Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.609/2004
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1P.609/2004 /grl

Urteil vom 18. November 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Gerber.

A. X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Fürsprech lic. iur. Beat Widmer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, Obere Vorstadt 38, 5000
Aarau.

Strafverfahren; Beweiswürdigung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, 1. Strafkammer,
vom 2. September 2004.

Sachverhalt:

A.
A. X.________ wurde am 8. April 2004 vom Bezirksgericht Lenzburg der
mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB
schuldig gesprochen und zu einer Gefängnisstrafe von 10 Monaten unter
Gewährung des bedingten Strafvollzugs verurteilt. Das Gericht hielt es für
erwiesen, dass der Angeklagte seinen Sohn B.X.________ (geboren am 22. März
1987) im Zeitraum 1994 - 2000 einmal an dessen Penis berührt und damit
herumgespielt habe, ihn zweimal am Gesäss und einmal am Brustkorb
gestreichelt und ihm insgesamt über dreissigmal Zungenküsse gegeben habe.

B.
Gegen dieses Urteil erhob A.X.________ Berufung an das Obergericht des
Kantons Aargau. Dieses wies die Berufung am 2. September 2004 ab.

C.
Gegen das Urteil des Obergerichts führt A.X.________ staatsrechtliche
Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt, das obergerichtliche Urteil sei
aufzuheben und die Sache sei zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

D.
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau haben auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid des Aargauer
Obergerichts, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte offen steht (Art. 84 Abs. 1 lit. a und Abs. 2,
Art. 86 Abs. 1 OG; Art. 269 Abs. 2 BStP). Da alle Sachurteilsvoraussetzungen
vorliegen, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer rügt, die kantonalen Gerichte hätten die Beweise
willkürlich gewürdigt und den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt.

2.1 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung steht
den kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür in der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen
ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen
oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich
der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist;
eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis
verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je
mit Hinweisen).

2.2 Der aus der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2
EMRK) abgeleitete Grundsatz "in dubio pro reo" besagt, dass sich der
Strafrichter nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt
überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht
zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht
hat. Die Maxime ist verletzt, wenn der Strafrichter an der Schuld des
Angeklagten hätte zweifeln müssen. Dabei sind bloss abstrakte und
theoretische Zweifel nicht massgebend, weil solche immer möglich sind und
absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Das Bundesgericht legt sich
bei der Würdigung des Beweisergebnisses Zurückhaltung auf. Es greift mit
anderen Worten nur ein, wenn der Sachrichter den Angeklagten verurteilte,
obgleich bei objektiver Würdigung des ganzen Beweisergebnisses offensichtlich
erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an dessen
Schuld fortbestanden (BGE 120 Ia 31 E. 2c und d S. 37 f.).

3.
Zunächst ist zu prüfen, ob das Obergericht bei der Beweiswürdigung in Willkür
verfiel.

3.1 Der Beschwerdeführer rügt zunächst, es sei offensichtlich
widersprüchlich, wenn das Obergericht ausführe, die Glaubwürdigkeit des Sohns
B.X.________ sei gering, und trotzdem - ohne Beizug eines Gutachters - zum
Schluss komme, die Aussagen des Sohns seien glaubhaft.

Das Obergericht unterschied zwischen der allgemeinen, personenbezogenen
Glaubhaftigkeit des Zeugen und der aussagebezogenen Glaubhaftigkeit. Die
allgemeine Glaubhaftigkeit bilde lediglich den Randbereich der Aussageanalyse
und sei keineswegs alleiniges oder überwiegendes Kriterium für die
Überprüfung des Realitätsgehalts einer Aussage. Im Vordergrund stehe vielmehr
die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage, die aufgrund einer inhaltlichen
Analyse, insbesondere anhand so genannter Realkennzeichen, zu prüfen sei.

In der aussagepsychologischen Literatur ist streitig, ob überhaupt am Konzept
einer allgemeinen Glaubwürdigkeit festzuhalten sei (so z.B. Mario Gmür, Das
psychiatrische Glaubwürdigkeitsgutachten, Kriminalistik 2000, S. 128) oder ob
es bei der Beurteilung der Zeugenaussage nur auf die spezielle
Glaubwürdigkeit, d.h. die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der auf ein
bestimmtes Geschehen bezogenen Aussage, ankomme (Günter Köhnken, Die
Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Kinderaussagen, in: Marianne Heer/Renate
Pfister-Liechti, Das Kind im Straf- und Zivilprozess, Bern 2002, S. 12;
Arnulf Möller/Philipp Maier, Grenzen und Möglichkeiten von
Glaubwürdigkeitsbegutachtungen im Strafprozess, SJZ 96/2000 S. 250). Konsens
herrscht jedoch darüber, dass die inhaltliche Analyse der Aussage und nicht
die allgemeine Persönlichkeit des Zeugen im Zentrum der Abklärung des
Wahrheitsgehalts von Zeugenaussagen steht (Volker Dittmann, Zur
Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen, plädoyer 1997 S. 32 f.; Günter Köhnken,
a.a.O., S. 15 ff.; derselbe, Methodik der Glaubwürdigkeitsbegutachtung, in:
Jörg M. Fegert (Hrsg.), Begutachtung sexuell missbrauchter Kinder, Neuwied
2001, S. 33 ff.; Markus Hug, Glaubhaftigkeitsgutachten bei Sexualdelikten mit
Kindern, ZStR 2000, S. 36); dies entspricht auch der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung (BGE 129 I 49 E. 5 S. 58; 128 I 81 E. 2 S. 85 f.).

Insofern ist es nicht von vornherein widersprüchlich oder gar willkürlich,
wenn das Gericht im Einzelfall der Aussage eines Zeugen glaubt, weil sie
Realkennzeichen aufweist, obwohl der Zeuge in der Vergangenheit oftmals
gelogen hat, strafrechtlich vorbelastet ist und ein gespanntes Verhältnis zum
Angeklagten hat. Diese Umstände, die für das Vorliegen einer
Falschbezichtigung sprechen können, müssen selbstverständlich bei der
Bewertung der Aussage mitberücksichtigt werden; sie sind jedoch für sich
allein nicht ausschlaggebend.

Dies gilt auch dann, wenn kein aussagepsychologisches Gutachten eingeholt
worden ist. Das Obergericht nahm an, dass keine besonderen Umstände vorlägen,
welche die Anordnung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens erfordern würden
(angefochtener Entscheid S. 21 oben); der Beschwerdeführer macht in seiner
Beschwerdeschrift nicht geltend, diese Begründung sei willkürlich oder
verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Dann aber musste das Gericht
die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen selbst beurteilen, ohne von vornherein
auf ein bestimmtes Beweisergebnis festgelegt zu sein.

3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei willkürlich und reine
Spekulation anzunehmen, sein Sohn hätte bei bewusst falschen Anschuldigungen
von massiveren Übergriffen erzählt. Das Thema "sexuelle Übergriffe" sei in
den letzten Jahren häufig in Presse, Film und Fernsehen thematisiert worden;
es sei deshalb durchaus möglich, dass sich B.X.________ eine solche Sendung
zum Vorbild für seine Anschuldigungen genommen und sich gar nicht überlegt
habe, den Vater stärker zu belasten, weil schon die in der Sendung gezeigten
Handlungen zur Verurteilung des Täters geführt hätten.

Im vorliegenden Fall nahm das Obergericht an, die vom Sohn geschilderten
sexuellen Handlungen des Vaters seien relativ harmloser Art; der Sohn hätte,
um die Sache aufzubauschen, von viel massiveren Übergriffen erzählen können,
die in den Kontext gepasst hätten. Positiv für den Beschwerdeführer sei auch
die Aussage des Sohns, dass er sich mittels der Ausrede, die Toilette
aufsuchen zu müssen, meist vom Vater habe entfernen dürfen. Zu erwähnen sei
auch die Aussage des Sohns, wonach sein Vater nie ein erregtes Glied gehabt
habe. Das Obergericht verwies hierzu auf die Erwägung der Vorinstanz, es wäre
für den Zeugen ein Leichtes gewesen zu behaupten, der Beschwerdeführer habe
jeweils eine Erektion aufgewiesen; dies hätte auch in das Konzept einer
erfundenen Geschichte gepasst.

Diese Ausführungen lassen keine Willkür erkennen: In der Tat handelt es sich
bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen sexuellen Handlungen nicht um
besonders schwerwiegende Vergehen; teilweise (Streicheln der Brust) weisen
sie für sich allein betrachtet gar keinen Sexualbezug auf. Handlungen dieser
Art stehen auch nicht im Mittelpunkt des Medieninteresses, weshalb die
Vermutung der Verteidigung, der Sohn habe sich eine Reportage über den
sexuellen Missbrauch von Kindern zum Vorbild für seine Anschuldigungen
genommen, eher unwahrscheinlich erscheint. Dieser These widerspricht auch die
Aussage B.X.________s, er habe bei seinem Vater nie eine Erektion gesehen:
Sie entspricht nicht dem gängigen Bild der sexuellen Handlung und spricht
deshalb für ein reales Erlebnis.

3.3 Das Obergericht berücksichtigte zu Ungunsten des Beschwerdeführers, dass
dieser an der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Lenzburg relativ genaue
Erinnerungen an die von seinem Sohn geschilderten Vorfälle gehabt habe, an
die er sich zuvor, bei seiner polizeilichen Befragung, kaum mehr hatte
erinnern können.
Dies erachtet der Beschwerdeführer als willkürlich: Anlässlich der
polizeilichen Befragung sei er mit den Vorwürfen erstmals konfrontiert
worden; insofern sei es nicht erstaunlich, dass er sich zunächst an die
Vorfälle nicht oder nur vage habe erinnern können. Anschliessend habe er sich
intensiv damit beschäftigt. Sein Sohn B.X.________ sei ein geschickter
Lügner, der seine Geschichten in einem ihm bekannten Umfeld ansiedle, um die
Aussagen möglichst glaubhaft zu machen.

Das Obergericht hielt in seinen Erwägungen fest, dass sich der
Beschwerdeführer anlässlich der polizeilichen Befragungen kaum mehr an den
ersten und zweiten Vorfall zu erinnern vermochte; er habe jedoch erklärt,
sich stets bekleidet zu seinem Sohn ins Bett gelegt zu haben. Vor dem
Bezirksgericht, rund 16 Monate später, habe er dagegen konkrete Ausführungen
zu den Tatvorwürfen gemacht und angegeben, bei den fraglichen Vorfällen
(Ziff.1 und 2 der Anklageschrift) nackt gewesen zu sein. Die spätere, relativ
genaue Erinnerung überrasche, handle es sich doch nach der Version des
Beschwerdeführers um belanglose, beinahe alltägliche Vorfälle, welche
erfahrungsgemäss leicht in Vergessenheit geraten. Einen Hinweis verdiene auch
der Widerspruch bezüglich der Frage der Bekleidung.

Diese Ausführungen lassen keine Willkür erkennen. Hätte es sich beim ersten
Vorfall 1994/1995 (Anklage Ziff. 1), wie der Beschwerdeführer bei seiner
polizeilichen Befragung aussagte, um eine gewöhnliche Aussprache des
Beschwerdeführers mit seinem Sohn gehandelt, so wäre es in der Tat
erstaunlich, dass sich der Beschwerdeführer im Jahre 2004, etwa zehn Jahre
später, so detailliert an die damalige Unterredung, seine Position auf dem
Bett des Sohns (er habe sich unbekleidet quer auf die Bettdecke gelegt und
die Beine über das Bett baumeln lassen) und den abschliessenden Kuss erinnern
konnte, auch wenn er sich zwischenzeitlich, unter dem Eindruck des
Strafverfahrens, intensiver mit den Vorwürfen des Sohns auseinander gesetzt
hatte.

3.4 Als willkürlich rügt der Beschwerdeführer ferner die obergerichtliche
Würdigung der Aussagen seiner Tochter C.X.________ als Indiz für die
Richtigkeit der Anschuldigungen des Sohnes. C.X.________ habe ausgesagt, es
sei schon vorgekommen, dass sie sich unangenehm gefühlt habe, wenn der Vater
früher zu ihr gekommen sei. Sie habe aber über dieses Thema nicht weiter
sprechen wollen. Es sei deshalb nicht angängig, darüber zu spekulieren, was
sie genau damit gemeint haben könnte.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Aussage eines Angehörigen, die dieser in
Kenntnis seines Zeugnisverweigerungsrechts gemacht hat, verwertbar bleibt,
auch wenn dieser später von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht
(vgl. § 100 Abs. 3 Satz 2 der Aargauer Strafprozessordnung vom 11. November
1958).

Die Aussage der Tochter C.X.________ muss im Kontext der gesamten Einvernahme
vom 16. November 2002 gesehen werden: C.X.________ wurde kurz über die
Anschuldigungen ihres Bruders gegen den Vater informiert und anschliessend
gefragt: "Hat dich dein Vater jemals an Orten angefasst, an denen es dir
unangenehm war?". Daraufhin antwortete C.X.________: "Es ist schon
vorgekommen, dass ich mich unangenehm fühlte, wenn mein Vater früher zu mir
kam. Ich möchte darüber aber nicht sprechen". Auf Nachfrage präzisierte sie,
dies sei "so in der 5. oder in der 6. Klasse gewesen". Auf die Frage: "Hat er
dich auch schon geküsst, dass es dir unangenehm war?" antwortete sie: "Ja. Er
hat mir schon Zungenküsse gegeben. Ich habe dann aber immer die Lippen
geschlossen behalten. Er konnte die Zunge nicht in meinen Mund stecken".
Anschliessend sagte C.X.________ aus, ihre Mutter wisse von den Vorfällen,
weitere unangenehme Dinge seien nicht passiert.

Die Schlussfolgerung des Obergerichts, es sei erstellt, dass der
Beschwerdeführer auch seiner Tochter durch die Abgabe von Zungenküssen zu
nahe gekommen sei, ist damit keineswegs Spekulation, sondern wird durch die
Aussage der Tochter belegt, wonach es sich bei den "unangenehmen" Vorfällen
um (versuchte) Zungenküsse gehandelt habe. Auch die Bewertung dieser Tatsache
als Indiz für die Richtigkeit der Aussage des Sohns B.X.________, der
ebenfalls von Zungenküssen seines Vaters berichtete, ist keinesfalls
willkürlich.

3.5 Der Umstand, dass B.X.________ auch anderen Personen - seiner Mutter,
seinem Götti und einer Kollegin der Mutter - von den Übergriffen seines
Vaters erzählt hatte, wertete das Obergericht ebenfalls als Indiz für die
Glaubhaftigkeit seiner Aussagen. Der Beschwerdeführer hält dies für
willkürlich, weil notorische Lügner ihre Lügen häufig weiter erzählten, um
sich auf diese Weise "Zeugen" zu beschaffen, die ihre Lügen bestätigen
könnten.

Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass zumindest die
Gespräche mit der Mutter und deren Arbeitskollegin zeitlich weit
zurückliegen: Sie fanden drei oder vier Jahre vor der ersten polizeilichen
Aussage des Sohns statt (vgl. polizeiliche Einvernahme der Mutter,
Untersuchungsakten AS 20). Die Annahme, der Sohn B.X.________ habe die
falschen Anschuldigungen gegen seinen Vater, die er am 19. August 2002
erstmals bei der Polizei zu Protokoll gab, von so langer Hand geplant,
erscheint realitätsfremd. Das Obergericht durfte die Erzählungen
B.X.________s gegenüber Dritten als Ausdruck der Aussagekonstanz und damit
als Indiz für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage werten.

3.6 Insgesamt erweist sich die Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung als
unbegründet.

4.
Schliesslich bleibt zu prüfen, ob der Schuldspruch der verfassungsrechtlichen
Prüfung mit Blick auf den Grundsatz in dubio pro reo standhält (E. 2.2 oben).

4.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, es lägen zwei unterschiedliche
Darstellungen vor: seine und diejenige seines Sohns B.X.________. Das
Obergericht habe beide Versionen als grundsätzlich möglich und denkbar
bezeichnet. Wenn aber mehrere Varianten eines Tatablaufs möglich seien,
bestünden a priori Zweifel.

Die Zweifel würden vorliegend durch die Tatsache verstärkt, dass sein Sohn
B.X.________ ein notorischer Lügner und Delinquent sei, der in massivem
Ausmass Drogen konsumiert habe, und zwar offenbar wahllos Cannabis, Alkohol,
Amphetamine, Kokain und Heroin. Es sei bekannt, dass ein derartiger
Drogenkonsum zu Bewusstseinsstörungen und -veränderungen führen könne.

Zweifel erwecke auch die Aussage B.X.________s, sein Vater sei bei den
angeblichen Übergriffen nie sexuell erregt gewesen: Weshalb hätte der
Beschwerdeführer dann solche Übergriffe begehen sollen, wenn er dabei keine
sexuelle Erregung gespürt habe? Nicht glaubhaft sei auch die Aussage des
Sohns, er habe den Vater bestohlen, um sich für die sexuellen Handlungen zu
rächen. Das Obergericht übersehe offenbar, dass B.X.________ auch seine
Schwester C.X.________ und eine Vielzahl ihm unbekannter Menschen bestohlen
habe.

4.2 Die Feststellung des Obergerichts, es bestünden zwei entgegengesetzte
Darstellungen, wobei beide geschilderten Abläufe grundsätzlich möglich und
denkbar seien, war lediglich der Ausgangspunkt seiner Beweiswürdigung.
Anschliessend nahm das Obergericht eine inhaltliche Analyse der  Aussagen von
B.X.________ vor und stellte zahlreiche Realkennzeichen fest: Die Angaben
seien stimmig und detailreich; die Kernhandlung sei mit bestimmten zeitlichen
und örtlichen Gegebenheiten verwoben; es würden eigene Empfindungen bei den
Berührungen des Vaters wie auch nebensächliche Einzelheiten wiedergegeben.
Sodann betonte das Obergericht das Vorhandensein ungewöhnlicher, aber
durchaus realistischer Einzelheiten, beispielsweise, dass sich der Sohn mit
der Ausrede, die Toilette aufsuchen zu müssen, meist vom Vater habe entfernen
können, oder die Aussage, wonach der Vater nie ein erregtes Glied gehabt
habe. Übertreibungen B.X.________s seien nicht auszumachen.

B. X.________ habe schon früher seiner Mutter, einer ihrer Kolleginnen sowie
seinem Götti von den sexuellen Handlungen erzählt; die Kernpunkte seiner
Aussagen habe er auch in der Videobefragung vom August 2002 bestätigt. Das
zurückhaltende und z.T. widerstrebende Verhalten B.X.________s bei der
Videobefragung hielt das Obergericht für nachvollziehbar: Diesem sei die
Erinnerung an die sexuellen Handlungen seines Vaters zuwider und er betrachte
dieses Thema inzwischen als abgeschlossen. Zudem dürfte es ihm als
sechzehnjährigem und damit in der Pubertät stehendem Jugendlichen peinlich
gewesen sein, vor einer Frau derart intime Aussagen machen zu müssen.

Die Möglichkeit einer falschen Anschuldigung des Beschwerdeführers durch
seinen Sohn zog das Obergericht durchaus in Betracht, ging aber davon aus,
dass B.X.________ massivere sexuelle Übergriffe geschildert hätte, wenn er
seinen Vater tatsächlich zu Unrecht habe beschuldigen wollen. Die
Glaubhaftigkeit der Aussagen B.X.________s werde durch diverse andere
Umständen bestätigt, namentlich die Widersprüche in den Aussagen des
Beschwerdeführers, seine nachträgliche, überraschend genaue Erinnerung an die
vom Sohn geschilderten Vorfälle, die Aussagen der Tochter C.X.________ und
die Äusserungen B.X.________s gegenüber seiner Mutter, einer ihrer
Kolleginnen und seinem Götti.

Im Ergebnis, nach Abschluss der Beweiswürdigung, hatte das Obergericht keine
Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen von B.X.________ und
qualifizierte die Version des Beschwerdeführers, er habe seinem Sohn
lediglich die übliche väterliche Zuneigung zukommen lassen, als reine
Schutzbehauptung (angefochtener Entscheid S. 20). Es folgte somit der Version
des Sohns und erachtete die Version des Beschwerdeführers als widerlegt.
Damit bestanden für das Obergericht, am Ende seiner Beweiswürdigung, nicht
mehr zwei mögliche Versionen vom Tatverlauf, sondern nur noch eine einzige.

4.3 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Drogenkonsum des Sohns
B.X.________ habe zu Bewusstseinsstörungen und Bewusstseinsveränderungen
führen können, trifft dies zwar generell zu. Allerdings begann der
Betäubungsmittelkonsum nach den Feststellungen des Obergerichts erst im Jahre
2000, d.h. er spielte zumindest bei der Wahrnehmung der Vorfälle der Jahre
1994/95 (Anklage-Ziff. 1 und 2) noch keine Rolle. Auch das
Einvernahmeprotokoll vom 19. August 2002 und die Videobefragung vom 7. August
2003 enthalten keine Hinweise auf eine drogenbedingte
Bewusstseinsveränderung, wie das Obergericht zutreffend festgehalten hat.
Dann aber ist nicht ersichtlich, inwiefern der Drogenkonsum die
Glaubhaftigkeit des Zeugen im Hinblick auf die geschilderten sexuellen
Handlungen seines Vaters beeinflusst haben soll.

4.4 Aus der Aussage des Sohns, er habe bei seinem Vater nie ein erregtes
Glied gesehen, lässt sich - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers -
nicht schliessen, dieser sei bei seinen angeblichen Übergriffen nie sexuell
erregt gewesen. Der Sohn sagte im Gegenteil aus, sein Vater sei bei den
Vorfällen aufgeregt gewesen; er habe mit seinen Händen gezittert, und zwar
mehr als sonst üblich (Untersuchungsakten AS 6 und 8).

4.5 Als Beleg für die Unglaubhaftigkeit der Aussagen des Sohns führt der
Beschwerdeführer an, dieser habe nicht nur seinen Vater, sondern auch seine
Schwester und zahlreiche andere Personen bestohlen. Insofern könne seiner
Aussage, er habe den Vater bestohlen, um sich für die sexuellen Handlungen zu
rächen, nicht geglaubt werden. Es erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass
B.X.________ andere Personen bestahl, um sich Geld - beispielsweise für
Drogen - zu besorgen, für die Diebstähle gegenüber seinem Vater aber noch ein
zusätzliches Motiv hatte, nämlich diesen zu schädigen. Ob diese
Schädigungsabsicht eine Folge der sexuellen Handlungen des Beschwerdeführers
war oder auf anderen Gründen beruhte (z.B. dem strengen Erziehungsstil),
liess das Obergericht ausdrücklich offen.

4.6 Der Beschwerdeführer setzt sich nicht näher mit der Aussage seiner
Tochter C.X.________ auseinander. Dieser kommt jedoch besondere Bedeutung zu:
C.X.________ bestätigte, dass ihr Vater versucht habe, ihr Zungenküsse zu
geben, als sie die 5. oder 6. Schulklasse besuchte, also etwa 11 oder 12
Jahre alt war. Diese Vorfälle wurden vom Beschwerdeführer grundsätzlich
anerkannt. Somit steht fest, dass dieser - zumindest seiner Tochter gegenüber
- die Grenze der üblichen väterlichen Zuneigung in Richtung sexuelle Handlung
überschritten hat. Auch die Art der Handlung (Zungenküsse) entspricht dem vom
Sohn geschilderten Vorgehen.
Der Beschwerdeführer hat im Übrigen eingeräumt, seinen Sohn nackt in dessen
Bett aufgesucht zu haben und ihn auf den Mund geküsst zu haben; auch der
Vorfall vom Mai 2000 wurde vom Beschwerdeführer grundsätzlich - mit Ausnahme
des Streichelns am Gesäss und der Zungenküsse - bestätigt: Er habe seinen -
mittlerweile 13jährigen Sohn - auf den Schoss genommen, ihn geküsst, gedrückt
und die Brust gerieben. Schon dieses Verhalten kann, wie das Obergericht
zutreffend dargelegt hat, kaum mehr als übliche Zuneigungsbekundung innerhalb
eines Vater-Kind-Verhältnisses eingestuft werden.

4.7 Werden zusätzlich die vom Obergericht hervorgehobenen
Realitätskennzeichen in den Aussagen des Sohns berücksichtigt, bestehen keine
offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel
an der Schuld des Beschwerdeführers. Dessen Verurteilung durch das
Obergericht verletzte deshalb nicht den Grundsatz "in dubio pro reo".

5.
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art.
156 OG) und hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. November 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: