Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.617/2004
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1P.617/2004 /ggs

Urteil vom 23. Dezember 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Féraud,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Bruno
Krummenacher,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Pierre
Tobler,
Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden, vertreten durch Staatsanwalt Leo von
Moos, Polizeigebäude, Postfach 1561, 6061 Sarnen 1,
Obergericht des Kantons Obwalden als Appellationsinstanz in Strafsachen,
Postfach 1260, 6061 Sarnen 1.

Art. 8 Abs. 1, Art. 9, 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 1 und 2 BV, Art. 6 EMRK
(Strafverfahren; SVG),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Obwalden als Appellationsinstanz in Strafsachen vom 14. September 2004.

Sachverhalt:

A.
Am 21. April 2000 kam es auf der Brünigstrasse von Sarnen Richtung Alpnach
bei der Abzweigung Dörflistrasse zu einem schweren Verkehrsunfall. X.________
wollte mit seinem Personenwagen von der Brünigstrasse nach links in die
Dörflistrasse abbiegen, worauf der ihm folgende und im gleichen Moment
überholende Motorradfahrer Y.________ in die linke Seite des abbiegenden
Personenwagens prallte. Y.________ und sein Mitfahrer A.________ wurden
schwer verletzt. Eine Blutprobe ergab, dass Y.________ im Unfallzeitpunkt
einen Blutalkoholwert von mindestens 1,39 Promille hatte.

B.
Y.________ erhob Strafklage gegen X.________ wegen fahrlässiger
Körperverletzung. Mit Strafbefehl vom 28. März 2002 bestrafte das Verhöramt
Obwalden Y.________ wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand mit 18 Tagen
Gefängnis bedingt und einer Busse von Fr. 2'000.--. Gleichentags wurde
X.________ durch Strafbefehl wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung mit
einer Busse von Fr. 500.-- bestraft. Auf Einsprache von X.________ erliess
das Verhöramt einen neuen, gleichlautenden Strafbefehl.

C.
Nachdem X.________ erneut Einsprache erhoben hatte, stellte das Verhöramt die
Akten der Staatsanwaltschaft Obwalden zu mit dem Antrag auf Überweisung an
das Kantonsgericht Obwalden. Die Staatsanwaltschaft erhob am 24. Februar 2003
Anklage gegen X.________ wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung gemäss
Art. 125 Abs. 1 und 2 StGB, begangen durch ungenügende Vorsicht auf den
nachfolgenden Verkehr beim Linksabbiegen (Widerhandlung gegen Art. 34 Abs. 3
des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 [SVG; SR 741.01]).

D.
Mit Urteil vom 8. April 2003 sprach das Kantonsgericht X.________ vom Vorwurf
der fahrlässigen schweren Körperverletzung aus Mangel an Beweisen frei.

Dagegen appellierte Y.________ an das Obergericht des Kantons Obwalden. Die
Staatsanwaltschaft hielt an der Darstellung in der Anklage vom 24. Februar
2003 fest und beantragte die Gutheissung der Appellation.

E.
Am 14. September 2004 hiess das Obergericht die Appellation gut und hob das
Urteil des Kantonsgerichts auf. Es sprach X.________ der fahrlässigen
Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 und 2 StGB, begangen durch Verletzung
von Verkehrsregeln (Art. 34 Abs. 3 SVG und Art. 13 Abs. 4 der
Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]) schuldig und
verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 500.-- nebst Kosten und
Parteientschädigung.

F.
Gegen das obergerichtliche Urteil erhebt X.________ staatsrechtliche
Beschwerde ans Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids.

G.
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden nehmen in
ihren Vernehmlassungen zu den Rügen des Beschwerdeführers Stellung, ohne
einen ausdrücklichen Antrag zu stellen. Y.________ schliesst auf Abweisung
der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in Strafsachen,
gegen den die staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht offen steht,
soweit die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt wird (Art. 84 Abs. 1
lit. a OG; Art. 269 Abs. 2 BStP). Da alle Sachurteilsvoraussetzungen
vorliegen, ist auf die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich -
vorbehältlich zulässiger und genügend begründeter Rügen - einzutreten.

Nicht einzutreten ist dagegen auf diejenigen Rügen, mit denen der
Beschwerdeführer die Verletzung von Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen
des Bundesrechts geltend macht. Dazu gehören neben Art. 125 StGB, Art. 34
Abs. 3 SVG, Art. 13 Abs. 4 VRV und den strafrechtlichen Verjährungsregeln
auch die Frage, ob der Beschwerdeführer sich auf den aus Art. 26 Abs. 1 SVG
abgeleiteten Vertrauensgrundsatz berufen darf (vgl. BGE 127 IV 34 E. 2b S. 40
mit Hinweisen).

2.
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie, die Sachverhaltsfeststellung und
die Beweiswürdigung des Obergerichts seien willkürlich (Art. 9 BV).

2.1 Das Obergericht sei davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer den
Beschwerdegegner nie als Verkehrsteilnehmer hinter sich wahrgenommen habe,
obwohl sich dieser auf einer geraden Strecke von mehreren hundert Metern mit
nicht übersetzter Geschwindigkeit angenähert habe. Diese Feststellung sei
unhaltbar und lasse wesentliche bewiesene Sachverhaltselemente ausser Acht:

Unstreitig sei, dass der Beschwerdeführer bereits nach der Kreuzstrasse, d.h.
ca. 800 m vor der Unfallstelle, zwei Motorräder hinter sich gesehen habe.
Auch als er den Blinker gestellt habe, ca. 120 m vor der Unfallstelle, habe
er zwei Motorräder im Rückspiegel gesehen. In der Zwischenzeit, zwischen der
Kreuzstrasse und dem Ort, an dem der Beschwerdeführer sein Abbiegemanöver
eingeleitet habe, sei jedoch eine Änderung bezüglich der ihm nachfolgenden
Fahrzeuge eingetreten: Der Beschwerdegegner habe das ursprünglich zweite
Motorrad von B.________ kurz nach Aufhebung der 70-km/h-Beschränkung überholt
und sich hinter das Motorrad von C.________ gesetzt. Dies ergebe sich sowohl
aus der Zeugenaussage von B.________ vom 21. April 2000 als auch aus einer
Skizze des Beschwerdegegners. Dieses Überholmanöver habe mehr als 510 m vor
der Unfallstelle bzw. rund 400 m vor der Stelle, an welcher der
Beschwerdeführer sein Abbiegemanöver einleitete, stattgefunden.

Dann aber müsse das zweite Motorrad, das der Beschwerdeführer sah, als er
sein Abbiegemanöver einleitete, zwingend dasjenige des Beschwerdegegners
gewesen sein. Die erwiesene zeitliche und räumliche Distanz zwischen dem
Überholen des 2. Motorrades (B.________) durch den Beschwerdegegner und dem
Abbiegemanöver sei vom Obergericht nicht beachtet worden, obwohl es aus den
Akten klar hervorgegangen sei. Das Obergericht sei deshalb fälschlicherweise
davon ausgegangen, der zweite vom Beschwerdeführer wahrgenommene
Motorradfahrer sei der - effektiv bereits viel früher überholte und somit
zurückliegende - B.________ gewesen; dies habe das Gericht zur falschen
Annahme geführt, der Beschwerdeführer habe den Beschwerdegegner mangels
genügender Aufmerksamkeit nie gesehen. Dies sei willkürlich.

2.2 Es erscheint fraglich, ob auf diese Rüge überhaupt eingetreten werden
kann: Der Beschwerdeführer macht erstmals vor Bundesgericht geltend, er habe
das Motorrad des Beschwerdegegners bei Einleitung seines Abbiegemanövers im
Rückspiegel gesehen, und zwar an zweiter Stelle, hinter demjenigen von
C.________. Neue tatsächliche Vorbringen sind jedoch im Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots
grundsätzlich unzulässig (BGE 118 Ia 20 E. 5a S. 26; 108 II 69 E. 1 S. 71;
107 Ia 187 E. 2b S. 191; je mit Hinweisen). Die Frage kann jedoch offen
bleiben, weil sich die Rüge ohnehin als unbegründet erweist.

2.3 Bei seiner polizeilichen Einvernahme, einen Tag nach dem Unfall, sagte
der Beschwerdeführer aus, er habe, bevor er abgebogen sei, in den Rückspiegel
geschaut und habe die ihm folgenden Motorradlenker gesehen, welche auf ihrer
Spur geblieben seien. Er fügte hinzu: "Ich muss annehmen, dass der
überholende Motorradfahrer sich zum Zeitpunkt, als ich das Abbiegemanöver
vollzog, im so genannten toten Winkel befand."

Bei seiner richterlichen Einvernahme vom 12. April 2001 sagte der
Beschwerdeführer Folgendes aus: "Im Rückspiegel sah ich zwei kleinere Töffli,
nicht Mofas. Vielleicht so 125er. Als ich den Blinker stellte, habe ich die
beiden Töffli noch im Rückspiegel gesehen. Sie hatten genügend Abstand zu
mir, ca. 30 - 40 Meter. Danach habe ich nicht mehr in den Rückspiegel
geschaut, sondern konzentrierte mich auf das Abbiegemanöver" (S. 2 Ziff. 7).
Auf die Frage, wann er das Motorrad des Beschwerdegegners zum ersten Mal
erblickt habe, antwortete der Beschwerdeführer: "Als es nach der Kollision
neben seinem Auto lag" (S. 3 Ziff. 10). Auf die Ergänzungsfrage von
Rechtsanwalt Tobler: "War der Motorradfahrer Y.________ einer der beiden
Töfflifahrer, die Sie im Rückspiegel gesehen haben?" antwortete der
Beschwerdeführer: "Nein. Die beiden waren sicher schon seit mindestens 200
Metern hinter mir. Die waren schon seit dem Restaurant Kreuzstrasse hinter
mir" (S. 4 Ziff. 15).

Der Zeuge B.________ fuhr eine Piaggio Vespa 125, der Zeuge C.________ eine
Honda VT125; der Beschwerdegegner war dagegen mit einem viel schwereren
Motorrad unterwegs (Guzzi 850). Die Beschreibung der Motorräder als "Töfflis"
und die Schätzung des Beschwerdeführers, es habe sich um 125er gehandelt,
spricht deshalb dafür, dass es sich bei den im Rückspiegel beobachteten
Motorrädern um diejenigen der Zeugen B.________ und C.________ handelte.
Zudem war der Beschwerdeführer sich sicher, dieselben Motorräder schon am
Restaurant Kreuzstrasse gesehen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt folgten ihm
aber unstreitig nur die Motorräder der Zeugen B.________ und C.________.

Zwar war der Zeuge B.________ unsicher, ob der Beschwerdegegner, nachdem er
ihn überholt hatte, wieder auf die rechte Spur einschwenkte oder auf der
linken Spur blieb (vgl. einerseits die Aussage vom 21. April 2000 und
andererseits die Aussage vor dem Kantonsgericht, Ziff. 6-9 und Ziff. 13.1).
Sicher war er dagegen, dass der Beschwerdegegner bereits zum Überholen der
vor sich Fahrenden (d.h. des Motorrads von C.________ und des Personenwagens
des Beschwerdeführers) angesetzt hatte, bevor der Personenwagen verlangsamte,
und dass der Beschwerdegegner sich über eine grössere Distanz auf der linken
Fahrspur (d.h. auf der Gegenfahrbahn) befunden hatte. Dies spricht gegen die
These des Beschwerdeführers, wonach er das Motorrad des Beschwerdegegners zum
Zeitpunkt, als er in den Rückspiegel blickte, auf der rechten Fahrspur hinter
dem Motorrad von C.________ gesehen habe.

Wäre dem tatsächlich so gewesen, so hätte der Beschwerdeführer im Rückspiegel
nicht zwei, sondern drei Motorräder sehen müssen. Das Motorrad von B.________
blieb laut dessen Aussage in ca. 70 bis 80 m Abstand zum vorausfahrenden
Motorrad, und musste abbremsen, als der Beschwerdeführer anfing zu verzögern
(Aussage von B.________ vor dem Kantonsgericht Ziff. 4). Auch das Motorrad
von B.________ war somit noch im Blickfeld des Beschwerdeführers und nicht,
wie dieser geltend macht, weit zurückliegend.

Die Feststellung des Obergerichts, der Beschwerdeführer habe das Motorrad des
Beschwerdegegners vor dem Unfall nie gesehen, kann sich demnach auf die
Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugen stützen und ist keineswegs
willkürlich.

2.4 Dem Obergericht kann auch nicht vorgeworfen werden, es habe dem
Beschwerdeführer den faktisch unmöglichen Beweis dafür zugeschoben, wo der
Beschwerdegegner im fraglichen Augenblick gewesen sei, und habe damit den
Grundsatz der Unschuldsvermutung (Art. 6 Ziff. 2 EMRK, Art. 32 Abs. 1 BV)
verkannt: Das Obergericht warf dem Beschwerdeführer nicht vor, dass er den
Beschwerdegegner beim Abbiegevorgang selbst nicht gesehen habe, sondern dass
er ihn zuvor, über einen längeren Zeitraum, auf einer geraden Strecke, bei
dessen allmählicher Annäherung mit nicht übersetzter Geschwindigkeit, nie als
Verkehrsteilnehmer hinter sich wahrgenommen habe. Dies durfte das Obergericht
nach dem oben (E. 2.3) Gesagten willkürfrei als erstellt erachten. Die Frage,
wo sich der Beschwerdegegner im Zeitpunkt befand, als der Beschwerdeführer in
den Rückspiegel blickte und sein Abbiegemanöver begann, war deshalb nicht
massgeblich und musste nicht näher abgeklärt werden. Gleiches gilt für die
anderen in der Beschwerdeschrift aufgeführten, nicht geklärten Distanzen,
Positionen und Geschwindigkeiten.

3.
Als willkürlich erachtet der Beschwerdeführer auch die Bewertung der
Kontrollfahrt vom 23. November 2000 durch das Obergericht. Er habe eine gute
Kontrollfahrt gemacht, zu der ihm der Leiter des Strassenverkehrsamtes sogar
gratuliert habe. Die Bemerkung des Verkehrsexperten, der Beschwerdeführer
sollte den Spiegel bewusster und vermehrt einsetzen, beweise nichts bezüglich
des konkreten Verhaltens des Beschwerdeführers am Unfalltag.

Das Obergericht gelangte bereits aufgrund anderer Beweismittel zum Ergebnis,
der Beschwerdeführer habe den Beschwerdegegner nie als Verkehrsteilnehmer
hinter sich wahrgenommen; es nahm deshalb an, der Beschwerdeführer habe sein
Abbiegemanöver mangels Rücksichtnahme auf den rückwärtigen Verkehr ungenügend
vorbereitet (E. 5b S. 14-16), weshalb er sich nicht auf den
Vertrauensgrundsatz berufen könne (E. 5c S. 17). Diese Beurteilung - so das
Obergericht - stehe auch nicht im Widerspruch zu der mit dem Beschwerdeführer
durchgeführten Kontrollfahrt im November 2000: Das Strassenverkehrsamt habe
in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgehalten, der Spiegel müsse bewusster
und vermehrt eingesetzt werden. Diese Feststellung lasse erkennen, dass der
Beschwerdeführer selbst nach dem Unfall im Rahmen einer offiziellen
Kontrollfahrt durch ungenügendes Beobachten des nachfolgenden Verkehrs
aufgefallen sei (E. 5c S. 17/18).

Diese Erwägung lässt keine Willkür erkennen: Zwar beging der Beschwerdeführer
bei seiner Kontrollfahrt keine Verkehrsregelverletzung; insbesondere kam es
nicht zu einer konkreten oder erhöhten Gefährdung wegen unzweckmässiger
Beobachtung. Dennoch fiel dem Verkehrsexperten auf, dass der Beschwerdeführer
den Spiegel nicht bewusst und häufig genug einsetzt. War dies sogar bei einer
offiziellen Kontrollfahrt der Fall, bei der insbesondere geprüft werden
sollte, ob der Beschwerdeführer seiner Pflicht zur Beobachtung des
rückwärtigen Verkehrs nachkommt (vgl. Auftrag vom 9. Oktober 2000), so durfte
das Obergericht ohne Willkür annehmen, dass der Beschwerdeführer auch am Tag
des Unfalls die Spiegel nicht häufiger und bewusster eingesetzt habe.
Insofern durfte es die Bemerkung des Verkehrsexperten willkürfrei als
Bestätigung seines Beweisergebnisses beurteilen.

4.
Der Beschwerdeführer rügt ferner eine Verletzung des Anklageprinzips: Das
Obergericht habe ihm auch zur Last gelegt, beim Abbiegen die Kurve
geschnitten und somit Art. 13 Abs. 4 VRV verletzt zu haben. Im
Überweisungsantrag des Verhöramtes vom 26. Juli 2002 habe jedoch jeglicher
Hinweis auf den Sachverhalt eines möglichen Kurvenschneidens gefehlt; auch in
der Anklageschrift habe ihm die Staatsanwaltschaft keine Verletzung von Art.
13 Abs. 4 VRV vorgeworfen.

4.1 Der Anklagegrundsatz verteilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
die Aufgaben zwischen den Untersuchungs- bzw. Anklagebehörden einerseits und
den Gerichten andererseits. Er bestimmt den Gegenstand des
Gerichtsverfahrens. Die Anklage hat die dem Angeklagten zur Last gelegten
Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe
genügend konkretisiert sind. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz
der Verteidigungsrechte des Angeschuldigten und dient dem Anspruch auf
rechtliches Gehör (BGE 126 I 19 E. 2a S. 21 mit Hinweisen). Nach Art. 6 Ziff.
3 lit. a EMRK und Art. 32 Abs. 2 BV hat der Angeschuldigte Anspruch darauf,
in möglichst kurzer Frist über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen
Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden. Diese Angaben schliessen es
jedoch nicht aus, dass eine spätere Verurteilung wegen eines gleichartigen
oder geringfügigeren Delikts erfolgt. Das Gericht ist an den in der Anklage
wiedergegebenen Sachverhalt gebunden, nicht aber an dessen rechtliche
Würdigung durch die Anklagebehörde (BGE 126 I 19 E. 2a S. 20; so auch
ausdrücklich Art. 124 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Obwalden vom
9. März 1973). Allerdings hat der Angeklagte, gestützt auf den Anspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), das Recht, zu einer von der Anklage
abweichenden rechtlichen Würdigung des ihm vorgeworfenen Sachverhalts
Stellung nehmen zu können (BGE 126 Ia 19 E. 2c und d S. 22 ff. mit
Hinweisen).

4.2 Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer nicht wegen Verletzung
der Verkehrsregel von Art. 13 Abs. 4 VRV gemäss Art. 96 VRV bzw. Art. 90 SVG
verurteilt, sondern wegen fahrlässiger Körperverletzung; lediglich der
Fahrlässigkeitsvorwurf stützte sich - neben der Verletzung von Art. 34 Abs. 3
SVG - auf die Verletzung der in Art. 13 Abs. 4 VRV enthaltenen Verkehrsregel.
Der diesem Vorwurf zugrunde liegende Sachverhalt ("Kurvenschneiden") war
bereits in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft enthalten (Ziff. 3a S. 8
der Anklageschrift). Insofern liegt der Verurteilung kein anderer Sachverhalt
zugrunde als der Anklageschrift, weshalb der Anklagegrundsatz nicht verletzt
wurde.

4.3 Der Beschwerdegegner hatte schon in seiner Stellungnahme vom 6. Juni 2001
den Standpunkt vertreten, der Beschwerdeführer habe ausgesprochen früh mit
der Linkskurve begonnen, deutlich vor dem Beginn des Mündungstrichters der
Dörflistrasse, und habe damit den nachfolgenden Verkehr massiv behindert. In
seiner Appellation vom 12. Mai 2003 machte der Beschwerdegegner erneut auf
das unzulässige Schneiden der Kurve beim Linksabbiegen aufmerksam. Sodann
teilte der Obergerichtspräsident den Parteien mit Schreiben vom 27. Juli 2004
mit, dass das Obergericht im Appellationsverfahren, im Rahmen der dem
Angeklagten vorgeworfenen mehrfachen fahrlässigen Körperverletzung, auch die
Frage einer Verkehrsregelverletzung nach Art. 13 Abs. 4 VRV prüfen werde.
Der Beschwerdeführer hatte somit die Möglichkeit, nicht nur zum fraglichen
Sachverhalt ("Kurvenschneiden"), sondern auch zu seiner verkehrsrechtlichen
Beurteilung (Verkehrsregelverletzung nach Art. 13 Abs. 4 VRV) Stellung zu
nehmen. Damit liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder
der Verteidigungsrechte vor.

5.
Ferner rügt der Beschwerdeführer, das Obergericht sei mit keinem Wort auf den
Einwand der Verteidigung eingegangen, wonach der Tatbestand von Art. 13 Abs.
4 VRV schon längstens verjährt sei. Dies verletze die aus dem Anspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) abgeleitete Begründungspflicht und
beschränke seine Verteidigungsrechte (Art. 32 Abs. 2 BV) in unzulässiger
Weise.

Der Beschwerdeführer wurde nur wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäss
Art. 125 Abs. 1 und 2 StGB verurteilt, wie sich eindeutig aus Disp.-Ziff. 2
des angefochtenen Entscheids ergibt, und nicht gesondert wegen Verletzung von
Verkehrsregeln gemäss Art. 96 VRV bzw. Art. 90 SVG. Der Hinweis auf die
Verletzung von Art. 13 Abs. 4 VRV (neben Art. 34 Abs. 3 SVG) erfolgte
lediglich zur Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfs, da sich der Umfang der
im Strassenverkehr zu beachtenden Sorgfalt nach den Bestimmungen des
Strassenverkehrsgesetzes und der Verkehrsregelverordnung richtet.

Die verfassungsrechtliche Begründungspflicht verlangt, dass wenigstens kurz
die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und
auf welche sich ihr Entscheid stützt. Diese ist dagegen nicht verpflichtet,
sich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand
auseinanderzusetzen. Vielmehr darf sie sich auf die für den Entscheid
wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f.; 112 Ia
107 E. 2b S. 110).

Da im vorliegenden Fall keine Verurteilung gemäss Art. 90 SVG bzw. Art. 96
i.V.m. Art. 13 Abs. 4 VRV erfolgte und eine solche auch nie zur Diskussion
stand, war das Obergericht nicht verpflichtet, Ausführungen zur Verjährung
dieser Strafbestimmung zu machen.

6.
Nach dem Gesagten erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als
unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens ist der Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 und 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht
des Kantons Obwalden als Appellationsinstanz in Strafsachen schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 23. Dezember 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: