Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.748/2004
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1P.748/2004 /ggs

Urteil vom 14. März 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich,
Abteilung Strafanstalt Pöschwies, Feldstrasse 42, 8090 Zürich,
Direktion der Justiz und des Innern des
Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.

Art. 5, 8, 9 und 16 BV, Art. 10 EMRK (Erwerb einer
CD-ROM "Twixtel"),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung der Direktion der Justiz und
des Innern des Kantons Zürich vom 2. Dezember 2004.

Sachverhalt:

A.
X. ________ verbüsst in der Strafanstalt Pöschwies eine längere
Freiheitsstrafe. Am 10. August 2004 ersuchte er die Direktion der
Strafanstalt darum, das elektronische Telefonbuch "Twixtel" erwerben zu
dürfen. Mit Verfügung vom 18. August 2004 lehnte die Direktion das Gesuch ab,
mit der Begründung, aus Gründen der Gleichbehandlung müsse sonst jedem
Insassen der Erwerb eines solchen Telefonbuchs bewilligt werden. Dies hätte
den Zugriff auf die privaten Telefonnummern sämtlicher Mitarbeitenden der
Strafanstalt wie auch von Amtsträgern und Privatpersonen zur Folge. Diese
Personen müssten jedoch bei ihrem Entscheid, sich im Telefonbuch eintragen zu
lassen, nicht damit rechnen, dass ihre Adressen und Telefonnummern auch den
Anstaltsinsassen zugänglich seien.

B.
Gegen diese Verfügung gelangte X.________ an die Direktion der Justiz und des
Innern des Kantons Zürich mit dem Begehren, der Erwerb eines "Twixtels" sei
ihm zu gestatten. Er machte geltend, der Entscheid sei unverhältnismässig,
willkürlich und verstosse überdies gegen das Recht auf persönliche Freiheit
und Informationsfreiheit. Die Direktion wies den Rekurs am 2. Dezember 2004
ab.

C.
Mit Eingabe vom 19. Dezember 2004 erhebt X.________ staatsrechtliche
Beschwerde. Er beantragt, die Verfügung vom 2. Dezember 2004 sei aufzuheben
und der Erwerb eines "Twixtel" sei ihm zu gestatten. Gleichzeitig stellt er
ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Die Justizdirektion des Kantons Zürichs beantragt unter Hinweis auf den
angefochtenen Entscheid, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Direktion der
Strafanstalt Pöschwies schliesst ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gegen Anordnungen und Entscheide der Anstaltsleitung steht den
Betroffenen der Rekurs an die vorgesetzte Behörde, also an die kantonale
Direktion der Justiz und des Innern, offen; deren Entscheide sind im Kanton
in Fällen wie dem vorliegenden nicht weiterziehbar (vgl. § 36 des Zürcher
Gesetzes vom 30. Juni 1974 über das kantonale Strafrecht und den Vollzug von
Strafen und Massnahmen [StVG/ZH] und § 147 der Zürcher
Justizvollzugsverordnung vom 24. Oktober 2001 [JVV/ZH] in Verbindung mit § 43
Abs. 1 lit. g und Abs. 2 des Zürcher Gesetzes vom 24. Mai 1959 über den
Rechtsschutz in Verwaltungssachen [VRG/ZH]). Der Beschwerdeführer ist durch
den angefochtenen Entscheid, der ihm den Erwerb des Telefonbuchs "Twixtel"
verweigert, in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen (Art. 88
OG). Er macht die Verletzung verfassungsmässig garantierter Rechte geltend
(Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Dazu ist er legitimiert. Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde unter
Vorbehalt von Ziff. 1.2 und 1.3 hiernach einzutreten.

1.2 Das Bundesgericht prüft auf staatsrechtliche Beschwerde hin nur klar und
detailliert erhobene Rügen hinsichtlich konkreter Verletzungen
verfassungsmässiger Rechte (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG); auf nicht
substantiierte Vorbringen und appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt es nicht ein (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.; 129 I 185 E.
1.6 S. 189; 127 I 38 E. 3c und 4 S. 43).

1.3 Staatsrechtliche Beschwerden sind - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen
abgesehen - rein kassatorischer Natur (vgl. BGE 125 I 104 E. 1b S. 107; 125
II 86 E. 5a S. 96, je mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer die
Bewilligung zum Erwerb des "Twixtel" verlangt, ist darauf ebenfalls nicht
einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer erachtet die Weigerung, ihm den Erwerb des "Twixtel" zum
persönlichen Gebrauch zu bewilligen, als Verstoss gegen die Rechtsgleichheit
(Art. 8 BV) und das Willkürverbot (Art. 9 BV). Weiter rügt er eine Verletzung
von Art. 5 und 16 BV sowie von Art. 10 EMRK.

2.1 Nach ständiger Praxis des Bundesgerichtes darf die Beschränkung der
Freiheitsrechte von Gefangenen nicht über das hinausgehen, was zur
Gewährleistung der Haftzwecke und zur Aufrechterhaltung eines
ordnungsgemässen Gefängnisbetriebes erforderlich ist (BGE 124 I 203 E. 2b S.
204 f.; 123 I 221 E. I/4c S. 228 mit Hinweisen). Sie muss auf gesetzlicher
Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig
sein; zudem dürfen die verfassungsmässigen Freiheitsrechte weder völlig
unterdrückt noch ihres Gehaltes als Institution der Rechtsordnung entleert
werden (BGE 124 I 40 E. 3a S. 42, 203 E. 2b S. 205; 123 I 221 E. I/4 S. 226).
Falls die Voraussetzungen für den Freiheitsentzug in einem formellen Gesetz
ausreichend konkretisiert sind, können die Haftbedingungen in einem
materiellen Gesetz (Gefängnisreglement) geregelt werden. Zur wirksamen
Durchsetzung von Sicherheitsvorschriften kann das Gefängnisreglement auch
eine Disziplinarordnung enthalten und für Widerhandlungen angemessene
Disziplinarsanktionen vorsehen (BGE 124 I 203 E. 2b S. 205; 118 Ia 64 E. 3r-t
S. 88 ff.). Das Gefängnisreglement hat allerdings ein Mindestmass an Klarheit
und Regelungsdichte aufzuweisen (BGE 124 I 203 E. 2b S. 205; 123 I 221 E.
I/4a S. 226 mit Hinweisen). Die fragliche Rechtsnorm muss ausreichend
zugänglich sein, und der Betroffene soll in hinreichender Weise erkennen
können, welche rechtlichen Vorschriften auf einen gegebenen Fall anwendbar
sind. Das Gesetz muss mithin so präzise formuliert sein, dass der
Rechtsunterworfene sein Verhalten danach ausrichten und die Folgen eines
bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an
Gewissheit erkennen kann (124 I 40 E. 3b S. 43 mit Hinweisen).

2.2 Gemäss § 30 StVG/ZH erlässt der Regierungsrat Bestimmungen über die
Führung der Anstalten, die Rechte und Pflichten der Eingewiesenen und den
Vollzug von Freiheitsstrafen. Ziff. 2 der zitierten Norm hält sodann fest,
dass die menschliche Würde des Eingewiesenen zu achten und zu schützen ist.
Beim Vollzug sind unnötige Einschränkungen, die sich nicht aus dem
Freiheitsentzug selber ergeben, zu unterlassen. § 31 StVG/ZH behält bei der
Anwendung der Vollzugsgrundsätze von § 30 die Verfolgung des Straf- und
Massnahmezweckes, den Schutz des Anstaltspersonals und der Miteingewiesenen
sowie die Gebote der öffentlichen Sicherheit in jedem Fall vor. Die
Vollzugsgrundsätze finden sich in der JVV/ZH. § 107 JVV/ZH ermächtigt die
Amtsleitung des Amtes für Justizvollzug zusammen mit der Direktion der
jeweiligen Anstalt zum Erlass von Betriebs- oder Hausordnungen für die
Vollzugseinrichtungen. Konkretisierend sieht § 108 lit. g JVV/ZH vor, dass
der Erwerb, der Besitz und die Benutzung von Büchern, Zeitschriften,
elektronischen Geräten und die Miete solcher Geräte in den Hausordnungen zu
regeln ist. Die Hausordnung der Strafanstalt Pöschwies (HO) legt in § 29 Abs.
3 fest, dass Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, welche die
Anstaltssicherheit gefährden, deren Inhalt gesetzlichen Bestimmungen
widerspricht oder die gegen den Zweck des Vollzugs verstossen, nicht
zugelassen werden. Die Zulassung wird auch verweigert, wenn Art oder Umfang
die erforderliche Kontrolle verunmöglichen oder übermässig erschweren. § 33
Abs. 3 HO erklärt für den Erwerb und die Ausleihe von Datenträgern die
Vorschriften über Bücher und Zeitschriften sinngemäss für anwendbar.

2.3 Nach Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid nicht
schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist,
zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt nur vor, wenn nicht bloss
die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist
(BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9 mit Hinweisen).

2.4 Im Lichte der zitierten Rechtsprechung, ist es verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden, wenn die kantonalen Behörden gestützt auf die in E. 2.2
erwähnten rechtlichen Grundlagen argumentieren, die fragliche CD-ROM dürfe
zum Schutz der Mitarbeitenden der Strafanstalt, der Strafverfolgungsbehörden,
der Mitglieder der Gerichte, Mitarbeitenden des Justizvollzugs etc. nicht an
Strafgefangene abgegeben werden. § 31 StVG stellt eine genügende
formell-gesetzliche Grundlage für diesen Eingriff in die persönliche Freiheit
des Insassen dar. Die in E. 2.2 zitierten Bestimmungen liegen zudem im
Interesse der Sicherheit des Gefängnisses und des Haftzwecks. Hinzu kommt,
dass es gemäss den unbestrittenen Ausführungen der Justizdirektion jedem
Strafgefangenen möglich ist, Telefonnummern und Adressen bei den
Mitarbeitenden der Strafanstalt zu erfragen, bzw. sich die entsprechenden
Informationen - unter Aufsicht - selbst zu beschaffen. Den Insassen steht in
jeder Wohngruppe zusätzlich ein "Twixtel" zur Verfügung. Die Weigerung, dem
Beschwerdeführer den Erwerb eines "Twixtel" zur alleinigen Benutzung zu
bewilligen, ist demnach keineswegs unverhältnismässig, zumal der
Beschwerdeführer nicht dartut, zu welchen Zwecken er unbedingt des
elektronischen Telefonbuchs bedarf. Soweit die Beschwerdeschrift
diesbezüglich den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG überhaupt zu
genügen vermag, ist nicht ersichtlich, inwiefern die angefochtene Verfügung
verfassungs- oder konventionswidrig sein soll. Auf die in weiten Teilen
appellatorische Kritik ist nicht einzutreten.

2.5 Unbehelflich ist auch die Argumentation des Beschwerdeführers, in anderen
Strafanstalten, zum Beispiel in Bostadel, sei der Erwerb des "Twixtel"
zulässig, weshalb der angefochtene Entscheid gegen das Rechtsgleichheitsgebot
verstosse. Die Rechtsgleichheit ist insbesondere verletzt, wenn Gleiches
nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach
Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Vorausgesetzt ist, dass
sich der unbegründete Unterschied oder die unbegründete Gleichstellung auf
eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche
Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen
ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet werden
je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber
bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter
Spielraum der Gestaltungsfreiheit (BGE 125 I 173 E. 6b S. 178 mit Hinweisen).
Der Strafvollzug fällt in die kantonale Gesetzgebungszuständigkeit (vgl. Art.
3 und 42 Abs. 1 BV). Das Bundesrecht schreibt den Kantonen vor, dafür zu
sorgen, dass die Anstaltsreglemente und der Betrieb der Anstalten den
Vorschriften des Strafgesetzbuches entsprechen (Art. 383 Abs. 1 StGB). Eine
einheitliche gesamtschweizerische Regelung ist demnach nicht vorgesehen. Wie
bereits gesehen, stützt sich die Hausordnung der Strafanstalt Pöschwies auf
eine genügende kantonale Gesetzesgrundlage. Die interkantonale Strafanstalt
Bostadel lässt sich zu einem Vergleich von vornherein nicht heranziehen, da
sie von den Kantonen Basel-Stadt und Zug geführt wird. Gemäss den
unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen Entscheid besteht im Übrigen für
alle Anstaltsinsassen die Möglichkeit, Telefonnummern und Adressen zu
erfragen, resp. im "Twixtel" der jeweiligen Wohngruppe in Erfahrung zu
bringen. Ein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot ist demzufolge zu
verneinen.

3.
Daraus ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist,
soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren muss in Anwendung von Art.
152 OG abgewiesen werden, da die Rechtsbegehren vor Bundesgericht von
vornherein aussichtslos waren. Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Mit Blick auf seine
Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist aber von der Erhebung von Kosten
abzusehen (vgl. Art. 153a und 154 OG). Parteientschädigungen werden nicht
geschuldet (vgl. Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Justizvollzug des
Kantons Zürich, Abteilung Strafanstalt Pöschwies und der Direktion der Justiz
und des Innern des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. März 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: