Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.14/2004
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2P.14/2004 /pai

Urteil vom 12. Juli 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Müller, Merkli,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Hugo Waibel-Knaus,

gegen

Y.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin,
Staat Luzern, vertreten durch das Finanzdepartement, dieses vertreten durch
Rechtsanwalt Beat Mühlebach,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.

Art. 8, 9, 27 BV (Submission),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 17. Dezember 2003.

Sachverhalt:

A.
Im Zusammenhang mit dem Einbau einer Lingerie im Kantonsspital Luzern schrieb
das kantonale Amt für Hochbauten und Immobilien im Herbst 2003 die
Beschaffung von Rollgestellanlagen (BKP 368) im Einladungsverfahren zur
Bewerbung aus. In den Ausschreibungsunterlagen war die Frage, ob dem
Hauptangebot eine Unternehmervariante beiliege, mit "Ja" oder "Nein"
anzukreuzen. Zusätzlich wurde in den Allgemeinen Bedingungen unter Ziff. 5
darauf hingewiesen, dass Teilangebote und Unternehmervarianten zulässig
seien, aber als solche gekennzeichnet werden müssten. Als Eingabetermin wurde
der 14. Oktober 2003 festgelegt.

Am 15. Oktober 2003 fand die Offertöffnung statt. Das Angebot der  X.________
AG, Uznach, belief sich auf netto Fr. 50'247.25, dasjenige der Y.________
GmbH (im Folgenden: Y.________ GmbH) auf netto Fr. 57'663.65. Die letztere
Unternehmung hatte zudem eine Unternehmervariante eingereicht (Nettopreis Fr.
51'000.40). Die anderen angefragten Unternehmungen offerierten die Lieferung
und Montage der Rollgestellanlagen für Preise zwischen Fr. 52'488.60 und Fr.
84'556.75.

B.
Am 30. Oktober 2003 erteilte das Finanzdepartement des Kantons Luzern den
Zuschlag für die vorgesehene Beschaffung an die Y.________ GmbH zum
Nettopreis von Fr. 51'004.40. Das Departement hatte deren Unternehmervariante
berücksichtigt, weil diese "das beste Preis/Leistungsverhältnis", eine
"höhere Flexibilität und eine einfachere Nachrüstbarkeit als die
ausgeschriebene Ausführung" aufweise.

Eine gegen diesen Zuschlagsentscheid gerichtete Beschwerde der X.________ AG
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern am 17. Dezember 2003 ab.

C.
Mit Eingabe vom 16. Januar 2004 führt die X.________ AG staatsrechtliche
Beschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 17. Dezember 2003 aufzuheben. Für
den Fall, dass der Vertrag mit der Y.________  GmbH schon abgeschlossen sei,
verlangt die X.________ AG, es sei die Rechtswidrigkeit des
Vergabeentscheides vom 30. September 2003 und des verwaltungsgerichtlichen
Urteils vom 17. Dezember 2003 festzustellen.

Das Finanzdepartement des Kantons Luzern beantragt, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern stellt denselben Antrag. Die Y.________ GmbH hat sich nicht vernehmen
lassen.

D.
Am 11. März 2004 schrieb der Abteilungspräsident das gleichzeitig mit der
Beschwerdeeinreichung gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung ab, nachdem
sich herausgestellt hatte, dass der Vertrag zwischen dem Kanton Luzern und
der Y.________ GmbH bereits am 12. Januar 2004 abgeschlossen worden war.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid, der sich
auf kantonales Submissionsrecht stützt und gegen den mangels Zulässigkeit
eines anderen eidgenössischen Rechtsmittels nur die staatsrechtliche
Beschwerde offen steht (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 und Art. 87 OG).

1.2  Die Beschwerdeführerin war am vorliegenden kantonalen
Submissionsverfahren beteiligt und ist als übergangene Bewerberin zur
staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG). Dieses Rechtsmittel
steht auch dann offen, wenn mit dem ausgewählten Bewerber - wie vorliegend
geschehen (vgl. vorne "D.-") - bereits ein Vertrag abgeschlossen worden ist
(BGE 125 II 86 E. 5b S. 97 f.). In einem solchen Fall kann aber nur noch die
Feststellung der Rechtswidrigkeit der "angefochtenen Verfügung" verlangt
werden (vgl. Art. 9 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den
Binnenmarkt [Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02]). Dieser
Feststellungsanspruch kann sich nur auf die bereits vollzogenen
Sachanordnungen der Submissionsbehörde beziehen, nicht aber auf den diese
bestätigenden kantonalen Rechtsmittelentscheid, der bei Begründetheit der
staatsrechtlichen Beschwerde schon deshalb aufgehoben werden muss, um eine
Korrektur des Kostenspruchs zu ermöglichen. Im Falle einer Gutheissung der
staatsrechtlichen Beschwerde stellt das Bundesgericht daher zusätzlich zur
Aufhebung des Rechtsmittelentscheides auch die Rechtswidrigkeit des
Zuschlagsentscheides fest, sofern diese Frage spruchreif ist. Erscheint die
Frage der Rechtswidrigkeit des (vollzogenen) Zuschlags nicht liquid,
beschränkt sich das Bundesgericht auf die Aufhebung des kantonalen
Rechtsmittelentscheides, und es ist alsdann Sache der kantonalen
Rechtsmittelinstanz, aufgrund neuer Beurteilung die allfällige
Rechtswidrigkeit des Zuschlags selber festzustellen.

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des
Vergabeentscheides und des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteils ist
daher nach dem Gesagten nur zum Teil zulässig.

1.3  Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die
wesentlichen
Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche
verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den
angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht
prüft im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nur klar und detailliert
erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.). Auf
rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein
(BGE 107 Ia 186 E. b).

1.4  Mit staatsrechtlicher Beschwerde können grundsätzlich keine Tatsachen
und
Beweismittel sowie keine rechtlichen Argumente vorgebracht werden, welche
nicht bereits im kantonalen Verfahren geltend gemacht wurden. Erlaubt sind
jedoch solche neuen Vorbringen, zu deren Geltendmachung erst die Begründung
des angefochtenen Entscheides Anlass gibt, sowie Gesichtspunkte, die sich
derart aufdrängen, dass sie von der kantonalen Instanz von Amtes wegen hätten
berücksichtigt werden müssen (BGE 99 Ia 113 E. 4a; 129 I 49 E. 3 S. 57, mit
Hinweis).

2.
2.1 Mangels Erreichen der entsprechenden Schwellenwerte sind vorliegend weder
die Interkantonale Vereinbarung vom 25. November 1994 über das öffentliche
Beschaffungswesen (IVöB; SR 172.056.4) noch das GATT/WTO-Abkommen vom 15.
April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.632.231.422)
anwendbar (Peter Galli/Daniel Lehmann/Peter Rechsteiner, Das öffentliche
Beschaffungswesen in der Schweiz, Zürich 1996, S. 4 Rz. 7). Massgebend sind
einzig die Vorschriften des kantonalen Gesetzes vom 19. Oktober 1998 über die
öffentlichen Beschaffungen (öBG) sowie diejenigen der zugehörigen kantonalen
Verordnung vom 7. Dezember 1998, deren Anwendung das Bundesgericht nur unter
dem Gesichtswinkel der Willkür und des Gleichbehandlungsgebotes prüft.

2.2  Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht
schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder
gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid nur
auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung
eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 127 I 60 E.
5a S. 70; 125 II 129 E. 5b S. 134; 123 I 1 E. 4a S. 5).

3.
Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde, deren Begründung den
Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG weitgehend gar nicht oder
höchstens knapp genügt, ist nicht geeignet, die Verfassungsmässigkeit der
streitigen Vergabe in Frage zu stellen:
3.1 Dass das Verwaltungsgericht der Beschwerdeführerin keine direkte Einsicht
in der Offerte der Y.________ GmbH gewährt hat (S. 4 der Beschwerdeschrift),
wird nicht ausdrücklich beanstandet, weshalb sich das Bundesgericht mit
diesem Punkt nicht weiter zu befassen hat (vgl. immerhin die explizite
Bestimmung in § 25 Abs. 1 öBG, wonach Konkurrenzangebote nicht eingesehen
werden können).

3.2  Soweit gerügt wird, die Ausschreibung habe nicht den gesetzlichen
Anforderungen entsprochen, indem die Zuschlagskriterien nicht aufgeführt
gewesen seien, handelt es sich um ein unzulässiges neues Vorbringen, auf
welches nicht einzutreten ist (vgl. E. 1. 4). Der Einwand wäre im Übrigen
unbegründet: Unter Ziff. 368.224.100 sind die Zuschlagskriterien
"Qualität/Referenzen, Termin" und "wirtschaftliches Angebot" genannt, vgl. zu
den Vergabekriterien auch § 5 Abs. 2 öBG.

3.3  Die Beschwerdeführerin rügt, beim berücksichtigten Angebot der
Y.________
GmbH habe es sich nicht um eine zulässige Unternehmervariante, sondern um
eine "blosse Teilleistung" gehandelt. Die Beschwerdeführerin macht geltend,
die Variante der Y.________ GmbH habe sich nicht an die Ausschreibung
gehalten, sondern "etwas völlig Neues offeriert" (S. 8 der
Beschwerdeschrift), womit die Offerten nicht mehr vergleichbar gewesen seien.
Durch das Weglassen der Rückwände hätten 190 m2 Stahl eingespart werden
können, was einem Marktwert nach Verarbeitung von rund Fr. 5'000.--
entspreche. Eine Offerte der Beschwerdeführerin wäre für diese Leistung
entsprechend billiger als das Angebot der Y.________ GmbH gewesen. Durch die
Akzeptierung eines "völlig neuen Produktes" habe die Submissionsbehörde
sowohl gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot wie auch gegen das Gebot
der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen sowie gegen rechtsstaatliche
Verfahrensgarantien verstossen.

Wo die Grenze zwischen einer zulässigen Unternehmervariante und einer
ausserhalb des ausgeschriebenen Projektes liegenden Offerte verläuft, braucht
hier nicht vertieft untersucht zu werden. Mit der vorliegenden Ausschreibung
wurden allfällige Unternehmervarianten ausdrücklich als zulässig erklärt
(vgl. vorne "A.-"). In der staatsrechtlichen Beschwerde wird nicht,
jedenfalls nicht in einer Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise dargetan,
inwiefern die berücksichtigte Variante den Rahmen des verlangten Angebotes
unzulässig gesprengt haben soll. Das Angebot der Y.________ GmbH hat, wie in
der Vernehmlassung des Kantons dargelegt (S. 5), auf Rückwände nicht
vollumfänglich verzichtet, sondern Wände vorgesehen, die nach Bedarf
eingesetzt oder weggelassen werden können. Die Stabilität wird dabei mit
separaten, von den Rückwänden unabhängigen Diagonalstreben gewährleistet.
Wieso die Auffassung der kantonalen Instanzen, welche dieses modifizierte
Projekt noch als zulässige Unternehmervariante einstuften, geradezu unhaltbar
und willkürlich sein soll, ist aufgrund der Vorbringen in der
Beschwerdeschrift nicht ersichtlich. Dass die Beschwerdeführerin, wenn sie
ebenfalls eine derartige Variante offeriert hätte, dies möglicherweise zu
einem tieferen Preis als die Y.________ GmbH hätte tun können, ändert nichts.
Nach dem Gesagten kann auch nicht von einer Verletzung des allgemeinen
Gleichbehandlungsgebotes oder des Gebotes der Gleichbehandlung der
Gewerbegenossen gesprochen werden.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem Ausgang des Verfahrens
entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 in
Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).

Der Beschwerdegegnerin ist im vorliegenden Verfahren kein Aufwand entstanden.
Sie hat keinen Anspruch auf Parteikostenersatz. Gleiches gilt für den Kanton
Luzern, wiewohl er sich vor Bundesgericht durch einen Anwalt vertreten liess
(Art. 159 Abs. 2 OG analog; BGE 125 I 182 E. 7 S. 202).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Finanzdepartement und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Juli 2004

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: