Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.316/2004
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1P.316/2004 /sza

Urteil vom 7. Dezember 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Aeschlimann,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Zbinden,

gegen

Y.________,
Z.________,
Beschwerdegegner, beide vertreten durch Rechtsanwalt Erwin Jutzet,
Gemeinde Plaffeien, 1716 Plaffeien,
Oberamtmann des Sensebezirks, Kirchweg 1, 1712 Tafers,
Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, II. Verwaltungsgerichtshof, route
André-Piller 21, case postale, 1762 Givisiez.

Art. 9 BV (Baubewilligung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Freiburg, II. Verwaltungsgerichtshof, vom 20. April 2004.

Sachverhalt:

A.
Y. ________, Eigentümer einer Liegenschaft im Gebiet "Pürrena" der Gemeinde
Plaffeien, reichten im Juli 2002 ein Gesuch um Verbreiterung einer in diesem
Gebiet liegenden Strasse Nr. 1879 ein. Die Arbeiten sollten auf der Parzelle
Nr. 2502 durchgeführt werden, welche Z.________ gehört. Die Strasse Nr. 1879
verläuft an der nördlichen Grundstücksgrenze der Parzelle Nr. 2502. Jenseits
der Strasse befinden sich die Grundstücke Nr. 1889 und Nr. 2265. Das erstere
gehört ebenfalls Z.________, das andere X.________.

Die genannten Liegenschaften befinden sich in einer Ferienhauszone und sind
teilweise überbaut. Aufgrund eines Berichts der Naturgefahrenkommission
gelten die Liegenschaften als "Rutschgebiet" ("Kategorie 3 rot") und sind
gestützt auf einen Entscheid des Staatsrats des Kantons Freiburg aus dem Jahr
1999 grundsätzlich nicht überbaubar.

X. ________ erhoben Einsprache gegen das Bauvorhaben von Y.________. Die
Naturgefahrenkommission und das Tiefbauamt des Kantons Freiburg äusserten
sich in ihren Gutachten ebenfalls negativ zum geplanten Projekt. Im Mai 2003
führte der Oberamtmann des Sensebezirks eine Ortsbesichtigung durch, worauf
entschieden wurde, das Bauvorhaben zu überarbeiten. Die genannten Behörden
stimmten in der Folge dem geänderten Bauvorhaben zu. X.________ hielten
jedoch an ihrer Einsprache fest.

Der Oberamtmann erteilte am 27. August 2003 die Baubewilligung und wies die
Einsprache von X.________ ab. Diese gelangten an das Verwaltungsgericht des
Kantons Freiburg, welches die Beschwerde mit Entscheid vom 20. April 2004
abwies, soweit es darauf eintrat.

B.
X.________ haben gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV erhoben. Die Beschwerdeführer
beantragen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die
Streitsache an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen werde. Ferner beantragen
die Beschwerdeführer, dass der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt
werde.

C.
Der Oberamtmann und die Gemeinde Plaffeien schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Das Verwaltungsgericht, Y.________ sowie Z.________ beantragen,
die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Die Beschwerdeführer haben eine Replik eingereicht. Der Oberamtmann, die
Gemeinde Plaffeien, das Verwaltungsgericht sowie die Beschwerdegegner liessen
sich zur Replik vernehmen.

Die Beschwerdeführer als auch die Beschwerdegegner reichten am 29. Oktober
respektive 9. November 2004 je unaufgefordert eine weitere Vernehmlassung
ein.

D.
Mit Verfügung vom 28. Juni 2004 wies der Präsident der I.
Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch um
aufschiebende Wirkung der staatsrechtlichen Beschwerde ab.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
inwieweit auf ein Rechtsmittel eingetreten werden kann (BGE 129 II 453 E. 2
S. 456; 129 I 173 E. 1 S. 174, 185 E. 1 S. 188, je mit Hinweisen).

1.2  Beim angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts handelt es sich um
einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid im Sinn von Art. 86 Abs. 1 OG,
gegen den auf Bundesebene für die Geltendmachung verfassungsmässiger Rechte
die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung steht (Art. 84 Abs. 2 OG). Die
Beschwerde ging rechtzeitig beim Bundesgericht ein (Art. 89 Abs. 1 OG),
weshalb unter der Voraussetzung, dass die Beschwerdelegitimation der
Beschwerdeführer bejaht werden kann, auf die Beschwerde einzutreten ist.

1.3  Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist nach Art. 88 OG befugt, wer durch
den angefochtenen Entscheid persönlich in seinen rechtlich geschützten
Interessen beeinträchtigt ist und ein aktuelles und praktisches Interesse an
der Beschwerde hat. Nach der Praxis des Bundesgerichts sind die Eigentümer
benachbarter Grundstücke befugt, die Erteilung einer Baubewilligung
anzufechten, wenn sie die Verletzung von Bauvorschriften geltend machen, die
ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz
der Nachbarn dienen. Zusätzlich müssen sie dartun, dass sie sich im
Schutzbereich der Vorschriften befinden und durch die behaupteten
widerrechtlichen Auswirkungen der Bauten betroffen werden (Urteil des
Bundesgerichts 1P.76/1998 vom 17. März 1998, publiziert in: ZBl 100/1999 S.
136, E. 1b; BGE 118 Ia 232 E. 1a S. 234, mit Hinweisen).

1.4  Die Beschwerdeführer machen in der Sache Willkür bei der
Sachverhaltsermittlung geltend. Das Verwaltungsgericht habe die vom
Tiefbauamt im Beschwerdeverfahren eingereichte Vernehmlassung vom 1. April
2004 nicht berücksichtigt. Aus dieser Vernehmlassung ergebe sich, dass die
von den Beschwerdegegnern geplante Strassenverbreiterung unzulässig sei,
falls ein am Ende der zu verbreiternden Strasse liegender Kiesparkplatz
seinerzeit ohne Baubewilligung erstellt worden sei. Nach Auffassung des
Tiefbauamtes würde den Beschwerdegegnern in diesem Fall die Berechtigung zum
Ausbau der Erschliessungsstrasse fehlen. Die Beschwerdeführer werfen dem
Verwaltungsgericht vor, es hätte daher prüfen müssen, ob der besagte
Kiesparkplatz rechtmässig erstellt worden war. Des Weitern machen die
Beschwerdeführer geltend, indem das Verwaltungsgericht die Vernehmlassung des
Tiefbauamtes nicht beachtet habe, habe es Art. 46 des Gesetzes des Kantons
Freiburg vom 26. November 1975 über den Wasserbau (WBG/FR) verfassungswidrig
angewendet. Im formellen Teil der Beschwerdeschrift berufen sich die
Bschwerdeführer zudem auf Art. 157 des Raumplanungs- und Baugesetzes des
Kantons Freiburg vom 9. Mai 1983 (RPBG/FR).

Die Beschwerdeführer können sich auf das Willkürverbot (Art. 9 BV) nur unter
der Voraussetzung berufen, dass sie in ihren rechtlich geschützten Interessen
verletzt sind (BGE 126 I 81 E. 4-6 S. 87 ff.). Dies setzt voraus, dass die
angerufenen kantonalen Vorschriften zumindest auch nachbarschützende
Funktionen haben.

Ob sich darüber hinaus eine persönliche Berechtigung aus Art. 23 RPBG/FR
ergibt, muss nicht geprüft werden. Die Beschwerdeführer berufen sich erst in
der Replik und ohne Zusammenhang mit der Beschwerdeantwort, somit nicht
innert der Beschwerdefrist von Art. 89 Abs. 1 OG, auf die besagte Bestimmung
(BGE 119 Ia 123 E. 3d S. 131).

1.5 Art. 157 RPBG/FR bestimmt, dass "[j]ede Baute, die Umgebungsarbeiten
sowie die verwendeten Materialien ... hinsichtlich Festigkeit und Sicherheit
die Voraussetzungen erfüllen [müssen], die dem Wesen des Werkes entsprechen.
Diese Bedingungen sind ebenfalls auf die Benutzung des Werkes anwendbar"
(Abs. 1). "Die Vorschriften des Gesetzes über die Feuerpolizei und über den
Schutz gegen Elementarschäden sind vorbehalten" (Abs. 2). Sodann müssen "[i]n
Bezug auf die Nachbargrundstücke und die öffentlichen Sachen ... genügende
Sicherheitsbedingungen beachtet werden" (Abs. 3).
Gemäss Art. 46 WBG/FR bedürfen "[d]ie Erstellung, die Änderung und die
Aufhebung jeglichen Bauwerkes und jeglicher Anlage, die Bacheinlegungen und
Durchlässe von Wasserläufen wie auch jede den örtlichen Zustand, den
Wasserabschluss und dessen Wasserstandsverhältnisse, die Sicherheit des
Bettes und der Ufer ändernde Massnahme ... einer vorherigen Begutachtung
durch das Amt" (Abs. 1). Dasselbe gilt "für jegliche Materiallagerung, Bau
und Änderung des natürlichen Geländes in einer Entfernung von weniger als 20
Meter von der Grenze der öffentlichen Sachen, der Seen und Wasserläufe.
Dieser Mindestabstand kann erhöht werden, wenn die Natur des Wasserlaufes und
seiner Ufer dies erfordert" (Abs. 2).

Wie sich aus dem Titel des 6. Abschnitts des Wasserbaugesetzes ergibt, gehört
Art. 46 WBG/FR zu den wasserbaupolizeilichen Vorschriften. Diese haben zum
Ziel, Menschen und Sachwerte vor schädlichen Auswirkungen des Wassers zu
schützen (vgl. Walter Haller/Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und
Umweltrecht, Band I, 3. Aufl., Zürich 1999, N. 618). Mit der in Art. 46
WBG/FR vorgesehenen Pflicht zur Einholung eines Gutachtens beim in der Sache
zuständigen Amt soll gewährleistet werden, dass eine Baubewilligung nur bei
hinlänglicher Sicherheit gegen Wasserschäden erteilt wird. Art. 46 WBG/FR
nimmt neben anderen auch eine nachbarschützende Funktion wahr, da sich die
Gefahren bei baulichen Veränderungen in der Nähe von Gewässern auf die
umliegenden Grundstücke erstrecken können. Die Nachbarn haben ein
berechtigtes Interesse, dass beim zuständigen Amt über die Auswirkungen
baulicher Veränderungen vor der Erteilung der Baubewilligung ein Gutachten
eingeholt wird. Art. 46 WBG/FR stellt deshalb auch eine Konkretisierung von
Art. 157 Abs. 3 RPBG/FR dar, wonach bei jeder baulichen Veränderung in Bezug
auf Nachbargrundstücke hinreichende Sicherheitsbedingungen beachtet werden
müssen.
Vorliegend machen die Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend, Art. 46 WBG/FR
sei dadurch verletzt worden, dass über das geplante Bauprojekt vor der
Erteilung der Baubewilligung an die Beschwerdegegner kein Gutachten eingeholt
worden sei. Sie bringen lediglich vor, das Verwaltungsgericht habe die vom
Tiefbauamt im Beschwerdeverfahren eingereichte Vernehmlassung nicht beachtet.
Die angeblich nicht beachtete Passage dieser Vernehmlassung lautet:
"Falls der genannte Kiesparkplatz nicht rechtmässig ist und damit auch keine
legitime Notwendigkeit für einen Übergang über das Gewässer besteht, muss
entlang des Bachrohrs gemäss Wasserbauverordnung Art. 21 der Raumbedarf des
Fliessgewässers freigehalten werden. Eine Strassenverbreiterung innerhalb des
minimalen Raumbedarfs (9.00m ab Bachrohr) wäre somit nicht zulässig."
Die Beschwerdeführer verkennen, dass die Rechtmässigkeit der Erstellung des
am Ende der zu verbreiternden Strasse liegenden Kiesparkplatzes nicht
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Dem Wortlaut der zitierten
Vernehmlassung lässt sich nicht entnehmen, inwiefern die
Strassenverbreiterung infolge einer allfälligen Vorschriftswidrigkeit des
Parkplatzes eine negative Wirkung auf rechtlich geschützte Interessen der
Beschwerdeführer als Eigentümer benachbarter Grundstücke haben könnte. Aus
der Vernehmlassung ergibt sich lediglich, dass nach Auffassung des
Tiefbauamtes den Beschwerdegegnern im Falle einer unrechtmässigen Erstellung
des Parkplatzes die Berechtigung zum Ausbau der Erschliessungsstrasse fehlen
würde. Die Argumentation der Beschwerdeführer, dass sie der Gefahr von
Hochwasser oder Überschwemmung ausgesetzt wären, falls sich herausstellen
sollte, dass der Parkplatz ohne Baubewilligung erstellt worden ist und die
Erschliessungsstrasse dennoch verbreitert würde, ist nicht stichhaltig. Ein
allfälliger Verstoss gegen die Pflicht zur Einholung einer Baubewilligung für
den Parkplatz bedeutet nicht, dass bei der Strassenverbreiterung
Sicherheitsbedingungen in Bezug auf Nachbargrundstücke nicht beachtet und die
Beschwerdeführer dadurch in ihren rechtlich, d.h. durch Art. 46 Abs. 2 WBG/FR
und Art. 157 Abs. 3 RPBG/FR geschützten Interessen betroffen werden. Mit
ihrem Vorbringen machen die Beschwerdeführer im Grunde lediglich allgemeine
Interessen an der Einhaltung des Baurechts geltend, wozu sie im Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde nicht befugt sind (BGE 121 I 267 E. 2 S. 268
f.). Aus diesem Grund fehlt den Beschwerdeführern die Legitimation zur
staatsrechtlichen Beschwerde.

2.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich mangels Beschwerdelegitimation
als unzulässig, weshalb auf sie nicht einzutreten ist. Ausgangsgemäss werden
die Beschwerdeführer unter solidarischer Haftbarkeit kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 7, Art. 159 Abs. 1, 2 und 5 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben die privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit insgesamt
Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Plaffeien, dem Oberamtmann des
Sensebezirks und dem Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, II.
Verwaltungsgerichtshof, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Dezember 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: