Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.670/2004
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1P.670/2004 /gij

Urteil vom 17. Mai 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Nay, Aeschlimann, Reeb,
Gerichtsschreiber Störi.

Kanton Aargau,
Kläger, vertreten durch den Regierungsrat des
Kantons Aargau, Rechtsdienst, Staatskanzlei, Regierungsgebäude,
Laurenzenvorstadt 9, 5001 Aarau,

gegen

Kanton Zürich,
Beklagter, vertreten durch die Direktion der Justiz und des Innern des
Kantons Zürich, Kaspar Escher Haus, Postfach, 8090 Zürich.

Art. 83 lit. b OG (Bestimmung der zuständigen Vormundschaftsbehörde),

Staatsrechtliche Klage des Kantons Aargau vom 11. November 2004 gegen den
Kanton Zürich.

Sachverhalt:

A.
Der am ________ geborene X.________ wuchs in Neuenhof (AG) auf. Nach
Abschluss der obligatorischen Schulzeit zog er zu seinem Vater nach Dietikon
(ZH). Nach der Lehre nahm er dort für kurze Zeit eine Wohnung, zog dann
zeitweise nach Neuenhof, wo er - gegen deren u.a. mit Schreiben vom 6.
Dezember 1995 an den Sozialdienst Neuenhof erklärtem Willen - bei seiner
Grossmutter wohnte. Er erkrankte an paranoider Schizophrenie und war zwischen
1995 und 1999 zweimal in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich
hospitalisiert. Nach Abschluss der Handelsschule lebte er in einer eigenen
Wohnung in Dietikon. Nachdem er der Sozialberatung Dietikon keine
Arbeitsbemühungen vorgewiesen hatte, wurde er am 1. Mai 1999 ausgesteuert.
Ende Juli 1999 randalierte er in seiner Wohnung in Dietikon, was den Einsatz
von Polizei und Notarzt notwendig machte. Im Oktober 1999 ersuchten die
Eltern von X.________ den Sekretär der Vormundschaftsbehörde von Dietikon,
die Einweisung ihres Sohnes in eine Klinik zu veranlassen; dem Gesuch wurde
nicht entsprochen. Per Ende März 2001 gab er - entgegen dem Rat der
Sozialberatung Dietikon - seine Wohnung auf. Da er danach keine andere
Wohnung fand, leistete die Sozialbehörde Dietikon für einen Monat
Kostengutsprache für ein Hotel und stellte ihm eine Gutsprache für den
Aufenthalt in einer Jugendherberge in Aussicht. Anfang Mai 2001 zog
X.________, wiederum gegen deren Willen, im Haus seiner Grossmutter in
Neuenhof ein. Diese liess ihn mehrere Male durch die Polizei aus ihrem Haus
weisen, wobei er jedesmal - nach unbekanntem Aufenthalt - wieder
zurückkehrte.

Am 10. Juli 2001 sprach die Mutter von X.________, Y.________, beim Sekretär
der Vormundschaftsbehörde Dietikon vor. Nach dessen Aktennotiz erklärte sie
ihm, ihr Sohn müsse bei der IV angemeldet werden. Er (der Sekretär) habe ihr
ein IV-Anmeldeformular ausgehändigt und ihr geraten, sich an die Ärzte zu
halten. Diese hätten ihr offenbar erklärt, man müsse nur anrufen, dann würde
die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich X.________ holen. Aus Sicht der
Vormundschaftsbehörde könne diesem im Moment am ehesten mit einer
Klinikeinweisung geholfen werden. Dann könne allenfalls die Frage gestellt
werden, ob für ihn, was Y.________ ebenfalls gewünscht habe,
vormundschaftliche Massnahmen notwendig seien. Dieser weile nämlich nach wie
vor im Haus seiner 93-jährigen Grossmutter Z.________ in Neuenhof; nach
Angaben der Mutter habe man diese Lösung gewählt, weil man nicht zulassen
könne, dass ihr Sohn auf der Strasse lebe.
Am 17. September 2001 legte die Sozialbehörde Dietikon den monatlichen
Unterhalt für X.________ fest und verband dies mit der Auflage, sich an
seinem neuen Wohnort anzumelden; sie entschied, die Sozialhilfe werde
letztmals für den Monat Oktober ausgerichtet. Zudem wurde X.________
angekündigt, er werde per Ende September 2001 von der Einwohnerkontrolle nach
unbekannt abgemeldet. Ende Dezember 2001 erkundigte sich X.________ bei der
Stadtverwaltung Dietikon, ob ihm die Frist für die Meldung eines neuen
Wohnortes verlängert werden könne; diese Anfrage wurde unter Hinweis auf den
rechtskräftig gewordenen Entscheid vom 17. September 2001 verneint.

B.
Der Bezirksarzt-Stellvertreter von Baden liess X.________ am 10. Januar 2002
mittels fürsorgerischen Freiheitsentzugs (FFE) notfallmässig in die
Psychiatrische Klinik Königsfelden (PKK) einweisen.

Am 5. Februar 2002 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau die
Beschwerde von X.________ gegen die Einweisungsverfügung gut, verfügte die
Aufhebung des FFE und ordnete an, X.________ sei binnen zweier Tage aus der
Klinik zu entlassen. Es erwog, nach Art. 397b Abs. 1 ZGB sei die
vormundschaftliche Behörde am Wohnsitz, oder, wenn Gefahr im Verzug sei,
diejenige am Aufenthaltsort des Betroffenen zuständig, einen FFE zu verfügen.
X.________ habe nach der Aufgabe seiner Wohnung in Dietikon bei seiner
Grossmutter in Neuenhof Unterschlupf gefunden, dies aber immer als
Übergangslösung betrachtet. Er habe sich in Dietikon nicht abgemeldet und
sich in Neuenhof nicht nur nicht angemeldet, sondern sich gegen den Versuch
seiner Mutter, ihn dort anzumelden, gewehrt. Es stehe damit fest, dass
X.________ in Neuenhof keinen Wohnsitz habe begründen wollen und dies auch
nicht getan habe. Nachdem der Bezirksarzt-Stellvertreter von Baden
festgestellt habe, dass er seine Grossmutter wiederholt verbal massiv
attackiert und bedroht hatte und der Verdacht auf paranoide Schizophrenie
bestand, habe er zu Recht seine subsidiäre Notfallzuständigkeit am
Aufenthaltsort von X.________ in Neuenhof bejaht und diesen wegen
offensichtlicher Fremdgefährdung in die PKK einweisen lassen. Diese
Notfallzuständigkeit bestehe jedoch nicht unbeschränkt weiter. Die PKK hätte
aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen längst mit der
Gemeindeverwaltung Neuenhof und dem Sozialamt Dietikon Kontakt aufnehmen und
die Frage der örtlichen Zuständigkeit klären können. Daraufhin wäre
X.________ nach dem üblichen Vorgehen wegen seines ausserkantonalen
Wohnsitzes in eine Zürcher Klinik verlegt worden. Die Notfallzuständigkeit
der aargauischen Behörden bestehe jedenfalls nicht mehr. Folglich müsse er
auf Grund einer Einweisungsverfügung der zuständigen zürcherischen
Vormundschaftsbehörde in eine geeignete Anstalt des Kantons Zürich verlegt
oder entlassen werden. X.________ wurde entlassen und kehrte ins Haus seiner
Grossmutter zurück, wo er seither - offenbar bis heute - lebt.

Am 3. September 2003 hinterlegte Rechtsanwältin M.________ im Auftrag von
Y.________ den Heimatschein von X.________ in Neuenhof und beantragte die
Anordnung vormundschaftlicher Massnahmen gegen X.________.

Mit Beschluss vom 6. Oktober 2003 trat die Vormundschaftsbehörde Neuenhof auf
dieses Begehren nicht ein. Sie erklärte sich, gestützt auf den
Verwaltungsgerichtsentscheid vom 5. Februar 2002, für örtlich unzuständig, da
X.________ in Neuenhof keinen Wohnsitz begründet habe.

Y. ________ liess diesen Entscheid beim Bezirksamt Baden als
vormundschaftlicher Aufsichtsbehörde anfechten. Dieses trat auf die
Beschwerde am 3. Dezember 2003 nicht ein.

Am 22. Dezember 2003 liess Y.________ einerseits bei der Kammer für
Vormundschaftswesen des Obergerichts des Kantons Aargau dagegen Beschwerde
erheben. Anderseits stellte sie bei der Vormundschaftsbehörde Dietikon das
Begehren um Anordnung vormundschaftlicher Massnahmen gegen X.________.

Die Vormundschaftsbehörde Dietikon verweigerte am 15. Januar 2004 die
Anordnung von vormundschaftlichen Massnahmen gegen X.________; sie sei
örtlich unzuständig.

Am 7. April 2004 trat die aargauische Kammer für Vormundschaftswesen auf die
Beschwerde von Y.________ nicht ein.

Am 12. Mai 2004 ersuchte Y.________ die Kammer für Vormundschaftswesen um
Einleitung des interkantonalen Meinungsaustauschverfahrens zur
Zuständigkeitsbestimmung.

Am 18. Mai 2004 leitete die Kammer für Vormundschaftswesen das
Meinungsaustauschverfahren zur Bestimmung der zuständigen
Vormundschaftsbehörde mit einer entsprechenden Eingabe an die Direktion der
Justiz und des Innern des Kantons Zürich als vormundschaftlicher
Aufsichtsbehörde zweiter Instanz ein. Das Verfahren führte zu keiner
Einigung.

C.
Mit staatsrechtlicher Klage vom 11. November 2004 beantragt der Kanton
Aargau:
"1.Es sei der Kanton Zürich zu verpflichten, die Vormundschaftsbehörde
Dietikon ZH als Vormundschaftsbehörde am gesetzlichen Wohnsitz des
X.________, geb. ________, zur Anordnung der für diesen notwendigen
vormundschaftlichen Massnahme (Entmündigung/Vormundschaft, ev. vorsorgliche
Entziehung der Handlungsfähigkeit mit gesetzlicher Vertretung; Art. 360/385
Abs. 1, ev. 386 ZGB) zu verhalten."
In seiner Klageantwort stellt der Kanton Zürich folgendes Rechtsbegehren:
"1.Es sei der Kanton Aargau zu verpflichten, die Vormundschaftsbehörde
Neuenhof zur Anordnung der fraglichen vormundschaftlichen Massnahme für
X.________, geb. ________, vormals wohnhaft gewesen in Dietikon ZH, aktuell
wohnhaft bei seiner Grossmutter Z.________, Schulstrasse 18, 5432 Neuenhof
AG, anzuweisen."
Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels halten beide Seiten an ihren Begehren
vollumfänglich fest.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach Art. 189 Abs. 1 lit. d BV und Art. 83 lit. b OG beurteilt das
Bundesgericht staatsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kantonen, wenn es von
einer Kantonsregierung angerufen wird, die ein aktuelles
Rechtsschutzinteresse an einem Entscheid hat (BGE 125 I 458 E. 1).

Der vorliegende negative Kompetenzkonflikt zwischen den Kantonen Aargau und
Zürich dreht sich um die Auslegung von Art. 376 Abs. 1 ZGB und gründet damit
formell im Privatrecht. Materiell regelt diese Bestimmung indessen staatliche
Zuständigkeiten und ist damit öffentlichrechtlicher Natur, weshalb die
staatsrechtliche Klage zulässig ist (BGE 109 Ib 76). Da der Kanton Aargau ein
aktuelles Rechtsschutzinteresse an einer Entscheidung hat und die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Klage einzutreten.

Auf staatsrechtliche Klage hin prüft das Bundesgericht den Streitgegenstand
im Rahmen der Parteianträge sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher
Hinsicht frei (BGE 125 I 458 E. 4g; 61 I 351; W. Birchmeier,
Bundesrechtspflege, Zürich 1950, S. 287).

2.
2.1 Die Bevormundung erfolgt am Wohnsitz der zu bevormundenden Person (Art.
376 Abs. 1 ZGB), wobei sich dieser primär nach Art. 23 und Art. 26, subsidiär
nach Art. 24 ZGB bestimmt. Nach unbestrittener Auffassung gilt diese
Bestimmung nebst der eigentlichen Bevormundung, der Ernennung des Vormundes,
u.a. auch für die Entmündigung (Thomas Geiser in: Basler Kommentar zum
Schweizerischen Privatrecht, 2. A., Basel/Genf/München 2002, N. 5 zu Art.
376; Bernhard Schnyder/ Erwin Murer, Berner Kommentar, Bern 1984, N. 7 zu
Art. 376 ZGB). Massgebender Zeitpunkt, welcher sich bundesrechtlich bestimmt,
ist nach einhelliger Auffassung von Lehre (Schnyder/Murer a.a.O. N. 120 zu
Art. 376; Geiser a.a.O. N. 6 zu Art. 376, je mit Hinweisen; Henri
Deschenaux/Paul-Henri Steinauer, Personnes physiques et tutelle, 3. A. Bern
1995, Rz. 892a; Ariane Zurbuchen, La procédure d'interdiction, thèse Lausanne
1991, S. 19 ) und Rechtsprechung (BGE 126 III 415 E. 2c; 101 II 11 E. 2a; 95
II 514 E. 3) die Einleitung des Entmündigungsverfahrens.

Streitentscheidend ist somit, wann das Entmündigungsverfahren eingeleitet
wurde, und wo X.________ zu diesem Zeitpunkt Wohnsitz hatte.

2.2
2.2.1Strittig ist, ob die Mutter des Betroffenen am 10. Juli 2001, als sie
beim Sekretär der Vormundschaftsbehörde Dietikon vorsprach, die Einleitung
eines Entmündigungsverfahrens gegen ihren Sohn beantragt hat oder nicht. Der
Kanton Zürich verneint dies. Hauptanliegen der Mutter sei gewesen, ihren Sohn
bei der IV anzumelden, da er mit seinem Geld nicht auskomme. Sie habe,
entgegen der Auffassung des Kantons Aargau, "nicht (..) zum Zweck der Anzeige
bzw. mit einem Antrag auf Anordnung einer vormundschaftlichen Massnahme bei
der Sozialbehörde Dietikon vorgesprochen." "Lediglich im Gespräch" sei man
auf den Gesundheitszustand des Sohnes zu sprechen gekommen, worauf sie
erklärt habe, die Ärzte hätten ihr geraten, dessen neuerliche Einweisung in
eine Klinik zu veranlassen, damit die entsprechenden Abklärungen gemacht
werden könnten. Aus diesem Gespräch habe sich für die Vormundschaftsbehörde
Dietikon keine Pflicht zur Einleitung eines Entmündigungsverfahrens ergeben
(Klageantwort E. 1b S. 10 f.).
Nach der Protokollnotiz des Sekretärs der Vormundschaftsbehörde hat die
Mutter zwar auch zum Ausdruck gebracht, dass sie sowohl die Einleitung
vormundschaftlicher Massnahmen gegen ihren Sohn als auch dessen Einweisung in
eine psychiatrische Klinik wünschte. Der Sekretär hat daraufhin seine
Einschätzung der Lage geäussert, wonach ihrem Sohn mit einer Einweisung in
eine Klinik wohl am besten geholfen werden könnte; danach stelle sich
allenfalls die Frage nach vormundschaftlichen Massnahmen. Er hat damit der
Mutter klar zu verstehen gegeben, dass ihm die besorgniserregende Lage von
X.________ bewusst war, er im Moment jedoch keine Veranlassung sehe, ein
Entmündigungsverfahren anzuheben oder einen FFE in die Wege zu leiten. Die
Mutter hat sich mit dieser Antwort offensichtlich zufrieden gegeben. Dies
ergibt sich einerseits aus dem Gesprächsprotokoll und anderseits aus dem
Umstand, dass sie die Sache auf sich beruhen liess und sich bei der
Vormundschaftsbehörde Dietikon weder nach dem Stand des
Entmündigungsverfahrens erkundigte noch darauf bestand, dass ein solches
umgehend einzuleiten sei. Unter diesen Umständen lässt sich nicht sagen, sie
hätte in diesem Gespräch auf der Eröffnung eines Entmündigungsverfahrens
bestanden mit der Folge, dass der 10. Juli 2001 als Stichtag für dessen
Einleitung anzusehen wäre.

2.2.2 Bis Ende 2001 wurden keine weiteren Schritte im Hinblick auf eine
allfällige Bevormundung von X.________ unternommen. Am 10. Januar 2002
ordnete der Bezirksarzt-Stellvertreter von Baden einen FFE gegen ihn an. Das
Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde von X.________ dagegen am 5. Februar
2002 gut. Es anerkannte nur eine subsidiäre Notfallzuständigkeit der Aargauer
Behörden und wollte die Fortführung des FFE und die allfällige Einleitung
vormundschaftlicher Massnahmen der seiner Auffassung nach zuständigen
Vormundschaftsbehörde von Dietikon überlassen. Die Aargauer Behörden
unternahmen - entgegen den verwaltungsgerichtlichen Erwägungen - keinen
Versuch, bei der Vormundschaftsbehörde Dietikon ein Entmündigungsverfahren
einzuleiten (Klageantwort E. III 1. e S. 12, Replik E. 2b S. 3). Sie blieben
vielmehr untätig und entliessen X.________ aus dem FFE, welcher umgehend ins
Haus seiner Grossmutter zurückkehrte.

2.2.3 Am 3. September 2003 ersuchte die Mutter von X.________ die
Vormundschaftsbehörde Neuenhof förmlich um den Erlass vormundschaftlicher
Massnahmen gegen ihren Sohn. Aus den obenstehenden Ausführungen (E. 2.2.1 und
2.2.2) ergibt sich, dass die Vormundschaftsbehörde Dietikon vor diesem
Zeitpunkt nie ein Entmündigungsverfahren gegen X.________ eingeleitet hatte
und von Y.________ auch nicht dazu angehalten worden war.

2.3
2.3.1Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Ort, wo sie sich mit der
Absicht dauernden Verbleibs aufhält (Art. 23 Abs. 1 ZGB). Nach der
Rechtsprechung kommt es bei der Frage, welchen Ort sie zum Mittelpunkt ihrer
Lebensbeziehungen gemacht hat (Eugen Bucher, Berner Kommentar, Bern 1976, N.
8 ff. zu Art. 23 ZGB), nicht auf ihren inneren Willen, sondern darauf an, auf
welche Absicht die erkennbaren Umstände objektiv schliessen lassen (BGE 97 II
1 E. 3 S. 3 ff., mit Hinweisen). Das Erfordernis des dauernden Verbleibens
ist nach Lehre und Rechtsprechung so zu verstehen, dass der Aufenthalt an
einem Ort nicht ein bloss vorübergehender sein soll; Staehelin postuliert als
Mindestdauer 1 Jahr (Daniel Staehelin in: Basler Kommentar zum
Schweizerischen Privatrecht, 2. A., Basel/Genf/München 2002, N. 8 zu Art.
23). Die Absicht, den Ort später einmal wieder zu verlassen, steht einer
Wohnsitznahme nicht entgegen (BGE 127 V 237 E. 2c S. 241; Bucher, a.a.O., N.
22 zu Art. 23 ZGB). Der einmal begründete Wohnsitz bleibt bis zur Begründung
eines neuen bestehen (Art. 24 Abs. 1 ZGB).

2.3.2 Unbestritten ist, dass X.________ bis Ende März 2001 in Dietikon über
eine eigene Wohnung verfügte und dort Wohnsitz hatte. Fraglich ist, ob und
falls ja, wann er nach deren Aufgabe und seinem Wegzug aus Dietikon in
Neuenhof einen neuen Wohnsitz begründete.

Seit seinem Einzug bei seiner Grossmutter im Mai 2001 hat X.________ allen
Versuchen, ihn zum Verlassen dieser Wohnung zu bewegen, hartnäckig und mit
Erfolg getrotzt und ist nach den wiederholten polizeilichen Wegweisungen
jeweils immer wieder dorthin zurückgekehrt. Nach der unbestrittenen Erklärung
von Z.________ vom 14. Oktober 2003 hat er seit Mitte Mai 2001 nur wenige
Tage nicht in ihrem Haus verbracht. Auch wenn X.________ die Unterkunft bei
seiner Grossmutter anfangs möglicherweise durchaus als Provisorium angesehen
haben mag, so hat er nach seinem Wegzug von Dietikon seinen Lebensmittelpunkt
klarerweise nach Neuenhof verlegt und es ist nicht ersichtlich, dass er je in
irgendeiner für Aussenstehende erkennbarer Weise versucht hätte, das Haus
seiner Grossmutter zu verlassen und anderswo einen neuen Wohnsitz zu
begründen. Es war ihm auch klar, dass er seinen Wohnsitz in Dietikon
aufgegeben hatte und einen neuen begründen müsste, hat er doch die Verfügung
der Sozialbehörde Dietikon vom 17. September 2001, wonach er per Ende
September von der Einwohnerkontrolle nach unbekannt abgemeldet würde, nicht
angefochten, sondern sich nach Ablauf der Rechtsmittelfrist im Dezember 2001
telefonisch erkundigt, ob ihm die Frist für die Meldung eines neuen
Wohnsitzes erstreckt werden könnte. X.________ war somit nach dem Wegzug von
Dietikon auf der Suche nach einem neuen Wohnsitz, und er hat diesen faktisch
im Mai 2001 nach Neuenhof verlegt und nie einen nach aussen in Erscheinung
tretenden ernsthaften Versuch unternommen, anderswo einen Wohnsitz zu
begründen.

Am 3. September 2003 forderte Y.________ die Vormundschaftsbehörde Neuenhof
förmlich auf, gegen ihren Sohn X.________ das Entmündigungsverfahren zu
eröffnen, womit sie das Verfahren einleitete. In diesem Zeitpunkt lebte
X.________ rund 2 Jahre und vier Monate in Neuenhof; nach dieser langen Zeit
hatte er nach dem Gesagten dort Wohnsitz begründet. Da zuvor nirgendwo ein
Entmündigungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden war, ist (und bleibt)
damit die Vormundschaftsbehörde Neuenhof für dieses Entmündigungsverfahren
zuständig. Dies ist im Ergebnis auch sachgerecht, lebt doch X.________ seit
nunmehr fast vier Jahren praktisch ausschliesslich in Neuenhof, womit die
Vormundschaftsbehörde Neuenhof näher am Geschehen und damit besser geeignet
ist, dieses Verfahren durchzuführen als diejenige der Stadt Dietikon, zu
welcher der Betroffene seit seinem Wegzug keinen ersichtlichen Bezug mehr
hat.

3.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Einleitung eines
Entmündigungsverfahrens gegen X.________ auf jeden Fall nach dessen
Wohnsitznahme in Neuenhof erfolgte, was die örtliche Zuständigkeit der
dortigen Vormundschaftsbehörde begründet. Die Klage ist somit abzuweisen und
der Kanton Aargau anzuweisen, die Vormundschaftsbehörde Neuenhof zur
Einleitung des Entmündigungsverfahrens anzuhalten.

Praxisgemäss sind bei einer Streitigkeit nach Art. 83 lit. b OG weder
Gerichtskosten zu erheben noch Parteientschädigungen zuzusprechen (BGE 125 I
458 E. 5b S. 473).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Klage wird abgewiesen und der Kanton Aargau
verpflichtet, die Vormundschaftsbehörde Neuenhof zur Anordnung der für
X.________, geb. ________, notwendigen vormundschaftlichen Massnahmen
anzuhalten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Kantonen Aargau und Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Mai 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: