Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.703/2004
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1P.703/2004 /ggs

Urteil vom 7. April 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg
Riedi,

gegen

Amt für Landwirtschaft, Strukturverbesserungen und Vermessung Graubünden,
Grabenstrasse 8, 7001 Chur,
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 3. Kammer, Obere Plessurstrasse 1,
7001 Chur.

Kulturlandverminderungsabgabe,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 3. Kammer, vom 3. September 2004.

Sachverhalt:

A.
A.a Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden gelangte im Rekursverfahren
A 02 58 anlässlich einer ersten Beratung am 12. Dezember 2002 zum Schluss,
dass die Erhebung der Kulturlandverminderungsabgabe nach Art. 50bis des
Meliorationsgesetzes des Kantons Graubünden vom 5. April 1981 verfassungs-
und bundesrechtswidrig sei. Im Wesentlichen begründete es seine von der
bisherigen Praxis abweichende Auffassung damit, dass keine Pflicht der
Grundeigentümer bestehe, ausgeschiedenes Bauland dauernd für die
landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung zu stellen, weshalb die
Voraussetzungen zur Erhebung einer Ersatzabgabe nicht erfüllt seien. Mit
Schreiben vom 13. Dezember 2002 gab das Verwaltungsgericht den Parteien des
Rekursverfahrens A 02 58 Gelegenheit, sich zu seiner Auffassung zu äussern.

Mit Urteil vom 17. Juni 2003 (mitgeteilt am 10. Juli 2003) erkannte das
Verwaltungsgericht im betreffenden Rekursverfahren, dass die
Kulturlandverminderungsabgabe verfassungs- und bundesrechtswidrig sei und
weder als Ersatzabgabe noch als Zwecksteuer erhoben werden könne. Das
Bundesgericht trat auf eine dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde am
23. September 2003 nicht ein.

A.b Mit Verfügung vom 20. Mai 2003 erhob das Amt für Landwirtschaft,
Strukturverbesserungen und Vermessung des Kantons Graubünden (ALSV) gegenüber
der Bürgergemeinde Chur einen Ausgleichsbeitrag für Kulturlandverminderung in
der Höhe von Fr. 119'078.40. Diese Verfügung wuchs unangefochten in
Rechtskraft. Die Abgabe wurde von der X.________ AG bezahlt, da diese sich in
einem Baurechtsvertrag dazu verpflichtet hatte.

Als die X.________ AG vom Urteil A 02 58 des Verwaltungsgerichts vom 17. Juni
2003 Kenntnis erhielt, ersuchte sie um Wiedererwägung der
Veranlagungsverfügung und um Rückerstattung der Abgabe. Mit Verfügung vom 3.
März 2004 trat das ALSV auf das Gesuch nicht ein. Dagegen erhob die
X.________ AG Rekurs, welchen das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 3.
September 2004 abwies.

B.
Die X.________ AG hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3.
September 2004 wegen Verletzung von Art. 5 Abs. 3, Art. 9, Art. 26 und Art.
29 Abs. 2 BV staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie beantragt, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen.

C.
Das ALSV beantragt, es sei die Bundesrechtskonformität von Art. 50bis des
Meliorationsgesetzes festzustellen, und es sei die staatsrechtliche
Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht beantragt ebenfalls die
Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde, soweit darauf eingetreten werde.
Die Beschwerdeführerin hat repliziert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Sachurteilsvoraussetzungen der staatsrechtlichen Beschwerde sind
grundsätzlich erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die
Beschwerde ist somit einzutreten.

1.2 Das ALSV beantragt, es sei die Bundesrechtskonformität von Art. 50bis des
Meliorationsgesetzes festzustellen. Dieses Begehren geht über den
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens hinaus und ist daher unzulässig.

2.
2.1 Als erstes rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Das Verwaltungsgericht sei nicht auf
alle in der Rekursschrift vorgebrachten Einwände eingegangen und habe seinen
Entscheid zu wenig begründet. Insbesondere habe es sich nicht mit den in den
Ziffern 3 und 5 der Rekursschrift enthaltenen Vorwürfen auseinandergesetzt.

2.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Die Verletzung
des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde
in der Sache selbst grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids.
Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs ist daher vorweg zu prüfen (BGE
126 I 19 E. 2d/bb S. 24; 125 I 113 E. 3 S. 118).

2.3 Der Umfang des Gehörsanspruchs bestimmt sich in erster Linie nach den
kantonalen Verfahrensvorschriften. Wo sich dieser kantonale Rechtsschutz als
ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV fliessenden
bundesrechtlichen Minimalgarantien zur Sicherung des rechtlichen Gehörs
Platz. Deren Anwendung prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (BGE 126
I 19 E. 2a S. 21 f., 15 E. 2a S. 16).

Die Beschwerdeführerin macht mit ihrer Beschwerde nicht geltend, eine Norm
des kantonalen Rechts verpflichte die Behörde zu einer einlässlicheren
Begründung ihres Entscheids, als dies Art. 29 Abs. 2 BV gebiete. Bei dieser
Sachlage ist der angefochtene Entscheid einzig vor dem Hintergrund von Art.
29 Abs. 2 BV zu prüfen.

2.4 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs als persönlichkeitsbezogenes
Mitwirkungsrecht verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid
in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und
ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die
grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Der Bürger
soll wissen, warum die Behörde entgegen seinem Antrag entschieden hat. Die
Begründung eines Entscheids muss deshalb so abgefasst sein, dass der
Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Dies ist nur
möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die
Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinne müssen
wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde
leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 126 I 97 E. 2b S.
102, mit Hinweisen).

Insbesondere bedeutet dies nicht, dass sich die Behörde ausdrücklich mit
jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinander
setzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen
Gesichtspunkte beschränken (BGE 112 Ia 107 E. 2b S. 110, mit Hinweisen). An
die Begründungspflicht dürfen von Verfassungs wegen keine hohen Anforderungen
gestellt werden (BGE 114 Ia 233 E. 2d S. 241 f.). Die verfassungsmässige
Begründungsdichte ist zudem abhängig von der Eingriffsidentität. Je stärker
ein Entscheid in die individuellen Rechte eingreift, desto höhere
Anforderungen sind an die Begründung eines Entscheids zu stellen (BGE 112 Ia
107 E. 2b S. 110, mit Hinweisen).

2.5 Im Einzelnen wirft die Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgericht vor,
sich nicht mit ihrem Vorbringen, bei einem stossenden, dem
Gerechtigkeitsgefühl stark zuwiderlaufenden Ergebnis müsse ein Urteil
revidiert werden, auseinander gesetzt zu haben.

Das Verwaltungsgericht erwog, sein an die Parteien des Rekursverfahrens A 02
58 gerichtetes Schreiben vom 13. Dezember 2002, in dem diese aufgefordert
wurden, sich zur Auffassung des Gerichts über die Rechtswidrigkeit der
Kulturlandverminderungsabgabe zu äussern, stelle keine neue Tatsache bzw.
kein neues Beweismittel im Sinne eines Revisionsgrundes nach Art. 11 Abs. 1
lit. a VVG/GR dar. Dieses Schreiben hätte nach den Ausführungen des
Verwaltungsgerichts an dem zu beurteilenden Sachverhalt nichts geändert,
sondern nur zu einer anderen rechtlichen Würdigung führen können. Deshalb
könne darin entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kein
Revisionsgrund im Sinne einer neuen Tatsache oder eines neuen Beweismittels
erblickt werden. Fraglich sei lediglich, ob der Revisionsgrund von Art. 11
Abs. 1 lit. d VVG/GR vorliege. Nach dieser Bestimmung würden rechtskräftige
Entscheide revidiert, wenn die Behörde eine wesentliche Verfahrensvorschrift
verletzt habe, und der Betroffene den Mangel nicht vor Ausfällung des
Entscheids habe geltend machen können. Die weiteren Ausführungen im
angefochtenen Entscheid betreffen die Frage, ob das ALSV den Grundsatz von
Treu und Glauben als wesentliche Verfahrensvorschrift im Sinne von Art. 11
Abs. 1 lit. d VVG/GR verletzte, indem es der Beschwerdeführerin keine
Kenntnis vom Inhalt des erwähnten Schreibens des Verwaltungsgerichts gab
resp. mit dem Erlass weiterer Veranlagungsverfügungen nicht bis zur Eröffnung
des Verwaltungsgerichtsurteils im Verfahren A 02 58 zuwartete.

Das Verwaltungsgericht hat somit geprüft, ob die Voraussetzungen eines
Revisionsgrundes nach kantonalem Verwaltungsverfahrensrecht gegeben sind.
Zwar ging das Verwaltungsgericht nicht ausdrücklich auf das Vorbringen der
Beschwerdeführerin ein, ein krass stossendes Ergebnis in der Sache stelle
ausnahmsweise einen Revisionsgrund dar (Rekursschrift, Ziff. 3 und 5). Dies
ist denn aber auch nicht erforderlich, da das Verwaltungsgericht nicht auf
alle Einwände der Beschwerdeführerin einzugehen brauchte, sondern sich auf
die seiner Ansicht nach wesentlichen Argumente beschränken durfte. Der
Vorwurf, die Urteilsbegründung sei "standardisiert", trifft nicht zu. Die
Beschwerdeführerin ist hinreichend deutlich in Kenntnis darüber gesetzt
worden, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Revisionsgrundes
verneint. Es ist ihr daher ohne weiteres möglich, den Entscheid des
Verwaltungsgerichts anzufechten. Eine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör liegt somit nicht vor, weshalb sich die staatsrechtliche
Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet erweist.

3.
3.1 Weiter rügt die Beschwerdeführerin eine willkürliche Auslegung des
Begriffs "Tatsachen". Nach ihrer Auffassung stellt das Schreiben des
Verwaltungsgerichts an die Rekursparteien eine aktenkundige Tatsache dar,
weshalb der Revisionsgrund von Art. 11 Abs. 1 lit. b VVG/GR (recte: Art. 11
Abs. 1 lit. c VVG/GR) erfüllt sei.

3.2 Die Beschwerdeführerin übersieht, dass das Verwaltungsgericht nicht den
Revisionsgrund von Art. 11 Abs. 1 lit. c VVG/GR (Übersehen aktenkundiger
Tatsachen), sondern den Revisionsgrund von Art. 11 Abs. 1 lit. a VVG/GR
(nachträgliche Entdeckung von Tatsachen) geprüft hat. Soweit sie trotzdem
eine willkürliche Anwendung von Art. 11 Abs. 1 lit. c VVG/GR rügt, handelt es
sich dabei um ein unzulässiges Novum (BGE 129 I 49 E. 3 S. 57; 113 Ia 407 E.
1 S. 408). Mit dieser Rüge ist die Beschwerdeführerin nicht zu hören.

Soweit der Beschwerdeführerin allerdings ein Versehen unterlaufen ist und sie
im Grunde die willkürliche Anwendung von Art. 11 Abs. 1 lit. a VVG/GR rügt,
ist auf die Beschwerde einzutreten.

3.3 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Behörden
ohne Willkür behandelt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid, wenn er
offensichtlich unhaltbar ist, insbesondere mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9, 49 E. 4 S. 58, je mit Hinweisen).

3.4 Das Verwaltungsgericht stellte sich auf den Standpunkt, die Kenntnisnahme
vom Urteil im Rekursverfahren A 02 58 hätte zu einer anderen rechtlichen
Beurteilung ein und desselben Sachverhalts geführt. Dies stelle keinen
Revisionsgrund im Sinne einer neuen Tatsache oder eines neuen Beweismittels
dar, weshalb der Revisionsgrund von Art. 11 Abs. 1 lit. a VVG/GR nicht
erfüllt sei.

Wie sich aus dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 lit. a VVG/GR ergibt, revidiert
die Behörde, die zuletzt entschieden hat, einen rechtskräftigen Entscheid,
wenn "der Betroffene nachträglich erhebliche Tatsachen oder Beweismittel
entdeckt, deren rechtzeitige Beibringung ihm nicht möglich war". Daraus
erhellt, dass der Revisionsgrund von Art. 11 Abs. 1 lit. a VVG/GR nur
vorliegt, wenn der Sachverhalt in Ermangelung aller entscheidrelevanter
Tatsachen falsch gewürdigt wurde. Demgegenüber fällt die unrichtige
Beurteilung von Rechtsfragen nicht unter Art. 11 Abs. 1 lit. a VVG/GR. Der
Inhalt des Schreibens des Verwaltungsgerichts an die Rekursparteien betraf
die Frage, ob Art. 50bis des Meliorationsgesetzes über die
Kulturlandverminderungsabgabe gegen Bundesrecht verstösst. Ob dies zutrifft,
ist nicht eine Frage der tatsächlichen, sondern der rechtlichen Würdigung des
Sachverhalts. Als Rechtsfrage kann dies kein Revisionsgrund sein. Analog
entschied das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit Wiedererwägungsgesuchen,
wenn aktenkundige erhebliche Tatsachen aus Versehen gar nicht oder auf
irrtümliche Weise gewürdigt wurden. Es erwog, dass die Anwendung von
Rechtssätzen auf den Sachverhalt kein Revisionsgrund bilde und somit auch
nicht als Wiedererwägungsgesuch behandelt werden könne (Praxis des
Verwaltungsgerichtes des Kantons Graubünden (PVG) 1993 Nr. 82; ferner PVG
1980 Nr. 94). Auch nach Art. 66 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über das
Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG; SR 172.021) betrifft der
Revisionsgrund neuer erheblicher Tatsachen oder Beweismittel nur die
tatsächliche Unrichtigkeit der Verfügung (vgl. Alfred Kölz/Isabelle Häner,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich
1998, N. 429; René Rhinow/Heinrich Koller/Christina Kiss, Öffentliches
Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel 1996, N. 1432). Das
Verwaltungsgericht verfiel somit nicht in Willkür, wenn es das Vorliegen des
Revisionsgrundes von Art. 11 Abs. 1 lit. a VVG/GR verneinte.

4.
4.1 Sodann macht die Beschwerdeführerin einen Verstoss gegen Treu und Glauben
(Art. 5 Abs. 3, Art. 9 BV) geltend. Das ALSV habe gewusst, dass eine Änderung
der Gerichtspraxis bevorstehe. Trotzdem habe es weitere Veranlagungen
vorgenommen und ihr von der Praxisänderung nichts gesagt. Da sie auf die
bisherige Praxis vertraut habe, habe sie die Veranlagungsverfügung nicht
angefochten. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts verletze auch
das Willkürverbot (Art. 9 BV), weil es dem Gerechtigkeitsgefühl zuwiderlaufe.

4.2 Der Anspruch auf Behandlung nach Treu und Glauben umfasst einerseits den
Vertrauensschutz und andererseits das Verbot des Rechtsmissbrauchs (Christoph
Rohner, in: Bernhard Ehrenzeller/Philippe Mastronardi/Rainer J.
Schweizer/Klaus A. Vallender, Die schweizerische Bundesverfassung -
Kommentar, Zürich 2002, N. 45 zu Art. 9). Der Vertrauensschutz wurde vormals
aus Art. 4 aBV abgeleitet und ist nunmehr in seiner spezifisch
grundrechtlichen Ausprägung (vgl. Botschaft des Bundesrates über eine neue
Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 134) in Art. 9 BV
verankert. Wie das Bundesgericht konkretisiert hat, verleiht der in Art. 9 BV
enthaltene Grundsatz von Treu und Glauben Anspruch auf Schutz des
berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges,
bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden (BGE 126 II 377 E.
3a S. 387; 122 II 113 E. 3b/cc S. 123, je mit Hinweisen). Das
Rechtsmissbrauchsverbot hängt dagegen näher mit der behördlichen Pflicht zu
einem Verhalten nach Treu und Glauben im Allgemeinen (Art. 5 Abs. 3 BV)
zusammen (Rohner, a.a.O., N. 57 zu Art. 9 BV; Beatrice Weber-Dürler, Neuere
Entwicklung des Vertrauensschutzes, in: ZBl 103/2002 S. 282 f.).
Rechtsmissbräuchliches Handeln der Behörde, das mit dem Vertrauensschutz
nichts zu tun hat, weil die Behörde beim Privaten keine sein Verhalten
beeinflussenden Erwartungen begründete, kann daher nur Art. 5 Abs. 3 BV
zugeordnet werden (Weber-Dürler, a.a.O., S. 283; Ulrich Häfelin/Georg Müller,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, N. 708; René Rhinow,
Grundzüge des schweizerischen Verfassungsrechts, Basel 2003, N. 1796). Das
Rechtsmissbrauchsverbot nach Art. 5 Abs. 3 BV stellt kein verfassungsmässiges
Recht der Bürger dar, das selbständig geltend gemacht werden kann. Vielmehr
handelt es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der seine Geltung
unmittelbar auf die Verfassung stützt und als grundlegende Schranke der
Rechtsausübung und -anwendung dient (Botschaft, a.a.O., BBl 1997 I 134;
Rhinow, a.a.O., N. 1796; Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, § 22 Rz. 1 und 23; Ulrich
Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Aufl., Zürich
2001, N. 824; anderer Ansicht offenbar Yvo Hangartner, in:
Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender, a.a.O., N. 37 ff. zu Art. 5). Im
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde kann das Rechtsmissbrauchsverbot
nach Art. 5 Abs. 3 BV nur über das Willkürverbot geltend gemacht werden
(Weber-Dürler, a.a.O., S. 284; vgl. auch BGE 122 I 328 E. 3 S. 333 f.).
4.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf ihr Vertrauen in die ihr bekannte
frühere Gerichtspraxis, weshalb sie die Veranlagungsverfügung nicht
angefochten habe. Anders als bei Verfahrensfragen gibt es gegen Änderungen
der materiellrechtlichen Praxis keinen allgemeinen Vertrauensschutz. Vielmehr
bedarf es zusätzlich einer behördlichen Zusicherung oder eines sonstige,
bestimmte Erwartungen begründenden Verhaltens der Behörden gegenüber dem
Privaten, damit er aus dem Grundsatz von Treu und Glauben einen Anspruch
ableiten kann (BGE 111 V 161 E. 5b S. 170; 103 Ib 197 E. 4 S. 202, je mit
Hinweisen; kritisch gegenüber dieser Rechtsprechung allerdings Weber-Dürler,
a.a.O., S. 305).
Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, und es ist nicht ersichtlich,
dass das ALSV eine besondere Vertrauensgrundlage schuf, auf welche die
Beschwerdeführerin hätte vertrauen dürfen. Der Vertrauensschutz (Art. 9 BV)
kommt daher nicht zum Tragen.

4.4 Vorliegend ist nur zu prüfen, ob die kantonalen Behörden gegen das
Rechtsmissbrauchsverbot (Art. 5 Abs. 3 BV) verstossen haben. Dabei geht es um
die Frage, ob das Rechtsmissbrauchsverbot als Grundsatz des kantonalen
Verwaltungsverfahrensrechts verletzt ist. Die Beschwerdeführerin macht
implizit geltend, das ALSV hätte die Abgabepflichtigen über die angekündigte
Änderung der Gerichtspraxis aufklären müssen. Es stellt sich somit die Frage,
ob das ALSV seine Befugnis zur Steuerveranlagung treuwidrig ausübte.
Treuwidriges Verhalten könnte dem ALSV vorgeworfen werden, wenn eine Pflicht
zur Orientierung über die Änderung der Gerichtspraxis bestand.

Die Rechtsprechung hat aus dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Pflicht
der Verwaltungsbehörden abgeleitet, den Privaten von Amtes wegen zu
informieren, wenn dieser sich anschickt, einen Verfahrensfehler zu begehen.
Voraussetzung der Aufklärungspflicht ist allerdings, dass es sich um einen
offensichtlichen Fehler handelt und dieser rechtzeitig behoben werden kann
(BGE 124 II 265 E. 4a S. 270; 120 Ib 183 E. 3c S. 188; 119 Ia 13 E. 5b S. 19;
114 Ia 20 E. 2 S. 22 f., je mit Hinweisen; ferner Jean-François Egli, La
protection de la bonne foi dans le procès, in: Verfassungsrechtsprechung und
Verwaltungsrechtsprechung, Sammlung von Beiträgen veröffentlicht von der I.
öffentlichrechtlichen Abteilung des schweizerischen Bundesgerichts, Zürich
1992, S. 228 f.). Ist die Behörde über die konkrete Rechtslage indessen
selbst im Unklaren, ist sie nicht verpflichtet, die Rechtsunterworfenen über
die Unsicherheit der Rechtslage zu informieren (BGE 119 Ia 13 E. 5b S. 19).

In dieser Situation befand sich das ALSV im zur Diskussion stehenden
Veranlagungsverfahren. Das Amt wusste im Zeitpunkt der Veranlagung am 20. Mai
2003 noch nicht, wie das Verwaltungsgericht im Rekursverfahren A 02 58
entscheiden wird. Es stand damals noch offen, ob das Verwaltungsgericht dem
Standpunkt des ALSV, dass es sich bei der Abgabe um eine Zwecksteuer handelt,
folgen werde. Das Verwaltungsgericht durfte daher ohne Willkür davon
ausgehen, dass aus dem Grundsatz von Treu und Glauben im Verwaltungsverfahren
nicht abgeleitet werden kann, das ALSV sei zur Informierung der
Abgabepflichtigen über die angekündigte Änderung der Gerichtspraxis
verpflichtet gewesen. Ebenso wenig war das ALSV gehalten, keine weiteren
Veranlagungen vorzunehmen. Anders entscheiden würde bedeuten, dass jedes Mal,
wenn ein Gericht eine Praxisänderung ankündigt, die Behörden die Anwendung
der betroffenen Gesetze sistieren müssten. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs
resp. der Verletzung des Willkürverbots erweist sich insoweit als
unbegründet. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Willkürverbots
noch aus anderen Gründen denn als Verstoss gegen Treu und Glauben rügt, ist
ihre Beschwerde unzureichend begründet (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 130 I
258 E. 1.3 S. 262, mit Hinweisen).

5.
Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung der
Eigentumsgarantie (Art. 26 BV). Vor dem Verwaltungsgericht hat sie sich auf
dieses Grundrecht nicht berufen, weshalb dieses Vorbringen ein unzulässiges
Novum darstellt (BGE 129 I 49 E. 3 S. 57; 113 Ia 407 E. 1 S. 408). Die
Beschwerdeführerin ist mit dieser Rüge deshalb nicht zu hören.

6.
Nach dem Gesagten hält der angefochtene Entscheid vor der Verfassung stand.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit darauf
einzutreten ist.

Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art.
156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Amt für Landwirtschaft,
Strukturverbesserungen und Vermessung Graubünden und dem Verwaltungsgericht
des Kantons Graubünden, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. April 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: