Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.438/2004
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1P.438/2004 /sta

Urteil vom 23. November 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg
Sigrist,

gegen

Bausektion der Stadt Zürich, Amthaus IV, Lindenhofstrasse 19, Postfach, 8021
Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
1. Abteilung, 1. Kammer, Militärstrasse 36, Postfach 1226, 8021 Zürich.

Art. 9, 29 Abs. 2 und Art. 30 Abs. 1 BV
(Baubewilligung; Nichteintretensentscheid),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, vom 2. Juni 2004.
Sachverhalt:

A.
Die Bausektion der Stadt Zürich erteilte der X.________ AG am 18. März 2003
die Bewilligung für den Neubau eines Büro- und Gewerbehauses inklusive einer
Unterniveaugarage mit 143 Autoabstellplätzen anstelle von Betriebsbauten. Die
Baubewilligung wurde mit der Auflage verbunden, dass auf dem Areal insgesamt
nicht mehr als 389 Autoabstellplätze vorhanden sein dürfen und dass die
X.________ AG mindestens gleich viele Autoabstellplätze aufhebt wie sie neue
erstellt (Dispositiv-Ziffer II./C./Ziff. 3 der Verfügung).

B.
Die X.________ AG erhob Rekurs bei der Baurekurskommission I des Kantons
Zürich und beantragte, dass Dispositiv-Ziffer II./C./Ziff. 3 der
Baubewilligungsverfügung aufgehoben und das Bauvorhaben ohne
Abbauverpflichtung für das Restareal bewilligt werde.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2004 trat die Baurekurskommission auf den Rekurs
nicht ein und überwies die Streitsache zur Behandlung an den Regierungsrat.
Nach Auffassung der Baurekurskommission ist fraglich, ob auf die Durchführung
einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verzichtet werden könne. Diese
Frage müsse vom Regierungsrat entschieden werden, welcher nach § 329 Abs. 2
lit. c des Gesetzes des Kantons Zürich vom 7. September 1975 über die
Raumplanung und das öffentliche Baurecht (Planungs- und Baugesetz; PBG)
Rekursinstanz sei, wenn eine Baute oder Anlage der
Umweltverträglichkeitsprüfung unterliege. Dass der Regierungsrat bereits bei
der Prüfung seiner Zuständigkeit beurteilen müsse, ob eine Baute oder Anlage
UVP-pflichtig sei, sei auf die Verknüpfung der Zuständigkeitsvoraussetzungen
mit der materiellen Frage der UVP-Pflicht zurückzuführen.

C.
Gegen den Beschluss der Baurekurskommission gelangte die X.________ AG unter
Aufrechterhaltung ihrer Anträge an das Verwaltungsgericht Zürich, welches die
Beschwerde mit Entscheid vom 2. Juni 2004 abwies. Zur Begründung führte das
Verwaltungsgericht aus, das Bauvorhaben stehe in engem Zusammenhang mit der
Frage, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müsse. Zwar
sei im Rekursverfahren nicht umstritten gewesen, dass das vorliegende
Bauprojekt nicht UVP-pflichtig sei. Jedoch würde der von der Bausektion der
Stadt Zürich angegebene Grund für den Verzicht auf die Durchführung einer UVP
dahinfallen, wenn das Bauvorhaben ohne Auflage bewilligt würde. Das
Verwaltungsgericht geht unter Verweis auf seine Rechtsprechung zu § 329 Abs.
2 lit. c PBG/ZH davon aus, dass sich die Zuständigkeit des Regierungsrats
"nicht nur auf Fälle [erstreckt], in denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung
positiv angeordnet wurde, sondern ebenso auf Fälle, in denen geltend gemacht
wird, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht unterblieben". Daher
sei "der Regierungsrat die zuständige Rekursinstanz, wenn die Frage der UVP
zwingend beantwortet werden muss". Es drohe sonst die Gefahr der Gabelung des
Rechtsmittelwegs und widersprüchlicher Rechtsauffassungen zwischen der
Baurekurskommission und dem Regierungsrat, wenn das zur Diskussion stehende
Bauvorhaben im Rekursverfahren als UVP-pflichtig erklärt und die Sache an die
Vorinstanz zurückgewiesen werden müsste.

D.
Die X.________ AG hat gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 2. Juni
2004 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9, 29 Abs. 2 und
Art. 30 Abs. 1 BV erhoben. Sie beantragt, dass der angefochtene Entscheid
aufgehoben und die Sache zur Behandlung an die Baurekurskommission
zurückgewiesen werde.

E.
Das Verwaltungsgericht beantragt unter Verweis auf die Erwägungen im
angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Die Bausektion der Stadt Zürich schliesst auf Abweisung der
Beschwerde und beantragt, dass selbst im Fall der Gutheissung der Beschwerde
die Stadt Zürich weder in diesem noch in den vorinstanzlichen Verfahren
kosten- und entschädigungspflichtig werde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
inwieweit auf ein Rechtsmittel eingetreten werden kann (BGE 129 II 453 E. 2
S. 456; 129 I 173 E. 1 S. 174, 185 E. 1 S. 188, je mit Hinweisen).

1.2 Entsprechend der subsidiären Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (Art.
84 Abs. 2 OG) ist zunächst zu prüfen, ob das Bundesgericht die als
staatsrechtliche Beschwerde bezeichnete Eingabe der Beschwerdeführerin als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegennehmen muss.

1.2.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig gegen Verfügungen im
Sinne von Art. 5 VwVG. Eine solche liegt vor, wenn sich der Entscheid auf
Bundesverwaltungsrecht stützt oder richtigerweise stützen sollte. Dasselbe
gilt, wenn er sich auf eine kantonale Ausführungsvorschrift zu
Bundesverwaltungsrecht stützt, dieser kantonalen Norm aber keine selbständige
Bedeutung zukommt, oder wenn die auf kantonalem Recht beruhenden Anordnungen
einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit einer Frage des
Bundesverwaltungsrechts aufweisen (BGE 124 II 409 E. 1d/dd S. 414; 123 I 275
E. 2b S. 277; 122 II 274 E. 1a S. 277; 121 II 72 E. 1a S. 75 f.).
1.2.2 Der angefochtene Entscheid, in dem das Verwaltungsgericht die
Beschwerde gegen den Nichteintretensbeschluss der Baurekurskommission abwies,
basiert einzig auf § 329 PBG/ZH. Nach dieser Vorschrift werden Streitigkeiten
in erster Instanz durch die Baurekurskommission entschieden, sofern das
Gesetz nichts anderes bestimmt (Abs. 1). Anstelle der Baurekurskommission ist
der Regierungsrat Rekursinstanz, wenn Anordnungen über Bauten und Anlagen,
die der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, angefochten sind (Abs. 2
lit. c). Der angefochtene Entscheid basiert somit weder auf
Bundesverwaltungsrecht noch auf kantonalem Ausführungsrecht, sondern auf
selbständigem kantonalem Recht. Die Verordnung vom 19. Oktober 1988 über die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV; SR 814.011), welche in Art. 5 die
zuständige Behörde und das massgebliche Verfahren für die Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung festlegt, enthält keine Regeln über den
kantonalen Rechtsmittelweg. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans
Bundesgericht kommt deshalb nur unter der Voraussetzung in Frage, dass ein
hinreichend enger Sachzusammenhang zum Bundesverwaltungsrecht besteht.

Bei § 329 PBG/ZH handelt es sich um eine Norm über die Zuständigkeit der
kantonalen Rekursbehörden. Ob ein Bauvorhaben der UVP-Pflicht unterliegt, ist
eine von Art. 9 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz
(Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01) und von der bereits genannten Verordnung
über die Umweltverträglichkeitsprüfung geregelte Vorfrage, was für die
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sprechen könnte (vgl. André
Jomini, in: Heinz Aemisegger/Alfred Kuttler/Pierre Moor/ Alexander Ruch
(Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 1999, N. 22
zu Art. 34).
Entscheidend ist hier aber, dass unter dem Gesichtspunkt der Durchsetzung des
Bundesrechts unerheblich ist, ob der kantonale Rechtsmittelweg über die
Baurekurskommission oder über den Regierungsrat an das kantonale
Verwaltungsgericht führt. Die letzte kantonale Instanz, die über die Vorfrage
der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung entscheidet, ist im
einen wie im anderen Fall das kantonale Verwaltungsgericht (vgl. Walter
Haller/Peter Karlen, Rechtsschutz im Raumplanungs- und Baurecht, Zürich 1998,
S. 18). Das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin ist somit als
staatsrechtliche Beschwerde entgegenzunehmen.

1.3 Beim angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts handelt es sich um
einen Zwischenentscheid, da nach dem ihm zugrunde liegenden Entscheid der
Baurekurskommission der Rekurs an den Regierungsrat überwiesen worden ist und
er infolgedessen bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid darstellt
(BGE 126 I 207 E. 1a S. 209; 123 I 325 E. 3b S. 327, je mit Hinweisen). Die
staatsrechtliche Beschwerde ist gegen selbständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren
zulässig. Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden (Art.
87 Abs. 1 OG). Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide
ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 87 Abs. 2 OG).
Voraussetzung für die Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde ist in
jedem Fall, dass es sich um einen letztinstanzlichen Entscheid handelt (Art.
86 Abs. 1 OG).

Beim angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts handelt es sich um einen
Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 Abs. 1 OG, weil er sich mit der Frage
der sachlichen Zuständigkeit der kantonalen Behörden befasst. Gegen den
Entscheid des Verwaltungsgerichts steht kein ordentliches oder
ausserordentliches kantonales Rechtsmittel mehr offen. Dies spricht dafür,
den angefochtenen Entscheid als letztinstanzlich zu betrachten. Indessen ist
die Frage der Zuständigkeit auf kantonaler Ebene noch nicht definitiv
geklärt, weil die Streitsache beim Regierungsrat nach wie vor hängig ist. Der
Entscheid des Verwaltungsgerichts legt nicht fest, welche kantonale Behörde
zuständig ist, sondern überlässt es dem Regierungsrat zu prüfen, ob dieser
sich zur Behandlung des Rekurses als zuständig erachtet. Der Inhalt des
angefochtenen Entscheids weist somit darauf hin, dass noch kein
letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über die Zuständigkeitsfrage ergangen
ist. Es wäre mit dem Sinn von Art. 86 Abs. 1 OG denn auch nicht vereinbar,
wenn das Bundesgericht eine Frage beurteilt, die der Kanton durch seine
eigenen Organe noch nicht abschliessend geprüft hat (vgl. Walter Kälin, Das
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 331 f.).
Die Beschwerde erweist sich als unzulässig, weshalb darauf nicht einzutreten
ist.

2.
Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens sind die Kosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Bausektion der Stadt Zürich
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. November 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: