Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.12/2004
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4C.12/2004 /lma

Urteil vom 8. April 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Ersatzrichter Geiser,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________ GmbH,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Boner,

gegen

B.________,
Kläger 1 und Berufungsbeklagter, vertreten durch Rechtsanwalt Alfred
Dätwyler,
Arbeitslosenkasse C.________,
Klägerin 2 und Berufungsbeklagte.

Arbeitsvertrag,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, vom 19. November 2003.

Sachverhalt:

A.
B. ________ arbeitete seit dem 1. Juni 1999 für die D.________ GmbH zu einem
monatlichen Bruttolohn von Fr. 4'200.--. Nach dem Konkurs seiner
Arbeitgeberin am 4. September 2001 wurde das Arbeitsverhältnis zu den
gleichen Bedingungen mit der A.________ GmbH weiter geführt. Diese zahlte den
Monatslohn regelmässig mit Verspätung aus. Deswegen kam es am 9. März 2002,
einem Samstag, zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Arbeitnehmer und der
Arbeitgeberin. Dieser Streit wurde nach dem Wochenende fortgesetzt und führte
dazu, dass der Arbeitnehmer am Mittwoch, 13. März 2002, nicht mehr zur Arbeit
erschien, weil er davon ausging, dass er am Vortag von der Arbeitgeberin
fristlos entlassen worden sei. Diese stellte sich später auf den Standpunkt,
dass der Arbeitnehmer nicht entlassen worden sei, sondern die Wiederaufnahme
der Arbeit grundlos verweigert habe.

B.
B.________ (Kläger 1) klagte beim Arbeitsgericht Solothurn-Lebern gegen die
A.________ GmbH (Beklagte) auf Bezahlung des Lohnes und des Lohnersatzes für
die Monate März und April 2002 nebst 5 % Zins seit 30. März 2002 und einer
Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung von Fr. 9'100.--
nebst Zins. Mit Schreiben vom 18. April 2002 erklärte die Arbeitslosenkasse
C.________, dass sie sich als Zweitklägerin am Prozess beteilige, und
verlangte gestützt auf Art. 29 AVIG von der Beklagten die Zahlung von Fr.
5'170.95.

Mit Urteil vom 17. Juni 2002 verpflichtete das Arbeitsgericht die Beklagte
zur Zahlung von Fr. 9'800.-- brutto nebst 5 % Zins seit 30. März 2002 und
einer Entschädigung in Höhe von Fr. 8'400.-- nebst 5 % Zins seit 13. März
2002 an den Kläger 1 und von Fr. 5'170.95 netto an die Klägerin 2. Dieser
Entscheid wurde vom Obergericht des Kantons Solothurn auf
Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten hin mit Urteil vom 10. Dezember 2002
aufgehoben und die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückgewiesen. Diese kam in ihrem zweiten Entscheid vom 26. März 2003 zum
gleichen Ergebnis wie im ersten vom 17. Juni 2002. Die darauf von der
Beklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons
Solothurn mit Urteil vom 19. November 2003 ab.

C.
Mit Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Solothurn vom 19. November 2003 aufzuheben und die
Klage abzuweisen, eventuell die Sache zur Abweisung der Klage an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Der Kläger 1 stellt in seiner Berufungsantwort Antrag auf Abweisung der
Berufung, soweit auf sie einzutreten sei. Die Klägerin 2 hat keine
Berufungsantwort eingereicht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gegenstand der Berufung ist einzig die Frage, ob die Beklagte den Kläger am
12. März 2002 fristlos entlassen hat. Dazu wird im angefochtenen Urteil
Folgendes festgehalten: Die an jenem Tag erfolgte Äusserung von E.________,
der Kläger könne ja gehen, wenn es ihm nicht passe, stelle keine
unzweideutige Kündigung dar, zumal der Kläger selbst erklärt habe, er komme
solange nicht mehr zur Arbeit, bis er den Lohn überwiesen erhalten habe. Auch
die Aufforderung der Arbeitgeberin zur Abgabe der Schlüssel impliziere für
sich allein keine fristlose Kündigung, da auf der Baustelle auch ohne den
Kläger habe weiter gearbeitet werden müssen. Das Vorliegen einer fristlosen
Entlassung ist nach der Vorinstanz aber trotzdem zu bejahen, weil E.________
vom Gesichtspunkt des Klägers aus eine unklare Rechtslage geschaffen habe.
Das Beweisverfahren habe ergeben, dass die Arbeitgeberin die Situation nicht
durch Aufforderung des Arbeitnehmers zur Arbeit bereinigt und geklärt habe.
Deshalb sei der Schluss des Arbeitsgerichts nicht willkürlich, dass der
Kläger habe davon ausgehen dürfen bzw. müssen, er sei am 12. März 2002
fristlos entlassen worden.

Was die Beklagte mit der Berufung gegen diese Erwägung des Obergerichts
vorbringt, erschöpft sich weitgehend in einer Kritik an den tatsächlichen
Feststellungen und der Beweiswürdigung des Obergerichts bzw. den
Feststellungen und der Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts, soweit sie vom
Obergericht in Abweisung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten
als nicht willkürlich beurteilt worden sind. Auf diese Rügen kann im
Berufungsverfahren nicht eingetreten werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c und Art.
63 Abs. 2 OG; BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 277).

2.
In rechtlicher Hinsicht rügt die Beklagte eine Verletzung von Art. 8 ZGB mit
der Begründung, das Obergericht habe die Beweislast in Bezug auf das
Vorliegen einer fristlosen Entlassung falsch verteilt und es sei von blossen
Behauptungen des Klägers ausgegangen, soweit es bestimmte Ereignisse als
erwiesen angesehen habe.

2.1 Nach der allgemeinen Beweislastverteilungsregel von Art. 8 ZGB hat,
soweit es das Gesetz nicht anders bestimmt, jene Partei das Vorhandensein
einer behaupteten Tatsache zu beweisen, die aus ihr Rechte ableitet. Daraus
ergibt sich in Bezug auf Art. 337 OR, dass jene Partei das Vorliegen einer
fristlosen Entlassung zu beweisen hat, welche daraus Ansprüche nach Art. 337b
ff. OR ableitet (Staehelin, Zürcher Kommentar, N. 42 zu Art. 337 OR). Im hier
beurteilten Fall trug der Kläger die Beweislast. Das wird denn auch im Urteil
des Arbeitsgerichts vom 17. Juni 2002 ausdrücklich festgehalten, worauf im
späteren Urteil des Arbeitsgerichts vom 26. März 2003 verwiesen wird.

Das Obergericht ist seinerseits zum Ergebnis gekommen, dass die von der
Beklagten mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts vom 26. März 2003 erhobenen Willkürrügen unbegründet seien,
womit auf den vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalt abzustellen sei.
Unter diesen Umständen hat es zutreffend festgehalten, dass die Frage der
Verteilung der Beweislast nicht entscheiderheblich sei (BGE 128 III 271 E.
2b/aa S. 277). Das Obergericht ist demnach in diesem Punkt nicht von
Beweislosigkeit ausgegangen, wie die Beklagte behauptet, sondern davon, dass
das Arbeitsgericht willkürfrei zum Ergebnis gelangen konnte, der Beweis des
Vorliegens einer fristlosen Entlassung sei dem Kläger gelungen. Unbegründet
ist im Übrigen auch der Vorwurf, die kantonalen Gerichte hätten auf blosse
Parteibehauptungen abgestellt. Richtig ist vielmehr, dass sie die
entsprechenden Behauptungen aufgrund des Beweisverfahrens als bewiesen
betrachtet haben. Ob diese Beweiswürdigung vor dem Willkürverbot standhalten
würde, kann - wie bereits festgehalten - hier vom Bundesgericht nicht geprüft
werden.

2.2 Keine Verletzung von Bundesrecht kann den kantonalen Gerichten
schliesslich insoweit vorgeworfen werden, als sie vom Grundsatz ausgegangen
sind, dass für die Entlassungserklärung die Regeln gelten, die auf die
Auslegung einer Willenserklärung anwendbar sind (Staehelin, a.a.O., N. 4 zu
Art. 335 OR). Kann nicht nachgewiesen werden, wie beide Parteien die
Erklärung der einen tatsächlich übereinstimmend verstanden haben, so ist ihr
jener Sinn zu geben, den ihr der Empfänger in guten Treuen beimessen durfte.
Auf diese Weise sind die kantonalen Gerichte vorgegangen, und das Ergebnis,
zu dem sie gelangt sind, ist nicht zu beanstanden. Zwar trifft zu, dass im
Baugewerbe die Äusserungen spontaner und heftiger ausfallen dürften als in
anderen Berufen. Das haben die kantonalen Gerichte jedoch nicht verkannt. Sie
haben nicht nur die verbalen Äusserungen anlässlich der Auseinandersetzung am
12. März 2002 in ihre Überlegungen einbezogen, sondern auch das Verhalten der
Organe der Arbeitgeberin an den folgenden Tagen gegenüber dem Arbeitnehmer.
Es wäre ein Leichtes gewesen, allfällige Missverständnisse gegenüber dem
Kläger sofort richtig zu stellen. Das hat die Beklagte aber nicht getan.
Daraus durfte der Kläger schliessen, dass die Äusserungen auch so gemeint
waren, wie er sie nach den Umständen verstehen durfte. Die Berufung erweist
sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

3.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Gerichtskosten werden nicht erhoben (Art. 343 Abs. 3 OR). Die im Verfahren
vor Bundesgericht unterliegende Beklagte hat den durch einen Rechtsanwalt
vertretenen Kläger zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Die Klägerin
2, die keine Berufungsantwort einreichte, hat keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. April 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: