Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.94/2004
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1P.94/2004 /mks

Urteil vom 3. März 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident.
Bundesrichter Féraud, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

Verein X.________, Präsident A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Bezirksamt Arbon, Postfach, Bahnhofstrasse 16, 9320 Arbon,
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Staubeggstrasse 8, 8500 Frauenfeld.

Art. 9 und 29 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Akteneinsichtnahme),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft des
Kantons Thurgau vom 4. Februar 2004.

Sachverhalt:

A.
Mit Brief vom 14. Juni 2001 verzeigte der Verein X.________ B.________ beim
Landwirtschaftsamt des Kantons Thurgau wegen Tierquälerei. Das
Landwirtschaftsamt leitete die Eingabe an das zuständige Bezirksamt Arbon
weiter, bei welchem der X.________ am 31. Oktober 2001 zusätzlich eine
Anzeige in derselben Angelegenheit einreichte.

B.
Am 4. September 2002 verlangte der X.________ beim Bezirksamt Arbon Einsicht
in den inzwischen ergangenen Schlussentscheid. Das Bezirksamt verweigerte die
Einsichtnahme am 6. September 2002 mit der Begründung, die Herausgabe werde
bis zum Entscheid der Anklagekammer des Kantons Thurgau in einer ähnlich
gelagerten Strafsache im Bezirk Münchwilen sistiert. Tags darauf erhob der
X.________ zunächst bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau
Rechtsverweigerungsbeschwerde. Da die Staatsanwaltschaft nicht unverzüglich
reagierte, gelangte der X.________ am 6. Dezember 2002 ans Bundesgericht,
welches die staatsrechtliche Beschwerde wegen Rechtsverweigerung mit Urteil
1P.10/2003 am 11. August 2003 abwies.

Am 12. Januar 2004 erhob der X.________ erneut staatsrechtliche Beschwerde
wegen formeller Rechtsverweigerung. Weil das Bezirksamt Arbon jedoch am 20.
Januar 2004 entschieden hatte und dem X.________ sowohl die Akteneinsicht wie
auch die Information über die Erledigung des Strafverfahrens verweigert
hatte, wurde dieses bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos (1P.20/2004,
Beschluss vom 2. Februar 2004).

C.
Gegen die Verfügung des Bezirksamtes Arbon vom 20. Januar 2004 gelangte der
X.________ umgehend an die Staatsanwaltschaft, welche die Beschwerde am 4.
Februar 2004 abwies, soweit sie darauf eintrat.

Mit Eingabe vom 11. Februar 2004 erhebt der X.________, vertreten durch
seinen Präsidenten A.________, staatsrechtliche Beschwerde. Er beantragt, der
Beschwerdeentscheid vom 4. Februar 2004 sei aufzuheben und die
Staatsanwaltschaft anzuweisen, dem Beschwerdeführer Einsicht in den
Schlussentscheid in der Angelegenheit B.________ zu gewähren. Eventualiter
sei der Beschwerdeentscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an
die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Subeventualiter sei der angefochtene
Entscheid im Kostenpunkt aufzuheben.

Das Bezirksamt Arbon verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Die Staatsanwaltschaft schliesst auf Abweisung der Rügen betreffend
Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung. Hinsichtlich der Frage, ob dem
Beschwerdeführer ein Einsichtsrecht in den abschliessenden Entscheid des
Strafverfahrens Sager zustehe, sei auf die Beschwerde nicht einzutreten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
inwieweit es auf die bei ihm eingereichte staatsrechtliche Beschwerde
eintreten kann (BGE 128 I 46 E. 1a S. 48, mit Hinweisen).

1.1 Der Beschwerdeführer erhebt zum wiederholten Male staatsrechtliche
Beschwerde gegen einen Entscheid der Thurgauer Staatsanwaltschaft. Im Urteil
1P.492/2002 vom 20. Februar 2003 hat das Bundesgericht festgehalten, dass
Entscheide der Staatsanwaltschaft, wenn eine Gesetzeswidrigkeit gerügt wird,
gemäss § 213 Abs. 3 des Thurgauer Gesetzes vom 30. Juni 1970 über die
Strafrechtspflege (StPO-TG) bei der Anklagekammer anzufechten sind. Dabei sei
der Begriff der Gesetzeswidrigkeit weit auszulegen: Auch Verfassungs-
und/oder Konventionsverletzungen würden davon erfasst.

Im heute zu beurteilenden Fall liegt dieselbe Ausgangslage wie beim zitierten
Entscheid vor. Auch damals hatte die Staatsanwaltschaft das Einsichtsrecht
des Beschwerdeführers in eine Strafverfügung verneint. Wenn der
Beschwerdeführer nun vor Bundesgericht wiederum eine Verletzung von Art. 6
Ziff. 1 EMRK geltend macht und sich zusätzlich auf Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II
und Art. 9 BV beruft, so ist auf diese Rügen mangels Ausschöpfung des
kantonalen Instanzenzuges nicht einzutreten.

1.2 Hinsichtlich des Vorwurfs, die kantonalen Instanzen hätten das Verfahren
in einem nicht zu rechtfertigenden Ausmass verschleppt, sind die
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt, so dass darauf einzutreten ist (dazu
1P.10/2003 vom 11. August 2003).

2.
Im Entscheid 1P.10/2003 vom 11. August 2003, welcher bereits das hier
anhängige Verfahren zum Gegenstand hatte, hatte das Bundesgericht eine
Rechtsverzögerung der kantonalen Behörden verneint. Somit ist über die
Verfahrensdauer von Einreichung der Strafanzeige bis zum Urteil vom 11.
August 2003 rechtskräftig festgestellt, dass diese nicht übermässig lang war.
Das hierauf vom Beschwerdeführer angestrengte bundesgerichtliche Verfahren
wegen Rechtsverweigerung konnte mit Beschluss 1P.20/2004 vom 2. Februar 2004
als gegenstandslos abgeschrieben werden, weil das Bezirksamt Arbon am 20.
Januar 2004 den geforderten Entscheid gefällt hatte. Am 21. Januar 2004 -
also tags darauf - gelangte der Beschwerdeführer erneut wegen
Rechtsverweigerung an die Staatsanwaltschaft. Diese holte die Vernehmlassung
des Bezirksamtes ein und verfügte bereits am 4. Februar 2004, mithin
lediglich 14 Tage nach Verfassung der Beschwerdeschrift und nur 12 Tage nach
Eingang der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft. Selbst wenn zwischen dem
Urteil 1P.10/2003 vom 11. August 2003 und dem Entscheid des Bezirksamtes
Arbon wiederum einige Zeit vergangen ist, ist diese Verfahrensdauer nicht als
verfassungswidrig zu bezeichnen. Der Beschwerdeführer gesteht denn auch zu,
dass der heute angefochtene Beschwerdeentscheid umgehend erging. Die Rüge,
Art. 29 Abs. 1 BV sei verletzt worden, erweist sich somit als unbegründet.

3.
Die Kostenauflage im angefochtenen Entscheid ergibt sich aus der materiellen
Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft. Wie gesehen, ist eine
diesbezügliche Rüge an die Anklagekammer zu richten. Da eine
Rechtsverzögerung zu verneinen ist, kann der Beschwerdeführer aus diesem
Rechtsgrund keinen Anspruch auf Kostenreduktion - quasi als Entschädigung -
ableiten, zumal das Bundesgericht aufgrund der kassatorischen Natur der
staatsrechtlichen Beschwerde keine Korrektur des kantonalen Entscheides
vornehmen könnte.

4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen
ist, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Bei diesem
Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 156
Abs.1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksamt Arbon und der
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. März 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: