Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.537/2004
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1P.537/2004
1P.561/2004 /ggs

Urteil vom 6. Juni 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Ersatzrichter Seiler,
Gerichtsschreiberin Gerber.

1P.537/2004
X.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Armon Vital,

1P.561/2004
1.A.________,
2.B.________,
3.C.________,
4.D.________ und E.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Peter Clavadetscher,

gegen

1P.537/2004
1.A.________,
2.B.________,
3.C.________,
4.D.________,
Beschwerdegegner, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Clavadetscher,

1P.561/2004
X.________ AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Armon Vital,
Gemeinde Samnaun, 7562 Samnaun-Compatsch, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Otmar Bänziger,
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, Obere Plessurstrasse 1,
7001 Chur.

Baupolizei,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Urteile R 03 57 und R 03 58 des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4. Kammer, vom 30. Juni 2004.
Sachverhalt:

A.
Am 15. Januar 1997 erteilte die Baubehörde der Gemeinde Samnaun der
X.________ AG die Baubewilligung für den Neubau eines Ladens (Geschäftshaus
Y.________) auf dem Grundstück Nr. 61. Dabei anerkannte sie einen
Ausnützungstransport von 600 m2 anrechenbarer Grundstückfläche (AGF) -
entsprechend einer Bruttogeschossfläche (BGF) von 540 m2 - ab Parzelle Nr. 95
via die Parzellen Nr. 792 und Nr. 46 auf die Parzelle Nr. 61.

Am 14. Dezember 1998 erteilte die Baubehörde der Gemeinde Samnaun der
X.________ AG eine Baubewilligung für einen Umbau des Geschäftshauses
Y.________ auf dem Grundstück Nr. 61. Dabei stellte sie fest, dass die
zulässige Ausnützung nicht überschritten sei. Nicht an die Ausnützungsziffer
angerechnet wurde ein Sport- und Fitnessraum im Dachgeschoss. Mit
Bauabnahmeverfügung vom 3. August 2000 verpflichtete die Baubehörde die
X.________ AG, den Fitnessraum entsprechend auszustatten.

B.
Mit Baugesuch vom 28. November 2002 ersuchte die X.________ AG um eine
"Zweckänderung von Fitness in Dachraum Y.________, AZ-Transfer zu Gunsten
Parz. 61". Dem Gesuch beigelegt war eine Berechnung der Ausnützungsziffer für
das ganze Grundstück; vorgesehen war, die zusätzlich benötigte anrechenbare
Grundstückfläche von der Parzelle Nr. 92 auf die Parzelle Nr. 61 zu
übertragen.
Dagegen erhoben A.________, B.________, C.________ sowie D.________ und
E.________ Einsprache. Die Baubehörde Samnaun erwog mit Bauentscheid vom 3.
Juni 2003, eine Ausnützungsübertragung von der Parzelle Nr. 92 komme nicht in
Frage, da diese nicht unmittelbar benachbart sei. Aus diesem Grund könne auch
der 1997 angeordnete Ausnützungstransport von der Parzelle Nr. 95 nicht
anerkannt werden. Möglich sei nur eine Ausnützungsübertragung ab der Parzelle
Nr. 65. Zudem fehlten drei Parkplätze. Demgemäss hiess die Baubehörde die
Einsprache teilweise gut und bewilligte die Zweckänderung unter der
Bedingung, dass die X.________ AG noch   1162.9 m2 AGF (entsprechend 1'046.61
m2 BGF) ab der Parzelle      Nr. 65 beschaffe, und mit der Auflage, drei
zusätzliche Parkplätze real nachzuweisen oder abzugelten.

C.
Dagegen erhob die X.________ AG am 20. Juni 2003 Rekurs beim
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und beantragte Aufhebung und
Zurückweisung an die Vorinstanz zur Gewährung des rechtlichen Gehörs,
eventuell die Aufhebung der Bedingung, soweit sie damit verpflichtet werde,
mehr als 562.9 m2 AGF (entsprechend 506 m2 BGF) ab Parzelle Nr. 65 zu
beschaffen.

Sodann erhoben A.________, B.________, C.________ sowie D.________ und
E.________ am 23. Juni 2003 Rekurs beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag auf
Verweigerung der Baubewilligung.

Das Verwaltungsgericht führte einen Augenschein durch und wies beide Rekurse
mit getrennten Urteilen vom 30. Juni 2004 (R 03 57 und R 03 58) ab.

D.
Die X.________ AG erhob am 21. September 2004 staatsrechtliche Beschwerde
(Verfahren 1P.537/2004) mit dem Antrag, das Urteil        R 03 57 des
Verwaltungsgerichts sei aufzuheben, soweit die Beschwerde abgewiesen und sie
zur Zahlung von Gerichts- und Parteikosten verpflichtet wurde.

E.
Ferner erhoben A.________, B.________, C.________ sowie D.________ und
E.________ am 1. Oktober 2004 staatsrechtliche Beschwerde (Verfahren
1P.561/2004) mit dem Antrag, das Urteil R 03 58 des Verwaltungsgerichts sei
aufzuheben.

F.
A.________, B.________, C.________ und D.________ teilen mit, dass sie auf
eine Teilnahme am Verfahren 1P.537/2004 verzichten.

Die X.________ AG beantragt im Verfahren 1P.561/2004, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

Den gleichen Antrag stellen das Verwaltungsgericht und die Gemeinde Samnaun
in beiden Verfahren.

In dem vom Bundesgericht angeordneten zweiten Schriftenwechsel halten die
Parteien an ihren Stellungnahmen fest.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die beiden Beschwerden betreffen den gleichen Streitgegenstand und die
gleichen Personen. Es rechtfertigt sich daher, die beiden Verfahren zu
vereinigen (Art. 40 OG i.V.m. Art. 24 BZP).

2.
Gegen die kantonal letztinstanzlichen, auf kantonales Recht gestützten
Endentscheide ist grundsätzlich die staatsrechtliche Beschwerde ans
Bundesgericht zulässig (Art. 84 und 86 Abs. 1 OG).

2.1 Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1P.537/2004 ist als Eigentümerin und
Bauherrin der streitigen Baute zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert
(Art. 88 OG). Die Beschwerdeführer im Verfahren 1P.561/2004 sind als
Eigentümer bzw. Mieter benachbarter Parzellen legitimiert, mit
staatsrechtlicher Beschwerde eine willkürliche Anwendung von Bauvorschriften
zu rügen, die (auch) dem Schutz nachbarlicher Interessen dienen (Art. 88 OG;
BGE 127 I 44 E. 2c S. 46). Dazu gehören auch Bestimmungen über die
Ausnützungsziffern (BGE 127    I 44 E. 2d S. 47), deren willkürliche
Anwendung die Beschwerdeführer rügen. Insoweit ist auf die Beschwerden
einzutreten.

2.2 Die Beschwerdeführer im Verfahren 1P.561/2004 rügen zudem willkürliche
Annahmen des Verwaltungsgerichts beim Parkplatznachweis.

Vorschriften über die minimale Parkplatzzahl dienen nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht nachbarlichen, sondern öffentlichen
Interessen, so dass die Nachbarn nicht legitimiert sind, die willkürliche
Anwendung solcher Vorschriften zu rügen (BGE 107 Ia 72    E. 2b S. 74 f.;
Urteil 1P.309/1994 vom 29. Dezember 1994, publ. in RDAF 1995 S. 162, E. 3a).
Die Beschwerdeführer stellen diese Rechtsprechung für Samnaun in Frage, da
sich grosse Touristenströme in das Dorf ergiessen und fehlende Parkplätze bei
einem Einkaufszentrum regelmässig dazu führten, dass auf den Plätzen der
Nachbarn parkiert werde.

Es kann offen bleiben, ob an der bisherigen bundesgerichtlichen
Rechtsprechung festzuhalten ist. So oder so könnte nachbarschützend höchstens
die Pflicht sein, Parkplätze real zu erstellen, nicht aber eine allfällige
Pflicht, Ersatzabgaben zu leisten. Insoweit wäre die Beschwerde in jedem Fall
unbegründet:
In der rechtskräftigen Baubewilligung vom 14. Dezember 1998 wurden 125
Parkplätze verlangt und deren 115 als nachgewiesen anerkannt, so dass noch
zehn fehlten. Mit der Bauabnahmeverfügung vom          3. August 2000 wurde
die Bauherrin verpflichtet, den Nachweis für 11 Plätze zu erbringen, da
inzwischen 117 erstellte Plätze anerkannt wurden, aber 3 Plätze wieder
weggefallen waren. Im jetzt streitigen Verfahren konnten diese
rechtskräftigen Verfügungen nicht mehr in Frage gestellt werden.
Verfahrensgegenstand konnte deshalb von vornherein höchstens der Nachweis für
die noch fehlenden Plätze bilden. Diesen Nachweis erbrachte die
Beschwerdegegnerin zusammen mit dem Baugesuch vom 28. November 2002. Aufgrund
einer Nachzählung der Betten verlangte die Gemeinde im Bauentscheid vom 3.
Juni 2003 einen Nachweis für insgesamt 129 Plätze, wovon noch 3 fehlten. Auch
im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht konnte somit höchstens noch die
Differenz zwischen den rechtskräftig anerkannten 117 Plätzen und der
erforderlichen Zahl von 129 Streitgegenstand bilden. Das Verwaltungsgericht
hat ausgeführt, gemäss dem kommunalen Parkplatzreglement könnten bis zu 20 %
der geforderten Parkplätze durch Ersatzabgaben ersetzt werden. Dies wird von
den Beschwerdeführern nicht beanstandet. Selbst wenn sämtliche der höchstens
12 noch fehlenden Plätze nicht nachgewiesen wären, könnten diese ohne
weiteres mit einer Ersatzabgabe abgegolten werden und müssten nicht real
erstellt werden.

3.
Zu prüfen sind zunächst die Rügen der Beschwerdeführerin im Verfahren
1P.537/04.

3.1 Es ist unbestritten, dass die vorgesehene Umnutzung des Dachraums die
Bruttogeschossfläche des Gebäudes erhöht. Im Baugesuch ist die
Beschwerdeführerin davon ausgegangen, sie könne - entsprechend der offenbar
früher geübten Praxis der Gemeinde - die hierfür benötigte Grundstückfläche
ab der Parzelle Nr. 92 übertragen, obwohl diese nicht direkt benachbart ist.
Inzwischen hat die Gemeinde ihre Praxis geändert und lässt nun entsprechend
dem Wortlaut von Art. 39 Abs. 2 des Baugesetzes der Gemeinde Samnaun vom 15.
Juli 1985 (BG) einen Ausnützungstransport nur noch von unmittelbar
benachbarten Grundstücken zu. Die Beschwerdeführerin anerkennt diese neue
Praxis und ist bereit, einen Ausnützungstransport ab der unmittelbar
benachbarten Parzelle Nr. 65 vorzunehmen. Sie ist aber der Meinung, dass mit
der Baubewilligung vom 15. Januar 1997 ein Ausnützungstransport von 600 m2
AGF (entsprechend 540 m2 BGF) ab der (nicht unmittelbar benachbarten)
Parzelle Nr. 95 (via die Parzellen    Nr. 792 und 46) anerkannt worden sei,
der auch heute anerkannt werden müsse.

Die Gemeinde und ihr folgend das Verwaltungsgericht haben demgegenüber die
alte Praxis als rechtswidrig erachtet; der damals anerkannte
Ausnützungstransport könne für ein neues Baugesuch nicht anerkannt werden. Da
die Änderung zu einem zusätzlichen Bedarf an BGF führe, müsse der
Baugesuchsteller den Nachweis erbringen, dass die Anforderungen betreffend
Ausnützungsziffer (AZ) für das gesamte Grundstück eingehalten seien. Der im
früheren Baugesuch fälschlicherweise bewilligte Ausnützungstransport ab der
nicht unmittelbar benachbarten Parzelle Nr. 95 könne im Rahmen des neuen
Gesuchs nicht berücksichtigt werden. Die Gemeinde habe somit von der
Anrechnung der umstrittenen 600 m2 AGF ab der Parzelle Nr. 95 absehen dürfen.

3.2 Die Beschwerdeführerin erblickt darin eine Verletzung des Willkürverbots,
des Grundsatzes von Treu und Glauben, der Rechtssicherheit und der
Eigentumsgarantie; mit der Bewilligung von 1997 sei der streitige
Ausnützungstransport ab Parzelle Nr. 95 rechtskräftig bewilligt worden und
könne heute nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sie beansprucht nicht, den
1997 bewilligten Ausnützungstransport für den heute streitigen Umbau benutzen
zu können. Sie anerkennt im Gegenteil ausdrücklich, dass die damals
übertragenen 600 m2 AGF bereits konsumiert sind. Sie anerkennt auch, dass sie
für die zusätzlich beanspruchte anrechenbare Fläche einen zusätzlichen
Ausnützungstransport sicherzustellen hat. Sie erachtet aber als willkürlich,
dass sie heute den AZ-Nachweis für die ganze Baute erbringen müsse, also auch
für diejenigen Bauteile, die früher aufgrund des damals anerkannten
Ausnützungstransports rechtskräftig bewilligt wurden.

3.3 Die Gemeinde verfolgt die Praxis, dass eine Liegenschaft, die aufgrund
einer früher akzeptierten fehlerhaften Ausnützungsberechnung übernutzt ist,
umgebaut oder im Zwecke geändert werden kann, ohne dass die fehlende
anrechenbare Grundstücksfläche nachgewiesen werden muss, solange der Umbau
oder die Zweckänderung AZ-neutral ist oder gar AZ-pflichtige
Bruttogeschossfläche aufgegeben wird. Diese Praxis ist vom Bundesgericht mit
Urteil vom heutigen Tag zwischen den gleichen Parteien als willkürfrei
beurteilt worden (Urteil 1P.487/2004). Sie hat zur Folge, dass auch bei einem
späteren Umbau oder einer Umnutzung die früher (fälschlicherweise)
akzeptierte Übernutzung nicht reduziert werden muss. Diese Praxis geht über
die bundesverfassungsrechtliche Bestandesgarantie hinaus, ist aber jedenfalls
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie muss alsdann rechtsgleich für
alle Bauherrschaften angewendet werden.

3.4 Auf der Grundlage dieser Praxis lässt es sich nun sachlich nicht
rechtfertigen, bei einem Baugesuch für eine zusätzliche Nutzfläche, die als
solche durch einen zusätzlichen Ausnützungstransport abgedeckt ist, einen
AZ-Nachweis über die ganze Liegenschaft zu verlangen.

Das Verwaltungsgericht und die Gemeinde argumentieren, diese Anforderung
führe entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu einem
unzulässigen Widerruf der früher erteilten Baubewilligung: Diese könne
uneingeschränkt genutzt werden; sie habe jedoch keine Bindungswirkung für
eine neue Baubewilligung. Bei einer solchen sei es zulässig und im Lichte des
Legalitätsprinzips geradezu geboten, vom Baugesuchsteller den AZ-Nachweis für
das Ganze zu verlangen. Diese Argumentation müsste, wenn sie zuträfe, auch
gelten, wenn ein bewilligungspflichtiger Umbau nicht zu einer Zunahme der
anrechenbaren Geschossfläche führt. Auch dann steht nämlich eine neue
Baubewilligung zur Diskussion, für welche die früher erteilten Bewilligungen
keine Bindungswirkung haben könnten.

Entscheidend ist in beiden Fällen die Frage, ob anlässlich eines
Umbauprojekts, welches nur einen Teil der Liegenschaft betrifft, nachträglich
ein gesetzeskonformer AZ-Nachweis für die ganze Liegenschaft verlangt werden
soll. Ob die Bruttogeschossfläche als solche unverändert bleibt, oder ob sie
zunimmt, wobei diese Zunahme vollumfänglich durch einen rechtmässigen
Ausnützungstransport abgedeckt ist, kann dafür nicht entscheidend sein.
Entgegen der Darstellung der Gemeinde und des Verwaltungsgerichts entsteht
nämlich auch im zweiten Fall nicht eine zusätzliche Übernutzung, sondern nur
eine zusätzliche Ausnützung, die aber durch den zusätzlichen
Ausnützungstransport abgedeckt ist. Die Übernutzung bzw. das Ausmass der
Rechtswidrigkeit bleibt in beiden Fällen gleich. Wenn die Gemeinde im Falle
einer AZ-neutralen Umbaute keinen AZ-Nachweis für die ganze Baute verlangt,
mit dem Argument, das Mass der Rechtswidrigkeit werde nicht erhöht, dann muss
dies auch im zweiten Fall gelten.

Im vorliegenden Fall hat die bestehende Baute - wenn man die AZ-Berechnung
nach neuer Praxis der Gemeinde anwendet - rund 600 m2 BGF zu viel. Würde sie
- was nach willkürfreier Auffassung der kantonalen Behörden zulässig wäre -
ohne BGF-Zunahme umgebaut oder in ihrem Zweck geändert, hätte sie nach wie
vor rund 600 m2 BGF zu viel. Das vorliegend streitige Bauprojekt benötigt
eine zusätzliche BGF von rund 450 m2. Werden nun diese 450 m2 durch einen -
auch nach neuer Praxis rechtmässigen - Ausnützungstransport abgedeckt, so hat
nachher die gesamte Liegenschaft ebenfalls rund 600 m2 BGF zu viel. Es ist
sachlich nicht begründbar, in diesem Fall vom Bauherrn einen nach neuer
Praxis korrekten AZ-Nachweis für die ganze Liegenschaft zu verlangen, in
jenem Fall aber nicht.

Die Willkürlichkeit einer solchen Anforderung ergibt sich noch klarer, wenn
das Umbauprojekt nur minimal mehr Nutzfläche beanspruchte: Ein Umbauprojekt,
bei welchem die Bruttogeschossfläche unverändert bleibt, wäre ohne
zusätzlichen AZ-Nachweis zulässig. Würde aber durch ein Umbauprojekt nur ein
einziger Quadratmeter BGF mehr beansprucht als bisher, müsste die
Bauherrschaft einen zusätzlichen AZ-Nachweis für die gesamten rund 550 m2
erbringen. Dies ist unhaltbar: Entweder ist der AZ-Nachweis über die ganze
Liegenschaft bei jedem Umbauprojekt zu erbringen, auch wenn die
Bruttogeschossfläche nicht zunimmt, oder dann muss auch bei einem
Umbauprojekt, welches zu einer zusätzlichen Bruttogeschossfläche führt, der
AZ-Nachweis nur für diese zusätzliche Fläche erbracht werden.

3.5 Das Verwaltungsgericht und die Gemeinde beziehen sich auf das
Verwaltungsgerichtsurteil R 02 133, wo entschieden wurde, dass ein Bauherr
aus einer falschen Ausnützungsberechnung in einer früheren Baubewilligung
keine verbindlichen Wirkungen für zukünftige Bauvorhaben ableiten könne. Wenn
aber die Gemeinde und das Verwaltungsgericht bei einem AZ-neutralen Umbau in
verfassungsrechtlich haltbarer Weise keinen AZ-Nachweis über die gesamte
Baute verlangen, dann anerkennen sie im Ergebnis doch eine verbindliche
Wirkung der früheren Baubewilligung auch für neue Vorhaben. Für einen nicht
AZ-neutralen Umbau kann dann logischerweise nur für die zusätzliche
Bruttogeschossfläche ein AZ-Nachweis verlangt werden.

Anders ist es selbstverständlich, wenn sich der Bauherr für die zusätzliche
Bruttogeschossfläche auf eine angeblich bestehende Ausnützungsreserve beruft:
In diesem Fall ist die Baubehörde berechtigt, einen vollständigen AZ-Nachweis
für das gesamte Grundstück zu verlangen, um zu überprüfen, ob eine solche
Reserve tatsächlich besteht. Dabei ist sie an Ausnützungsberechnungen in
früheren Baubewilligungen nicht gebunden soweit diese nicht Niederschlag im
Dispositiv der Bewilligung gefunden haben. Ansonsten wäre sie möglicherweise
gezwungen, bei einem bereits übernutzten Grundstück eine zusätzliche
Übernutzung zuzulassen, wodurch das Ausmass der Übernutzung und damit der
Rechtswidrigkeit erhöht würde. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall, wie oben
(E. 3.4) dargelegt wurde, gerade nicht der Fall.

3.6 Im vorliegenden Falle kommt hinzu, dass der Ausnützungstransport von 600
m2 AGF (entsprechend 540 m2 BGF) ab Parzelle Nr. 95 in der Baubewilligung vom
15. Januar 1997 nicht etwa nur vorfrageweise akzeptiert, sondern im
Dispositiv der Baubewilligung verbindlich zur Anmerkung im Grundbuch
angeordnet worden ist. Wird nun anlässlich einer späteren Baubewilligung ein
anderer AZ-Nachweis für die damals bewilligte Bruttogeschossfläche verlangt,
so läuft dies im Ergebnis auf einen (teilweisen) Widerruf der damaligen
Baubewilligung hinaus: Zwar muss die bestehende Baute nicht verändert werden,
solange kein Umbaugesuch gestellt wird. Hingegen wird anlässlich eines
Baugesuchs für ein Umbauprojekt (welches nur einen relativ kleinen Teil des
gesamten Gebäudes betrifft) die Rechtmässigkeit der bestehenden Baute in
Frage gestellt mit der Folge, dass das neue Gesuch nur bewilligt wird, wenn
(auch) für die bestehende Baute entgegen der ausdrücklichen Anordnung des
Ausnützungstransports in der rechtskräftigen Baubewilligung ein anderer
AZ-Nachweis erbracht wird. Könnte dieser Nachweis nicht erbracht werden,
hätte die Bauherrschaft nur die Wahl, entweder auf die neue Nutzung zu
verzichten (obwohl dafür ein rechtsgenüglicher AZ-Nachweis vorliegt) oder
entgegen der ausdrücklichen Anordnung des Ausnützungstransports in der
damaligen Baubewilligung einen Teil der bisherigen Nutzung aufzugeben.

3.7 Die Beschwerde im Verfahren 1P.537/2004 erweist sich damit als begründet.

4.
Zu prüfen sind im Folgenden die Rügen der Beschwerdeführer des Verfahrens
1P.561/2004.

4.1 Sie beanstanden willkürliche Annahmen zur Ausnützungsberechnung; diese
Berechnung sei mangels genügender Pläne nicht überprüfbar. Das
Verwaltungsgericht habe eine formelle Rechtsverweigerung begangen, indem es
den Antrag, vermasste Pläne und Schnitte beizubringen, übergangen habe.
Ausserdem seien willkürlich verschiedene Räume nicht angerechnet worden.

Nachdem - wie aus E. 3 hervorgeht - im Rahmen des Umnutzungsprojekts nicht
ein AZ-Nachweis für das ganze Gebäude, sondern nur für die zusätzlich
beanspruchte Fläche verlangt werden kann, erweisen sich diese Vorbringen von
vornherein als unerheblich. Erforderlich ist nur ein AZ-Nachweis für die
streitigen Räume (bisheriger Fitnessraum und Fläche im Dachgeschoss), deren
Fläche nicht umstritten ist und für welche die Notwendigkeit eines
Ausnützungstransports auch von der Bauherrin anerkannt ist.

4.2 Weiter rügen die Beschwerdeführer, es sei willkürlich, eine
Baubewilligung mit der Auflage des Ausnützungstransports zu verfügen.

Indessen wird von den Beschwerdeführern nicht dargelegt, gegen welche Normen
oder Rechtsgrundsätze dadurch verstossen werden soll. Entgegen der
Darstellung der Beschwerdeführer hat die Behörde nicht die (formlose)
Zusicherung eines Ausnützungstransports als ausreichend erachtet; sie hat
vielmehr die Baubewilligung mit der (suspensiven) Bedingung verbunden, dass
die fehlende Fläche im Rahmen einer Grunddienstbarkeit beschafft und diese
Belastung im Grundbuch angemerkt wird. Solange dies nicht erfolgt ist, kann
von der Baubewilligung kein Gebrauch gemacht werden. Auch werden dadurch die
Rechte der Einsprecher nicht berührt: Diese haben die Möglichkeit, im
Grundbuch nachzuprüfen, ob die angeordnete Bedingung tatsächlich erfüllt ist
(Art. 970 Abs. 2 ZGB), und gegebenenfalls die Wiederherstellung zu verlangen,
wenn von der Baubewilligung Gebrauch gemacht wird, ohne dass die Bedingung
erfüllt ist.

4.3 Die Beschwerdeführer rügen sodann einen Verstoss gegen das Gebot der
Rechtsgleichheit, weil das Verwaltungsgericht im Entscheid R 02 64/66/67 vom
14. Januar 2003 eine ihnen erteilte Baubewilligung mangels Nachweises eines
Ausnützungstransports aufgehoben habe. Soweit aus dem Urteilssachverhalt
ersichtlich, wurde die damals streitige Baubewilligung jedoch von der
Gemeinde gestützt auf das Hofstattrecht (Art. 6 BG) ohne die Auflage eines
Ausnützungstransports erteilt, weshalb beide Sachverhalte nicht vergleichbar
sind. Das Verwaltungsgericht durfte sich als Rechtsmittelinstanz mit der
Aufhebung der Baubewilligung wegen Überschreitung der zulässigen Ausnützung
begnügen, und musste nicht von Amtes wegen eine Auflage zum
Ausnützungstransport verfügen.

5.
Somit erweist sich die Beschwerde im Verfahren 1P.537/2004 als begründet,
diejenige im Verfahren 1P.561/2004 als unbegründet, soweit darauf eingetreten
werden kann.

5.1 Im Verfahren 1P.537/2004 haben die ursprünglichen Einsprecher und
Rekurrenten auf eine Teilnahme am bundesgerichtlichen Verfahren verzichtet.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann sich zwar im Verfahren der
Verwaltungsbeschwerde und der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein
Baugesuchsteller, um dessen Vorhaben es im Verfahren geht, nicht seiner
Kostenpflicht entziehen, indem er auf eine Antragstellung verzichtet. Denn
solange der Projektant - wenn auch nur stillschweigend - an seinem Vorhaben
festhält, bleibt er notwendigerweise Partei in einem Verfahren, welches
dieses Vorhaben in Frage stellt (BGE 128 II 90 E. 2b S. 93 f. mit Hinweisen).

Anders verhält es sich aber, wenn ein ursprünglicher Einsprecher sich im
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht mehr beteiligt. Die
staatsrechtliche Beschwerde ist ein selbständiges Verfahren, in welchem
einzig der letztinstanzliche kantonale Entscheid Anfechtungsobjekt ist. Der
ursprüngliche Einsprecher ist nicht notwendigerweise Partei und kann auf eine
Verfahrensbeteiligung und damit auch auf das Kostenrisiko verzichten. Für das
Verfahren 1P.537/2004 sind daher keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2
OG). Hingegen hat die unterliegende Gemeinde der Beschwerdeführerin die
Parteikosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG).

5.2 Im Verfahren 1P.561/2004 tragen die unterliegenden Beschwerdeführer die
Verfahrenskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie haben zudem der Beschwerdegegnerin
und der Gemeinde Samnaun, welche als kleine Gemeinde ohne eigenen
Rechtsdienst auf den Beizug eines Anwalts angewiesen war, die Parteikosten zu
ersetzen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht :

1.
Die Verfahren 1P.537/2004 und 1P.561/2004 werden vereinigt.

2.
Die staatsrechtliche Beschwerde im Verfahren 1P.537/2004 wird gutgeheissen.
Das Urteil R 03 57 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 30.
Juni 2004 wird aufgehoben.

3.
Die staatsrechtliche Beschwerde im Verfahren 1P.561/2004 wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

4.
Für das Verfahren 1P.537/2004 werden keine Kosten erhoben.

5.
Für das Verfahren 1P.561/2004 wird die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- den
Beschwerdeführern auferlegt.

6.
Die Gemeinde Samnaun hat die Beschwerdeführerin im Verfahren 1P.537/2004 für
das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

7.
Die Beschwerdeführer im Verfahren 1P.561/2004 haben die Beschwerdegegnerin
und die Gemeinde Samnaun für das bundesgerichtliche Verfahren mit je Fr.
3'000.-- zu entschädigen.

8.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Samnaun und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Juni 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: