Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.82/2004
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2004
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2004


2P.82/2004 /kil

Urteil vom 5. Mai 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Moser.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Guido Ehrler,

gegen

Polizei- und Militärdepartement des Kantons Basel-Stadt, Spiegelhof,
Spiegelgasse 6, Postfach, 4001 Basel,
Appellationsgericht (Präsident) des Kantons Basel-Stadt, Bäumleingasse 1,
4051 Basel.

Art. 29 BV (Familiennachzug; unentgeltliche Prozessführung, aufschiebende
Wirkung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
des Appellationsgerichts (Präsident) des Kantons Basel-Stadt vom 12. Februar
2004.

Sachverhalt:

A.
Der türkische Staatsangehörige A.________ heiratete 1987 eine im Kanton
Basel-Stadt niedergelassene Jugoslawin und erhielt 1993 die
Niederlassungsbewilligung. Nachdem ein erstes Gesuch vom Juni 1994 um Nachzug
seiner beiden aus einer früheren Imam-Ehe stammenden Söhne B.________ (geb.
... 1983) und C.________ (geb. ... 1984) erfolglos geblieben war, stellte
A.________ im September 1996 ein neues Gesuch um Familiennachzug, das neben
den beiden genannten Söhnen auch die Töchter D.________ (geb. ... 1985) und
E.________ (... 1986) umfasste. Dieses wurde mit Urteil des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 4. Dezember 1997
rechtskräftig abgewiesen. Aufgrund von Garantieerklärungen des Vaters konnten
im Februar 2000 zunächst B.________ und D.________ und etwas später die
beiden andern Geschwister mit Touristenvisa in die Schweiz einreisen, wo sie
in der Folge auch nach Ablauf der Visa verblieben; gemäss späterer Aussage
des Vaters war dies von Anfang an beabsichtigt gewesen. Nachdem die
Anwesenheit der Kinder im Januar 2001 von der Behörde entdeckt worden war,
stellte der Vater am 22. Februar 2001 ein neues Familiennachzugsgesuch mit
dem Antrag, den Kindern für die Dauer des Gesuchsverfahrens den Aufenthalt
provisorisch zu gestatten. Nachdem die Tochter D.________ gegen ihren Bruder
B.________ wiederholt Strafanzeige wegen Gewalttätigkeiten und Drohungen
erhoben hatte, wurde dieser am 11. Oktober 2001 formlos weggewiesen, in
Ausschaffungshaft genommen und umgehend in die Türkei ausgeschafft. Die
dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel sowie eine staatsrechtliche
Beschwerde blieben erfolglos (Urteil des Bundesgerichts 2P.143/2003 vom 19.
Dezember 2003).

B.
B.aMit Verfügung vom 18. Dezember 2003 wiesen die Einwohnerdienste
Basel-Stadt das hängige neue Familiennachzugsgesuch ab und setzten den drei
in der Schweiz verbliebenen Kindern eine Frist zur Ausreise aus der Schweiz
bis zum 31. Januar 2004, wobei für dieses Verfügungsverfahren die
unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung gewährt wurde.

B.b A.________ erhob hiegegen Rekurs beim kantonalen Polizei- und
Militärdepartement, u.a. mit dem Antrag, die weitere Anwesenheit der Kinder
für die Dauer des Rekursverfahrens durch eine vorsorgliche Massnahme zu
gestatten. Mit Verfügung vom 26. Januar 2004 wies der Vorsteher des Polizei-
und Militärdepartementes diesen Verfahrensantrag unter Hinweis auf die "sehr
geringen" Erfolgsaussichten sowie auf das öffentliche Interesse an der
Ausreise der Kinder ab.

B.c Gegen diese Zwischenverfügung führte A.________ Rekurs beim
Regierungsrat, welcher das Geschäft an das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt überwies. Mit Verfügung vom 12. Februar 2004 wies der Präsident
des Appellationsgerichts sowohl das für dieses Rekursverfahren gestellte
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Vertretung wie auch den Antrag auf
Erlass einer superprovisorischen Anweisung an die Einwohnerdienste, bis zum
Entscheid in der Sache von Vollzugshandlungen abzusehen, ab.

C.
A.________ führt gegen diesen letzteren Zwischenentscheid staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 29 BV mit dem Antrag, die Verfügung des
Appellationsgerichtspräsidenten vom 12. Februar 2004 aufzuheben und das
Polizei- und Militärdepartement des Kantons Basel-Stadt anzuweisen, die
Vollstreckung der Wegweisungsverfügung vom 18. Dezember 2003 bis zum
"Endentscheid" des Bundesgerichts zu unterlassen. Zudem wird für das
bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung ersucht.

Der Präsident des Appellationsgerichts beantragt Abweisung der Beschwerde.
Der Vorsteher des Polizei- und Militärdepartementes des Kantons Basel-Stadt
hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Der Beschwerdeführer erhielt
Gelegenheit zu einer zweiten Stellungnahme.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer bezeichnet sein Rechtsmittel gegen den
Zwischenentscheid des Appellationsgerichtspräsidenten, der mit keiner
Rechtsmittelbelehrung versehen ist, als staatsrechtliche Beschwerde. Dieses
Rechtsmittel ist zulässig, soweit es sich gegen die Verweigerung der
unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung richtet (vgl. BGE 123 I 275).

1.2 Was dagegen den Zwischenentscheid über die Verweigerung vorsorglicher
Massnahmen anbetrifft, ist richtigerweise das Rechtsmittel der
eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben, da der im zugrunde
liegenden Sachverfahren ergehende Endentscheid diesem Rechtsmittel unterliegt
und der angefochtene Zwischenentscheid, auch wenn er sich formell auf
kantonales Verfahrensrecht stützt, in wesentlichem Masse von der Auslegung
der bundesverwaltungsrechtlichen Sachnorm (Art. 17 ANAG) geprägt ist (vgl.
zur analogen Sachlage bei Führerausweisentzügen: Urteil 2A.398/1998 vom 22.
Oktober 1998, E. 1b) und im Übrigen den Betroffenen durch die Verweigerung
der beantragten vorsorglichen Massnahmen (einstweilige Gestattung der
Anwesenheit in der Schweiz während des kantonalen Rekursverfahrens) ein nicht
wiedergutzumachender (tatsächlicher) Nachteil drohen könnte (Art. 45 VwVG).
Die vorliegende Eingabe ist insoweit als Verwaltungsgerichtsbeschwerde
entgegenzunehmen. Die für die Anfechtung von Zwischenentscheiden geltende
kürzere Frist von 10 Tagen (Art. 106 Abs. 1 OG) ist allerdings nicht
eingehalten. Ob dieser Mangel dem Beschwerdeführer entgegengehalten werden
kann, nachdem der geltende Rechtsweg aus dem Gesetz und der publizierten
Rechtsprechung nicht ohne weiteres erkennbar ist und auch der angefochtene
Entscheid keine entsprechende Rechtsmittelbelehrung enthält, ist fraglich,
kann aber offen bleiben, da die Beschwerde, wie sich zeigen wird, ohnehin
nicht durchzudringen vermag.

2.
2.1 Der Appellationsgerichtspräsident hat die anbegehrte (superprovisorische)
Massnahme vorab mit der Begründung abgelehnt, dass dem Referenten des
Gerichts nach dem kantonalen Prozessrecht die Befugnis zum Erlass von
vorsorglichen Anordnungen fehle. Möglich sei nur die Gewährung des
Suspensiveffektes, der aber bei der Anfechtung von negativen Verfügungen
versage. Ob diese Argumentation mit der Regelung von Art. 98a OG, wonach die
Kantone für mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
weiterziehbare Streitigkeiten als letzte kantonale Instanz eine gerichtliche
Behörde (mit mindestens gleich weit reichender Legitimation und Kognition)
einzusetzen haben, vereinbar ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Das
einzusetzende kantonale Gericht vermag die ihm zugedachte
Rechtsschutzfunktion nur dann voll zu erfüllen, wenn es auch die Kompetenz
hat, die für die Aufrechterhaltung des Streitgegenstandes bzw. zur
vorsorglichen Wahrung der bundesrechtlich geschützten Interessen
erforderlichen - gegebenenfalls auch positiven - Anordnungen zu treffen. Die
Frage bedarf hier jedoch keiner abschliessenden Prüfung, da die angefochtene
Anordnung jedenfalls im Ergebnis bzw. aus den in der Vernehmlassung des
Appellationsgerichtspräsidenten angeführten ergänzenden Gründen, zu denen
sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren ebenfalls äussern konnte,
nicht gegen Bundesrecht verstösst.

2.2 Den kantonalen Rechtsmittelinstanzen steht beim Entscheid über die
Gewährung oder den Entzug der aufschiebenden Wirkung sowie über vorsorgliche
Massnahmen, auch soweit es um die Anwendung von Bundesverwaltungsrecht geht,
ein Ermessensspielraum zu. Bei Streitigkeiten über die Erteilung oder den
Widerruf fremdenpolizeilicher Bewilligungen wird mit dem Vollzug der
Wegweisung in der Regel bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens
zugewartet, wenn sich die betroffenen Personen rechtmässig oder schon längere
Zeit in der Schweiz aufgehalten haben und keine überwiegenden Interessen ein
anderes Vorgehen rechtfertigen. Die besonderen Umstände, wie sie insbesondere
im Entscheid der Einwohnerdienste Basel-Stadt vom 18. Dezember 2003 sowie in
der Verfügung des Vorstehers des kantonalen Polizei- und Militärdepartementes
vom 26. Januar 2004 dargestellt und im Wesentlichen auch unbestritten sind,
lassen die angefochtene Zwischenverfügung des Appellationsgerichtspräsidenten
im Ergebnis als vertretbar und damit bundesrechtskonform erscheinen. Die
Situation hat sich seit der ersten rechtskräftigen Abweisung des
Familiennachzuggesuches nicht in einer Weise geändert, dass dem
Rechtsmittelverfahren gegen die Abweisung des zweiten Gesuches nunmehr
ernsthafte Erfolgsaussichten zugebilligt werden könnten. Die Kinder des
Beschwerdeführers, welche in missbräuchlicher Ausnützung eines Besuchervisums
mit der Absicht dauerhaften Verbleibens erneut in die Schweiz eingereist
sind, vermochten sich, wie die in den ergangenen kantonalen Entscheiden
festgehaltenen Vorgänge zeigen, trotz der langen Dauer des neuen
Gesuchsverfahrens in der Schweiz nicht zu integrieren. Vorkehren des
Jugendschutzes und der Vormundschaftsbehörden wurden insbesondere für die
beiden Töchter notwendig. Der Beschwerdeführer ist offenbar nicht gewillt
oder nicht in der Lage, seine Erziehungsverantwortung für die Kinder zu
übernehmen. Er ist gemäss Feststellung der Einwohnerdienste zudem
überschuldet und gegenwärtig ohne Erwerbseinkommen und damit ausserstande,
die mit dem Aufenthalt der Kinder verbundenen finanziellen Verpflichtungen zu
erfüllen, was zu erheblichen finanziellen Aufwendungen des Gemeinwesens
führte. Es erscheint unter diesen Umständen vertretbar, den drei in der
Schweiz verbliebenen Kindern, welche demnächst das 18. bzw. 19. und 20.
Altersjahr vollenden und insofern nicht mehr auf eine besondere persönliche
Betreuung angewiesen sind, zuzumuten, den Ausgang des hängigen
Rechtsmittelverfahrens in ihrem Heimatland abzuwarten. Auch die geltend
gemachte Gefahr, welche der Tochter D.________ von seiten ihres bereits in
die Türkei ausgeschafften Bruders drohen könnte, vermag diese Beurteilung
nicht in Frage zu stellen. Die angefochtene Zwischenverfügung verstösst
damit, auch wenn ihre (ursprüngliche) Begründung an sich rechtliche Bedenken
erwecken mochte, im Ergebnis offensichtlich nicht gegen Bundesrecht, weshalb
die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen ist.

3.
Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass der Appellationsgerichtspräsident dem
beim Appellationsgericht eingelegten Rechtsmittel zulässigerweise die für die
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung erforderlichen
Erfolgsaussichten absprechen und das diesbezügliche Gesuch ohne Verletzung
von Art. 29 Abs. 3 BV abweisen durfte.

4.
Die vorliegende Eingabe vermag damit in beiden Beschwerdepunkten nicht
durchzudringen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens vom Beschwerdeführer zu tragen (Art. 156 OG).
Dem für das bundesgerichtliche Verfahren gestellten Gesuch um unentgeltliche
Prozessführung und Verbeiständung ist mangels hinreichender Erfolgsaussicht
des Rechtsmittels nicht zu entsprechen (Art. 152 OG). Der angespannten
Finanzlage des Beschwerdeführers wird bei der Bemessung der Gerichtsgebühr
Rechnung getragen.

5.
Das für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte (superprovisorisch
bewilligte) Gesuch um eine vorsorgliche Massnahme wird mit dem vorliegenden
Entscheid in der Sache hinfällig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Polizei- und Militärdepartement
und dem Appellationsgericht (Präsident) des Kantons Basel-Stadt schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 5. Mai 2004

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: