Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.379/2004
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1P.379/2004 /ggs

Urteil vom 7. Februar 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Ersatzrichter Ackeret,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, Verwaltungsgebäude, 8510
Frauenfeld,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570
Weinfelden.

Leistung eines Kostenvorschusses,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 28. April 2004.

Sachverhalt:

A.
Am 17. Juni 2002 beschloss der Gemeinderat Sirnach den Gestaltungsplan
"Rüti". Das Gebiet "Rüti" liegt im südwestlichen Teil von Sirnach und wird
von einem historischen Industriekanal durchquert. Es soll mit Wohn- und
Gewerbebauten überbaut werden. Die bisherige Breitestrasse, die das
Plangebiet diagonal quert, soll verlegt werden und nördlich des Kanals als
Sackgasse mit Kehrplatz bis zum neuen Kanalverlauf führen. Der weiter
südlich, entlang des Kanals verlaufende Teil der Breitestrasse soll überbaut
werden.

Gegen den Gestaltungsplan erhob X.________ Einsprache, worauf der Gemeinderat
wegen fehlender Legitimation nicht eintrat. Den hiergegen gerichteten Rekurs
von X.________ wies das Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau
ab. Eine von X.________ in der Folge erhobene Beschwerde wurde vom
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau am 3. September 2003 ebenfalls
abgewiesen. Die von X.________ dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde
wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 9. Februar 2004 gutgeheissen und der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 3. September 2003
aufgehoben.

B.
Vom 21. November bis 10. Dezember 2003 wurde die mit dem Gestaltungsplan
"Rüti" beabsichtigte Landumlegung öffentlich aufgelegt. Auf die von
X.________ dagegen erhobene Einsprache trat der Gemeinderat Sirnach mit
Beschluss vom 16. Februar 2004 nicht ein, und zwar wiederum wegen fehlender
Legitimation.

Gegen diesen Gemeinderatsbeschluss rekurrierte X.________ beim Departement
für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau. Dieses ersuchte ihn mit Schreiben vom
12. März 2004, gestützt auf § 79 des Thurgauer Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981 (VRG), um Leistung eines
Kostenvorschusses von Fr. 500.--, verbunden mit der Androhung, dass bei
nichtfristgemässer Überweisung auf den Rekurs nicht eingetreten werde.

Eine von X.________ gegen diese Kostenvorschussverfügung erhobene Beschwerde
wurde vom Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 28. April 2004 abgewiesen.

C.
Mit Eingabe vom 3. Juli 2004 erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung von Art. 9 BV. Er beantragt, den Entscheid des
Verwaltungsgerichtes des Kantons Thurgau vom 28. April 2004 aufzuheben.

D.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau beantragt, auf die Beschwerde
nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen. Das Departement für Bau und
Umwelt des Kantons Thurgau beantragt, die staatsrechtliche Beschwerde
abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Beim angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 28. April 2004 handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen,
selbständig eröffneten Zwischenentscheid. Dieser kann nach Art. 87 Abs. 2 OG
mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, wenn er einen nicht mehr
wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann. Dies ist für die Aufforderung
zur Leistung eines Kostenvorschusses zu bejahen, wenn diese - wie im
vorliegenden Fall - mit der Androhung verbunden wird, dass im Säumnisfall auf
eine Klage oder ein Rechtsmittel nicht eingetreten werde (Entscheid
4P.70/2001 vom 1. Juni 2001 E. 2).

1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die behauptete
Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim
Bundesgericht geltend gemacht werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Im Entscheid
vom 9. Februar 2004 erachtete das Bundesgericht die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde für zulässig, weil der Beschwerdeführer mit
seiner Einsprache gegen den Gestaltungsplan Rügen aus dem Bundesumweltrecht
geltend gemacht hatte, in der Hauptsache also die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht offen gestanden hätte. Im
vorliegenden Fall geht es dagegen um die Einsprache gegen eine Landumlegung,
die auf kantonalem Recht beruht. Auch wenn die Landumlegung zur
Verwirklichung des Gestaltungsplans erfolgt, besteht zumindest kein enger
Sachzusammenhang mit dem Bundesverwaltungsrecht. Insofern besteht keine
Veranlassung, die vorliegend erhobene staatsrechtliche Beschwerde in eine
Verwaltungsgerichtsbeschwerde umzudeuten.

1.3 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde die
wesentlichen Tatsachen und eine kurzgefasste Darlegung darüber enthalten,
welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie
durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Im staatsrechtlichen
Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene
Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 125 I 71 E. 1c S. 76, 492 E.
1b S. 495, je mit Hinweisen).

Mit seinen weitschweifigen Ausführungen über den möglichen Prozessverlauf,
wenn er den Kostenvorschuss bezahlt hätte, und den Inhalt des
Landumlegungsverfahrens vermag der Beschwerdeführer diesen Voraussetzungen
nicht zu genügen. Der Beschwerdeführer befasst sich im Übrigen nicht mit der
vom Verwaltungsgericht genannten Rechtsgrundlage des Kostenvorschusses (§ 79
VRG), sondern rügt nur eine willkürliche Anwendung von § 78 Abs. 2 VRG,
wonach unter bestimmten Umständen auf die Erhebung amtlicher Kosten
verzichtet werden kann. Ob auf die Beschwerde eingetreten werden kann, ist
deshalb fraglich, kann aber dahingestellt bleiben, da sich die Beschwerde
ohnehin als unbegründet erweist.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Anwendung von § 78 Abs. 2 VRG,
wonach auf die Erhebung amtlicher Kosten verzichtet werden kann, sofern es
die Umstände rechtfertigen. Nach dieser Bestimmung hätte von ihm kein
Kostenvorschuss eingefordert werden dürfen.

Willkür liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes nicht schon dann
vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen
Verletzung des Willkürverbotes nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist,
mit der tatsächlichen Situation im klaren Widerspruch steht, eine Norm oder
einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz klar verletzt oder in stossender Weise
dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider läuft (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; 125 I 166
E. 2a S. 168, je mit Hinweisen).

2.2 Das Verwaltungsgericht stützt sich auf § 79 Abs. 1 VRG, welcher bestimmt,
dass die Behörde einen Kostenvorschuss verlangen kann. Der Sinn des
Kostenvorschusses liege einerseits darin, den Parteien klarzumachen, dass ein
kostenpflichtiges Verfahren angehoben worden sei. Andererseits gehe es auch
um die Sicherstellung eines Teils der zu erwartenden Verfahrensgebühr. Die
Behörde sei bei der Bemessung des Kostenvorschusses nicht frei, sondern habe
sich auf sachliche, zureichende Gründe zu stützen. Die Erhebung eines
Kostenvorschusses sei dann nicht mehr sachgerecht, wenn nach § 78 Abs. 2 VRG
die Umstände offensichtlich von vornherein einen Verzicht auf amtliche Kosten
nahe legten.

Im Kanton Thurgau habe sich für Rekurs- und Verwaltungsgerichtsverfahren die
Praxis eingebürgert, dass grundsätzlich immer ein Kostenvorschuss erhoben
werde. Darauf werde nur in Fällen verzichtet, in denen ohnehin ein Verzicht
auf Kosten generell angezeigt sei (Angelegenheiten der Fürsorge, Stipendien
oder bei Stimmrechtsbeschwerden). Würde der Argumentation des
Beschwerdeführers gefolgt, wonach bei klarer Rechtslage auf die Erhebung
eines Kostenvorschusses zu verzichten sei, bedeutete dies, dass eine
Rekursinstanz beim Eingang einer Beschwerde immer eine "prima
vista"-Beurteilung vornehmen müsste, was aus grundsätzlichen Überlegungen
abzulehnen sei. Selbst bei vermeintlich klarer Rechtslage dürfe daher ohne
weitere Prüfung ein Kostenvorschuss verlangt werden.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers könne im übrigen nicht gesagt
werden, dass das von der Politischen Gemeinde Sirnach angestrengte
Güterzusammenlegungsverfahren im Hinblick auf den Gestaltungsplan unzulässig
sei. Vielmehr sei es der Gemeinde grundsätzlich erlaubt, das Verfahren
voranzutreiben, allerdings unter dem Vorbehalt, dass der materielle Inhalt
des Gestaltungsplanes bestätigt werde.

2.3 Der Beschwerdeführer macht zur Begründung seiner Willkürrüge geltend,
dass der seine Legitimation verneinende Entscheid des Gemeinderates nur 12
Tage nach Eintreffen des Bundesgerichtsurteils vom 9. Februar 2004
ausgefertigt und ihm zugestellt worden sei. Aufgrund des noch hängigen
Gestaltungsplanverfahrens und der bundesrechtlichen Anerkennung seiner
Aktivlegitimation in Sachen Gestaltungsplan "Rüti" habe es sich bei seiner
Beschwerde gegen den Entscheid des Gemeinderates, mit dem ihm abermals die
Legitimation abgesprochen worden sei, um einen klaren Fall gehandelt. Das
Departement hätte deshalb von einem Kostenvorschuss absehen müssen.

2.4 Entgegen dem Beschwerdeführer sind seine Vorbringen nicht geeignet, den
Entscheid des Verwaltungsgerichts als willkürlich erscheinen zu lassen.

Gemäss § 79 VRG kann die Behörde einen Vorschuss verlangen. Es steht ihr
deshalb schon dem Wortlaut nach ein Ermessensspielraum zu. Wenn das
Departement grundsätzlich einen Kostenvorschuss erhebt und damit allfällige,
einem Rekurrenten oder Beschwerdeführer zu belastende Kosten sicherstellt,
steht das mit Sinn und Zweck der Vorschrift in Einklang. Indem in
Angelegenheiten, in welchen gestützt auf § 78 Abs. 2 VRG im Entscheidfall
generell auf Kosten verzichtet wird - wie das offenbar in Angelegenheiten der
Fürsorge und Stipendien oder bei Stimmrechtsbeschwerden der Fall ist - auch
kein Kostenvorschuss erhoben wird, wird das Ermessen sachlich gehandhabt.

Wenn dagegen im Einzelfall auf die Erhebung von Kosten verzichtet werden
kann, bedeutet dies nicht, dass entsprechende Umstände schon bei der Erhebung
von Kostenvorschüssen nach § 79 VRG zu prüfen wären. Dass sich gestützt auf §
78 Abs. 2 VRG eine Vorausprüfung der Rechtslage aufdränge, kann deshalb nicht
gesagt werden. Die Ablehnung einer "prima vista"-Beurteilung der Beschwerde
schon im Hinblick auf die Erhebung des Kostenvorschusses dient der
Verfahrensökonomie und ist nicht willkürlich.

Festzuhalten ist schliesslich, dass das Bundesgericht nur über die
Legitimation des Beschwerdeführers zur Einsprache gegen den Gestaltungsplan
entschieden hat, nicht aber über dessen Legitimation im
Landumlegungsverfahren. Insofern liegt kein Entscheid in gleicher Sache vor,
weshalb entgegen dem Beschwerdeführer nicht von vornherein von einem klaren
Fall gesprochen werden kann.

Die Rüge des Beschwerdeführers, die Behörde sei bei der Erhebung des
Kostenvorschusses in Willkür verfallen, ist deshalb unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten
werden kann.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement für Bau und Umwelt
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Februar 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: