Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.648/2004
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1P.648/2004 /ggs

Urteil vom 14. März 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Aeschlimann, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

X. ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stern,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Postfach 760, 6301 Zug,
Strafgericht des Kantons Zug, Berufungskammer, Postfach 760, 6301 Zug.

Art. 29, 32 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. b, c EMRK
(Strafverfahren [SVG]; Verteidigungsrechte),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Strafgerichts des Kantons
Zug, Berufungskammer, vom 13. September 2004.

Sachverhalt:

A.
Das Einzelrichteramt des Kantons Zug bestrafte X.________ für die ihr
vorgeworfenen Verkehrsregelverletzungen vom 21. September 2002 und 24./25.
September 2002 mit Strafbefehl vom 6. Januar 2003 und auferlegte ihr dabei
eine Busse von Fr. 1'500.--.
Auf Einsprache hin befand sie der Einzelrichter des Kantons Zug mit Urteil
vom 10. August 2004 der mehrfachen Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90
Ziff. 1 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und des pflichtwidrigen Verhaltens bei
Unfall gemäss Art. 92 Abs. 1 i.V.m. Art. 51 Abs. 3 SVG für schuldig. Vom
Vorwurf der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 i.V.m
Art. 31 Abs. 2 SVG wurde sie freigesprochen. Das Verfahren betreffend
Übertretung von Art. 143 Ziff. 3 der Verkehrszulassungsverordnung (VZV; SR
741.51) wurde zufolge Verjährung eingestellt. Im Rahmen dieses Urteils wurde
die Busse auf Fr. 1'200.-- herabgesetzt. Die Parteiverhandlung vor dem
Einzelrichter hatte am 6. August 2004 stattgefunden. Anwesend gewesen war der
erbetene Verteidiger der Beschuldigten, Rechtsanwalt Eric Stern, nicht aber
die Beschuldigte selbst. Ein von ihr eingereichtes ärztliches Zeugnis
bescheinigte ihr eine Verhandlungsunfähigkeit.

B.
Mit Berufung vom 1. September 2004 gelangte X.________ an die Berufungskammer
des Strafgerichts des Kantons Zug. Sie beantragte im Wesentlichen, das Urteil
des Einzelrichters vom 10. August 2004 sei aufzuheben; sie selbst sei von
Schuld und Strafe freizusprechen.
Wegen der drohenden Verfolgungsverjährung setzte das Strafgericht die
Berufungsverhandlung ohne Rücksprache mit der Beschuldigten und ihrem
Verteidiger auf Montag, den 13. September 2004, 09.00 Uhr, an und lud die
Beschuldigte auf diesen Termin vor. Das Vorladungsformular enthielt den
Hinweis auf § 75 Abs. 3 der Zuger Strafprozessordnung in der Fassung vom 19.
Dezember 2002 (StPO/ZG; BGS 321.1), wonach die Berufung als zurückgezogen
gilt, wenn der Berufungskläger ohne entschuldbaren Grund der
Berufungsverhandlung fernbleibt. Auf dem Formular wurde die Beschuldigte
weiter darauf aufmerksam gemacht, dass nur ein ärztliches Zeugnis des Zuger
Kantonsarztes berücksichtigt würde. Die Vorladung wurde ihr am Dienstag, 7.
September 2004 ausgehändigt; eine Kopie ging an ihren Verteidiger. Dieser
ersuchte am 7. September 2004 um Verschiebung der Verhandlung auf den 23.
oder 24. September 2004. Der Referent der Berufungskammer bot dem Verteidiger
daraufhin telefonisch eine Verschiebung auf den 15. oder 16. September 2004
an; er erklärte sich auch bereit, die Verhandlung in einer Randstunde am
Abend durchzuführen. Da der Verteidiger die ihm bis 9. September 2004
eingeräumte Bedenkfrist für diese Terminangebote ungenutzt verstreichen
liess, wurde das Verschiebungsgesuch abgewiesen.
Am 10. September 2004 untersuchte der Zuger Kantonsarzt die Beschuldigte und
erstattete dem Gericht den Bericht, er teile die Einschätzung ihres
behandelnden Psychologen über ihre Verhandlungsfähigkeit. Diese Fähigkeit sei
in dem Sinne zu verneinen, dass der Beschuldigten aufgrund ihrer schweren
Depression mit der damit verbundenen Störung des Gedächtnisses, der
Konzentration und des Erinnerungsvermögens keine verbindlichen Aussagen
möglich seien. Die Beschuldigte sei jedoch grundsätzlich fähig, ohne
gesundheitliche Gefährdung an einer ca. einstündigen Verhandlung
teilzunehmen, wenn sie durch eine ihr nahestehende Vertrauensperson begleitet
werden könne, im Zusammenhang mit ihrer Medikation genügend Trinkwasser zur
Verfügung habe und die Verhandlung für eine kurze Pause auch kurzfristig
unterbrochen werden könne.
Zu der Berufungsverhandlung am 13. September 2004 erschienen weder die
Beschuldigte noch ihr Verteidiger. Dieser hatte dem Gericht unmittelbar vor
der Verhandlung ein Telefax zugeschickt. Darin entschuldigte er die
Abwesenheit der Beschuldigten im Wesentlichen mit der Begründung, sie könne
von keiner Vertrauensperson begleitet werden. Ferner beantragte er erneut
eine Verschiebung der Verhandlung. Das Gericht gab diesem Begehren keine
Folge und stellte fest, dass die Angeklagte unentschuldigt ausgeblieben sei.
Entsprechend der Androhung in der Vorladung fasste es gleichentags den
Beschluss, das Verfahren zufolge Rückzugs der Berufung abzuschreiben. Demnach
sei das Urteil des Einzelrichters vom 10. August 2004 in Rechtskraft
erwachsen.

C.
Gegen den Beschluss des Strafgerichts führt X.________ staatsrechtliche
Beschwerde und verlangt dessen Aufhebung. Sie rügt eine Verletzung ihres
Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und ihrer
Verteidigungsrechte im Strafverfahren gemäss Art. 32 Abs. 2 BV bzw. Art. 6
Ziff. 3 lit. b und c EMRK.
Die Berufungskammer des Strafgerichts beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Beschluss ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid
(Art. 86 Abs. 1 OG). Er kann einzig mit staatsrechtlicher Beschwerde
angefochten werden (Art. 84 Abs. 2 OG). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, kann auf die Beschwerde eingetreten
werden.

2.
2.1 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 4 aBV bzw. Art. 29 Abs.
2 BV leitet die bundesgerichtliche Rechtsprechung ein Recht auf rechtzeitige
Vorladung zu einer gerichtlichen Verhandlung ab (BGE 117 Ib 347 E. 2b/bb S.
350 f. mit Hinweisen). Als Konkretisierung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör ist das Recht auf rechtzeitige Bekanntgabe des gerichtlichen
Verhandlungstermins im Sinne einer strafprozessualen Garantie auch in Art. 32
Abs. 2 BV enthalten.
Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK garantierte Anspruch des Angeschuldigten
auf ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung
ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6
Ziff. 1 EMRK. Wie viel Zeit erforderlich ist, lässt sich nicht abstrakt
bestimmen. Massgebend sind die Umstände des konkreten Falles. Dabei sind etwa
Umfang und Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, die jeweilige Art des
Verfahrens sowie das Verfahrensstadium und die Lage der Verteidigung zu
berücksichtigen (Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen
Menschenrechtskonvention [EMRK], 2. Aufl., Zürich 1999 Rz. 509 f.; Arthur
Haefliger/ Frank Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die
Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 221; Jochen Frowein/Wolfgang Peukert,
EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl u.a. 1996, Art. 6 Rz. 179).
Die Ausgestaltung dieses Anspruchs wird zunächst von den kantonalen
Verfahrensbestimmungen umschrieben. Erst wo sich dieser Rechtsschutz als
ungenügend erweist, greifen die grundrechtlichen Minimalgarantien Platz. Da
die Beschwerdeführerin keine Verletzung kantonaler Verfahrensvorschriften
rügt, kann mit freier Kognition geprüft werden, ob die aus diesen Garantien
abgeleiteten Grundsätze missachtet worden sind (vgl. BGE 112 Ia 5 E. 2b S.
5).

2.2
2.2.1Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorladung sei ihr nur sechs Tage
und ihrem Verteidiger nur sieben Tage vor der Berufungsverhandlung zugestellt
worden. Das Gericht habe zudem bei der Ansetzung des Termins nicht
Rücksprache mit ihnen genommen, so dass keine Gewähr bestanden habe, ob
namentlich der Verteidiger den Termin wahrnehmen könne. Die kurzen Fristen
würden die  feststehende Praxis verletzen, wonach eine Vorbereitungszeit von
mindestens neun Tagen zu gewähren sei. Dabei beruft sich die
Beschwerdeführerin auf die Lehrmeinung von Robert Hauser/Erhard Schweri
(Schweizerisches Strafprozessrecht, 5. Aufl., Basel 2002, § 55 Rz. 4a), die
seinerseits ein Urteil des Bündner Kantonsgerichts vom 7. Oktober 1993
(Praxis des Kantonsgerichts Graubünden [PKG] 1993 Nr. 27 E. 2a = RS 1997 Nr.
262) anführt. Bereits aus diesem Grund hätte das Verschiebungsgesuch
bewilligt werden müssen.

2.2.2 Das Strafgericht hat die kurzfristige Ansetzung der
Berufungsverhandlung mit der drohenden Verjährung gerechtfertigt, die knapp
drei Wochen nach Eingang der Berufung bevorgestanden sei. Der Verteidiger
habe daher nicht annehmen dürfen, dass das Gericht die Verhandlung terminlich
so ansetzen werde, dass die Sache zufolge Verjährung materiell gar nicht mehr
beurteilt werden könnte. Das Gericht habe sich in dringenden Fällen stets
vorbehalten, Verhandlungstermine ohne Rückfragen festzulegen. Im Übrigen
seien dem Verteidiger nachträglich Ersatztermine angeboten worden, die er
abgelehnt habe.

2.3
2.3.1Vorliegend durfte das Strafgericht die drohende Verjährung zu Recht als
Grund für eine dringliche Behandlung in Betracht ziehen. Die
Beschwerdeführerin und ihr Anwalt haben mit den wiederholten
Fristerstreckungs- und Verschiebungsgesuchen in den vorangehenden
Verfahrensstadien massgeblich zu deren Verlängerung beigetragen.

2.3.2 Die Vorladung für die Berufungsverhandlung ging der Beschwerdeführerin
an einem Dienstag für den darauf folgenden Montag zu. Es standen ihr damit
drei Werktage zur Verfügung, um Kontakt mit ihrem Rechtsbeistand aufzunehmen
und die Verhandlung vorzubereiten.
In BGE 117 Ib 347 E. 2b/bb S. 351 wurde im Zusammenhang mit einem
Handelsstreit vor einem ausländischen Gericht festgehalten, eine Vorladung,
bei der nur ein einziger Werktag für die Vorbereitung verbleibe, sei in
internationalen Verhältnissen zu kurzfristig angesetzt. In einem den Kanton
Zug betreffenden Straffall hat das Bundesgericht die Ansetzung einer
Berufungsverhandlung auf drei Tage später wegen der drohenden Verjährung
geschützt (unveröffentlichtes Urteil 1P.47/1997 i.S. F. vom 8. Oktober 1997,
E. 7c). Allerdings ging es damals um die Vorladung zur zweiten Verhandlung;
gemäss § 75 Abs. 3 StPO/ZG in der früheren Fassung vom 15. März 1979 (GS 21,
252) galt die Berufung erst nach zweimaligem unentschuldigten Ausbleiben des
Berufungsklägers als zurückgezogen. Im erwähnten Urteil des Kantonsgerichts
Graubünden vom 7. Oktober 1993 wurde die Zeitspanne von sieben Werktagen
Vorbereitungszeit für eine Berufungsverhandlung im damaligen Straffall als
"mehr als ausreichend" bezeichnet (PKG 1993 Nr. 27 E. 2a S. 98). Die von der
Beschwerdeführerin zitierte Lehrmeinung von Hauser/Schweri, die gestützt auf
dieses Urteil eine Vorbereitungsfrist von mindestens sieben Werktagen in
einfachen Fällen fordert (a.a.O., § 55 Rz. 4a), ist in ihrer Formulierung
somit zu absolut. Im Lichte von Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK ist daran
festzuhalten, dass die konkreten Umstände des Einzelfalls für die
Angemessenheit der Frist entscheidend sind.

2.3.3 Grundsätzlich trifft es zu, dass eine Vorbereitungszeit von drei
Werktagen für die Vorbereitung einer Berufungsverhandlung auch in einfachen
Straffällen wie dem vorliegenden eher knapp bemessen ist. Hier verursachte
wohl namentlich die an dieser Verhandlung vorgesehene Gegenüberstellung mit
den beiden Belastungszeugen im Hinblick auf den Vorfall vom 24./25. September
2002 einen gewissen Vorbereitungsaufwand. Im Übrigen weist das Kantonsgericht
aber zu Recht darauf hin, dass die Akten nicht umfangreich sind. Die
Staatsanwaltschaft hatte sowohl auf eine Anschlussberufung wie auch auf eine
Berufungsantwort in der Sache verzichtet. Folglich kann die
Beschwerdeführerin aus dem Umstand, dass der Verteidiger die entsprechende
Erklärung erst am letzten Werktag vor der Verhandlung erhielt, nichts zu
ihren Gunsten ableiten.
Ins Gewicht fällt weiter, dass der Verteidiger die vom Gericht angebotenen
Ersatztermine für eine Verhandlung am 15. oder 16. September 2004
ausgeschlagen hat. Da sich das Gericht im Hinblick auf die Ansetzung eines
Termins vor Eintritt der Verjährung flexibel zeigte, kann es einerseits keine
Rolle spielen, ob die Ansetzung des Termins vom 13. September 2004 vorgängig
mit dem Anwalt der Beschwerdeführerin abgesprochen wurde. Unter
Berücksichtigung der Ersatztermine wären für die Vorbereitung anderseits
mindestens fünf Werktage bzw. eine ganze Woche zur Verfügung gestanden.
Angesichts der Vielzahl der Eingaben, die der Verteidiger in der kurzen
Zeitspanne vor der Verhandlung für die von ihm angestrebte Verschiebung
machte, stand seine anderweitige berufliche Belastung einer eingehenden
Befassung mit diesem Verfahren offensichtlich nicht im Wege. Unter den
besonderen Umständen des vorliegenden Falls kann eine Vorbereitungszeit von
drei Werktagen als ausreichend für die Wahrnehmung der Verteidigungsrechte
betrachtet werden.

2.4 Demzufolge hat das Strafgericht mit der kurzfristigen Ansetzung der
Berufungsverhandlung und insbesondere mit einer Zustellung der Vorladung an
die Beschwerdeführerin, die sie nur sechs Tage vor diesem Termin erhielt,
weder gegen Art. 29 Abs. 2 oder Art. 32 Abs. 2 BV noch gegen Art. 6 Ziff. 1
bzw. Ziff. 3 lit. b EMRK verstossen.

3.
3.1 In Art. 32 Abs. 2 BV wird als Konkretisierung des Anspruchs auf auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) unter anderem das Recht gewährleistet,
dass der Angeschuldigte einen Verteidiger beiziehen kann. Diese Garantie
entspricht dem Gehalt von Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. c EMRK (vgl. die
Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996 über eine neue
Bundesverfassung, BBl 1997 I 187). Aus dem Recht des Beschuldigten auf Beizug
eines Rechtsbeistands leitet die Rechtsprechung namentlich einen Anspruch
darauf ab, dass der privat bestellte Verteidiger an der Haupt- bzw.
Berufungsverhandlung teilnehmen kann (BGE 113 Ia 218 E. 3c S. 222 f.).
3.2
3.2.1Bei einer fakultativen Verteidigung ist die Durchführung der
Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Verteidigers nicht zwingend
verfassungswidrig. Beim Entscheid darüber, ob allenfalls eine solche
Verhandlung ohne Verteidiger durchgeführt werden darf, sind das Interesse an
einer zeitgerechten Verfahrensabwicklung und der Anspruch des Angeklagten auf
Verteidigung durch den selbst gewählten Rechtsbeistand gegeneinander
abzuwägen (Urteil 2P.50/1992 vom 21. September 1993, E. 4a/bb, in: StE 1994 B
101.8 Nr. 12).

3.2.2 Es ist dem Grundsatz nach zulässig, ein Strafverfahren auch dann
durchzuführen, wenn der Angeschuldigte nicht alle Anforderungen an seine
Prozessfähigkeit im Sinne des Zivilprozessrechts erfüllt. Bei nur
eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit sehen die Prozessgesetze Kautelen vor,
z.B. die notwendige Verteidigung, wenn der Angeschuldigte infolge geistiger
oder körperlicher Beeinträchtigungen seine Rechte nicht selber zu wahren
vermag (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, Rz. 467 f.;
Gérard Piquerez, Manuel de procédure pénale suisse, Zürich 2001, Rz. 866).

3.2.3 Im Falle einer notwendigen Verteidigung stellt die Durchführung der
Berufungsverhandlung ohne Anwesenheit des Rechtsbeistands einen Verstoss
gegen die Verteidigungsrechte des Angeklagten dar (BGE 113 Ia 218 E. 3c S.
223). Selbst wenn der Beschuldigte trotz ordnungsgemässer Vorladung und ohne
Entschuldigung zur Berufungsverhandlung nicht erscheint, darf ihm das Recht,
von einem Anwalt an dieser Verhandlung wirksam verteidigt zu werden, nicht
verunmöglicht werden; auch in einer solchen Konstellation hat er Anspruch auf
amtliche Verteidigung (BGE 127 I 213 E. 3a S. 216).
Wird von den Behörden untätig geduldet, dass ein privat bestellter
Verteidiger im Falle einer notwendigen Verteidigung seine anwaltlichen
Berufs- und Standespflichten zum Schaden des Angeschuldigten in
schwerwiegender Weise vernachlässigt, kann darin eine Verletzung der
grundrechtlich gewährleisteten Verteidigungsrechte liegen (BGE 124 I 185 E.
3b S. 190). Wenn der Wahlverteidiger an der Verhandlung fehlt, genügt es
nicht, dass das Gericht dem Angeklagten hierfür einen amtlichen Verteidiger
bestellt. Diesem muss seinerseits genügend Vorbereitungszeit gewährt werden.
Dazu ist die Verhandlung zu vertagen oder mindestens für eine genügend lange
Zeitspanne zu unterbrechen (EGMR i.S. Goddi gegen Italien vom 9. April 1984,
Serie A Band 76 Ziff. 31 = EuGRZ 1985, S. 237). Falls bereits im Voraus
absehbar ist, dass ein privat bestellter Verteidiger nicht in der Lage oder
nicht gewillt ist, innert vernünftiger und zumutbarer Frist einen
verbindlichen Verhandlungstermin zu vereinbaren, dann ist die
Verfahrensleitung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die
vertretene Partei vor die Wahl zu stellen, ob sie innert angemessener Frist
entweder einen anderen selbst gewählten Parteivertreter beauftragt oder aber
sich durch einen amtlich bestellten Offizialverteidiger vertreten lässt
(Urteil 1P.139/1999 i.S. T. vom 28. Mai 1999, E. 2d/aa, auszugsweise
veröffentlicht in: SZIER 1999, S. 555 f.)
3.2.4Selbst bei notwendiger Verteidigung verdient allerdings eine
missbräuchliche Berufung auf die Verteidigungsrechte keinen Schutz (Urteil
6P.113/1999 vom 24. Februar 2000, E. 2c, veröffentlicht in Zeitschrift für
Walliser Rechtsprechung [ZWR/RVJ] 2000 S. 288 ff.). Das Verbot des
Rechtsmissbrauchs erstreckt sich auf die gesamte Rechtsordnung; Missbrauch
ist insbesondere dann gegeben, wenn ein Rechtsinstitut zweckwidrig zur
Verwirklichung von Interessen verwendet wird, die dieses Rechtsinstitut nicht
schützen will (BGE 130 IV 72 E. 2.2 S. 74; 128 II 145 E. 2.2 S. 151, je mit
Hinweisen). Rechtsmissbräuchlich ist namentlich das widersprüchliche
Verhalten eines Angeschuldigten, bei einer notwendigen Verteidigung
kurzfristig auf die Inanspruchnahme seines Anwalts für eine Verhandlung zu
verzichten und dennoch an ihm als Rechtsbeistand grundsätzlich festzuhalten.
Falls der Angeschuldigte unter solchen Umständen für diese Verhandlung einen
amtlichen Verteidiger verlangt, um dadurch deren Vertagung zu erreichen, kann
das Gericht die Verhandlung trotz Fernbleiben des Anwalts und ohne Bestellung
eines amtlichen Verteidigers durchführen. Das Rechtsinstitut der notwendigen
Verteidigung dient dem Zweck, dem Angeklagten einen fairen Prozess zu
sichern. Es geht nicht an, dass ein Angeschuldigter versucht, es diesem Zweck
zu entfremden und für Verzögerungsmanöver zu benutzen (vgl. genanntes Urteil
6P.113/1999 vom 24. Februar 2000, E. 2e; bestätigt durch EGMR-Entscheid vom
23. Oktober 2001, Ziff. 2b in: VPB 2002, S. 1294 f.).
3.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Strafgericht habe ihr
rechtliches Gehör sowie ihre Verteidigungsrechte verletzt, indem es die von
ihrem Rechtsvertreter beantragte Verschiebung der Verhandlung vom 13.
September 2004 verweigert habe. Aufgrund dessen hätte sie ohne Rechtsbeistand
an dieser Verhandlung teilnehmen müssen, obwohl sie nicht verhandlungsfähig
gewesen sei und damit ein Fall notwendiger Verteidigung vorgelegen habe. Ihr,
der Beschwerdeführerin, hätte deshalb ein amtlicher Verteidiger beigegeben
werden müssen.
Das Strafgericht hat die Frage, ob vorliegend ein Grund für die Annahme von
notwendiger Verteidigung gegeben war, gestützt auf § 10ter Abs. 2 StPO/ZG
offen gelassen. Nach dieser Bestimmung setzt der zuständige Richter dem
Beschuldigten unverzüglich Frist zur Bestellung eines Verteidigers an, wenn
ein Fall von notwendiger Verteidigung vorliegt und der Beschuldigte keinen
Wahlverteidiger bestellt hat. Das Strafgericht erwog, die Beschwerdeführerin
werde bereits durch ihren Wahlverteidiger vertreten. Unter Berücksichtigung
der Vorgeschichte erklärte es, sein Fernbleiben sei nicht zu entschuldigen.
Folglich sehe es sich nicht veranlasst, einen amtlichen Verteidiger zu
ernennen. Da es die Abwesenheit der Beschwerdeführerin ebenfalls als
unentschuldigt einstufte, wurde das Verfahren androhungsgemäss als durch
Rückzug der Berufung erledigt abgeschrieben.

3.4
3.4.1Der Anwalt der Beschwerdeführerin hat nie genauere Angaben gemacht, die
es erlaubt hätten, die Begründetheit seiner angeblichen Terminkollisionen
konkret zu überprüfen. Er war weder an den vom Gericht angebotenen
Ersatzdaten verfügbar noch konnte er einen Ersatztermin vor dem Ablauf der
Verjährungsfrist für das Verkehrsdelikt vom 21. September 2002 angeben, das
der Beschwerdeführerin vorgeworfen wurde.
Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus eigener Initiative beim Verteidiger
Angaben und Belege für die behaupteten Terminkollisionen einzuholen. Die
Justizbehörden haben keine Möglichkeit, die Teilnahme des Privatverteidigers
an der Berufungsverhandlung durchzusetzen (Titus Graf, Effiziente
Verteidigung im Rechtsmittelverfahren, Diss. Zürich 2000, S. 161). Nach den
gesamten Umständen durfte das Strafgericht aber in seinem Beschluss darauf
hinweisen, dass sich der Privatverteidiger ohne nachvollziehbaren Grund über
die Ablehnung des Verschiebungsgesuchs hinweggesetzt hatte.

3.4.2 Bei dieser Sachlage hätte das Strafgericht eigentlich abklären müssen,
ob die gemäss Zeugnis des Kantonsarzts vom 10. September 2004 gesundheitlich
angeschlagene Beschwerdeführerin zum Schutz ihrer Verteidigungsrechte einen
Rechtsbeistand benötigte. Es konnte indessen darauf verzichten, wenn sich die
Beschwerdeführerin im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
missbräuchlich auf die Abwesenheit ihres Anwalts berief. Beim genannten
Urteil 6P.113/1999 vom 24. Februar 2000 (E. 3.2.4) bejahte das Bundesgericht
den Missbrauch der Verteidigungsrechte, weil der Angeklagte seinen Anwalt,
mit dessen Arbeit er ausdrücklich zufrieden war, davon abgehalten hatte, an
der Verhandlung teilzunehmen, um deren Vertagung zu erreichen.
Ausschlaggebend war dabei für das Bundesgericht weniger das aktive Handeln
des Angeschuldigten als vielmehr die Widersprüchlichkeit seines Verhaltens
(a.a.O., E. 2e). Nicht anders verhält es sich, wenn ein Angeschuldigter mit
dem selben Ziel die Dienste seines Wahlverteidigers bewusst nicht
beansprucht, obwohl er an ihm als Rechtsbeistand festhält. Im Folgenden ist
der Frage nachzugehen, ob sich die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die
Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte widersprüchlich verhalten hat.

3.4.3 Aus den Akten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin und ihr Anwalt
in den Tagen vor der Verhandlung wiederholt in Verbindung standen. Er hatte
darauf bestanden, die Terminabsprache für die kantonsärztliche Untersuchung
habe ausschliesslich über ihn zu erfolgen. Das kantonsärztliche Zeugnis ist
sogar an ihn adressiert. In diesem Zeugnis wird die Teilnahme an der
Verhandlung für die Beschwerdeführerin als zumutbar erachtet, wenn sie unter
anderem von einer Vertrauensperson begleitet werden könne. Die
Berücksichtigung dieses gesundheitlichen Anliegens hat das Strafgericht dem
Verteidiger ausdrücklich zugesichert und ihn über die Modalitäten informiert.
Der Inhalt der Eingabe, die er daraufhin verfasste und die das Strafgericht
unmittelbar vor der Verhandlung per Telefax erhielt, setzt seine vorgängige
Rücksprache mit der Beschwerdeführerin voraus. In dieser Eingabe wurde
mitgeteilt, es finde sich keine Vertrauensperson, die sie an die Verhandlung
begleiten könne. Dabei sei klarzustellen, dass sie ihren Anwalt unter dem
Begriff der Vertrauensperson verstehe und nicht eine Person aus ihrem
privaten Kreis. Sie bedürfe nicht nur einer persönlichen, sondern auch einer
fachlichen Unterstützung.
Daraus folgt, dass die Beschwerdeführerin im Voraus wusste, ihr Anwalt würde
nicht an der Verhandlung teilnehmen. Es wird weder behauptet noch ist es
ersichtlich, dass sie ihm dieses Fernbleiben als Pflichtverletzung
vorgeworfen hätte. Im Gegenteil brachte sie ihn mit der letzten Eingabe vor
der Verhandlung neu als zusätzlich erwünschte persönliche Begleitung - im
Hinblick auf das kantonsärztliche Zeugnis - ins Spiel. Dies lässt keinen
anderen Schluss zu, als dass sie die Abwesenheit ihres Anwalts an der
Verhandlung bewusst in Kauf nahm, obwohl sie ihn als Rechtsbeistand
beibehalten wollte. Auch im bundesgerichtlichen Verfahren lässt sie sich
wiederum durch ihn vertreten. Die Strategie diente dem Zweck, eine Vertagung
des Gerichtstermins zu erreichen, nachdem die früheren Verschiebungsgesuche
ihres Anwalts abgelehnt worden waren. Die Vertagung wurde in der letzten
Eingabe vor der Verhandlung auch gefordert.

3.4.4 Zusammengefasst hat die Beschwerdeführerin einerseits die Dienste ihres
Anwalts, an dem sie als Rechtsbeistand und als Vertrauensperson festhielt,
für die angesetzte Verhandlung bewusst nicht beansprucht und anderseits aus
seiner Abwesenheit eine Verletzung ihrer grundrechtlichen Verteidigungsrechte
abgeleitet. Ihr Verhalten war nicht nur in sich widersprüchlich; damit wurde
auch versucht, das Institut der Verteidigungsrechte zweckentfremdet für ein
prozessuales Verzögerungsmanöver zu benutzen. Aufgrund der missbräuchlichen
Anrufung dieses Grundrechts konnte das Strafgericht offen lassen, ob ein Fall
notwendiger Verteidigung vorlag. Es war weder gehalten, der
Beschwerdeführerin einen amtlichen Verteidiger zu bestellen noch die
Verhandlung zu vertagen.

3.5 Im Ergebnis wurden die Verteidigungsrechte der Beschwerdeführerin gemäss
Art. 32 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 bzw. Ziff. 3 lit. c EMRK nicht dadurch
verletzt, dass sie ohne ihren Beistand an der Berufungsverhandlung hätte
teilnehmen müssen. Gegen die Feststellung des Strafgerichts, dass sie selbst
unentschuldigt ferngeblieben ist, erhebt sie im Rahmen der staatsrechtlichen
Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Rügen. Darauf ist demzufolge nicht
weiter einzugehen.
Im Übrigen macht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend, dass es
grundsätzlich verfassungs- bzw. konventionswidrig wäre, das Eintreten auf
eine Berufung - nebst der Einhaltung bestimmter Formvorschriften - auch vom
Erscheinen des erstinstanzlich Verurteilten zur Berufungsverhandlung abhängig
zu machen. Anders als in BGE 127 I 213 war sie an der erstinstanzlichen
Verhandlung durch ihren Verteidiger vertreten. Er nahm dort ihre
Verteidigungsrechte wahr. Im Unterschied zu jenem Fall beruht ihre
Verurteilung allemal auf einem Verfahren, in dem ihre Verteidigungsrechte
zumindest vor einer gerichtlichen Instanz in vollem Umfang gewährleistet
waren.

4.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
abzuweisen. Bei diesem Ausgang trägt die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft  und dem
Strafgericht des Kantons Zug, Berufungskammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. März 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: