Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.741/2004
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1P.741/2004 /ggs

Urteil vom 17. Januar 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Pfäffli.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Josef
Ulrich,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Jörg
Schwarz,
Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden, Kreuzstrasse 2, 6371 Stans,
Obergericht des Kantons Nidwalden, Strafabteilung, Kleine Kammer,
Rathausplatz 3, 6370 Stans.

Strafverfahren,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Nidwalden, Strafabteilung, Kleine Kammer, vom 21. Oktober 2004.

Sachverhalt:

A.
Der Kantonsgerichtspräsident I von Nidwalden erliess am 2. Oktober 2002 auf
Gesuch der Grundeigentümer X.________ und Z.________ folgendes Allgemeine
Verbot:
"1.Auf Verlangen der Gundeigentümer der Grundstücke Parzellen Nr. 275 und
732, GB Hergiswil, 6052 Hergiswil, wird allen Unberechtigten verboten, auf
diesen Grundstücken und dem angrenzenden Wiesland Fahrzeuge aller Art
abzustellen oder zu parkieren.

2. Widerhandlungen gegen dieses Verbot werden nach Art. 215 ZPO auf Antrag
mit Haft oder Busse bestraft."
Auf Strafklagen von X.________ hin befand der Verhörrichter des Kantons
Nidwalden mit Strafbefehl vom 10. Dezember 2002 Y.________ der mehrfachen
Missachtung eines im gerichtlichen Befehlsverfahren erlassenen Verbotes für
schuldig und auferlegte ihm eine Busse von Fr. 300.--. Gegen diesen
Strafbefehl erhoben sowohl die Staatsanwaltschaft Nidwalden als auch
Y.________ Einsprache. Der Verhörrichter hielt an seinem Strafbefehl fest und
überwies die Sache zur Anklageerhebung an die Staatsanwaltschaft Nidwalden.

Am 16. September 2003 reichte die Staatsanwaltschaft Nidwalden beim
Kantonsgericht Nidwalden die Anklageschrift mit dem Antrag ein, dass der
Angeklagte vom Vorwurf der mehrfachen Missachtung eines im gerichtlichen
Befehlsverfahren erlassenen Verbotes freizusprechen sei. Sie machte im
Wesentlichen geltend, dass der Angeklagte aufgrund eines
Dienstbarkeitsvertrages vom 30. April 1976 berechtigt sei, sein Fahrzeug auf
der Parzelle des Strafklägers zu parkieren. X.________ beantragte einen
Schuldspruch.

Mit Urteil vom 11. November 2003 sprach das Kantonsgericht Nidwalden
Y.________ in Anwendung von Art. 20 StGB vom Vorwurf der mehrfachen
Missachtung eines im gerichtlichen Befehlsverfahren erlassenen Verbotes frei.
Dagegen appellierte X.________ beim Obergericht des Kantons Nidwalden,
welches mit Urteil vom 21. Oktober 2004 die Appellation abwies. Das
Obergericht kam zum Schluss, dass dem Angeklagten ein dingliches Parkierrecht
zustehe, weshalb er vom Vorwurf der Missachtung eines im gerichtlichen
Befehlsverfahren erlassenen Verbots freizusprechen sei.

B.
Gegen dieses Urteil des Obergerichts des Kantons Nidwalden führt X.________
mit Eingabe vom 17. Dezember 2004 staatsrechtliche Beschwerde und beantragt
die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils.

Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang auf eine staatsrechtliche Beschwerde
einzutreten ist (BGE 129 I 185 E. 1; 128 I 177 E. 1).

1.1 Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde setzt die persönliche
Betroffenheit des Beschwerdeführers in eigenen rechtlich geschützten
Positionen voraus (Art. 88 OG).

1.2 Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerdelegitimation damit, dass
ihm durch das angefochtene Urteil "ein beschränktes dingliches Recht
aufgezwungen" wurde. Er könne sich einzig mit vorliegender Beschwerde gegen
die Beschränkung seines Eigentums wehren.

Das Obergericht hatte als Strafgericht in seinem angefochtenen Urteil darüber
zu befinden, ob sich der Angeschuldigte einer mehrfachen Missachtung eines im
gerichtlichen Befehlsverfahren erlassenen Verbotes schuldig gemacht hatte.
Dabei musste es die Frage beantworten, ob dem Angeschuldigten allenfalls ein
dingliches Parkierrecht zustand. Darüber befand es indessen nur
vorfrageweise; am Bestand bzw. Nichtbestand eines solchen Rechts änderte das
angefochtene Urteil nichts und blieb insoweit ohne materielle
Rechtskraftwirkung (vgl. Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2.
überarbeitete Auflage, Bern 1983, S. 96 f.). Insoweit besteht somit kein
Grund, die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers gegenüber einem
Geschädigten bzw. Strafkläger abweichend zu beurteilen.

1.3 Nach der Praxis des Bundesgerichts ist der durch eine angeblich strafbare
Handlung Geschädigte grundsätzlich nicht legitimiert, gegen die Einstellung
eines Strafverfahrens oder gegen ein freisprechendes Urteil staatsrechtliche
Beschwerde zu erheben. Der Geschädigte hat an der Verfolgung und Bestrafung
des Täters nur ein tatsächliches oder mittelbares Interesse im Sinne der
Rechtsprechung zu Art. 88 OG. Der Strafanspruch, um den es im Strafverfahren
geht, steht ausschliesslich dem Staat zu, und zwar unabhängig davon, ob der
Geschädigte als Privatstrafkläger auftritt oder die eingeklagte Handlung auf
seinen Antrag hin verfolgt wird. Unbekümmert um die fehlende Legitimation in
der Sache selbst ist der Geschädigte aber befugt, mit staatsrechtlicher
Beschwerde die Verletzung von Verfahrensrechten geltend zu machen, deren
Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 88 OG
erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht aus
einer Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren
teilzunehmen. Ist der Beschwerdeführer in diesem Sinne nach kantonalem Recht
Partei, kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem
kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung
zustehen (BGE 128 I 218 E. 1.1).

Der Beschwerdeführer kann beispielsweise geltend machen, auf ein Rechtsmittel
sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, habe
keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen, oder habe nicht
Akteneinsicht nehmen können. Hingegen kann er weder die Würdigung der
beantragten Beweise noch die Tatsache rügen, dass seine Anträge wegen
Unerheblichkeit oder aufgrund antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt wurden.
Die Beurteilung dieser Fragen kann von der Prüfung der materiellen Sache
nicht getrennt werden. Auf eine solche hat der in der Sache selbst nicht
Legitimierte jedoch keinen Anspruch (BGE 120 Ia 157 E. 2a/bb mit Hinweisen).

1.4 Etwas anderes gilt für das Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG. Gemäss
Art. 8 Abs. 1 lit. b OHG kann das Opfer den Entscheid eines Gerichts
verlangen, wenn das Verfahren eingestellt wird. Es kann nach Art. 8 Abs. 1
lit. c OHG den betreffenden Gerichtsentscheid mit den gleichen Rechtsmitteln
anfechten wie der Beschuldigte, wenn es sich bereits vorher am Verfahren
beteiligt hat und soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder
sich auf deren Beurteilung auswirken kann. Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG geht Art.
88 OG als "lex specialis" vor. Die Legitimation des Opfers zur
staatsrechtlichen Beschwerde ist insoweit auf materiellrechtliche Fragen
erweitert (BGE 128 I 218 E. 1.1 mit Hinweisen).

Als Opfer ist gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG jede Person anzusehen, "die durch eine
Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität
unmittelbar beeinträchtigt worden ist". Eine solche Beeinträchtigung ist im
vorliegenden Fall weder ersichtlich noch wird dies vom Beschwerdeführer
geltend gemacht. Dem Beschwerdeführer kommt daher keine Opferstellung im
Sinne des OHG zu.

1.5 Somit kann dem Beschwerdeführer keine gegenüber der Praxis zu Art. 88 OG
erweiterte Legitimation zuerkannt werden. Er ist deshalb nach der angeführten
Rechtsprechung in der Sache nicht legitimiert und kann nur die Verletzung von
Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle
Rechtsverweigerung darstellt. Eine Verletzung von Verfahrensrechten im
dargelegten Sinn macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Auf die
vorliegende Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten.

2.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Dem privaten Beschwerdegegner ist durch das vorliegende Beschwerdeverfahren
kein Aufwand entstanden, weshalb ihm keine Parteientschädigung zuzusprechen
ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Nidwalden, Strafabteilung, Kleine Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 17. Januar 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: