Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.37/2004
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2P.37/2004 /leb

Urteil vom 24. Februar 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Einwohnergemeinde Wynau, 4923 Wynau,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher
Daniel Bögli,

gegen

Regierungsstatthalteramt Aarwangen, Jurastrasse 22, 4901 Langenthal,
Regierungsrat des Kantons Bern, vertreten durch
Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern, 3011 Bern.

Gemeindeautonomie; Passation der Jahresrechnung 2001,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats des
Kantons Bern vom 2. Juli 2003.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Im Jahr 2001 verkaufte die Einwohnergemeinde Wynau einen Teil der
gemeindeeigenen Wasserversorgungsanlagen an den Gemeindeverband
Wasserversorgung an der unteren Langeten. Den Verkaufserlös von Fr.
1'519'942.-- teilte die Gemeinde auf und wies Fr. 765'514.-- der
Spezialfinanzierung Wasserversorgung und Fr. 754'428.-- der laufenden
Rechnung zu. In seiner Passationsverfügung vom 19. Dezember 2002 wies das
Regierungsstatthalteramt Aarwangen die Jahresrechnung 2001 der
Einwohnergemeinde Wynau zurück und ordnete unter anderem an, der Erlös aus
dem Verkauf der Wasserversorgungsanlagen sei vollumfänglich der
Spezialfinanzierung Wasserversorgung gutzuschreiben. Am 2. Juli 2003 wies der
Regierungsrat des Kantons Bern eine von der Gemeinde dagegen erhobene
Beschwerde ab. In der Rechtsmittelbelehrung führte er aus, gegen seinen
Entscheid könne beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt werden.

1.2 Am 30. Januar 2004 trat das Verwaltungsgericht auf eine bei ihm erhobene
Beschwerde nicht ein mit der Begründung, gegen den Regierungsratsentscheid
sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen und es könne dagegen nur
staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht geführt werden.

1.3 Am 16. Februar 2004 reichte die Einwohnergemeinde Wynau beim
Bundesgericht sowohl ein Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist als
auch eine staatsrechtliche Beschwerde gegen den Regierungsratsentscheid ein
mit dem Antrag, dieser Entscheid sei unter Wiederherstellung der gesetzlichen
Fristen aufzuheben.

2.
2.1 Nach Art. 35 Abs. 1 OG kann Wiederherstellung gegen die Folgen der
Versäumung einer Frist erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein
Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert
der Frist zu handeln, und binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses
unter Angabe desselben die Wiederherstellung verlangt und die versäumte
Rechtshandlung nachholt.

2.2 Der angefochtene Entscheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, es stehe
dagegen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht
offen. Dass dies nicht zutraf, war selbst für rechtskundige Personen wie den
Vertreter der Beschwerdeführerin nicht offensichtlich, wie sich aus der
Begründung des Nichteintretensentscheides des Verwaltungsgerichts ergibt. Die
Beschwerdeführerin wurde daher unverschuldet davon abgehalten, ihre
staatsrechtliche Beschwerde innert der dafür massgeblichen Frist von 30 Tagen
einzureichen (vgl. Art. 89 OG). Nachdem sie innert der gesetzlichen Frist von
zehn Tagen das Gesuch um Wiederherstellung der Frist und gleichzeitig die
versäumte Rechtshandlung nachgeholt, d.h. die staatsrechtliche Beschwerde
gegen den Regierungsratsentscheid eingereicht hat, ist dem
Wiederherstellungsgesuch in Anwendung von Art. 35 OG zu entsprechen.

3.
3.1 Der angefochtene Entscheid trifft die Beschwerdeführerin als Trägerin
hoheitlicher Gewalt, weshalb sie zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen
Verletzung der Gemeindeautonomie gemäss Art. 109 KV in Verbindung mit Art. 50
Abs. 1 und Art. 189 Abs. 1 lit. b BV legitimiert ist (vgl. BGE 129 I 410 E.
1.1 S. 412, mit Hinweisen).

3.2 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen
Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche
verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch
den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Bei der Willkürrüge ist die
Rechtsnorm, die in unhaltbarer Weise angewendet worden sein soll, zu
bezeichnen und die behauptete qualifizierte Unrichtigkeit der Auslegung und
Anwendung zu belegen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht
nicht ein (BGE 125 I 71 E. 1c S. 76, 492 E. 1b S. 495, je mit Hinweisen).
Diese Substantiierungspflicht gilt nicht nur für einen privaten
Beschwerdeführer, sondern grundsätzlich gleichermassen für eine Gemeinde, die
eine Verletzung ihrer Autonomie geltend macht (BGE 114 Ia 315, 73 E. 1a S.
76, 80 E. 1b S. 82).

4.
4.1 Eine Gemeinde ist in einem Sachbereich dann autonom, wenn das kantonale
Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der
Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche
Entscheidungsfreiheit einräumt. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der
kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren
kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (BGE 129 I 410 E. 2.1 S. 413, mit
Hinweisen).

4.2 Die Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV; SR 131.212)
gewährleistet den Gemeinden die Autonomie und schreibt vor, dass das
kantonale Recht ihnen einen möglichst grossen Handlungsspielraum einzuräumen
hat (Art. 109 KV). Nebst dem Bestand und dem Gebiet gewährleistet sie zudem
ausdrücklich auch das Vermögen der Gemeinden (Art. 108 Abs. 1 KV). Der
kommunale Finanzhaushalt ist in Art. 70 ff. des bernischen Gemeindegesetzes
vom 16. März 1998 (GG) geregelt, worin den Gemeinden eine gewisse
Entscheidungsfreiheit eingeräumt wird. Insbesondere steht dem
Regierungsstatthalter lediglich eine aufsichtsrechtliche Genehmigung der
Jahresrechnungen der Gemeinden zu (so genannte Passation; vgl. Art. 79 GG).
Die Beschwerdeführerin verfügt damit grundsätzlich über die behauptete
Autonomie.

5.
5.1 Mit Autonomiebeschwerde kann eine Gemeinde insbesondere geltend machen,
eine kantonale Behörde habe ihre Prüfungsbefugnis überschritten oder die den
betreffenden Sachbereich ordnenden kommunalen, kantonalen oder
bundesrechtlichen Normen falsch angewendet. Soweit es um die Handhabung von
eidgenössischem oder kantonalem Verfassungsrecht geht, prüft das
Bundesgericht das Vorgehen der kantonalen Behörden mit freier Kognition,
sonst nur auf Willkür hin (BGE 129 I 410 E. 2.3 S. 414, mit Hinweisen).

5.2 Der Regierungsrat führt im angefochtenen Entscheid aus, die
Wasserversorgung müsse gemäss Art. 10 des bernischen
Wasserversorgungsgesetzes vom 11. November 1996 (WVG) finanziell
selbsttragend, also eigenwirtschaftlich betrieben werden. Art. 12 WVG
verpflichte die Träger, für die Wasserversorgungen eine Spezialfinanzierung
zu führen. Es sei grundsätzlich und insbesondere auch im vorliegenden Fall
unzulässig, Gelder von der Spezialfinanzierung in die allgemeine Rechnung der
Gemeinde zu verschieben.

5.3 Die Beschwerdeführerin macht keine Überschreitung der Prüfungsbefugnis
durch den Regierungsrat und auch nicht eine Verletzung von kantonalem oder
eidgenössischem Verfassungsrecht, sondern lediglich eine solche des
kantonalen Gesetzesrechts geltend. Die Anwendung desselben kann das
Bundesgericht, wie dargelegt, lediglich auf Willkür hin überprüfen. Die
Beschwerdeführerin äussert sich freilich nur zur richtigen Anwendung des
Gesetzesrechts und führt nicht aus, weshalb der angefochtene Entscheid
geradezu willkürlich sein sollte; da sie in diesem Sinne nur appellatorische
Rügen erhebt, erscheint es fraglich, ob die Beschwerde insoweit überhaupt
zulässig ist. Dies kann aber offen bleiben, denn die Beschwerde erweist sich
jedenfalls als unbegründet.

5.4 Weder ist der angefochtene Entscheid im Sinne der Willkürdefinition der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung (dazu BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9, mit
Hinweisen) unhaltbar, noch steht er zur tatsächlichen Situation oder einer
einschlägigen Rechtsnorm in klarem Widerspruch. Im Gegenteil beruht er auf
einer durchaus vertretbaren Auslegung des kantonalen Gesetzesrechts durch den
Regierungsrat. Nebst der Pflicht zur Eigenwirtschaftlichkeit nach Art. 10 WVG
und zur Führung einer Spezialfinanzierung gemäss Art. 12 WVG schreibt das
Gesetz in der letzteren Bestimmung zusätzlich vor, dass die jährliche Einlage
in einem angemessenen Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert und zur
Lebensdauer der Anlage zu stehen habe und die Einlagen in die
Spezialfinanzierung die dauernde Werterhaltung der Anlage gewährleisten
müssten. Die Beschwerdeführerin tut nicht dar, und es ist auch nicht
ersichtlich, dass es gestützt darauf geradezu unhaltbar sei, ihr zu
verbieten, den fraglichen Erlös aus dem Verkauf ihrer
Wasserversorgungsanlagen auch nur teilweise der laufenden Rechnung
zuzuweisen. Selbst wenn allenfalls auch eine andere Gesetzesauslegung in
Betracht fiele, ist der angefochtene Entscheid jedenfalls nicht willkürlich,
genügt dafür doch bereits eine vertretbare (und nicht lediglich die einzig
richtige) Anwendung des Gesetzes (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9, mit
Hinweisen).

6.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet
und ist ohne weiteren Schriftenwechsel im vereinfachten Verfahren nach Art.
36a OG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Beschwerdeführerin suchte Mittel aus der Spezialfinanzierung abzuziehen, um
frei darüber verfügen zu können; sie verfolgt mithin Vermögensinteressen und
wird entsprechend dem Verfahrensausgang kostenpflichtig (vgl. Art. 156 Abs. 2
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Dem Gesuch um Wiederherstellung der Frist wird stattgegeben.

2.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsstatthalteramt
Aarwangen und dem Regierungsrat des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Februar 2004

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: