Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.371/2004
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1P.371/2004 /bie

Urteil vom 21. September 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X. ________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Heer,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn,
Amthaus 1, Postfach 157, 4502 Solothurn.

Nichtbezahlung des Kostenvorschusses.

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 28. Mai 2004.

Sachverhalt:

A.
Am 16. Juli 2001 erhob X.________ gegen die Ortsplanung der Gemeinde
Niedererlinsbach Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Solothurn, mit
dem Antrag, ihre Parzellen Nrn. 384, 388 und 478 seien der Bauzone
zuzuweisen. Am 6. April 2004 wies der Regierungsrat die Beschwerde ab.
Dagegen erhob X.________ am 29. April 2004 Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn.

B.
Am 30. April 2004 verfügte das Verwaltungsgericht, dass die
Beschwerdeführerin bis 21. Mai 2004 einen Kostenvorschuss von Fr. 1'500.-- an
die Gerichtskasse zu bezahlen habe, verbunden mit der Androhung, auf die
Beschwerde nicht einzutreten, wenn der Vorschuss nicht rechtzeitig bezahlt
werde. Diese Verfügung wurde dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin
zugestellt. Dieser schickte sie seiner Mandantin am 4. Mai 2004 per Post zu.

Die Beschwerdeführerin fühlte sich in dieser Zeit nicht wohl. Deshalb öffnete
sie die Post erst am 25. Mai 2004, als die Frist für die Einzahlung des
Kostenvorschusses bereits abgelaufen war. Sie telefonierte daraufhin mit
ihrem Rechtsvertreter. Dieser teilte dem Verwaltungsgericht gleichentags
brieflich mit, dass die Beschwerdeführerin zufolge Krankheit nicht in der
Lage gewesen sei, ihre Korrespondenz zu erledigen; sie werde jedoch so rasch
wie möglich den Kostenvorschuss überweisen; hierfür sei die nötige Frist zu
gewähren. Am 27. Mai 2004 wurde der Kostenvorschuss bezahlt.

C.
Am 28. Mai 2004 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein,
weil der Kostenvorschuss nicht bis zum 21. Mai 2004 einbezahlt und das
Fristerstreckungsgesuch des Rechtsvertreters verspätet eingereicht worden
sei.

D.
Gegen den Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts erhebt X.________
staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung
des angefochtenen Entscheids.

E.
Das Verwaltungsgericht beantragt, die staatsrechtliche Beschwerde sei
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Der Beschwerdeführerin
wurde Gelegenheit gegeben, sich zur Vernehmlassung des Verwaltungsgerichts zu
äussern.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, der sich auf
kantonales Prozessrecht stützt. Hiergegen steht nur die staatsrechtliche
Beschwerde ans Bundesgericht offen, wenn - wie im vorliegenden Fall - auch in
der Hauptsache (Überprüfung der Ortsplanung der Gemeinde Niedererlinsbach;
vgl. Art. 34 Abs. 3 RPG) nur die staatsrechtliche Beschwerde zulässig wäre
(BGE 127 II 264 E. 1a S. 267 mit Hinweis). Da alle Sachurteilsvoraussetzungen
vorliegen, ist auf die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich einzutreten.

Nicht einzutreten ist allerdings auf diejenigen Rügen, die keinen
Zusammenhang mit dem angefochtenen Entscheid und dessen Begründung -
Nichteintreten wegen verspäteter Einzahlung des Kostenvorschusses -
aufweisen. Dies gilt für die Ausführungen zur langen Verfahrensdauer vor dem
Regierungsrat, der kurzen Rechtsmittelfrist für die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss § 67 des kantonalen Gesetzes über den
Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz) vom 15.
November 1970 (VRG) und die Rüge, wonach der Beschwerdeführerin Unterlagen
aus einem sie nicht betreffenden Beschwerdeverfahren zugestellt worden seien.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Art. 29 Abs. 2 BV), weil das Verwaltungsgericht sie vor Erlass seines
Urteils vom 28. Mai 2004 nicht angehört habe.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst den Anspruch, vor Erlass eines
belastenden Entscheids angehört zu werden. Grundsätzlich nimmt ein
Beschwerdeführer dieses Recht in der Beschwerdeschrift wahr. Das Gericht
prüft aufgrund der Akten vom Amtes wegen, ob alle Sachurteilsvoraussetzungen
vorliegen. Ist dies nicht der Fall, tritt es auf die Beschwerde nicht ein,
ohne dies dem Beschwerdeführer vorher ankündigen und ihm Gelegenheit zur
Stellungnahme einräumen zu müssen.
Eine nochmalige Anhörung ist allerdings dann erforderlich, wenn sich das
Gericht auf Tatsachen oder auf juristische Argumente zu stützen gedenkt, die
dem Beschwerdeführer nicht bekannt sind bzw. mit deren Heranziehung er nicht
rechnen musste (BGE 116 Ia 455 E. 3cc S. 458 mit Hinweisen).

Im vorliegenden Fall wusste der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, dass
der Kostenvorschuss nicht fristgerecht eingezahlt worden war - er selbst
hatte dies dem Gericht mitgeteilt. Die Säumnisfolge - Nichteintreten auf die
Beschwerde - war bereits in der Verfügung vom 30. April 2004 angedroht
worden. Schliesslich musste dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auch
bekannt sein, dass sein am 25. Mai 2004 - nach Ablauf der Frist - abgesandtes
Fristverlängerungsgesuch verspätet war. Unter diesen Umständen war das
Verwaltungsgericht nicht verpflichtet, die Beschwerdeführerin vor Erlass der
Nichteintretensverfügung nochmals anzuhören.

3.
Weiter rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung der verfassungsrechtlichen
Begründungspflicht.

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss die Begründung eines
Entscheids so abgefasst sein, dass der Betroffene versteht, weshalb das
Gericht gegen seinen Antrag entschieden hat bzw. darauf nicht eingetreten
ist, und den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Hierfür
müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die
Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Die Begründung
kann sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken
(BGE 112 Ia 107 E. 2b S. 110 mit Hinweisen).

Im vorliegenden Fall ist die Begründung sehr kurz und enthält keine Hinweise
auf die einschlägigen Bestimmungen des Solothurner Prozessrechts. Immerhin
geht aus ihr hervor, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten wird, weil der
Kostenvorschuss nicht bis am 21. Mai 2004 an die Gerichtskasse eingezahlt und
das Fristerstreckungsgesuch des Vertreters verspätet eingereicht wurde. Dies
genügt - zumindest für eine anwaltlich vertretene Partei -, um die Tragweite
des Entscheids verstehen, seine Rechtmässigkeit überprüfen und diesen
sachgerecht anfechten zu können. Eine Verletzung der verfassungsrechtlichen
Begründungspflicht liegt deshalb nicht vor.

Die Beschwerdeführerin rügt sodann die Begründung als willkürlich, weil das
Verwaltungsgericht den Kostenvorschuss als "nicht bezahlt" anstatt als
"verspätet bezahlt" bezeichnet habe. Diese Rüge ist offensichtlich
unbegründet, ergibt sich doch aus dem Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz
der Begründung, dass sich die Aussage, der Kostenvorschuss sei nicht
geleistet worden, auf das Datum des Fristablaufs, d.h. den 21. Mai 2004,
bezieht.

4.
Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, es sei überspitzt formalistisch,
schon wenige Tage nach Ablauf der Frist auf eine Beschwerde wegen nicht
rechtzeitiger Einzahlung des Kostenvorschusses nicht einzutreten. Die
Nichteintretensfolge sei sachlich nicht gerechtfertigt und
unverhältnismässig. Sodann fehle eine gesetzliche Grundlage für das Vorgehen
des Verwaltungsgerichts.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Interesse ordnungsgemässer
Justizverwaltung zulässig, für die mutmasslichen Prozesskosten einen
Vorschuss von demjenigen zu verlangen, der staatlichen Rechtsschutz in
Anspruch nimmt - dies entspricht einer allgemeinen Praxis in den Kantonen und
im Bund (BGE 124 I 241 E. 4a S. 244; vgl. auch Art. 150 OG). Wird die
Gültigkeit eines Rechtsmittels kraft ausdrücklicher Vorschrift von der
rechtzeitigen Leistung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht, so kann
darin grundsätzlich weder ein überspitzter Formalismus noch eine Verweigerung
des rechtlichen Gehörs erblickt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die
Parteien über die Höhe des Vorschusses, die Zahlungsfrist und die Folgen der
Nichtleistung in angemessener Weise aufmerksam gemacht werden (so schon BGE
96 I 521 E. 4 S. 523 mit Hinweisen; bestätigt z.B. im Entscheid 1P.163/ 1997
vom 17. Juni 1997 E. 2c).

Die Solothurner Zivilprozessordnung (ZPO/SO) vom 11. September 1966 regelt in
§ 94 die Vorschusspflicht; Abs. 3 bestimmt, dass die Streitsache
abzuschreiben ist, wenn der beim Einreichen eines Rechtsmittels verlangte
Vorschuss innert der Frist nicht geleistet wird, sofern diese Folge
ausdrücklich angedroht worden ist. Diese Regelung ist gemäss § 58 VRG auf das
Verfahren vor den Verwaltungsgerichtsbehörden sinngemäss anwendbar. Insofern
besteht eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, die das Eintreten auf ein
Rechtsmittel von der rechtzeitigen Leistung des Kostenvorschusses abhängig
macht.

Mit Verfügung vom 30. April 2004 ist die Beschwerdeführerin über die Höhe des
Vorschusses, die Zahlungsfrist und die Folgen der Nichtleistung informiert
worden. Diese Verfügung wurde ihrem gesetzlichen Vertreter wirksam
zugestellt. Damit erweist sich die Rüge des überspitzten Formalismus als
unbegründet.

Dass die Beschwerdeführerin krankheitsbedingt von der Verfügung und damit
auch von der Zahlungsfrist nicht rechtzeitig Kenntnis genommen hat, kann in
diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Dies hätte vielmehr mit
einem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter
Fristversäumnis vorgebracht werden müssen. Der Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin macht selbst nicht geltend, dass er ein solches Gesuch
gestellt habe bzw. dass sein Schreiben vom 25. Mai 2004 als
Wiedereinsetzungsgesuch hätte behandelt werden müssen.

5.
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die
Beschwerdeführerin die Gerichtskosten und hat keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 156, 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. September 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: