Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.125/2004
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2004
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2004


4C.125/2004 /lma

Urteil vom 29. Juni 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiber Arroyo.

A. ________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Paul Brantschen,

gegen

B.________,
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Jens Onnen.

Pauschalreisevertrag,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 20.
Februar 2004.

Sachverhalt:

A.
Im Herbst 1999 buchte B.________ (Kläger) beim C.________ Club, zwei Reisen:
Die eine für sich und seine Familie auf die Seychellen, die andere - im
Anschluss an den Aufenthalt auf den Seychellen - für ihn allein ins südliche
Afrika. Für beide Reisen bezahlte er zum Voraus den Betrag von insgesamt Fr.
35'785.--. Die Reise auf die Seychellen buchte der C.________ Club in vollem
Umfang und die Reise ins südliche Afrika zu einem kleinen Teil (Flüge und
Safari) bei der A.________ AG (Beklagte), zum Preis von Fr. 26'583.50. Der
C.________ Club bezahlte in der Folge die bei der Beklagten gebuchte Reise
nicht, sondern deckte mit der geleisteten Vorauszahlung laufende Unkosten.
Aus diesem Grund erhielt der Beschwerdegegner keine Reiseunterlagen. Er
konnte die Reise erst antreten, nachdem er sie nochmals - mit kleinen
Änderungen - direkt bei der Beschwerdeführerin gebucht und eine zweite
Zahlung von Fr. 33'402.50 geleistet hatte.

B.
Am 20. Dezember 2000 beantragte der Kläger dem Kantonsgericht Schaffhausen
sinngemäss, die Beklagte sei zu verpflichten, ihm den Betrag von Fr.
26'583.50 zu bezahlen. Das Kantonsgericht hiess die Klage mit Urteil vom 7.
Oktober 2002 gut.

Das Obergericht des Kantons Schaffhausen wies die dagegen erhobene Berufung
der Beklagten am 20. Februar 2004 ab, hiess die Klage gut und verpflichtete
die Beklagte, dem Kläger Fr. 26'583.50 zu bezahlen. Das Obergericht kam mit
der ersten Instanz zum Schluss, dass für die beim C.________ Club gebuchte
Seychellenreise zwischen dem Kläger und der Beklagten als Veranstalterin ein
Vertrag zustande gekommen sei.

C.
Gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen hat die Beklagte
sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Berufung
eingereicht. Mit Berufung stellt sie die Rechtsbegehren, es sei das
angefochtene Urteil aufzuheben und es sei die Klage vollumfänglich
abzuweisen; eventualiter sei die Streitsache zur Abklärung der fehlenden
Tatbestandselemente an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kläger schliesst
auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen
Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht
offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder im Hinblick auf
den Tatbestand einer anwendbaren Sachnorm ergänzungsbedürftig sind (Art. 64
OG). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, so hat die Partei, die den
Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit
Aktenhinweisen zu machen. Eine Ergänzung setzt zudem voraus, dass
entsprechende Sachbehauptungen bereits im kantonalen Verfahren prozesskonform
aufgestellt, von der Vorinstanz aber zu Unrecht für unerheblich gehalten oder
übersehen worden sind, was wiederum näher anzugeben ist; andernfalls gelten
die Vorbringen als neu und damit als unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c und d
OG; BGE 130 III 102 E. 2.2 mit Hinweisen). Blosse Kritik an der
vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist im Berufungsverfahren unzulässig (BGE
127 III 73 E. 6a).

1.1  Die Beklagte missachtet die prozessualen Anforderungen an die Berufung,
wenn sie in appellatorischer Kritik den Sachverhalt aus ihrer Sicht darstellt
und unter Vermengung die Beweiswürdigung sowie die Rechtsanwendung der
Vorinstanz kritisiert, ohne die einzelnen Tatsachenfeststellungen anzuführen,
die an einem Mangel im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG leiden sollen Die Berufung
genügt insoweit nicht den Anforderungen von Art. 55 OG. Die Beklagte
beanstandet etwa, die Vorinstanz habe zahlreiche ihrer Vorbringen schlicht
übergangen, die für die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip sowohl für den
Vertragsabschluss als auch für den Vertragsinhalt wesentlich seien und führt
in der Folge Umstände an, mit denen sich die Vorinstanz ausdrücklich,
insbesondere auch in Erwägung 3b/bb, auseinander gesetzt hat. Sie beanstandet
überdies in unzulässiger Weise die Feststellung des tatsächlichen
Parteiwillens durch die Vorinstanz, wenn sie etwa aufgrund des nachträglichen
Verhaltens des Klägers eine Vertragsinterpretation in ihrem Sinne befürwortet
(vgl. dazu BGE 118 II 365 E. 1) oder die von der Vorinstanz tatsächlich
festgestellte Ermächtigung des C.________ Club als Buchungsstelle für ihre im
Katalog aufgeführten Pauschalreisen unter Berufung auf Art. 8 ZGB (vgl. dazu
BGE 114 II 289 E. 2; 122 III 219 E. 3c) in Frage stellt.

1.2  Soweit die Beklagte die Beweiswürdigung der Vorinstanz kritisiert oder
ihre Rügen der Verletzung von Bundesrechtsnormen auf eine Sachdarstellung
stützt, die von den Feststellungen der Vorinstanz abweicht oder diese
ergänzt, ist sie nicht zu hören.

2.
Die Vorinstanz ist im angefochtenen Urteil zum Schluss gelangt, die Parteien
hätten einen Pauschalreisevertrag für die Seychellenreise geschlossen, die
der Kläger für sich und seine Familie beim C.________ Club gebucht hatte. Sie
hat dabei insbesondere die Beklagte als Veranstalterin und den C.________
Club als blossen Vermittler betrachtet. Die Vorinstanz ist der Ansicht der
Beklagten nicht gefolgt, wonach der C.________ Club sowohl die Reise auf die
Seychellen als auch jene ins südliche Afrika als einheitliche Reise
veranstaltet und daher den Pauschalreisevertrag mit dem Kläger selbst
abgeschlossen habe.

2.1  Als Pauschalreisevertrag gilt nach Art. 1 des Bundesgesetzes vom 18.
Juni
1993 über Pauschalreisen (Pauschalreisegesetz; SR 944.3) die im Voraus
festgelegte Verbindung von mindestens zwei Dienstleistungen der Beförderung,
Unterbringung oder von anderen touristischen Dienstleistungen, wenn diese
Verbindung zu einem Gesamtpreis angeboten wird und mehr als 24 Stunden
dauert. Der Reisevermittlungsvertrag dagegen ist als einfacher Auftrag zu
qualifizieren und wird nicht vom Pauschalreisegesetz geregelt (BGE 115 II 474
E. 2a; V. Roberto, Basler Kommentar zum OR, 3. Aufl. 2003, N 1/2 zu Art. 1
Pauschalreisegesetz sowie N 2 ff. zu Art. 2 Pauschalreisegesetz; Honsell,
Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 7. Aufl. 2003, S. 436;
Tercier, Les contrats spéciaux, 3. Aufl. 2003, N 5671; Sandro Hangartner, Das
neue Bundesgesetz über Pauschalreisen, Diss. Zürich 1997, S. 24/27;
Alessandro Martinelli, Die Haftung bei Pauschalreisen, Basel 1997, S. 22; M.
Koller-Tumler, Der Konsumentenvertrag im schweizerischen Recht, Bern 1995, S.
202/204; unklar Frank, Bundesgesetz über Pauschalreisen, Kurzkommentar,
Zürich 1994, N 18 ff. zu Art. 2). Der Vermittler ist nicht Vertragspartei des
Pauschalreisevertrags. Er erbringt keine eigenen Reiseleistungen, sondern
bietet die vom Veranstalter zusammengestellte Pauschalreise in fremdem Namen
als Stellvertreter an (Roberto, a.a.O., N 8 zu Art. 2 Pauschalreisegesetz;
Hangartner, a.a.O., S. 31). Die Abgrenzung des Vermittlers einer
Pauschalreise vom Veranstalter beurteilt sich nach vertrauenstheoretischen
Gesichtspunkten, wobei entscheidend ist, wen der Konsument nach den gesamten
Umständen als seinen Vertragspartner ansehen durfte und musste (Roberto,
a.a.O., N 9 zu Art. 2 Pauschalreisegesetz). Als wesentliche Umstände fallen
dafür nicht nur Bestimmungen in allfälligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen
in Betracht, sondern auch etwa die Gestaltung des Katalogs oder andere
Werbeauftritte (vgl. BGE 115 II 474 E. 2 b).

2.2  Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall als unbestritten festgestellt,
dass der Kläger sich zur Beratung und Buchung persönlich in das Büro des
C.________ Club begeben hat und dass dieser kein Stellvertretungsverhältnis
zur Beklagten ausdrücklich offen gelegt hat. Sie hat für das Bundesgericht
verbindlich festgestellt, dass die Beklagte Buchungen ihrer im Katalog
angebotenen Seychellenreise über den C.________ Club entgegennahm und dass
dem Kläger anlässlich der Buchung der damals aktuelle Reisekatalog "Indischer
Ozean/ Afrika" der Beklagten samt Preisliste und allgemeinen
Geschäftsbedingungen vorlag. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass auf dem
Titelblatt des Reisekatalogs der Beklagten deren Signet als gedruckter
Bestandteil der Gestaltung deutlich hervorgehoben sei, während sich die
Anschrift des C.________ Clubs auf dem hinteren Deckblatt nur als
Stempelaufdruck finde. Auf der Innenseite des Katalogs werde das
Mitarbeiterteam der Beklagten vorgestellt und darauf hingewiesen, dass die
Reisen der Beklagten in jedem guten Reisebüro gebucht werden können. In der
Preisliste zum Katalog seien überdies die allgemeinen Vertrags- und
Reisebedingungen enthalten, deren sorgfältige Lektüre empfohlen werde. Nach
Ziffer 1.2 dieser Bedingungen kommt mit der Entgegennahme der schriftlichen,
telefonischen oder persönlichen Anmeldung des Konsumenten durch die
Buchungsstelle zwischen jenem und der Beklagten ein Vertrag zustande, wobei
die Informationen in den Broschüren der Beklagten sowie die allgemeinen
Vertrags- und Reisebedingungen Bestandteil dieses Vertrages bilden. Die
Vorinstanz hat aus diesen Umständen geschlossen, dass der Kläger nach Treu
und Glauben davon ausgehen durfte, der Pauschalreisevertrag für die Reise mit
seiner Familie auf die Seychellen sei mit der Beklagten abgeschlossen worden,
während seine Weiterreise ohne Begleitpersonen ins südliche Afrika vom
C.________ Club veranstaltet worden sei.

2.3  Soweit die Beklagte die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz in
Frage stellt und insbesondere bestreitet, dass ihr Katalog dem Kläger bei der
Buchung vorgelegen habe oder dass sie den C.________ Club als Buchungsstelle
akzeptierte und damit zur Stellvertretung beim Abschluss ihrer Katalogreisen
ermächtigte, ist sie nicht zu hören. Die Umstände, welche die Beklagte sodann
aufgrund der Feststellungen im angefochtenen Urteil gegen die Würdigung der
Vorinstanz vorbringt, vermögen eine Bundesrechtsverletzung nicht auszuweisen.
So hat die Vorinstanz zutreffend als unerheblich angesehen, dass sich der
C.________ Club im Allgemeinen selber als Veranstalter von Reisen ins
südliche Afrika anpreist, denn es kommt allein auf die Veranstaltung im
Einzelfall an (vgl. Hangartner, a.a.O., S. 31). Nicht entscheidend ist
weiter, dass der C.________ Club sich nicht ausdrücklich als Stellvertreter
der Beklagten bezeichnete, sondern mit dem Kläger auf eigenem Briefpapier
korrespondierte, nachdem der Kläger aufgrund anderer Umstände und
insbesondere der in der Preisliste zum Katalog der Beklagten enthaltenen
allgemeinen Geschäftsbedingungen von einer blossen Vermittlertätigkeit des
C.________ Club ausgehen durfte. Dass der C.________ Club dem Kläger die
beiden Reisen (auf die Seychellen und ins südliche Afrika) gleichzeitig und
zu einem gesamten Pauschalpreis anbot, mag zwar als Indiz für die
Veranstaltung durch den C.________ Club in Betracht fallen. Der Gesamtpreis
für die einzelnen Reisedienstleistungen wird in Art. 1 Pauschalreisegesetz
zwar als Merkmal des Pauschalreisevertrags erwähnt. Allerdings kommt ihm
keine absolute Bedeutung zu; vielmehr findet das Pauschalreisegesetz nach
herrschender Lehre selbst dann Anwendung, wenn sämtliche Leistungen getrennt
berechnet werden (vgl. dazu Roberto, a.a.O., N 9 f. zu Art. 1
Pauschalreisegesetz mit Hinweisen, N 10 zu Art. 2 Pauschalreisegesetz). Die
vom C.________ Club für den Kläger persönlich veranstaltete Reise ins
südliche Afrika wurde mit der bloss vermittelten Pauschalreise der Beklagten
für den Kläger und dessen Familie auf die Seychellen verbunden. Dass die
beiden Reisen vom C.________ Club dabei zu einem Pauschalpreis angeboten
wurden, lässt nicht zwingend darauf schliessen, dass der C.________ Club auch
für die Seychellenreise als Veranstalter auftrat. Aufgrund des Angebots der
Pauschalreise im Katalog der Beklagten und der allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten durfte der Kläger vielmehr selbst bei
dieser Gestaltung noch davon ausgehen, dass er für die Reise mit seiner
Familie auf die Seychellen einen Pauschalreisevertrag mit der Beklagten als
Veranstalterin abschloss.

2.4  Die Vorinstanz hat bundesrechtskonform erkannt, dass der Kläger für
dessen Familien-Reise auf die Seychellen einen durch den C.________ Club
vermittelten Pauschalreisevertrag mit der Beklagten abschloss. Sie hat für
das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass die Beklagte ihre
vertragliche Leistung in der Folge nicht erbrachte und der Kläger und seine
Familie die Reise erst antreten konnten, nachdem sie diese der Beklagten
nochmals bezahlt, mithin nochmals einen Pauschalreisevertrag abgeschlossen
hatten. Soweit die Beklagte diese Feststellungen bestreitet, ist auf die
Berufung der Beklagten nicht einzutreten. Soweit ihre Rügen in der Berufung
Bundesrechtsverletzungen betreffen, sind sie unbegründet. Die Berufung ist
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Die Gerichtsgebühr ist dem Verfahrensausgang entsprechend der Beklagten zu
auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat dem anwaltlich vertretenen Kläger
überdies dessen Parteikosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 1 OG). Die Bemessung
von Gebühr und Parteientschädigung richtet sich grundsätzlich nach dem
Streitwert. Dabei ist insbesondere auch für die Parteientschädigung nur den
durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten Rechnung zu tragen
(Art. 159 Abs. 2 OG), weshalb die Parteientschädigung unbesehen allfälliger
höherer Honorarnoten von Amtes wegen festgesetzt wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Juni 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: