Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.574/2004
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1P.574/2004 /sta

Urteil vom 21. Oktober 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Leuthold.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Strafgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt, Schützenmattstrasse 20,
4003 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, Bäumleingasse 1, 4051
Basel.

Haftentlassung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 1. September 2004.
Sachverhalt:

A.
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt sprach X.________ am 24. Juni 2004
der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz
schuldig und verurteilte ihn zu 3 ¼ Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung der
Haft und des vorläufigen Strafvollzugs seit dem 11. September 2002. Ausserdem
wurde gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB eine ambulante psychiatrische
Behandlung während des Strafvollzugs angeordnet. Das Urteil des Strafgerichts
ist noch nicht rechtskräftig. Mit Eingabe vom 13. Juli 2004 stellte
X.________ beim Strafgericht das Gesuch, er sei unverzüglich aus dem
vorläufigen Strafvollzug zu entlassen. Die Strafgerichtspräsidentin lehnte
das Gesuch mit Verfügung vom 14. Juli 2004 ab. X.________ legte dagegen
Beschwerde beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt ein. Mit Urteil
vom 1. September 2004 wies das Appellationsgericht die Beschwerde ab.

B.
Gegen dieses Urteil erhob X.________ mit Eingabe vom 3. Oktober 2004
staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei seine Haftentlassung zu
bewilligen.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2004 reichte er eine Ergänzung zur Beschwerde
ein.

C.
Das Appellationsgericht stellte in seiner Eingabe vom 13. Oktober 2004 - ohne
sich im Einzelnen zur Beschwerde zu äussern - den Antrag, die Beschwerde sei
abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei. Die Präsidentin des Strafgerichts
verzichtete auf eine Vernehmlassung.

D.
X.________ brachte in einem Schreiben vom 15. Oktober 2004 weitere
Ergänzungen zur staatsrechtlichen Beschwerde an.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde die
wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten,
welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie
durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Im staatsrechtlichen
Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene
Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495 mit
Hinweisen).

2.
In der vorliegenden, vom Beschwerdeführer selber verfassten staatsrechtlichen
Beschwerde wird nicht gesagt, welches verfassungsmässige Recht durch das
angefochtene Urteil des Appellationsgerichts verletzt worden sei. Es kann
indes davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer sinngemäss geltend
macht, die Abweisung seines Gesuchs um Entlassung aus der Haft bzw. dem
vorläufigen Strafvollzug, welche mit dem Entscheid des Appellationsgerichts
geschützt wurde, verletze das in Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung
gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit.

2.1 Gemäss § 69 der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt ist die
Anordnung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft zulässig, wenn der
Angeschuldigte einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Tat dringend verdächtig
ist und überdies Flucht-, Kollusions- oder Fortsetzungsgefahr besteht.

Das Appellationsgericht hielt fest, der dringende Tatverdacht werde im
vorliegenden Fall nicht bestritten und sei nach der erstinstanzlichen
Verurteilung des Beschwerdeführers offensichtlich gegeben. Sodann legte es
dar, weshalb ausserdem Fortsetzungsgefahr bestehe. Das Appellationsgericht
führte aus, dieser Haftgrund sei dann gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte
bestünden, dass der Angeschuldigte, wenn er in Freiheit wäre, mit grosser
Wahrscheinlichkeit weitere Delikte von einer gewissen Schwere begehen würde.
Im Falle des Beschwerdeführers habe der psychiatrische Gutachter die
Rückfallgefahr als erheblich eingestuft. Das bedeute, dass der
Beschwerdeführer wegen der bei ihm festgestellten Persönlichkeitsstörung mit
einer recht hohen Wahrscheinlichkeit wieder delinquieren werde. Dass dem
Beschwerdeführer noch immer jegliche Einsicht in das Unrecht seiner Tat
abgehe, zeige sich aus bestimmten Ausführungen in der von ihm selbst
verfassten Beschwerde vom 30. Juli 2004. Berücksichtige man, dass dem
Beschwerdeführer die Einfuhr von vier Kilogramm Kokain - und nicht etwa der
Konsum von Marihuana - vorgeworfen werde, ergebe sich aus den betreffenden
Äusserungen das Ausmass seiner Uneinsichtigkeit mit aller Deutlichkeit und
könne nicht ernsthaft angenommen werden, es bestehe keine konkrete
Rückfallgefahr. Dass der (vorläufige) Strafvollzug diesbezüglich noch keine
Wirkung gezeigt habe, lasse sich auch aus dem Führungsbericht der
Strafanstalt Wauwilermoos ersehen, gemäss welchem der Beschwerdeführer
dreimal habe diszipliniert werden müssen, unter anderem wegen Besitzes von
Haschisch. In seinem neuen Bericht vom 19. August 2004 habe der
psychiatrische Experte nochmals klargestellt, dass seine Beurteilung der
Rückfallgefahr in der Zwischenzeit keine Änderung erfahren habe und der
Eintritt des Beschwerdeführers in die beabsichtigte Ausbildung zur
Berufsmatur seiner Ansicht nach nicht geeignet sei, kurzfristig die
Rückfallgefahr herabzusetzen. Aus diesen Überlegungen gelangte das
Appellationsgericht zum Schluss, der Haftgrund der Fortsetzungsgefahr sei
nach wie vor gegeben.

In der staatsrechtlichen Beschwerde wird nichts vorgebracht, was geeignet
wäre, die Erwägungen des Appellationsgerichts als verfassungswidrig
erscheinen zu lassen. Die Vorbringen des Beschwerdeführers stellen zum
grössten Teil eine rein appellatorische Kritik dar, auf die - wie oben (E. 1)
dargelegt wurde - in einem staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht
eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer nimmt auf die Ausführungen im
angefochtenen Entscheid nur insoweit Bezug, als er behauptet, es treffe nicht
zu, dass der Strafvollzug keine Wirkung gezeigt habe, und es sei "aufgrund
der Infrastruktur Bildung und Prognose" unwahrscheinlich, dass eine
Fortsetzungsgefahr bestehe. Mit diesen Behauptungen wird nicht dargetan, dass
die erwähnten Überlegungen, mit denen die kantonale Instanz ihre gegenteilige
Auffassung begründete, sachlich nicht vertretbar wären. Das
Appellationsgericht verstiess nicht gegen die Verfassung, wenn es zum Schluss
gelangte, es bestehe nach wie vor Fortsetzungsgefahr.

2.2 Der Beschwerdeführer macht zu Unrecht geltend, er habe "Anrecht auf eine
Haftentlassung", da er am 11. November 2004 zwei Drittel der erstinstanzlich
ausgefällten Strafe verbüsst haben werde. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts ist die in Art. 38 Ziff. 1 Abs. 1 StGB vorgesehene Möglichkeit
einer bedingten Entlassung nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe im
Haftprüfungsverfahren bei der Berechnung der mutmasslichen Dauer der
Freiheitsstrafe grundsätzlich ausser Acht zu lassen, es sei denn, die
konkreten Umstände des Falles würden eine Berücksichtigung ausnahmsweise
gebieten (Urteile vom 26. März 1991 und 17. Juni 1987, publ. in SZIER 2/1992
S. 489 f. und SJIR 1988 S. 285 f.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht
vor. Es kann nicht gesagt werden, die Fortdauer der Haft sei im vorliegenden
Fall mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit unvereinbar.

Nach dem Gesagten verletzt der angefochtene Entscheid des
Appellationsgerichts das verfassungsmässige Recht des Beschwerdeführers auf
persönliche Freiheit nicht. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

3.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Dieser hat keinen
Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten
werden kann.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Strafgerichtspräsidentin und dem
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 21. Oktober 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Die Gerichtsschreiberin: