Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.517/2004
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1P.517/2004 /sta

Urteil vom 25. November 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Leuthold.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Amtsstatthalteramt Sursee, Centralstrasse 24, Postfach 53, 6210 Sursee,
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Hirschengraben 16, 6002 Luzern.

Strafverfahren; Kostenauflage; Entschädigung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer,
vom 6. Juli 2004.
Sachverhalt:

A.
Das Amtsstatthalteramt Sursee führte gegen Y.________ eine Strafuntersuchung
wegen Verdachts des Betruges, des Gebrauchs von gefälschten Urkunden und der
Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Alters- und
Hinterlassenenversicherung. Rechtsanwalt X.________ wurde per 8. August 2003
als ausserordentlicher amtlicher Verteidiger des Angeschuldigten eingesetzt.
Er reichte dem Amtsstatthalteramt am 9. März 2004 eine Kostennote ein, in
welcher er seine Honorarforderung auf Fr. 3'265.30 (Anwaltsgebühr Fr.
2'970.85, Auslagen Fr. 63.80, Mehrwertsteuer Fr. 230.65) bezifferte. Mit
Entscheid vom 26. März 2004 stellte das Amtsstatthalteramt die
Strafuntersuchung gegen Y.________ ein. Es auferlegte die Kosten der
Untersuchung dem Angeschuldigten. Das Honorar des Verteidigers setzte es auf
Fr. 2'220.65 (Gebühr Fr. 2'000.--, Auslagen Fr. 63.80, Mehrwertsteuer Fr.
156.85) fest. Gegen diese Festsetzung des Honorars erhob Rechtsanwalt
X.________ beim Obergericht des Kantons Luzern Kostenbeschwerde, mit der er
beantragte, seine Entschädigung sei auf Fr. 3'265.30 festzusetzen. Eventuell
sei die Sache zur Neubeurteilung an das Amtsstatthalteramt zurückzuweisen.
Das Obergericht entschied am 6. Juli 2004 wie folgt:
"1.Die Kostenbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr vor Obergericht wird auf Fr. 600.-- festgesetzt. Davon
werden Fr. 400.-- zu Lasten des Staates abgeschrieben und Fr. 200.-- dem
Beschwerdeführer überbunden.

Der Beschwerdeführer hat der kantonalen Gerichtskasse demnach Fr. 200.-- zu
bezahlen und seine eigenen Parteikosten zu tragen."

B.
X. ________ reichte gegen diesen Entscheid des Obergerichts mit Eingabe vom
14. September 2004 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde ein. Er
beantragt, Ziff. 2 des Dispositivs des angefochtenen Entscheids sei
"betreffend Auferlegung der Gerichtskosten zulasten des Beschwerdeführers und
betreffend Verweigerung einer Parteikostenentschädigung aufzuheben". Die
Sache sei zur diesbezüglichen Neuentscheidung an das Obergericht
zurückzuweisen.

C.
Das Obergericht stellt in seiner Vernehmlassung vom 13. Oktober 2004 den
Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Amtsstatthalteramt Sursee und die
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern verzichteten auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer hat dem Bundesgericht mit Eingabe vom 28. Oktober 2004
unaufgefordert eine Replik eingereicht, in welcher er zur Beschwerdeantwort
des Obergerichts Stellung nimmt. Ein zweiter Schriftenwechsel findet im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur ausnahmsweise statt (Art. 93 Abs. 3
OG). Im vorliegenden Fall wurde kein zweiter Schriftenwechsel angeordnet. Ob
die Replik und ihre Beilagen zu berücksichtigen sind, kann offen bleiben, da
deren Berücksichtigung am Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens nichts
zu ändern vermag.

2.
Der Beschwerdeführer hatte in seiner Kostenbeschwerde gerügt, die
Herabsetzung seiner Kostennote durch das Amtsstatthalteramt sei nicht
rechtsgenügend begründet worden. Es rechtfertige sich deshalb, die Sache zur
Neufestsetzung seines Honorars an das Amtsstatthalteramt zurückzuweisen. Das
Obergericht führte im angefochtenen Entscheid aus, das Amtsstatthalteramt sei
bei der Festsetzung der Entschädigung des Beschwerdeführers seiner
Begründungspflicht nur ungenügend nachgekommen, weshalb sich die
diesbezüglich vorgebrachte Rüge als grundsätzlich berechtigt erweise. Die
Sache brauche aber nicht an das Amtsstatthalteramt zurückgewiesen zu werden,
sondern könne vom Obergericht selber materiell beurteilt werden. Die
Anwaltsentschädigung sei nach den Kriterien des Gebührentarifs gemäss der
Verordnung des Obergerichts über die Kosten in Zivil- und Strafverfahren
sowie in weiteren Verfahren (Kostenverordnung, KoV) festzusetzen. In
Strafsachen betrage die Anwaltsgebühr im Untersuchungsverfahren vor
Amtsstatthalteramt Fr. 200.-- bis Fr. 6'000.-- (§ 60 lit. a KoV). Innerhalb
dieses Rahmens seien für die Festsetzung des Honorars die Bedeutung der Sache
für die Parteien in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht, die
Schwierigkeit der Sache, der Umfang und die Art der Bemühungen sowie der
Zeitaufwand massgebend (§ 51 KoV). Das Obergericht legte in der Folge dar,
weshalb unter den gegebenen Umständen erstellt sei, dass das
Amtsstatthalteramt sein Ermessen bei der Festsetzung des Honorars des
Beschwerdeführers nicht überschritten habe. Die Kostenbeschwerde sei daher
unbegründet. Es wies die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ab.
Zu den Kosten- und Entschädigungsfolgen hielt das Obergericht fest,
ausgangsgemäss seien die Kosten des vorliegenden Verfahrens dem
unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (§ 282 Abs. 1 der
Strafprozessordnung des Kantons Luzern, StPO). Die Gerichtsgebühr vor
Obergericht werde auf Fr. 600.-- festgesetzt (§ 40 KoV). Der knappen
Begründung durch das Amtsstatthalteramt solle dadurch Rechnung getragen
werden, dass von der Gerichtsgebühr Fr. 400.-- dem Staat überbunden würden.
Die restlichen Gerichtskosten von Fr. 200.-- sowie seine Parteikosten habe
der Beschwerdeführer zu tragen.

3.
Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen den
Entscheid des Obergerichts über die Kosten- und Entschädigungsfolgen. Der
Beschwerdeführer macht geltend, dieser Entscheid verletze Art. 5 Abs. 3 BV
(Grundsatz von Treu und Glauben), Art. 8 Abs. 1 BV (Rechtsgleichheitsgebot),
Art. 9 BV (Willkürverbot), Art. 29 Abs. 2 BV (Anspruch auf rechtliches Gehör)
sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Anspruch auf ein faires Verfahren).

3.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Entscheid nicht schon
dann willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder
gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar
ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder
einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise
dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; 125 I 166
E. 2a S. 168, je mit Hinweisen).
In der staatsrechtlichen Beschwerde wird vorgebracht, im luzernischen
Kostenbeschwerdeverfahren komme das kantonale Gesetz über die
Verwaltungsrechtspflege (VRG) zur Anwendung. Gemäss § 201 Abs. 2 VRG dürften
einer Partei keine Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn die Vorinstanz
grobe Verfahrensfehler begehe, und es müsse in einem solchen Fall eine
Parteientschädigung selbst bei Unterliegen in der Hauptsache entrichtet
werden. Die Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch einen unbegründeten
Entscheid betreffend die Kürzung der Kostennote stelle einen groben
Verfahrensfehler dar, der dazu führen müsse, dass der Beschwerdeführer keine
Verfahrenskosten zu tragen habe und ihm für das Kostenbeschwerdeverfahren
eine Parteientschädigung auszurichten sei.
Aus § 6 Abs. 2 VRG ergibt sich, dass das Verwaltungsrechtspflegegesetz im
Kostenbeschwerdeverfahren vor Obergericht nicht zur Anwendung kommt. Dieses
hatte über ein Rechtsmittel zu befinden, das sich gegen die in einem
Strafverfahren getroffene Festsetzung des Honorars des amtlichen Verteidigers
richtete. Das Obergericht stützte sich daher für den Kostenentscheid mit
Grund auf § 282 StPO, wonach derjenige, welcher ohne Erfolg ein Rechtsmittel
eingelegt hat, in der Regel die Kosten des Verfahrens trägt. Da die vom
Beschwerdeführer gegen die Honorarfestsetzung des Amtsstatthalteramtes
erhobene Kostenbeschwerde abgewiesen wurde, war die Annahme vertretbar, der
Beschwerdeführer sei grundsätzlich kostenpflichtig. Dem Umstand, dass der
erstinstanzliche Entscheid nicht genügend begründet worden war, trug das
Obergericht Rechnung, indem es dem Beschwerdeführer nur einen Drittel der
Gerichtskosten überband. Diese Aufteilung der Kosten lässt sich mit guten
Gründen vertreten. Auch ist es gesamthaft betrachtet nicht willkürlich, dass
das Obergericht dem Umstand der ungenügenden Begründung des erstinstanzlichen
Entscheids lediglich bei der Aufteilung der Gerichtskosten, nicht aber bei
der Parteientschädigung Rechnung getragen hat. Da der Beschwerdeführer mit
seiner Kostenbeschwerde im Wesentlichen unterlag, ist es nicht unhaltbar,
dass ihm keine Entschädigung zugesprochen wurde. Der Entscheid des
Obergerichts über die Kosten- und Entschädigungsfolgen verstösst demnach
nicht gegen Art. 9 BV.

3.2 Auch die weiteren Rügen des Beschwerdeführers sind unzutreffend, denn es
kann keine Rede davon sein, dass durch diesen Entscheid des Obergerichts der
Grundsatz von Treu und Glauben, das Rechtsgleichheitsgebot, der Anspruch auf
rechtliches Gehör sowie das Recht auf ein faires Verfahrens verletzt worden
wären.
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen.

4.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Dieser hat keinen
Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amtsstatthalteramt Sursee, der
Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. November 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: