Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.24/2004
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2P.24/2004/ErC
2A.55/2004

Urteil vom 12. Oktober 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Küng.

A. und B.C.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch BDO Visura,
Steuern und Recht,

gegen

Steueramt des Kantons Solothurn,
Werkhofstrasse 29c, 4509 Solothurn,
Kantonales Steuergericht Solothurn,
Centralhof, Bielstrasse 9, 4502 Solothurn.

Art. 9 BV (Staatssteuer 1999; direkte Bundessteuer 1999/2000),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde gegen das
Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 8. Dezember 2003.

Sachverhalt:

A.
A. C.________ war Inhaber von 80% der Aktien der D.________ AG, X.________;
die restlichen 20% hatte E.________ inne. Die Gesellschaft gliederte am 26.
November 1997 ihre Spritzgiessaktivitäten aus und brachte die diesen
entsprechenden Aktiven und Passiven in die (von A.C.________ [Beteiligung
80%] und E.________ [Beteiligung 20%]) neu gegründete F.________ AG,
X.________, zum Verkehrswert von Fr. 351'000.-- ein. Am 31. Dezember 1998
wurden die Aktien der F.________ AG (gemäss Agreement vom 5. November 1997)
für Fr. 1'250'000.-- an die G.________ AG, X.________, verkauft;
anschliessend fusionierten die beiden Gesellschaften unter Auflösung der
F.________ AG.

Am 1. Oktober 2001 wurden A. und B.C.________ von der Veranlagungsbehörde
X.________/SO für die Staatssteuern 1999 und die direkten Bundesteuern
1999/2000 definitiv veranlagt. Dabei wurde ihnen aus dem Verkauf der
F.________ AG ein Betrag von Fr. 719'000.-- als "geldwerte Leistung aus
Abspaltung D.________ AG/F.________ AG" und damit als Erträge aus beweglichem
Vermögen im Sinne von § 26 Abs. 1 lit. b des solothurnischen Gesetzes vom 1.
Dezember 1985 über die Staats- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; StG/SO)
bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) aufgerechnet (vgl. Vernehmlassung der
Veranlagungsbehörde X.________ vom 29. Juli 2002, act. 9/4).

Nachdem A. und B.C.________ gegen diese Veranlagung ohne Erfolg Einsprache
erhoben hatten, wandten sie sich mit Rekurs (Staatssteuer 1999) bzw.
Beschwerde (direkte Bundessteuer 1999/ 2000) an das Kantonale Steuergericht
Solothurn. Dieses hiess den Rekurs bzw. die Beschwerde teilweise gut
(Korrektur der Berechnung durch die versehentlich unterbliebene
Berücksichtigung des einbezahlten Aktienkapitals von Fr. 100'000.--) und
setzte den steuerbaren Betrag des Einkommens aus Wertschriften von Fr.
719'000.-- auf Fr. 639'200.-- herab (Verkaufspreis Fr. 1'250'000.-- abzüglich
Aktiven im Betrag von Fr. 351'000.-- = Fr. 899'000.--, abzüglich
Aktienkapital von Fr. 100'000.-- = Fr. 799'000.--, davon 80% = Fr.
639'200.--); im Übrigen wies es die Rechtsmittel ab.

B.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtlicher Beschwerde beantragen
A. und B.C.________ dem Bundesgericht in den Hauptanträgen, das Urteil des
Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 8. Dezember 2003 aufzuheben und das
steuerpflichtige Einkommen für die Staatssteuer 1999 auf Fr. 89'294.-- und
für die direkte Bundesteuer 1999/2000 auf Fr. 160'300.-- herabzusetzen.

Das Steueramt des Kantons Solothurn beantragt, auf die staatsrechtliche
Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen.

Das Kantonale Steuergericht Solothurn beantragt, die staatsrechtliche
Beschwerde und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt, die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die im Wesentlichen gleich lautenden Beschwerden betreffen die gleichen
Parteien, richten sich gegen den selben Entscheid und werfen grösstenteils
übereinstimmende Rechtsfragen auf. Es rechtfertigt sich deshalb, sie
gemeinsam zu behandeln und zu diesem Zweck die Verfahren zu vereinigen.

2.
Die steuerrechtliche Qualifikation des hier in Frage stehenden Aktienverkaufs
als für die Beschwerdeführer (steuerbarer) Vermögensertrag im Sinne von § 26
Abs. 1 lit. b StG/SO bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG und nicht als
(steuerfreier) privater Kapitalgewinn ist sowohl hinsichtlich der
Staatssteuer als auch der direkten Bundessteuer unbestritten. Sie war auch
nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides: Das Kantonale Steuergericht
beurteilte nicht die Rechtmässigkeit der Besteuerung an sich, sondern - für
beide Steuern gemeinsam - allein die Frage, ob die kantonale Steuerverwaltung
verbindlich zugesagt habe, den Kapitalgewinn auf Stufe der Aktionäre als
steuerfrei anzuerkennen und ob die Beschwerdeführer darauf vertrauen konnten.

I.  Staatsrechtliche Beschwerde (Staatssteuer 1999)

3.
Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden
(Steuerharmonisierungsgesetz; StHG; SR 642.14) sieht die Möglichkeit vor, die
Anwendung kantonalen Steuerrechts vor Bundesgericht mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten, wie die Beschwerdeführer dies
getan haben. Das gilt aber - selbst wenn das kantonale Recht, wie im
vorliegenden Fall § 164bis StG/SO, bereits dieses Rechtsmittel vorsieht - nur
für die Steuerperioden nach dem 1. Januar 2001, während hier die Staatssteuer
1999 streitig ist. Mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl.
BGE 123 II 588 E. 2d S. 592 f., mit weiteren Hinweisen) ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde daher unzulässig. Indessen kann sie als
staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen werden.

4.
4.1 Die Beschwerdeführer rügen die "Verletzung von Art. 9 BV, insbesondere die
Verletzung des Gebots des Handelns nach Treu und Glauben sowie des
Willkürverbotes".

4.2 Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Eingabe mehr als die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids verlangen, ist darauf nicht einzutreten (vgl. BGE
122 I 120 E. 2a).

4.3 Die Beschwerdeführer machen geltend, die Kantonale Steuerverwaltung,
Abteilung juristische Personen, habe mit ihnen vereinbart, dass der
Veräusserungsgewinn aus der Abtrennung der Spritzgiessaktivitäten der
D.________ AG auf der Stufe der Gesellschaft nur zu 50% besteuert werde und
für die restlichen 50% ausserordentliche Abschreibungen und Rückstellungen
zugelassen würden; auf Stufe Aktionäre sollte der Kapitalgewinn vollständig
steuerfrei bleiben.

4.4 Die Vereinbarungen betreffend die Besteuerung der Gesellschaft sind
unbestritten. Das Steuergericht hat dazu dargelegt, die Zusicherungen der
Steuerbehörden hätten sich auf Grund sämtlicher der definitiven Veranlagung
vom 1. Oktober 2001 vorangehender Schreiben und Verhandlungen, soweit sie in
schriftlicher Form den Akten zu entnehmen seien und eine Bestätigung der
Aussagen des Kantonalen Steueramtes enthielten, sowie angesichts der
Zuständigkeitsordnung einzig auf die steuerliche Behandlung der Gesellschaft
(D.________ AG) bezogen; eine Zusicherung steuerfreien privaten
Kapitalgewinns für die Aktionäre seitens der Kantonalen Steuerverwaltung
könne nicht festgestellt werden.

4.5
4.5.1Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die staatsrechtliche Beschwerde die
wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten,
welche verfassungsmässigen Rechte oder Rechtssätze der angefochtene Erlass
oder Entscheid verletzt und inwiefern er dies tun soll. Das Bundesgericht
untersucht nicht von Amtes wegen, ob ein kantonaler Hoheitsakt
verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar
erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf bloss allgemein gehaltene,
appellatorische Kritik tritt es nicht ein. Wird eine Verletzung des
Willkürverbots behauptet, ist darzutun, inwiefern der angefochtene Entscheid
an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. Der
Beschwerdeführer kann sich in diesem Fall nicht damit begnügen, den
angefochtenen Entscheid einfach als falsch oder willkürlich zu bezeichnen und
ihm seine Sicht der Dinge gegenüberzustellen; er hat vielmehr anhand der
angefochtenen Subsumtion im Einzelnen darzulegen, inwiefern der Entscheid an
einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (Urteil 2P.296/2002
vom 28. April 2003 E. 1.1, mit Hinweisen).

4.5.2 Die vorliegende Beschwerdeschrift erschöpft sich in einer weitgehend
appellatorischen Kritik. Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Begründung
des angefochtenen Entscheides kaum auseinander, sondern stellen den
tatsächlichen Feststellungen sowie der Beweiswürdigung des Steuergerichts
lediglich ihre eigene, abweichende Sicht der Dinge gegenüber. Soweit dies der
Fall ist, vermögen sie jedoch nicht dazutun, inwieweit die Feststellung des
Sachverhaltes bzw. die Beweiswürdigung geradezu willkürlich wäre. Sie räumen
sogar selber ein, es sei nur ein Teil der Vereinbarung mit der
Steuerverwaltung über die geplante Umstrukturierung schriftlich festgehalten
worden; dies erlaubt bei sich widersprechenden Angaben über weiter gehende
mündliche Abmachungen von vornherein nicht den Schluss, es sei eine vom
Gesetz abweichende steuerliche Behandlung zugesichert worden.  Was sie in
diesem Zusammenhang vorbringen, lässt die Schlussfolgerung des
Steuergerichts, unter Berücksichtigung sämtlicher Schreiben und Bestätigungen
könne die Zusicherung eines steuerfreien privaten Kapitalgewinns für die
Aktionäre durch die Kantonale Steuerverwaltung nicht festgestellt werden
(angefochtener Entscheid E. 2), jedenfalls nicht als unhaltbar erscheinen.

4.6 Unter diesen Umständen kann auch von einer Verletzung des Grundsatzes von
Treu und Glauben nicht die Rede sein. Denn ohne entsprechende Zusicherung
besteht in keinem Fall ein Anspruch auf eine vom Gesetz abweichende
steuerliche Behandlung.

5.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist.
II. Verwaltungsgerichtsbeschwerde
(Direkte Bundessteuer 1999/2000)

6.
6.1 Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend die direkte
Bundessteuer ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 97 Abs. 1
OG in Verbindung mit Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021] sowie Art. 98 lit. g OG und Art. 146
DBG).

6.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat jedoch - wie hier
- eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an
ihre Sachverhaltsfeststellungen gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG). Offensichtlich
unrichtig ist eine Sachverhaltsermittlung nicht schon dann, wenn sich Zweifel
anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist
(Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 286 mit
Hinweisen; Urteil 2A.486/2002 vom 31. März 2003 E. 1.2).
6.3 Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, die
Zusicherung der Kantonalen Steuerverwaltung habe sich auf Grund ihres
Zuständigkeitsbereiches und unter Berücksichtigung sämtlicher Schreiben und
Bestätigungen nur auf die steuerliche Behandlung der Gesellschaft (D.________
AG) bezogen. Dieser gerichtlichen Feststellung des Sachverhaltes stellen die
Beschwerdeführer zwar ihre eigene, abweichende Sicht der Dinge gegenüber. Was
sie vorbringen, lässt jedoch die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz
nicht als offensichtlich unrichtig oder unvollständig erscheinen (Art. 105
Abs. 2 OG).

6.4 Sind somit der Beurteilung die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
zugrunde zu legen, wonach für die Aktionäre keine Zusage privilegierter
Behandlung abgegeben worden ist, ist augenfällig, dass die umstrittene
Veranlagung auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.

7.
Auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist aus diesen Gründen ohne Weiteres
abzuweisen.

8.
Bei diesem Ausgang haben die Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor
Bundesgericht zu tragen, unter Solidarhaftung (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 2A.55/2004 und 2P.24/2004 werden vereinigt.

2.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

3.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

4.
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 7'500.-- wird den Beschwerdeführern
auferlegt, unter Solidarhaftung.

5.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Steueramt des Kantons Solothurn
und dem Kantonalen Steuergericht Solothurn sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Oktober 2004

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: