Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.119/2004
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4C.119/2004 /bie

Urteil vom 24. Juni 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, Bundesrichter Nyffeler,
Bundesrichterin Kiss.
Gerichtsschreiberin Schoder.

Bank X.________, Beklagte und Gesuchstellerin, vertreten durch Advokat Dr.
Caspar Zellweger,

gegen

Y.________, Kläger und Gesuchsgegner,
vertreten durch Advokat Dr. Dieter Schaub,

Revision des bundesgerichtlichen Urteils
vom 7. Februar 2003 (4C.305/2002).

Sachverhalt:

A.
A.a Y.________ (Gesuchsgegner) und seine damalige Ehefrau A.________ (heute:
A.________) unterhielten seit Beginn der 90er-Jahre eine Bankverbindung zur
Bank X.________ (Gesuchstellerin). Das entsprechende Bankkonto lautete auf
den Namen der Ehefrau mit Vollmacht des Gesuchsgegners. Am 6. November 1996
eröffnete dieser ein weiteres Konto bei der Gesuchstellerin, diesmal auf
seinen eigenen Namen und ohne Vollmacht der Ehefrau. Darauf wurden vom Konto
der Ehefrau DM 450'000.-- übertragen. In der Folge wurden die Eheleute
Y.________ geschieden.

A.b Im Mai und August 1997 übertrug die Gesuchstellerin einen Betrag von
insgesamt DM 454'876.55 vom Konto des Gesuchsgegners auf jenes von
A.________, wobei sich später herausstellte, dass die Überweisungen nicht vom
Gesuchsgegner veranlasst worden waren.

Der Gesuchsgegner erhob Klage gegen die Gesuchstellerin auf Zahlung von DM
456'279.10 nebst Zins mit der Begründung, die Bank habe mit der Vornahme der
Überweisungen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt, weshalb nach
wie vor ein Anspruch des Gesuchsgegners auf Auszahlung seines Guthabens
bestehe. Mit Urteil vom 7. Dezember 2000 hiess das Bezirksgericht Arlesheim
die Klage im Betrag von DM 454'876.55 nebst Zins gut. Dieser Entscheid wurde
vom Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Urteil vom 27. November 2001 in
Abweisung der Appellation der Gesuchstellerin bestätigt.

A.c Eine Berufung der Gesuchstellerin gegen den Entscheid des Kantonsgerichts
vom 27. November 2001 wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 1. Juli 2002
abgewiesen, soweit es auf sie eintrat. Das Bundesgericht kam in
Übereinstimmung mit den kantonalen Gerichten zum Ergebnis, dass der
Gesuchsgegner einen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung seines Guthabens
geltend machen könne.

Eine von der Bank behauptete und zur Verrechnung gestellte Gegenforderung
wegen unsorgfältiger Geschäftsführung ohne Auftrag erklärte das Bundesgericht
gestützt auf eine verbindliche tatsächliche Feststellung der Vorinstanz für
unbegründet. Dabei ging es um folgenden Sachverhalt: Der Gesuchsgegner
verpflichtete sich in einer Vereinbarung vom 8. November 1995, seiner
geschiedenen Ehefrau jährliche Zahlungen von DM 100'000.-- in monatlichen
Raten zu erbringen. Die Lebensgefährtin des Gesuchsgegners, B.________, ist
mit Erklärung vom 25. Juli 1996 dieser Schuld beigetreten. Gestützt auf den
Schuldbeitritt reichte A.________ beim Amtsgericht Gifhorn in Deutschland
Klage gegen B.________ auf Zahlung von DM 8'000.-- ein. Die Beklagte erhob in
jenem Verfahren, das erstinstanzlich mit Urteil des Amtsgerichts Gifhorn vom
2. Juni 1999 endete, erfolglos eine Verrechnungseinrede, die sie mit einer
bereicherungs- und deliktsrechtlichen Gegenforderung des Gesuchsgegners gegen
A.________ begründete.

B.
Mit Urteil vom 7. Februar 2003 hiess das Bundesgericht ein mit Bezug auf
dessen Urteil vom 1. Juli 2002 gestelltes Revisionsgesuch der Gesuchstellerin
teilweise gut, indem es Ziffer 1 des Dispositives neu fasste und die Beklagte
verpflichtete, dem Kläger DM 194'876.55 nebst Zins zu 5 % seit 28. Mai 1997
auf DM 3'876.55 und Zins zu 5 % seit 26. August 1997 auf DM 191'000.-- zu
bezahlen. Die Gerichtsgebühr von Fr. 7'000.-- wurde den Parteien je zur
Hälfte auferlegt (Dispositiv-Ziffer 2). Die Sache wurde im Übrigen zur
Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen für das kantonale Verfahren
an das Kantonsgericht Basel-Landschaft zurückgewiesen. Als zulässiges Novum
hatte die Gesuchstellerin ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 1.
August 2001 ins Recht gelegt, mit dem über eine Forderung von A.________
gegen B.________ gestützt auf den notariellen Vertrag vom 8. November 1995
mit Schuldbeitritt von B.________, der auch dem Gifhorner Verfahren zugrunde
lag, für den Zeitraum November 1997 bis Mai 2000 entschieden wurde. Gemäss
diesem Urteil hatte der Gesuchsgegner am 15. Oktober 1997 Aufrechnung mit
seinen bereicherungs- und deliktsrechtlichen Rückzahlungsansprüchen gegen die
Klägerin erklärt, wodurch die eingeklagte Forderung im Umfang von DM
260'000.-- erloschen war. Im vorliegend angefochtenen Revisionsurteil
gelangte das Bundesgericht zum Ergebnis, der Gesuchsgegner habe im Prozess
mit A.________ im Interesse der Gesuchstellerin als Geschäftsführer ohne
Auftrag gehandelt, soweit er seine Gegenforderung aus den Vorgängen bei der
Bank der von A.________ eingeklagten Forderung zur Verrechnung
gegenübergestellt habe. Er habe sich den erfolgreich verrechneten Betrag auf
die gegen die Bank eingeklagte Summe anrechnen zu lassen. Aufgrund des neuen
Beweismittels setzte das Bundesgericht daher den dem Gesuchsgegner
zugesprochenen Betrag um DM 260'000.-- herab. Das Bundesgericht folgte indes
der Argumentation der Gesuchstellerin nicht, wonach aufgrund der Annahme im
Urteil des Oberlandesgerichts, der Gesuchsgegner könne auch gegenüber
zukünftigen Forderungen A.________'s auf Ratenzahlung mit seiner
Gegenforderung von insgesamt DM 451'000.-- bzw. dem verbleibenden Restbetrag
verrechnen, folge, dass die vom Gesuchsgegner gegen die Gesuchstellerin
eingeklagte Forderung bereits am 1. August 2001 durch Verrechnung erloschen
sei. Ein Verrechnungsanspruch der Gesuchstellerin gegenüber der Forderung des
Gesuchsgegners auf Auszahlung seines Bankguthabens sei nur gegeben, soweit
der Gesuchsgegner das von der Bank geschuldete Geld tatsächlich anderweitig
erhältlich gemacht und insoweit den Anspruch gegenüber der Bank zum Erlöschen
gebracht habe. Aufgrund des Urteils des Oberlandesgerichts stand aber
beweismässig nicht fest, dass solche die erwähnten DM 260'000.--
übersteigenden Forderungen von A.________ aus dem Vertrag vom 8. November
1995 zu Recht geltend gemacht und erfolgreich mit der erwähnten
Gegenforderung aus den Vorgängen bei der Bank vom Gesuchsgegner verrechnet
worden sind.

C.
Auch gegen dieses Urteil hat die Gesuchstellerin ein Revisionsbegehren
gestellt. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils 4C.305/2002 des
Bundesgerichts vom 7. Februar 2003 und die Abweisung der Klage des
Gesuchsgegners. Ferner beantragt sie, den Gesuchsgegner zu verurteilen, ihr
sämtliche bereits bezahlten Verfahrenskosten nebst Zins zurückzuerstatten und
ihr für sämtliche Verfahren eine tarifgemässe Parteientschädigung zu
bezahlen. Eventuell sei die Sache an das Kantonsgericht Basel-Land zu neuer
Entscheidung über die Gerichtskosten und die Parteientschädigung
zurückzuweisen, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des
Gesuchsgegners.

Der Gesuchsgegner beantragt, auf das Revisionsgesuch nicht einzutreten, es
eventuell kostenfällig abzuweisen.
Mit Präsidialverfügung vom 28. April 2004 wurde das Begehren der
Gesuchstellerin um aufschiebende Wirkung bzw. um Erlass einer vorsorglichen
Verfügung abgewiesen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Wiederum stützt die Gesuchstellerin ihr Revisionsbegehren auf Art. 137 lit. b
OG. Als nachträglich in Erfahrung gebrachte neue erhebliche Tatsache bringt
sie vor, der Gesuchsgegner habe über die im Revisionsentscheid als verrechnet
festgestellten hinaus weitere Beträge gegenüber Forderungen A.________'s zur
Verrechnung gebracht. Dadurch habe er von Juni 2000 bis Dezember 2003 von
A.________ mindestens weitere DM 350'000.-- erhältlich machen können. Da
diese Summe den vom Gesuchsgegner ihr gegenüber noch geforderten Betrag von
DM 194'876.55 nebst Zins übersteige, sei er als getilgt zu betrachten und die
Klage abzuweisen.

Dass die Gesuchstellerin diese Behauptung nicht früher erhoben hat, begründet
sie damit, dass sie versucht habe, an Beweise für weitere Verrechnungen zu
gelangen. Zu diesem Zweck habe sie Rechtsanwalt C.________ aus Frankfurt am
Main beauftragt, mit A.________ Kontakt aufzunehmen. Diese sei zwar im
November 2003 telefonisch erreicht worden, habe aber keine Angaben über
weitere Verrechnungen seitens des Gesuchsgegners gemacht. Erst in einem
weiteren Telefongespräch vom 23. Dezember 2003 habe sie gegenüber
Rechtsanwalt C.________ bestätigt, dass der Gesuchsgegner weitere
Verrechnungen vorgenommen habe. Frühestens an diesem Tage habe die
Gesuchstellerin vom Revisionsgrund erfahren. Ihr Revisionsgesuch vom 22. März
2004 sei somit rechtzeitig innert der Frist von Art. 141 Abs. 1 lit. b OG
gestellt worden.

Die Gesuchstellerin erklärt sich indes ausser Stande, Beweise für diese neue
Behauptung einzureichen oder auch nur Einzelheiten betreffend die
Verrechnungserklärung des Gesuchsgegners anzuführen. An welchen Daten er
welche Beträge in welcher Form zur Verrechnung gebracht haben soll, vermag
die Gesuchstellerin nicht darzulegen. Sie beantragt zum Beweis für ihre neue
Behauptung die Einvernahme von A.________ als Zeugin und die Parteibefragung
ihres Rechtsvertreters C.________.

Der Gesuchsgegner bestreitet sowohl den Zeitpunkt der Entdeckung des
angerufenen Revisionsgrundes wie auch dessen Verwirklichung.  Gemäss den
Ausführungen in seiner Gesuchsantwort gibt es keine weiteren
Verrechnungserklärungen oder Rechtsstreite.

2.
2.1 Nach Art. 137 lit. b OG ist die Revision eines bundesgerichtlichen
Entscheids zulässig, wenn die das Gesuch stellende Partei nachträglich neue
erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die
sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. An dieser Unmöglichkeit
fehlt es, wenn die Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel auf
Nachforschungen zurückzuführen ist, die bereits im früheren Verfahren hätten
angestellt werden können und müssen. Die Revision eröffnet dem Rechtsuchenden
nicht die Möglichkeit, einen Entscheid, den er für unrichtig hält, umfassend
neu beurteilen zu lassen. Sie erlaubt bloss die Behebung von Mängeln, die so
schwer wiegen, dass sie hinzunehmen in einem Rechtsstaat unerträglich wäre
(Elisabeth Escher Revision und Erläuterung, in: Thomas Geiser/Peter Münch
(Hrsg.), Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel 1998, § 8 Rz. 8.1,
mit Hinweisen). Als "neu" gelten Tatsachen, welche sich bis zum Zeitpunkt, da
im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren,
verwirklicht haben, jedoch dem Revisionsgesuchsteller trotz hinreichender
Sorgfalt nicht bekannt waren. Notwendig ist zudem, dass eine unrichtige
Würdigung erfolgte, weil für den Entscheid wesentliche Tatsachen nicht
bekannt waren oder unbewiesen blieben (zum Ganzen BGE 121 IV 317 E. 2 S. 322;
110 V 138 E. 2 S. 141; vgl. auch BGE 118 II 199 E. 5 S. 205).

2.2
2.2.1Aufgrund des Gesagten ist zunächst festzuhalten, dass entgegen der
Auffassung der Gesuchstellerin die behaupteten Verrechnungserklärungen von
vornherein nicht bis zum Dezember 2003, sondern bestenfalls bis zum 26.
November 2001 in Frage kommen könnten, erging doch das Urteil des
Kantonsgericht Basel-Landschaft am 27. November 2001 und haben seither
eingetretene Tatsachen ausser Acht zu bleiben. In welchem Umfang bis zu
diesem Datum Verrechnungserklärungen erfolgt sein sollen, ist dem
Revisionsbegehren nicht zu entnehmen.

2.2.2 Ferner legt die Gesuchstellerin nicht dar, wann sie ihre Suchbemühungen
nach A.________ aufgenommen hat. Weder behauptet noch belegt sie, dass sie
bereits vor Einreichung ihres ersten Revisionsgesuchs mit dem Versuch
begonnen hat, A.________ ausfindig zu machen, um von ihr zu erfahren, ob,
wie, wann und in welchem Umfang der Gesuchsgegner allfällige weitere ihm
gegenüber bestehende Forderungen aus dem Vertrag vom 8. November 1995 über
den im Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 1. August 2001 als verrechnet
festgestellten Betrag hinaus durch Verrechnungserklärung getilgt hat. Dass
sie sogleich nach Einsicht in das genannte Urteil mit den Nachforschungen
angefangen hat, erscheint mit Blick auf ihre Vorbringen im ersten
Revisionsgesuch denn auch höchst unwahrscheinlich, denn sie vertrat damals
die Rechtsauffassung, bereits aufgrund der Ausführungen im eingereichten
deutschen Urteil sei sie von ihrer Schuld gegenüber dem Gesuchsgegner
gänzlich befreit. Dem Revisionsentscheid vom 7. Februar 2003 konnte sie
jedoch entnehmen, dass sich der Gesuchsgegner im Verhältnis zur
Gesuchstellerin nicht mehr als den durch das Urteil des Oberlandesgerichts
Celle vom 1. August 2001 ausgewiesenen Betrag anrechnen lassen muss, solange
nicht beweismässig feststeht, dass weitere Forderungen von A.________ aus dem
Vertrag vom 8. November 1995 mit Gegenforderungen aus den Vorgängen bei der
Bank tatsächlich zur Verrechnung gebracht worden sind (vgl. E. 4.2 des
angefochtenen Urteils). Die Annahme liegt daher nahe, dass die
Gesuchstellerin erst durch den Revisionsentscheid des Bundesgerichts der
rechtlichen Relevanz der nunmehr erhobenen neuen Behauptungen gewahr wurde
und diese auf dem Wege der Revision in das Verfahren einzuführen sucht.
Andernfalls hätte sie zweifellos bereits im ersten Revisionsgesuch die
nunmehr aufgestellte Behauptung erhoben und zum Beweis verstellt. Die
Gesuchstellerin legt mithin nicht dar, dass es ihr trotz aller Umsicht nicht
möglich war, sich schon im früheren Revisionsverfahren auf die als
Revisionsgrund angerufenen Tatsachen zu berufen (vgl. E. 2.1 hiervor). Da das
Revisionsverfahren nicht dazu dient, einer Partei zu ermöglichen, aufgrund
einer unrichtigen Rechtsauffassung unterlassene Behauptungen nachzubringen,
ist eine Revision nach Art. 137 lit. b OG nicht zulässig.

3.
Aus den dargelegten Gründen ist das Revisionsbegehren abzuweisen, wobei die
Gesuchstellerin als unterliegende Partei kosten- und entschädigungspflichtig
wird (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsbegehren wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'500.-- wird der Gesuchstellerin auferlegt.

3.
Die Gesuchstellerin hat den Gesuchsgegner für das Revisionsverfahren mit Fr.
6'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Juni 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts:

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: