Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.107/2004
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4C.107/2004 /kra

Urteil vom 15. Juni 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Charif Feller.

X. ________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz
Breitenmoser,

gegen

A.________,
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Raphael Mullis,

Darlehen; Kaufsrecht; Vereinbarung,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, vom 27. Januar 2004.

Sachverhalt:

A.
A.  ________ (Kläger) und X.________ (Beklagter) vereinbarten am 16. August
1991 insbesondere was folgt:
"1.Herr A.________ übergibt hiermit Herrn X.________ einen Betrag von total
Fr. 300'000.- ..., auszahlbar heute Freitagnachmittag, 16. August 1991.

Diese Vereinbarung stellt gleichzeitig die Quittung für den Empfang dieses
Betrages dar.

Zweckbestimmung: Ablösung eines Darlehens von Herrn X.________, als
Schuldner, gegenüber Herrn B.________, als Gläubiger.

Eine allf. Sicherstellung für den vorgenannten Betrag wird ausserhalb dieses
Vertrages geregelt.

2.  Herr A.________ erhält den Auftrag, das nachgenannte Grundstück im
Alleineigentum von Herrn X.________, 1952, zu verkaufen:

...
3.Der für den Verkauf des vorgenannten Grundstückes zu erzielende Preis wird
nach Abzug von folgenden Kosten
allf. Steuern
Notariats- und Grundbuchkosten
Kosten für Inserate und weitere Bemühungen
allf. Gewinnanteile von Verwandten des Herrn X.________, 1952,
je hälftig unter den Herren X.________ und A.________ aufgeteilt.

Es wird ausdrücklich festgestellt, dass der in Ziff. 1 hievor aufgeführte
Betrag von Fr. 300'000.- im hälftigen Anteil des Herrn A.________ inbegriffen
ist."
Der Betrag von Fr. 300'000.- wurde vereinbarungsgemäss ausbezahlt. Jedoch kam
es nicht zum Verkauf des besagten Grundstückes. Vielmehr kündigte der Kläger
die Vereinbarung am 30. Oktober 1995 auf den 31. Dezember 1995. Da der
Beklagte den erhaltenen Betrag nicht zurückbezahlte, leitete der Kläger gegen
ihn die Betreibung ein. Der Beklagte erhob Rechtsvorschlag.

B.
Mit Eingabe vom 18. November 1999 reichte der Kläger gegen den Beklagten beim
Bezirksgericht March eine Forderungsklage über insgesamt Fr. 416'504.05 nebst
Zins, Weisungskosten und Zahlungsbefehlskosten ein und beantragte die
Aufhebung des Rechtsvorschlages. Das Bezirksgericht hiess die Klage im Umfang
von Fr. 300'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 1996 gut. Im Mehrbetrag
wies es die Klage ab. Den Rechtsvorschlag hob es im Umfang der geschützten
Forderung auf und erteilte dem Kläger definitive Rechtsöffnung.

Dagegen erhob der Beklagte Berufung an das Kantonsgericht Schwyz, welches am
27. Januar 2004 die Berufung abwies und das angefochtene Urteil bestätigte.

C.
Mit eidgenössischer Berufung beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, die
Klage sei abzuweisen.

Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Kläger ersucht in der Berufungsantwort gestützt auf Art. 150 OG um
Sicherstellung der Gerichtskosten und einer Parteientschädigung. Nach
bundesgerichtlicher Praxis kommt jedoch eine solche Sicherstellung dann nicht
mehr in Frage, wenn im Zeitpunkt der Gesuchstellung die Kosten bereits
erwachsen sind. Mit der Erstattung der Antwort wurden die Kosten des Klägers
bereits verursacht; nachdem vorliegend das Zirkulationsverfahren zur
Anwendung gelangt (Art. 36b OG), entfällt überdies die Möglichkeit künftigen
Prozessaufwandes. Das Begehren um Kostensicherstellung ist deshalb als
gegenstandslos abzuschreiben (vgl. BGE 118 II 87 E. 2 S. 88; 79 II 295 E. 3

S. 305).

2.
Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie durch subjektive
Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen
(Art. 18 Abs. 1 OR). Wenn dieser - wie im vorliegenden Fall - unbewiesen
bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen
der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach
ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden
werden durften und mussten (BGE 129 III 118 E. 2.5; 128 III 265 E. 3a; 127
III 444 E. 1b). Dabei hat der Richter zu berücksichtigen, was sachgerecht
ist, weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine unangemessene Lösung
gewollt haben (BGE 122 III 420 E. 3a S. 424).

Die Vertragsauslegung nach dem Vertrauensprinzip stellt eine Rechtsfrage dar,
welche das Bundesgericht im Berufungsverfahren überprüfen kann, wobei es an
die Feststellungen der Vorinstanz über die äusseren Umstände gebunden ist
(vgl. BGE 129 III 702 E. 2.4 S. 707).

3.
Vorliegend konnte das Kantonsgericht keinen übereinstimmenden wirklichen
Willen der Parteien feststellen. Immerhin wertete es die schriftliche
Zeugenauskunft des von den Parteien beigezogenen Notars, der die Frage, ob
beabsichtigt gewesen sei, dass der Beklagte den Betrag von Fr. 300'000.-
zurückerstatten sollte, mit einem klaren "Ja" beantwortete, als Indiz dafür,
dass zwischen den Parteien im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 16. August 1991
eine tatsächliche Willensübereinstimmung darin bestand, der Beklagte müsse
dem Kläger die erhaltenen Fr. 300'000.- zurückerstatten. Wegen gewisser
Unsicherheiten bezüglich der Begründung dieser Zeugenauskunft schritt das
Kantonsgericht gleichwohl zur normativen Vertragsauslegung. Dabei gelangte es
unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zum Schluss, dass die
Vereinbarung vom 16. August 1991 aufgrund des Vertrauensprinzips so zu
verstehen sei, dass der Beklagte dem Kläger die Fr. 300'000.-
zurückzubezahlen habe, falls das beklagtische Grundstück nicht verkauft
würde. Es verwarf den Standpunkt des Beklagten, wonach sich der Kläger mit
den Fr. 300'000.- einzig eine Option auf den hälftigen Gewinn erkauft habe,
die nun wegen der Kündigung der Vereinbarung durch den Kläger entfallen sei.
Vielmehr sei die Vereinbarung vom 16. August 1991 als Darlehen zu
qualifizieren.

Für diese Schlussfolgerung stützte sich das Kantonsgericht auf den Umstand,
dass die Parteien eine Sicherstellung der Fr. 300'000.- beabsichtigt hätten.
So werde in der Vereinbarung vom 16. August 1991 selbst aufgeführt, dass eine
allfällige Sicherstellung der Fr. 300'000.- ausserhalb des Vertrages geregelt
werde. Eine solche Sicherstellung sei umso mehr anzunehmen, als der Kläger im
Zeitpunkt der Vereinbarung vom 16. August 1991 um die grossen finanziellen
Probleme des Beklagten wusste. Schliesslich belege die schriftliche
Zeugenauskunft des Notars, dass eine Sicherstellung der Fr. 300'000.- hätte
erfolgen sollen. Eine Sicherstellung gebe aber nur Sinn, wenn die Fr.
300'000.- zurückbezahlt werden müssten. Sodann spreche für die
Rückzahlungspflicht auch die ausdrückliche Vereinbarung, dass der hälftige
Gewinnanteil beim allfälligen Verkauf des Grundstückes die Fr. 300'000.-
enthalte. Seien aber die Fr. 300'000.- im Verkaufsfall des Grundstückes
miteinzubeziehen, so erscheine konsequent, diesen Betrag auch im (von den
Parteien nicht vorgesehenen) Fall weiter zu berücksichtigen, dass das
Grundstück nicht verkauft werde.

4.
Diese Interpretation der Vorinstanz ist sachgerecht und entspricht dem, was
vernünftige Parteien unter den gegebenen Umständen gewollt haben würden. Was
der Beklagte hiegegen vorbringt, verfängt nicht. Aufgrund seiner Ausführungen
ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz gegen bundesrechtliche
Auslegungsregeln (E. 1 hievor) verstossen haben soll. Nicht gefolgt werden
kann der Auffassung des Beklagten, dass allein schon aus dem Umstand, dass
die Vereinbarung nicht als Darlehen bezeichnet und die Rückzahlung der Fr.
300'000.- nicht ausdrücklich erwähnt war, hätte geschlossen werden müssen,
dass kein Darlehensvertrag vorliegt. Wohl ist bei Verwendung juristischer
Fachausdrücke in der Regel zu vermuten, dass der technische Sinn gemeint ist
(BGE 119 II 368 E. 4b S. 373). Daraus folgt aber umgekehrt nicht, dass die
Nichtverwendung einer bestimmten Bezeichnung es verwehrt, ein Rechtsgeschäft
im betreffenden Sinne zu qualifizieren. Dies gilt in casu umso mehr, als der
- neutral als Vereinbarung bezeichnete - Vertrag vom 16. August 1991 mehrere
Elemente umfasste (Ziffer 1: Übergabe des Betrages von Fr. 300'000.-; Ziffer
2: Auftrag zum Verkauf des Grundstückes; Ziffer 3: Gewinnaufteilung). Fehl
geht auch die Berufung auf die Unklarheitsregel. Das Kantonsgericht hat unter
Bezugnahme auf die Zeugenauskunft des Notars für das Bundesgericht
verbindlich festgestellt (vgl. Art. 63 Abs. 2 OG), dass beide Parteien den
Inhalt der Vereinbarung verstanden haben. Ohnehin kommt die Unklarheitsregel
erst zur Anwendung, wenn die übrigen Auslegungsmittel versagen und bestehende
Zweifel nicht anders behoben werden können (Gauch/Schluep/ Schmid/Rey,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 8. Aufl. 2003, N
1232; BGE 123 III 35 E. 2c/bb S. 44; 109 II 213 E. 2b S. 219), was vorliegend
nicht zutrifft. Soweit der Beklagte schliesslich rügt, die Vorinstanz habe
die Zeugenaussage des Notars unzutreffend gewertet, ist er nicht zu hören.
Denn eine blosse Kritik an der Beweiswürdigung des Sachrichters ist, soweit
nicht Vorschriften des Bundesrechts in Frage stehen, im Berufungsverfahren
ausgeschlossen (BGE 127 III 73 E. 6a).

5.
Die Berufung erweist sich mithin als unbegründet und ist abzuweisen. Bei
diesem Verfahrensausgang ist die Gerichtsgebühr dem Beklagten aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat dem anwaltlich vertretenen Kläger überdies die
Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu ersetzen (Art. 159 Abs.
2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'500.- wird dem Beklagten auferlegt.

3.
Der Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
7'500.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgerichts des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Juni 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: