Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.540/2004
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1P.540/2004 /sza

Urteil vom 8. November 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Féraud,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bolzern,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, Obere Vorstadt 38, 5000
Aarau.

Art. 9 BV (Strafverfahren),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, 3. Strafkammer,
vom 13. Juli 2004.

Sachverhalt:

A.
Mit Strafbefehl vom 30. September 2002 verurteilte das Bezirksamt Zofingen
X.________ wegen verschiedener grober Verkehrsregelverletzungen zu 30 Tagen
Gefängnis bedingt und 3'000 Franken Busse.

X. ________ erhob gegen diesen Strafbefehl Einsprache, worauf ihn das
Bezirksgericht Zofingen am 8. Mai 2003 wegen mehrfacher grober Verletzung der
Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m.

- Art. 27 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 4a Abs. 1 lit. a, b und d
und Abs. 5 VRV (Missachtung der signalisierten und allgemeinen
Höchstgeschwindigkeit) sowie

- Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV (ungenügender Abstand beim
Hintereinanderfahren)

zu 10 Tagen Gefängnis bedingt und 2'000 Franken Busse verurteilte. Es hielt
u.a. für erwiesen, dass X.________ am 5. Mai 2002 auf der Autobahn A2 mit
ungenügendem Abstand hinter einem anderen Auto hergefahren und am 3. Juni
2002 auf der Autobahn A2 zwischen Schenkon und Geuensee in Richtung Basel
sowie ausserorts auf der Suhrentalstrasse und innerorts in Geuensee Dorf die
Höchstgeschwindigkeiten missachtet hatte.

Auf Berufung von X.________ hin erkannte das Obergericht des Kantons Aargau
am 13. Juli 2004, bei den Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 3. Juni 2002
auf der Suhrentalstrasse sowie in Geuensee Dorf handle es sich um einfache
Verkehrsregelverletzungen, welche absolut verjährt seien. In Bezug auf den
Vorfall vom 5. Mai 2002 und denjenigen vom 3. Juni 2002 auf der Autobahn
bestätigte es das vorinstanzliche Urteil im Strafpunkt. Das Strafmass
reduzierte es auf 10 Tage Gefängnis bedingt und 1'000 Franken Busse.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 22. September 2004 wegen Verletzung des
Willkürverbotes von Art. 9 BV beantragt X.________, er sei nur der einmaligen
groben Verkehrsregelverletzung hinsichtlich des Vorfalls vom 5. Mai 2002
schuldig zu sprechen und mit einer Busse von höchstens 500 Franken zu
bestrafen; das obergerichtliche Urteil sei insoweit aufzuheben. Eventuell sei
das Urteil in diesem Umfang aufzuheben und die Sache ans Obergericht
zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung
zuzusprechen.

Staatsanwaltschaft und Obergericht verzichten auf Vernehmlassung.

C.
Der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung erkannte der Beschwerde
am 18. Oktober 2004 aufschiebende Wirkung zu.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Beim angefochtenen Entscheid der Strafkammer handelt es sich um einen
letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der
Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen
rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist,
die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen.

1.2 Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer
mehr verlangt, als die (teilweise) Aufhebung des angefochtenen Entscheides,
da die staatsrechtliche Beschwerde, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen
abgesehen, kassatorischer Natur ist (BGE 123 I 112 E. 2b).

1.3 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass, sodass auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten ist.

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Willkürverbotes.

Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne
Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung steht den
kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür in der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen
ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen
oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich
der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist;
eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis
verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je
mit Hinweisen).

3.
Strittig ist einzig noch, ob der Beschwerdeführer am 3. Juni 2002, um 21:34
Uhr, auf der Autobahn A2 zwischen Schenkon und der Autobahnausfahrt Suhrsee
mit seinem Personenwagen die angezeigte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h
massiv - um 56 km/h netto - überschritt.

3.1 Nach dem Polizeirapport von Wm A.________ vom 11. Juni 2002, auf den sich
die Verurteilung des Beschwerdeführers stützt, war er am Abend des 3. Juni
2002 mit Wm B.________ in einem neutralen Dienstwagen auf der A2 in Richtung
Basel unterwegs. In Sempach, beim Eichtunnel, seien sie vom Opel Omega des
Beschwerdeführers in schneller Fahrt überholt worden. Sie seien ihm gefolgt
und hätten nach dem Eichtunnel einen gleichbleibenden Abstand einhalten und
das Multagraph-Gerät einschalten können. Das verfolgte Fahrzeug habe auf bis
zu 166 km/h beschleunigt. Dies habe sich alles in dem Bereich der Autobahn
abgespielt, in welchem die Höchstgeschwindigkeit wegen einer Baustelle 80
km/h betragen habe. Kurz vor der Ausfahrt Sursee sei die
Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h aufgehoben gewesen. Die Strecke von
da bis zur Ausfahrt Sursee, über welche der Beschwerdeführer die Autobahn
verlassen habe, sei für eine zweite Messung zu kurz gewesen.

3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe bereits vor Obergericht
vorgebracht und mittels einer Skizze belegt, dass die Messung mit dem
Multagraphen auf den letzten 1001 Metern vor der Ausfahrt Sursee vorgenommen
worden sei. Auf 601 m der Messstrecke habe die Höchtsgeschwindigkeit 120 km/h
betragen, auf 400 m 80 km/h. Dadurch sei erstellt, dass die Messdistanz nicht
ausschliesslich im 80 km/h-Bereich stattgefunden habe, sodass die
vorgenommene Messung zu kurz gewesen und dementsprechend als Grundlage für
seine Verurteilung untauglich sei. Das Obergericht habe diesen Einwand im
angefochtenen Urteil willkürlich verworfen, indem es die von ihm angestellten
Berechnungen über die Teilmessstrecken als konstruiert und spekulativ abgetan
habe.

3.3 Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht einzig auf der ersten, 693
Meter bzw. 17 Sekunden dauernden, zwischen 21:34:59 und 21:35:16 Uhr
durchgeführten Messung. Danach befuhr er diese Strecke mit einer
Durchschnittsgeschwindigkeit von 160 km/h. Nach  Abzug der Sicherheitsmarge
von 15 % resp. 24 km/h ging das Obergericht schliesslich davon aus, dass er
anstelle der erlaubten 80 km/h mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 136
km/h unterwegs war. Nach dem Polizeirapport lag die gesamte Messstrecke im
Bereich einer mit 80 km/h signalisierten Baustelle; sie hätten die Messung
nach dem Eichtunnel begonnen und vor der Ausfahrt Sursee beendet.

Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was ein Abstellen auf diese Messung
willkürlich erscheinen lassen könnte. Nach dem von ihm selber ins Recht
gelegten Darstellung des fraglichen Autobahnabschnittes und der Auskunft des
Verkehrs- und Tiefbauamtes des Kantons Luzern vom 25. Januar 2002 waren am
fraglichen Datum die Kilometer 80.700 bis 73.300 auf eine
Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h beschränkt; das Ende des Eichtunnels liegt
etwa bei Kilometer 77.4. Ab Tunnelausfahrt betrug die auf 80 km/h beschränkte
Strecke somit gut 4 Kilometer, womit die beiden Polizeibeamten ausreichend
Gelegenheit hatten, den Beschwerdeführer auf einer Strecke von 693 m
einzumessen.

Der Beschwerdeführer hält dem zwar entgegen, nach seinen Berechnungen müsse
die Messung auf den letzten 1001 Metern vor der Autobahnausfahrt Sursee
erfolgt sein. Auf dieser Messstrecke habe auf 400 m eine
Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h und auf 601 m eine solche von 120 km/h
gegolten, womit erstellt sei, dass die Messung nicht ausschliesslich im 80
km/h-Bereich durchgeführt worden und damit zu kurz sei, um gültig zu sein.
Selbst wenn man darauf abstellen wollte, wäre damit immer noch erstellt, dass
der Beschwerdeführer auf einer Strecke von mindestens 92 m die
vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 56 km/h überschritt. Die
Messstrecke weist auch in diesem Fall eine Länge von 693 m auf, was für eine
zuverlässige Messung unbestrittenermassen ausreicht. Der Einwand ist daher
von vornherein nicht geeignet, die Verurteilung des Beschwerdeführers in
Frage zu stellen.

Das Obergericht hat den Einwand überdies zu Recht zurückgewiesen.  Seine
Auffassung, die Berechnungen des Beschwerdeführer beruhten auf der keineswegs
gesicherten Annahme, das Messende der zweiten Messung liege exakt beim Beginn
der Autobahnausfahrt Sursee, trifft zu, sodass es nicht in Willkür verfiel,
indem es diese Berechnungen als spekulativ zurückwies. Im Ergebnis entspricht
die umstrittene Messung im Übrigen auch der Aussage des Beschwerdeführers bei
seiner Anhaltung nach dem Vorfall, indem er zu Protokoll gab, in der Regel
auf Autobahnen "nur" so mit 140-150 km/h zu fahren und übersehen habe, dass
die Geschwindigkeit im fraglichen Bereich auf 80 km/h begrenzt gewesen sei.
Die Willkürrüge ist offensichtlich unbegründet.

4.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. November 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: