Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.760/2004
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1P.760/2004 /ggs

Urteil vom 10. Februar 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Nay, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern.

Ablehnung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Bern vom 14. November 2004.

Sachverhalt:

A.
Im Strafverfahren der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern gegen A.________,
B.________, C.________ und X.________, welches vor dem Kassationshof des
Kantons Bern hängig ist, verfügte dessen Präsident i.V. Steiner am 11. Juli
2003 u.a.:
"1.Der Kassationshof des Kantons Bern wird sich im Hinblick auf die
Neubeurteilung des Verfahrens wie folgt zusammensetzen: Oberrichter Maurer
(Präsident), Steiner, Bührer, Herrmann und Frau Oberrichterin Pfister
Hadorn."
Am 1. September 2003 wies das Obergericht des Kantons Bern das
Ablehnungsgesuch ab, das X.________ gegen die Oberrichter Maurer, Steiner und
Bührer wegen "Lügenhaftigkeit und kriminellen Handlungen" gestellt hatte.

Das Bundesgericht hob diesen Entscheid am 9. Dezember 2003 auf
staatsrechtliche Beschwerde von X.________ hin wegen Verletzung des
Willkürverbotes (Art. 9 BV) und des Rechts auf wirksame Verteidigung (Art. 32
Abs. 2 BV) auf.

In der Folge nahm das Obergericht das Verfahren wieder auf und ernannte für
X.________ zunächst Fürsprecher Markus Ruf, später Fürsprecher Dr. Peter
Deutsch, zum amtlichen Anwalt. Am 19. Juli 2004 verlangte X.________
zusätzlich den Ausstand von Oberrichter Herrmann.

Am 14. November 2004 wies das Obergericht das Ablehnungsbegehren ab und
auferlegte X.________ mit 250 Franken die Hälfte der Verfahrenskosten.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 23. Dezember 2004 wegen Verletzung
verschiedener von der BV und der EMRK garantierter Rechte beantragt
X.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben. Ausserdem ersucht
er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung, um aufschiebende
Wirkung für seine Beschwerde und um eine Parteientschädigung von 2'500
Franken.

C.
Mit Verfügung vom 25. Januar 2005 wies der Präsident der I.
öffentlichrechtlichen Abteilung das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab.

D.
Das Obergericht des Kantons Bern verzichtet auf Vernehmlassung zur
staatsrechtlichen Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid des Obergerichts schliesst das Verfahren nicht ab,
sondern führt es weiter. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid über ein
Ablehnungsbegehren im Sinne von Art. 87 Abs. 1 OG, gegen den die
staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist. Der Beschwerdeführer, dessen
Ablehnungsgesuch im angefochtenen Entscheid abgelehnt wurde, ist zu ihrer
Erhebung befugt (Art. 88 OG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu
keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde grundsätzlich
einzutreten ist.

Die staatsrechtliche ermöglicht indessen keine Fortsetzung des kantonalen
Verfahrens. Das Bundesgericht prüft in diesem Verfahren nur in der
Beschwerdeschrift erhobene, detailliert begründete und soweit möglich belegte
Rügen. Der Beschwerdeführer muss den wesentlichen Sachverhalt darlegen, die
als verletzt gerügten Verfassungsbestimmungen nennen und überdies dartun,
inwiefern diese verletzt sein sollen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38
E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c).

2.
Der Beschwerdeführer stellte am 4. Dezember 2004 das Gesuch, ihm für die
Verfassung der staatsrechtlichen Beschwerde einen unentgeltlichen
Rechtsvertreter beizugeben. Er sei bedürftig und werde im Strafverfahren
amtlich verteidigt. Mit der Ablehnung dieses Gesuchs durch den Präsidenten
der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Dezember 2004 sei er in eine
Prozessfalle geraten: als Laie sei er nicht in der Lage, eine sachgerechte
Beschwerde zu verfassen und damit darzutun, dass diese keineswegs
aussichtslos sei, und einen Anwalt, der dies tun könnte, könne er nicht
bezahlen. Dies sei eine Verletzung von Art. 6 EMRK und des
Diskriminierungsverbotes von Art. 14 EMRK.

Die Kritik ist offensichtlich unbegründet. Der Beschwerdeführer hat in einem
früheren Verfahrensstadium unter vergleichbaren Umständen eigenhändig eine
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV erhoben,
die vom Bundesgericht mit Urteil 1P.588/2003 vom 9. Dezember 2003
gutgeheissen wurde. Es kann daher keine Rede davon sein, dass der
prozesserfahrene Beschwerdeführer nicht in der Lage wäre, dem Bundesgericht
in einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV
ohne anwaltliche Hilfe ausreichend begründete Rügen vorzutragen und diesem
damit eine Prüfung der Prozessaussichten zu ermöglichen.

3.
3.1 Nach der materiell unverändert von Art. 58 aBV in Art. 30 Abs. 1 BV
überführten, ebenfalls in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Garantie des
verfassungsmässigen Richters hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine
Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter
ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver
Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und
die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie
verletzt (BGE 125 I 219 E. 3a; 120 Ia 184 E. 2b). Verfahrens- oder andere
Rechtsfehler, die einem Richter unterlaufen, können nach der Rechtsprechung
den Anschein der Befangenheit allerdings nur begründen, wenn sie wiederholt
begangen wurden oder so schwer wiegen, dass sie Amtspflichtverletzungen
darstellen (BGE 116 Ia 14 E. 5; 135 E. 3a).

3.2 Der Beschwerdeführer zählt ausführlich Verfahrensfehler und Irrtümer auf,
die dem Kassationshof bzw. dessen Mitgliedern oder einzelnen von ihnen
unterlaufen sein sollen. Er legt indessen nicht dar, inwiefern die von ihm
abgelehnten Richter entweder so viele oder so schwere Verfahrens- oder
Rechtsfehler begangen hätten, dass sie nach der in E. 3.1 dargelegten
Rechtsprechung befangen erscheinen würden. Es kann auf die Ausführungen im
angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 36a OG), seine Vorbringen sind
offensichtlich nicht geeignet, diesen als verfassungswidrig erscheinen zu
lassen. Dies liegt im Übrigen nicht daran, dass der Beschwerdeführer als Laie
nicht in der Lage gewesen wäre, dem Bundesgericht seine Bedenken gegen die
Mitwirkung der von ihm kritisierten Richter deutlich zu machen, sondern dass
die von ihm angeführten Gründe nicht ausreichen, um diese Oberrichter
befangen erscheinen zu lassen.

4.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art.
156 OG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung gestellt, welches jedoch abzuweisen ist, da die Beschwerde
aussichtslos war (Art. 152 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
abgewiesen.

2.2 Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Bern
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Februar 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: