Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.147/2004
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2004
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2004


4C.147/2004 /lma

Urteil vom 17. August 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiberin Schoder.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Walter A. Stöckli

gegen

C.________,
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwältin Ruth Wipfli
Steinegger.

Feststellungsklage,

Berufung gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri,
Zivilrechtliche Abteilung, vom 27. November 2003.

Sachverhalt:

A.
A.  ________(Kläger) hat über seine Einzelfirma "A.B.________" mit
Bauarbeiten
für die D.________ AG durchgeführt. Daran war C.________ (der Beklagte) als
Arbeitnehmer des Klägers beteiligt. Der Kläger stellte der D.________ AG am
12. September 2000 Rechnung im Betrage von Fr. 4'866.80 und am 9. März 2001
über Fr. 21'908.85. In einem Vergleich vom 24. Oktober 2001 einigte sich der
Kläger mit der D.________ AG darauf, dass der ihm zu bezahlende Betrag sich
auf Fr. 24'956.75 beläuft. Ziffer 3 des Vergleichs lautet wie folgt:
"Diese Vergleichsvereinbarung tritt in Kraft, sobald C.________ und
E.________ schriftlich bestätigen, dass ihnen betreffend die Bauarbeiten
(gemäss den beiden obgenannten Rechnungen) keine Forderungen gegenüber der
Auftraggeberin zustehen. Sollten sich die Herren C.________ und E.________
weigern eine solche Erklärung abzugeben, wird der Beauftragte diesbezüglich
gegen die Genannten gerichtlich vorgehen, wobei sich die Auftraggeberin
verpflichtet, den Beauftragten im entsprechenden Verfahren zu unterstützen."
In der Folge weigerte sich C.________, die von ihm verlangte Erklärung zu
unterzeichnen.

B.
Am 14. Dezember 2001 beantragte der Kläger dem Landgericht Uri, es sei
richterlich festzustellen, dass dem Beklagten betreffend die Bauarbeiten des
Klägers für die D.________ AG (Rechnungen vom 12.09.2000 und 09.03.2001)
keinerlei Forderungen gegenüber der D.________ AG zustehen. Mit Entscheid vom
6. Juni 2002 trat das Landgericht Uri, Zivilrechtliche Abteilung, auf die
Klage "wegen mangelnder Prozessvoraussetzung" nicht ein. Das Obergericht des
Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung, hat eine gegen diesen Entscheid
erhobene Berufung des Klägers am 27. November 2003 abgewiesen und den
angefochtenen Entscheid bestätigt.

Beide kantonalen Instanzen verneinten ein Rechtsschutzinteresse des Klägers
an der Feststellung des Nichtbestandes des Rechts des Beklagten gegenüber
einem Dritten, allerdings mit je unterschiedlicher Begründung. Während nach
dem erstinstanzlichen Urteil das Rechtsschutzinteresse fehlt, weil der Kläger
für seine Forderung gegenüber der D.________ AG eine Leistungsklage
einreichen könnte, solange die in Ziff. 3 des Vergleichs umschriebene
Bestätigung nicht vorliege und der Vergleich deswegen noch keine Gültigkeit
erlangt habe, hielt das Obergericht dafür, der Kläger könne gegen den
Beklagten in dem Sinne auf Leistung klagen, dass der Beklagte zu verpflichten
sei, eine Erklärung zu unterzeichnen, wonach diesem gegenüber der D.________
AG für die betreffenden Bauarbeiten keine Forderungen mehr zustünden.

C.
Der Kläger beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung die
Aufhebung der kantonalen Urteile und die Gutheissung seiner Klage. Der
Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung, Bestätigung der angefochtenen
Urteile und Abweisung der Klage.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach Art. 48 Abs. 1 OG ist die Berufung - von hier nicht interessierenden
Ausnahmen abgesehen - erst gegen Endentscheide der oberen kantonalen Gerichte
zulässig. Auf den Antrag um Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils ist
deshalb nicht einzutreten.

2.
Unter welchen Voraussetzungen die gerichtliche Feststellung des Bestehens
oder Nichtbestehens bundesrechtlicher Ansprüche verlangt werden kann, ist
eine Frage des Bundesrechts (BGE 129 III 295 E. 2.2 S. 299, mit Hinweisen).
Die Feststellungsklage ist insbesondere zuzulassen, wenn die
Rechtsbeziehungen der Parteien ungewiss sind, die Ungewissheit durch die
Feststellung über Bestand und Inhalt des Rechtsverhältnisses beseitigt werden
kann und ihre Fortdauer der Klagpartei nicht zugemutet werden kann, weil sie
sie in ihrer Bewegungsfreiheit behindert (BGE 123 III 414 E. 7b S. 429; 120
II 20 E. 3a S. 22, mit Hinweisen). Das daraus abgeleitete
Rechtsschutzinteresse an der Feststellung kann rechtlicher oder tatsächlicher
Natur sein, muss aber erheblich sein. Es ist nur gegeben, wenn der Kläger das
mit der Feststellungsklage verfolgte Ziel nicht durch eine Leistungs-,
Gestaltungs- oder Unterlassungsklage erreichen kann (BGE 123 III 414 E. 7b S.
429; 120 II 20 E. 3a S. 22, mit Hinweisen; Frank/Sträuli/ Messmer, ZPO -
Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, N 1
zu § 59; Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979,
S. 141 und 209f.; Habscheid, Schweizerisches Zivilprozess- und
Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl., Basel 1990, Rz. 352; Hohl, Procédure
civile, Tome I, Bern 2001, Rz. 133 ff.). Zu richten ist die Klage gegen die
Person, gegenüber welcher das Interesse an der Feststellung besteht
(Guldener, a.a.O., S. 141). Ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der
Rechtsbeziehung Dritter ist nur ausnahmsweise gegeben, wenn Bestand und
Inhalt der Rechtsbeziehung unter den Parteien vom Bestehen eines bestimmten
Rechtsverhältnisses zwischen Dritten bzw. zwischen einer der Prozessparteien
und Dritten abhängt (BGE 108 II 475 E. 1a S. 477; 93 II 11 E. 2c S. 16;
kritisch dazu Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für
den Kanton Bern, 5. Aufl., Bern 2000, N 2b zu Art. 174, mit Hinweisen). Weil
das Bundesrecht auch den Beklagten vor einer Feststellungsklage schützen
muss, an der kein schützenswertes Interesse besteht, ist stets eine
Interessenabwägung vorzunehmen (BGE 110 II 352 E. 1b S. 355, mit Hinweisen;
vgl. auch BGE 120 II 20 E. 3a S. 22 f.). Zeigt sich nach sorgfältiger Prüfung
des rechtlichen Interesses an der Feststellung einer Drittrechtsbeziehung,
dass hierüber keine Rechtsgewissheit erreicht werden kann, etwa weil das
angestrebte Urteil den Dritten nicht zu binden vermag, ist das Interesse zu
verneinen (Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl.,
Tübingen 2002, N 38 zu § 256). Denn grundsätzlich ist ein schutzwürdiges
Interesse an einer Feststellung nur gegeben, soweit die Rechtskraft des
Urteils reicht, da dieses lediglich insoweit verbindlich und geeignet ist,
der Gefährdung der Rechtsstellung des Feststellungsklägers entgegenzutreten
(BGE 93 II 11 E. 2c S. 17). Das Feststellungsurteil ist als solches der
Vollstreckung nicht zugänglich, kann aber zum Ausgangspunkt einer
Leistungsklage gemacht werden (Guldener, a.a.O., S. 211).

3.
3.1 Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil kam es zum eingangs wiedergegebenen Vergleich, weil die
D.________ AG aufgrund von Äusserungen des Beklagten befürchtete, dass die
vom Kläger ihr gegenüber geltend gemachten Ansprüche dem Beklagten zustehen
könnten. Die D.________ AG war sich über die Höhe der mit den Bauarbeiten
eingegangenen Verbindlichkeit im Klaren, hegte jedoch Zweifel mit Bezug auf
die Person des Gläubigers und wollte sich offensichtlich vor einer
Doppelzahlung schützen. Die negative Feststellungsklage diente dem Kläger
demnach richtig besehen nicht dazu, eine Unsicherheit im Verhältnis zwischen
ihm und dem Beklagten, sondern um eine solche zwischen dem Beklagten und
einer Drittpartei zu beseitigen und dadurch die im Vergleich stipulierte
Bedingung für die Zahlung des vereinbarten Betrages zu erfüllen.

3.2  Dieses Ziel ist auf andere Weise als durch die vom Kläger geforderte
gerichtliche Feststellung erreichbar, weshalb die Feststellungsklage wegen
ihrer Subsidiarität unzulässig ist. Wie das erstinstanzliche Gericht
zutreffend erwog, steht dem Kläger die Leistungsklage gegenüber seiner
Schuldnerin offen, verfügt er doch mit dem Vergleich nicht bereits über einen
Vollstreckungstitel, weil die für dessen Inkrafttreten vereinbarte Bedingung
nicht eingetreten ist. Es wird Sache der Schuldnerin sein, die
Aktivlegitimation des Klägers zu bestreiten, worauf dieser seine
Rechtszuständigkeit an der eingeklagten Forderung zu beweisen haben wird.
Gegebenenfalls kann sich die Schuldnerin auch durch Hinterlegung rechtsgültig
von ihrer Zahlungspflicht befreien (Art. 96 in Verbindung mit Art. 92 OR; zu
den Voraussetzungen der Hinterlegung vgl. Bernet, Basler Kommentar, 3. Aufl.,
N 2ff. zu Art. 96 OR; Schraner, Zürcher Kommentar, N 24 zu Art. 96 OR).
Selbst wenn im Vergleich ein rechtsgültiger Verzicht der Klägers darauf zu
erblicken wäre, gegenüber der D.________ AG den Rechtsweg zu beschreiten,
müsste sich der Beklagte eine derartige Vereinbarung als res inter alios acta
nicht entgegenhalten lassen, so dass der Kläger daraus kein
Rechtsschutzinteresse an einer negativen Feststellungsklage gegenüber dem
Beklagten ableiten könnte.

3.3  Hinzu kommt, dass ein Feststellungsurteil den gewünschten Erfolg nicht
herbeizuführen vermöchte, hätte es doch lediglich Rechtskraftwirkung unter
den Parteien des vorliegenden Prozesses (zur subjektiven Relativität der
materiellen Rechtskraft vgl. Urteil des Bundesgericht 5C.253/2000 vom 6. März
2001, E. 4d, mit Hinweisen; Vogel/ Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts
und des internationalen Zivilprozessrechts der Schweiz, 7. Aufl., Zürich
2001, 8. Kapitel, Rz. 81), und würde es dem Beklagten selbst dann nicht
verwehren, die Schuldnerin gerichtlich auf Zahlung jener Bauarbeiten zu
belangen, für die ihm ein Recht auf Abgeltung im Feststellungsprozess
abgesprochen worden wäre. Dass der Beklagte, sollte er im
Feststellungsverfahren unterliegen, möglicherweise von einer Klage gegen die
D.________ AG absehen wird, reicht zur Begründung des Feststellungsinteresses
nicht aus (vgl. Stein/Jonas, a.a.O., N 38 zu § 256). Die Feststellungsklage
stellt somit nicht das geeignete Mittel dar, um den damit vom Kläger
verfolgten Zweck, die definitive Klärung der Rechtsbeziehung zwischen dem
Beklagten und der D.________ AG, zu erreichen.

4.
Aus den dargelegten Gründen hat die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht ein
erhebliches und schützenswertes Interesse des Klägers an der negativen
Feststellungsklage verneint. Unter diesen Umständen nützt es dem Kläger
nichts, dass er in der Berufung zutreffend vorträgt, mit ihrer Auffassung,
der Kläger könne vom Beklagten sogleich eine vollstreckbare Leistung
verlangen, nämlich die Abgabe einer Willenserklärung, indem er dem Gericht
die Verpflichtung des Beklagten beantrage, eine Erklärung zu unterzeichnen,
wonach diesem gegenüber der D.________ AG für die betreffenden Bauarbeiten
keine Forderungen mehr zustünden, verkenne die Vorinstanz, dass für eine
derartige Verpflichtung des Beklagten kein Rechtsgrund bestehe. Die Berufung
ist daher abzuweisen, wobei der Kläger kosten- und entschädigungspflichtig
wird (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger auferlegt.

3.
Der Kläger hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. August 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Die Gerichtsschreiberin: