Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.200/2004
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2P.200/2004/leb

Urteil vom 1. März 2005
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Hatzinger.

A. ________ Treuhand AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

Steueramt des Kantons Solothurn, Schanzmühle, Werkhofstrasse 29c, 4509
Solothurn,
Kantonales Steuergericht Solothurn, Centralhof, Bielstrasse 9, 4502
Solothurn.

Art. 9, 29 Abs. 2 BV (Handänderungssteuer),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom

19. April 2004.

Sachverhalt:

A.
Die A.________ Treuhand AG übernahm gemäss Vereinbarung vom 27. Oktober 1998
von B.________ "rechnerisch mit Wirkung zum 1. Februar 1999" 150 Namenaktien
der C.________ Immobilen AG im Nominalwert von je Fr. 1'000.--. Mit
Treuhandvertrag vom 29. Oktober 1998 beauftragte D.________ als Treugeberin
die Treuhandgesellschaft, diese Aktien auf ihre Rechnung, aber im Namen der
Gesellschaft, zu erwerben und danach treuhänderisch, in eigenem Namen, aber
auf Rechnung der Treugeberin, zu halten und zu verwahren.

Aufgrund dieses Vorgangs veranlagte die zuständige Behörde am 17. Mai 2002
die A.________ Treuhand AG und D.________ je mit einer Handänderungssteuer
von Fr. 41'800.-- wegen wirtschaftlicher Handänderung an den betreffenden
Grundstücken. Die hiergegen von der Treuhandgesellschaft eingereichte
Einsprache wies das Steueramt des Kantons Solothurn am 22. November 2002 ab.

B.
Das Kantonale Steuergericht Solothurn wies am 19. April 2004 (versandt: 18.
Juni 2004) den Rekurs der A.________ Treuhand AG gegen die
Einspracheverfügung des Steueramts ebenfalls ab.

C.
Die A.________ Treuhand AG hat am 23. August 2004 beim Bundesgericht
staatsrechtliche Beschwerde geführt. Sie beantragt, das Urteil des
Steuergerichts vom 19. April 2004 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung
an dieses zurückzuweisen.

Das Steueramt und das Steuergericht beantragen, die Beschwerde abzuweisen,
soweit darauf einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das angefochtene Urteil betreffend Handänderungssteuer stützt sich auf
kantonales Recht, dessen Anwendung das Bundesgericht nur auf Willkür
überprüft. Ein Entscheid ist willkürlich (vgl. Art. 9 BV), wenn er
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation im klaren und
offensichtlichen Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn
eine andere Lösung ebenso vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Es
genügt zudem nicht, dass bloss die Begründung des angefochtenen Entscheids
unhaltbar ist. Dessen Aufhebung rechtfertigt sich nur, wenn er auch im
Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 128 I 177 E. 2.1 S. 182; Urteil
2P.243/1996 vom 28. Oktober 1998, E. 1 mit Hinweisen).

2.
2.1 Nach solothurnischem Steuerrecht wird bei Handänderungen die Steuerpflicht
durch jedes Rechtsgeschäft begründet, mit dem die wirtschaftliche
Verfügungsgewalt über ein Grundstück übergeht, insbesondere durch Übertragung
von Beteiligungsrechten an Immobiliengesellschaften (vgl. § 206 Abs. 1 lit. d
des Solothurner Gesetzes vom 1. Dezember 1985 über Staats- und
Gemeindesteuern [Steuergesetz; StG/SO]). Damit ist der Tatbestand, der die
Handänderungssteuer auslöst, rein wirtschaftlich umschrieben (im Unterschied
zu anderen Kantonen; vgl. Urteil 2P.243/1996 vom 28. Oktober 1998, E. 3a mit
Hinweis). Als wirtschaftliche Handänderung gilt in Literatur und
Rechtsprechung denn auch die Veräusserung einer Beteiligung an einer
Immobilienaktiengesellschaft und das so genannte Kettengeschäft (vgl. ASA 54
S. 690 E. 3a S. 693 mit Hinweisen; Urteil 2P.243/1996 vom 28. Oktober 1998,
E. 4).

2.2 Es ist unbestritten, dass die C.________ Immobilien AG eine
Immobiliengesellschaft im Sinne von § 206 Abs. 1 lit. d StG/SO darstellt und
der Erwerb sämtlicher Aktien dieser Gesellschaft grundsätzlich der
Handänderungssteuer unterliegt. Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin die
wirtschaftliche Verfügungsgewalt über die Gesellschaft bzw. die dieser
gehörenden Grundstücke erworben hat oder ob diese Gewalt direkt von
B.________ auf D.________ übergegangen ist. Diese Frage kann das
Bundesgericht, wie bereits gesagt, nur auf Willkür hin prüfen.

3.
3.1 Das Steuergericht geht davon aus, dass ein Treuhandverhältnis bereits im
Zeitpunkt der Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht auf den
Zwischenerwerber bestanden haben müsse (um eine doppelte Besteuerung
ausschliessen zu können). Die Beschwerdeführerin bestreitet dies nicht,
wendet aber ein, die indossierten Aktienzertifikate seien Ende März 1999, das
heisst nach Abschluss des schriftlichen Treuhandvertrags (29. Oktober 1998),
übertragen worden; in diesem Moment habe sich die Übertragung der
Beteiligungsrechte an der Immobiliengesellschaft vollzogen, was erst die
Handänderungssteuerpflicht ausgelöst habe.

3.2 Das Steuergericht durfte indessen ohne Willkür annehmen, dass es auf das
Verpflichtungs- und nicht das Verfügungsgeschäft ankommt, das heisst auf den
Kaufvertrag vom 27. Oktober 1998 und nicht auf die Indossierung und
Übertragung der Aktien, die den Vertrag vollziehen; dies folgt aus der hier
massgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die eine zivilrechtliche
Eigentumsübertragung nicht voraussetzt. Dass der Vollzug des Kaufvertrags
aufgeschoben war, ändert am Bestand der Verpflichtung nichts. Diese hätte
gegebenenfalls auch gerichtlich durchgesetzt werden können; zudem wäre die
Verkäuferin B.________ schadenersatzpflichtig geworden, wenn sie die Aktien
inzwischen auf einen Dritten übertragen hätte; bis zu deren Übertragung war
sie auch in der Geschäftspolitik nicht mehr frei und von der Zustimmung der
Beschwerdeführerin abhängig, wie sich aus Ziff. 8 des Kaufvertrags ergibt
(vgl. auch Urteil 2P.299/1995, E. 2d/cc). Im Rahmen der Willkürprüfung ist
sodann nicht zu beanstanden, dass nach der solothurnischen Praxis bei
(direkten) Grundstückkaufverträgen auf das Verpflichtungsgeschäft abgestellt
und diese Rechtsprechung auch auf den Kauf von Beteiligungsrechten an
Immobiliengesellschaften angewendet wird (vgl. Grundsätzliche Entscheide des
Steuergerichts, KSGE 2002 Nr. 8 E. 2 und 3).

3.3 Entscheidend ist demnach, ob im Zeitpunkt des Abschlusses des
Kaufvertrags am 27. Oktober 1998 bereits ein Treuhandvertrag bestand. Dies
behauptet die Beschwerdeführerin und rügt zudem, das Steuergericht habe ihren
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt, da es D.________
hiezu nicht als Zeugin einvernommen habe.

3.3.1 Nach Ziff. 13 des Treuhandvertrags vom 29. Oktober 1998 tritt dieser
Vertrag mit der Unterzeichnung durch die Parteien in Kraft. Wenn das
Steuergericht daraus schloss, dass es sich nicht bloss um die Bestätigung
einer früheren, mündlich getroffenen Abmachung gehandelt haben konnte, ist
dagegen nichts einzuwenden. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der
Beschwerdeführerin vorgelegten Computerausdruck des Treuhandvertrags: Welche
Beweiskraft diesem Dokument zukommt, kann offen bleiben; es lässt sich daraus
allenfalls ableiten, dass die Beschwerdeführerin schon am 22. Oktober 1998
einen Entwurf zu einem solchen Vertrag in ihrem Computer gespeichert hatte,
jedoch nicht, dass bereits ein mündlicher Vertrag bestand; das Gegenteil ist
nach dem Gesagten der Fall.
Das Gericht durfte auch ohne Willkür darauf abstellen, dass in Ziff. 1 des
Treuhandvertrags ausdrücklich auf den Kaufvertrag hingewiesen wird, der einen
integrierenden Bestandteil des Treuhandvertrags bildet; dies wäre bei einem
zuvor abgeschlossenen Vertrag nicht möglich gewesen.

3.3.2 Schliesslich führt das Steuergericht an, dass Treuhandverhältnisse
(generell) nur anerkannt würden, wenn schriftliche Abmachungen zwischen
Treugeber und Treuhänder aus der Zeit der Begründung der Treuhand vorlägen;
deshalb könne nur der schriftliche Vertrag vom 29. Oktober 1998 massgebend
sein; das Gericht verweist dafür auf das Merkblatt der Eidgenössischen
Steuerverwaltung vom Oktober 1967, Nachdruck 1993, über Treuhandverhältnisse
(vgl. dazu ASA 49 S. 211 E. 1a S. 212 f.; 68 S. 746 E. 3a S. 750 mit
Hinweisen; siehe auch StR 58/2003 S. 368, 2A.79/2002, E. 5.2; StE 1999 B 24.4
Nr. 52, 2A.256/1996, E. 4d/bb).

Die Beschwerdeführerin setzt sich mit dieser Erwägung nicht auseinander.
Mangels entsprechender Rüge ist nicht zu prüfen, ob das angefochtene Urteil
insoweit verfassungswidrig ist (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; vgl. BGE 129 II 297
E. 2.2.2 S. 301; 129 I 113 E. 2.1 S. 120, 185 E. 1.6 S. 189).

Wenn nach Auffassung des Steuergerichts nur der schriftliche Treuhandvertrag
entscheidend ist, hält es damit sinngemäss auch fest, dass die Einvernahme
einer Zeugin, um eine vorbestehende, mündliche Treuhandabrede zu beweisen,
zum Vornherein nicht in Frage kommen kann. Daher ist der Einwand der
Beschwerdeführerin, ihr sei das rechtliche Gehör verweigert worden,
unbegründet, auch wenn das Steuergericht - trotz der Aufforderung zur Replik
- besser ausdrücklich erklärt hätte, den Beweisantrag in antizipierter
Beweiswürdigung ablehnen zu müssen.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem
Verfahrensausgang sind die Kosten der unterliegenden Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 153, 153a und 156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind
nicht geschuldet (Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Steueramt des Kantons
Solothurn und dem Kantonalen Steuergericht Solothurn sowie der
Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. März 2005

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: