Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.205/2004
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2P.205/2004 /sza

Urteil vom 12. Juli 2005
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

1. X.________,
2.A.________,
3.B.________,
4.C.________,
5.D.________,
6.E.________,
7.F.________,
8.G.________,
9.H.________,
10.I.________,
11.J.________,
12.K.________,
13.L.________,
14.M.________,
15.N.________,
16.O.________,
17.P.________,
18.Q.________,
19.R.________,
20.S.________,
21.T.________,
22.U.________,
23.V.________,
Beschwerdeführer,
alle vertreten durch Prof. Dr. Tomas Poledna und Raphael Stoll,
Rechtsanwälte,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zug, Regierungsgebäude, Postfach, 6301 Zug.

Art. 8 und 9 BV (Reglement über die Nebenbezüge der Kantonspolizei; Änderung
vom 22. Juni 2004),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungsrats des
Kantons Zug vom 22. Juni 2004.

Sachverhalt:

A.
Gemäss § 2 des vom Regierungsrat des Kantons Zug am 17. Juni 1997 erlassenen
Reglements über die Nebenbezüge der Kantonspolizei erhielten alle Angehörigen
des Polizeikorps eine Inkonvenienzentschädigung:
1Alle Korpsangehörigen beziehen eine Inkonvenienzentschädigung von Fr.
4'500.-- pro Jahr.
2Ein Drittel der Inkonvenienzentschädigung gilt als Funktionszulage und
bildet Bestandteil des versicherten Gehaltes.
Mit Beschluss vom 22. Juni 2004 revidierte der Regierungsrat das erwähnte
Reglement. Dessen § 2 hat nun - soweit hier interessierend - folgenden neuen
Wortlaut:
1Die Mitarbeitenden der Zuger Polizei beziehen eine nach Funktion abgestufte
Inkonvenienzentschädigung. Die Inkonvenienzentschädigung beträgt Fr. 5'700.--
(Stufe A), Fr. 4'800.-- (Stufe B) oder Fr. 1'500.-- (Stufe C) pro Jahr.
Funktionen ohne besondere Belastung erhalten keine Inkonvenienzentschädigung.
2(...)
3a) - d) (...)
e)Mitarbeitenden mit Inkonvenienzstufe A oder B wird die
Inkonvenienzentschädigung um Fr. 600.-- gekürzt, wenn sie ausserhalb des
Kantons Zug Wohnsitz haben.
4(...)
5Fr. 1'500.-- der Inkonvenienzentschädigung gelten als Funktionszulage und
bilden Bestandteil des versicherten Gehalts.
Der Hinweis auf die Änderung des - in die Gesetzessammlung aufgenommenen -
Reglements wurde am 25. Juni 2004 im kantonalen Amtsblatt publiziert. Die
neuen Normen traten am 1. Juli 2004 in Kraft. Mitarbeiter, die durch die
Neuregelung nur noch einen reduzierten Anspruch auf Inkonvenienzentschädigung
haben, erhielten bis zum 31. Dezember 2004 noch den bis anhin ausbezahlten
Betrag (vgl. Ziff. II des Regierungsratsbeschlusses vom 22. Juni 2004).

B.
Mit Eingabe vom 25. August 2004 führen X.________ und 22 Mitbeteiligte
staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, "das Zuger
Reglement über die Nebenbezüge der Kantonspolizei vom 22. Juni 2004 in bezug
auf § 2 Abs. 3 lit. e aufzuheben". Die Beschwerdeführer bestreiten die
Verfassungskonformität dieser Bestimmung; sie rügen eine Verletzung des
Willkürverbots und der Rechtsgleichheit.
Der Vorsteher der Sicherheitsdirektion des Kantons Zug beantragt für den
Regierungsrat, die Beschwerde abzuweisen.
Am 22. November 2004 gab der Abteilungspräsident den Beschwerdeführern
Gelegenheit, ihre Beschwerde zu ergänzen. Diese hielten mit Eingabe vom 21.
Januar 2005 an den Anträgen und der Begründung gemäss der Beschwerde fest. Am
30. März 2005 liess sich der Vorsteher der Sicherheitsdirektion - für den
Regierungsrat - hiezu vernehmen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gegen kantonale Erlasse kann beim Bundesgericht staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger geführt
werden (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG; so genannte abstrakte Normenkontrolle, vgl.
BGE 118 Ia 64 E. 2c S. 72). Der Hinweis auf die Änderung des Reglementes über
die Nebenbezüge der Kantonspolizei Zug vom 22. Juni 2004 wurde am 25. Juni
2004 im kantonalen Amtsblatt veröffentlicht. Die Beschwerde vom 25. August
2004 ist damit rechtzeitig eingereicht worden (Art. 89 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 32 Abs. 2 und Art. 34 OG). Ein abstraktes Normenkontrollverfahren
gegen kantonale Erlasse gibt es im Kanton Zug nicht (vgl. Urteil 2P.19/1995
vom 29. Januar 1996, E. 1b, in: ZBl 98/1997 S. 210), so dass der kantonale
Instanzenzug erschöpft ist (Art. 86 Abs. 1 OG).

1.2 Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist legitimiert, wer durch den
angefochtenen Erlass unmittelbar oder virtuell (d.h. mit einer minimalen
Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal) in rechtlich geschützten
Interessen betroffen wird (Art. 88 OG; BGE 125 I 71 E. 1b/aa S. 75; 173 E. 1b
S. 174, je mit Hinweisen). Wird das Willkürverbot bzw. das
Rechtsgleichheitsgebot im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle angerufen,
ergibt sich das rechtlich geschützte Interesse für den in seiner
Rechtsstellung Betroffenen direkt aus Art. 9 bzw. Art. 8 BV (vgl. Walter
Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994,
S. 241 f.). Die Beschwerdeführer sind als Angehörige der Zuger Polizei von
der Reglementsänderung in ihrer Rechtsstellung unmittelbar oder virtuell
betroffen und zur Erhebung der erwähnten Rügen legitimiert.

1.3 Die staatsrechtliche Beschwerde muss die wesentlichen Tatsachen und eine
kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte
bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder
Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Das Bundesgericht
prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen.
Der Grundsatz der richterlichen Rechtsanwendung gilt im Bereich der
Verfassungsbeschwerde nicht. Das Bundesgericht beschränkt sich auch bei der
abstrakten Normenkontrolle auf die Prüfung rechtsgenügend vorgebrachter Rügen
(BGE 125 I 71 E. 1c S. 76; ZBl 103/2002 S. 322, 2P.52/2001, E. 3c; je mit
Hinweisen). Soweit die Beschwerde bzw. die Beschwerdeergänzung diesen
Anforderungen nicht genügt und sich auf weitgehend rein appellatorische
Ausführungen beschränkt, ist darauf nicht einzutreten.

2.
Dem gestellten Begehren um Edition gewisser im Zusammenhang mit der
streitigen Reglementsbestimmung erstellter verwaltungsinterner Unterlagen
("sämtliche Dokumente betreffend die Gewichtung der einzelnen
Inkonvenienzmerkmale und -elemente") ist nicht zu entsprechen. Zwar hat die
Rechtsprechung des Bundesgerichts aus Art. 4 aBV einen direkten Anspruch auf
Akteneinsicht als Teil des rechtlichen Gehörs abgeleitet. Dieser nunmehr in
Art. 29 Abs. 2 BV umschriebene Anspruch gilt für Verfügungsverfahren und
kommt im Verfahren der Rechtsetzung bzw. bei der Anfechtung von Erlassen
nicht zum Zuge. Die Ausführungen in der Vernehmlassung des Regierungsrates
sowie die vom Kanton im bundesgerichtlichen Verfahren eingereichten
Unterlagen (vgl. u.a. den Regierungsratsbeschluss vom 22. Juni 2004) reichen
im Übrigen aus, um über die erhobenen Verfassungsrügen befinden zu können.

3.
3.1 Der Regierungsrat hatte im Rahmen der Teilrevision des Reglements über die
Nebenbezüge der Kantonspolizei fünf Inkonvenienzmerkmale definiert. Es sind
dies Gefahren für die Gesundheit, psychische Belastungen und Repressalien,
die die Mitarbeiter der Polizei - in unterschiedlichem Masse - hinzunehmen
haben. Darüber hinaus müssen die Polizeibeamten im Rahmen der Dienstplanung
permanent verfügbar sein, hohe Flexibilität zeigen und besondere
Arbeitszeitregelungen in Kauf nehmen; das allgemeine Personalrecht gilt für
sie nur eingeschränkt. Diese Belastungen sollen nach den Grundsätzen der
Leistungsorientierung und Gleichbehandlung durch die
Inkonvenienzentschädigung abgegolten werden (vgl. Beschluss vom 22. Juni
2004, S. 5 ff.). Die Kürzung der Entschädigung um Fr. 600.-- pro Jahr für
Mitarbeiter der Polizei (in den Inkonvenienzstufen A und B) mit
ausserkantonalem Wohnsitz begründet der Regierungsrat im Wesentlichen damit,
dass deren Belastung durch die Inkonvenienzmerkmale geringer sei.

3.2 Die Beschwerdeführer erachten diese Begründung als willkürlich. Sie
machen geltend, ein ausserkantonaler Wohnsitz habe keinen oder zumindest
keinen wesentlichen Einfluss auf die von den Polizisten erlittenen
Beeinträchtigungen im Privatbereich. Es mache "den Eindruck, als habe der
Regierungsrat die Kürzung der Entschädigung bei ausserkantonalem Wohnsitz
weniger aus den von ihm angeführten als vielmehr aus finanzpolitischen
Gründen vorgesehen" (S. 17 der Beschwerdeschrift).

Sodann rügen die Beschwerdeführer, die einheitliche Kürzung der Entschädigung
um Fr. 600.-- für die Inkonvenienzstufen A und B verstosse gegen das
Rechtsgleichheitsgebot. Wenn überhaupt, führe ein ausserkantonaler Wohnsitz
bei diesen beiden Mitarbeiterkategorien nicht zu einer absoluten, sondern zu
einer prozentual gleichwertigen Reduktion der erlittenen Erschwernisse (S. 19
der Beschwerdeschrift).

3.3 Die der angefochtenen Regelung zugrunde liegende Überlegung, wonach
ausserhalb des Kantons wohnhafte Polizeibeamte weniger Belastungen und
Beanspruchungen durch das Umfeld ausgesetzt sind als Beamte mit Wohnsitz im
Kanton, erscheint vertretbar. Der ausserkantonal wohnhafte Polizeibeamte wird
von seiner privaten Umgebung, soweit seine dienstliche Funktion hier
überhaupt bekannt ist, nicht oder weniger als Vertreter der Polizeigewalt
wahrgenommen und damit in seiner Freizeit auch weniger mit entsprechenden
Anliegen konfrontiert, als dies bei einem im Kanton wohnhaften und hier auch
ausserhalb der Dienstzeit mit Amtsgewalt ausgestatteten Polizeibeamten der
Fall ist. Ausserkantonal wohnhafte Polizeibeamte können auch eher öffentliche
Ämter ausüben bzw. ehrenamtlichen Vereinstätigkeiten nachgehen als
Mitarbeiter mit Wohnsitz im Kanton, die bei der Wahrnehmung solcher
Tätigkeiten nicht selten mit ihrer beruflichen Funktion in Konflikt geraten
dürften. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Polizeibeamte unabhängig von dem
ihnen zugeteilten Aufgabenbereich tätig werden müssen, wenn sie eine
strafbare Handlung verhindern können oder wenn ihnen eine begangene Straftat
bekannt wird (vgl. § 17 Abs. 2 des Dienstreglements für die Zuger Polizei vom
22. Januar 1985). Von dieser Verpflichtung, die im Rahmen der
Verhältnismässigkeit auch für die Freizeit gilt, sind die im Kanton
wohnhaften Polizeibeamten klarerweise eher betroffen als diejenigen mit einem
ausserkantonalen Wohnsitz (vgl. hiezu auch § 28 des Dienstreglements, wonach
die Polizeibeamten - mit gewissen Ausnahmen - keine Amtshandlungen ausserhalb
des Kantonsgebietes vornehmen dürfen).

Die beanstandete Differenzierung der Inkonvenienzentschädigung nach dem
Wohnsitz lässt sich nach dem Gesagten mit sachlich haltbaren Argumenten
begründen und verstösst damit als solche weder gegen das Willkürverbot noch
gegen die Rechtsgleichheit. Dass die Massnahme in unzulässiger Weise einzig
darauf abziele, die Polizeibeamten aus fiskalpolitischen Gründen von der
Wohnsitznahme in Drittkantonen abzuhalten, wird nicht oder jedenfalls nicht
in einer tauglichen, den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
genügenden Art und Weise gerügt, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist
(E. 1.3).

Was die Höhe der Reduktion anbelangt, so steht dem zuständigen
Rechtssetzungsorgan, da sich die erwähnten Nachteile (vgl. E. 3.1) schwer
quantifizieren lassen, ein grosser Spielraum zu. Die vorgenommene Reduktion
um Fr. 600.-- (bei Inkonvenienzentschädigungen von Fr. 5'700.-- bzw. Fr.
4'800.-- pro Jahr) hält sich offensichtlich im Rahmen dieses Ermessens,
weshalb sich für die verfassungsrechtliche Beurteilung eine
Auseinandersetzung mit den bei der Vorbereitung des Erlasses angestellten
Erhebungen erübrigt.

Die Beschwerdeführer rügen ferner als Verletzung des
Rechtsgleichheitsgebotes, dass die Kürzung sowohl für die Stufe A als auch
für die Stufe B einheitlich auf Fr. 600.-- festgelegt wird, wodurch die
beiden Gruppen prozentual unterschiedlich stark (10,5 % bzw. 12,5 %) belastet
werden. Bei Anwendung des gleichen Prozentsatzes ergäbe sich für die zweite
Gruppe ein Abzug von rund Fr. 500.-- statt Fr. 600.-- (pro Jahr). Es handelt
sich damit um eine relativ geringe Differenz. Wenn der Regierungsrat den
Abzug für beide Kategorien schematisch auf den gleichen Betrag festsetzte,
hielt er sich im Rahmen des ihm in Organisations- und Besoldungsfragen in
besonderem Masse zustehenden Ermessens (vgl. BGE 123 I 1 E. 6b S. 8).

4.
Dies führt zur Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werden kann.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern
aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Parteikosten
sind keine zu sprechen (Art. 159 Abs. 2 OG analog).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt,
unter solidarischer Haftung.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern und dem Regierungsrat des Kantons
Zug schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Juli 2005

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: