Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.209/2004
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4C.209/2004 /zga

Urteil vom 26. Oktober 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Huguenin.

X. ________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur.
Elisabeth Roth Hauser,

gegen

Y.________,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Richard Weber.

Architekturvertrag,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Thurgau vom 30. September 2003.

Sachverhalt:

A.
Y. ________ (Klägerin) erteilte im Jahre 1991 dem Architekten X.________
(Beklagter) den Auftrag, Vorschläge zum Umbau ihrer an der .....strasse in
Z.________ gelegenen Liegenschaft auszuarbeiten. Der Beklagte legte ihr vier
Varianten vor, alle datiert vom 7. Juni 1991. Am 29. Juli 1991 schlossen die
Parteien einen schriftlichen Vertrag über die Architekturleistungen, wobei
sie die SIA-Ordnung 102 vom 26. Januar 1984 mit Tarifen vom 1. Januar 1991
für anwendbar erklärten. Das Architektenhonorar wurde auf der Basis von
Gesamtbaukosten von Fr. 380'000.-- auf Fr. 62'339.20 geschätzt. Nach
Abweisung eines ersten am 7. August 1991 auf Grundlage der Umbauvariante 4
eingereichten Baugesuchs bewilligte der Gemeinderat Z._______ am 20. Februar
1992 die Anfang November 1991 eingereichten revidierten Umbaupläne vom 30.
Oktober 1991. Die Umbauarbeiten dauerten vom 13. März 1992 bis zum 30. Juli
1992. Der Beklagte stellte verschiedene Honorar-Akontorechnungen auf der
Grundlage eines Gesamthonorars von Fr. 60'000.--. Am 2. November 1991 wurde
der Bauherrin ein undatierter, als "Kostenvoranschlag mit Eigenleistungen, KV
Original" (KV Original) bezeichneter Kostenvoranschlag vorgelegt, der die
voraussichtlichen Kosten mit insgesamt Fr. 398'500.-- bezifferte. Gegen Ende
April 1992 erhielt die Bauherrin vom Architekten eine Mitteilung betreffend
"KV-Mutationen", worauf am 30. April 1992 ein Gespräch unter den Parteien
über die Kosten stattfand. Nach Angaben der Klägerin erklärte ihr der
Beklagte damals, es handle sich beim "KV-Mutationen" um eine reine
Kostenprognose, ohne dass der Kostenplafond von Fr. 380'000.-- überschritten
werde.

Am 8. Dezember 1992 erhielt die Bauherrin einen "Zwischenabrechnungsstand
8.12.92" mit einem "KV aktuell" von Fr. 522'100.-- sowie 2 Varianten einer
Honorar-Schlussrechnung, die beide von effektiv honorarberechtigten Arbeiten
von Fr. 428'373.70 ausgingen. Der Beklagte stellte sodann dem Rechtsvertreter
der Klägerin im Hinblick auf eine Besprechung Kopien des Kostenvoranschlags
mit Eigenleistungen über Fr. 398'500.--, der KV-Mutationen vom 11. Mai 1992
mit dem Vermerk "gemäss Auswahl per 30.04.92" sowie eine "Kostenprognose" vom
11. Mai 1992 zu. Die Bauabrechnung vom 25. Oktober 1993 lautete über einen
Gesamtbetrag von Fr. 515'896.90.

B.
Mit Eingabe vom 11. Juli 1996 beantragte die Klägerin dem Bezirksgericht
Münchwilen, den Beklagten zu verpflichten, ihr Fr. 60'000.-- nebst 5 % Zins
seit 1. April 1996 zu bezahlen, unter Vorbehalt eines allfälligen
Nachklagerechts. Das Bezirksgericht schützte die Klage mit Urteil vom 12./25.
November 2002. Es verglich den bei Einreichung des vom Gemeinderat
bewilligten Baugesuchs vorliegenden KV Original über Fr. 398'500.-- mit den
tatsächlich entstandenen Kosten von Fr. 515'896.90 und stellte fest, die
gegenüber dem KV Original entstandenen Mehrkosten liessen sich wegen dessen
mangelhafter Detaillierung nicht verifizieren. Davon auszunehmen seien
lediglich die von der Klägerin anerkannten Mehrkosten für die Granitabdeckung
und die elektronischen Storen von insgesamt Fr. 7'500.--. Die Bauherrin habe
mangels klarer Angaben des Architekten nicht erkennen können, welche ihrer
Entscheidungen allenfalls zu Mehrkosten führen könnten. Unter
Berücksichtigung einer Toleranzgrenze von 10 % berechnete das Bezirksgericht
eine Kostenüberschreitung von Fr. 70'064.90. Ein den Kostenvoranschlag
übersteigender realisierbarer Mehrwert sei der Bauherrin nicht zugekommen.
Der Beklagte habe den Vertrag durch fehlerhafte Kostenschätzung und/oder
ungenügende Kosteninformation verletzt und dadurch der Klägerin einen Schaden
von mehr als Fr. 60'000.-- verursacht.

Im Ergebnis gleich entschied das Obergericht des Kantons Thurgau am 30.
September 2003. Auch nach seiner Auffassung durfte die Klägerin mit Baukosten
von Fr. 398'500.-- rechnen. Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Gericht
gestand es jedoch dem Beklagte keinen Toleranzzuschlag zu. Es ermittelte
einen Vertrauensschaden von rund Fr. 109'000.-- und lehnte eine
Vorteilsanrechnung mangels eines subjektiven Mehrwerts ab.

C.
Der Beklagte hat das Urteil des Obergerichts sowohl mit staatsrechtlicher
Beschwerde als auch mit Berufung beim Bundesgericht angefochten. Die
staatsrechtliche Beschwerde wurde mit Urteil vom heutigen Tage abgewiesen
soweit darauf einzutreten war. Mit der vorliegenden Berufung beantragt er die
Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage, eventuell
die Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz zur Durchführung eines
erneuten Beweisverfahrens.

Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Art. 8 ZGB regelt einerseits die Beweislastverteilung und gibt anderseits
der beweispflichtigen Partei einen Anspruch darauf, zum Beweis zugelassen zu
werden, sofern ihr Beweisantrag rechtserhebliche Tatsachen betrifft und nach
Form und Inhalt den Vorschriften des kantonalen Prozessrechts entspricht. Mit
welchen Mitteln der Sachverhalt abzuklären und wie das Ergebnis davon zu
würdigen ist, schreibt diese Bestimmung dem Gericht dagegen nicht vor. Wo das
Gericht in Würdigung der Beweise zur Überzeugung gelangt, ein Sachverhalt sei
bewiesen oder widerlegt, ist die Frage der Beweislastverteilung
gegenstandslos. Die Rüge willkürlicher Beweiswürdigung ist nicht im
Berufungsverfahren, sondern im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
vorzubringen (BGE 129 III 18 E. 2.6; 128 III 271 E. 2b/aa S. 277, je mit
Hinweisen).

1.2 Der Beklagte rügt eine Verletzung von Art. 8 ZGB durch die Vorinstanz. Er
macht geltend, die Vorinstanz habe sich bei der Schadensberechnung auf den KV
Original mit Eigenleistungen über Fr. 398'500.-- gestützt. Unter diesen
Umständen sei zwingend vorausgesetzt, dass Eigenleistungen erbracht und
bewiesen worden seien. Diesen Nachweis habe die Klägerin indessen nicht
erbracht.

Der Beklagte übersieht, dass die Vorinstanz die Aussage der Klägerin, sie
habe sämtliche Arbeiten erledigt, die sie nach Absprache mit dem Beklagten
als Eigenleistungen habe erbringen müssen (E. 6 e/dd S. 30), aufgrund der
Akten für glaubwürdig, die Erbringung der vertraglich vorgesehenen
Eigenleistungen für bewiesen hielt. Insoweit liegt Beweiswürdigung vor,
weshalb die Frage der Beweislastverteilung gegenstandslos ist. Da der
Beklagte seine Ausführungen zur Verkennung des bundesrechtlichen Begriffs des
Vertrauensschadens wesentlich auf die Behauptung abstützt, dass die Klägerin
wegen nicht erbrachter Eigenleistungen selbst zur Entstehung des Schadens
beigetragen hat, ist darauf nicht einzutreten, setzt er sich damit doch in
Widerspruch zu den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil (Art. 63 Abs. 2 OG).

1.3 Nach Auffassung des Beklagten hat die Vorinstanz auch mit Bezug auf den
"Nachweis der Vertragsverletzung" gegen bundesrechtliche Vorschriften über
die Beweislastverteilung verstossen.
Die Vorinstanz hat in tatsächlicher Hinsicht geprüft, welche der zahlreichen
bei den Akten liegenden Kostenvoranschläge, Kostenprognosen und revidierten
Kostenprognosen der Klägerin wann vorgelegt wurden. Sie hielt fest, der
undatierte Kostenvoranschlag mit Eigenleistungen (KV Original) mit einer
Gesamtsumme von Fr. 398'500.-- sei der Klägerin am 2. November 2001
unterbreitet worden und sie habe den darin figurierenden Betrag als
Kostenbasis ausdrücklich anerkannt. Hingegen sei der "Kostenvoranschlag 1.
Entwurf" mit einer Gesamtsumme von Fr. 552'050.-- der Klägerin nie zur
Kenntnis gebracht worden. Der KV-Mutation (act. 16 B) mit Gesamtkosten von
Fr. 516'000.-- und die Kostenprognosen (act. 16C) seien überhaupt erst nach
Abschluss der Bauarbeiten erstellt worden. Wie die Vorinstanz die Beweislast
hinsichtlich der Frage verteilt hat, ob die Klägerin die betreffenden
Dokumente am 11. Mai 1992, also Monate vor Abschluss der Bauarbeiten,
eingesehen hat, ist daher für den Verfahrensausgang bedeutungslos, weshalb
auf die darauf bezogene Rüge nicht einzutreten ist, soweit sie sich nicht
ohnehin in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz
richtet.

2.
Weiter rügt der Beklagte sinngemäss, die Vorinstanz habe es unterlassen, zu
prüfen, ob der Schaden der Klägerin vom Beklagten adäquat kausal verursacht
worden sei. Sollte diese Rüge dahin verstanden werden, dass die Adäquanz der
Schadenverursachung durch den Beklagten zu verneinen sei, wäre sie zulässig,
aber unbegründet. Weshalb die ungenügende Information über die
Kostenentwicklung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen
Lebenserfahrung (BGE 123 III 110 E. 3a) nicht geeignet gewesen sein soll, die
von der Klägerin nicht gewollte Verteuerung des Umbaus zu bewirken, zeigt der
Beklagte nicht auf und ist nicht ersichtlich. Soweit er in diesem
Zusammenhang als Verletzung von Art. 8 ZGB beanstandet, dass kein
Beweisverfahren durchgeführt wurde, ist darauf nicht einzutreten, weil er
weder den Sachverhalt bezeichnet, zu welchem er die Beweisführung
beansprucht, noch die dazu form- und fristgerecht offerierten Beweismittel.

3.
Was die Frage der Umstossung der Verschuldensvermutung anbelangt, nimmt der
Beklagte den Standpunkt ein, seit der Besprechung vom 30. April 1992 habe die
Klägerin nicht mehr in guten Treuen davon ausgehen dürfen, der
Kostenvoranschlag mit Eigenleistungen  könne ohne Weiteres, insbesondere ohne
Erbringung ihrer Eigenleistungen eingehalten werden.

Die Argumentation des Beklagten ist angesichts der Feststellung der
Vorinstanz, dass die Klägerin die an der Besprechung vom 30. April 1992 in
Aussicht gestellte Kostenüberschreitung nicht akzeptiert hat, sondern dass
die Parteien gemeinsam nach Einsparungsmöglichkeiten suchten (S. 26 des
angefochtenen Urteils), nicht nachvollziehbar. Dass der Beklagte die Klägerin
anlässlich der Besprechung vom 30. April 1992 klar darauf hingewiesen hätte,
die veranschlagten Kosten könnten nur bei vermehrten Eigenleistungen
eingehalten werden, und dass die Klägerin damit säumig geblieben wäre, geht
aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor. Auch in diesem Punkt ist auf die
Berufung nicht einzutreten.

4.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr dem Beklagten
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Dieser hat die Klägerin für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen ( Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.

3.
Der Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
3'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Oktober 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: