die nachträgliche Leistung von Einlagen
verlangen können. Entgegen der Annahme der Klägerin spielt insoweit Art. 687
Abs. 2 OR keine Rolle, da diese Bestimmung nicht die Kompetenz zur
Einforderung der Nachzahlung nach dem Konkurs der Gesellschaft regelt,
sondern die verbleibende Haftung des Zeichners nach einem rechtsgültigen
Verkauf seiner teilliberierten Namenaktien bestimmt (vgl. E. 3.3 hiervor).

5.
Nach dem Gesagten ist die Berufung abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens wird die Klägerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156
Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Bei der Bemessung der Parteientschädigung
wird die Mehrwertsteuer im Rahmen des geltenden Tarifs pauschal
berücksichtigt (Beschluss der Präsidentenkonferenz vom 8. Mai 1995).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. August 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: