Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.30/2004
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1P.30/2004 /whl

Urteil vom 19. April 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Féraud,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

Kantonale Planungsgruppe Bern, Zieglerstrasse 34, 3007 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

Regierungsrat des Kantons Bern, 3000 Bern 8,
vertreten durch die Justiz-, Gemeinde- und Kirchen-direktion des Kantons
Bern, Münstergasse 2, 3011 Bern.

Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 BV (Revision von Art. 15 der Verordnung über die
Leistungen des Kantons an Massnahmen und Entschädigungen im Interesse der
Raumplanung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungsrats des
Kantons Bern vom 22. Oktober 2003.

Sachverhalt:

A.
Der Regierungsrat des Kantons Bern beschloss am 22. Oktober 2003 eine
Änderung der Verordnung über die Leistungen des Kantons an Massnahmen und
Entschädigungen im Interesse der Raumplanung
(Planungsfinanzierungsverordnung, PFV; BSG 706.111). Die Änderung von Art. 15
lautet:
"Art. 15: Im Sinne von Artikel 139 Abs. 1 Buchstabe c des Baugesetzes gelten
folgende Organisationen als beitragsberechtigt:
a aufgehoben,
b bis e unverändert."
In der bisherigen Version von Art. 15 lit. a PFV war die Kantonale
Planungsgruppe Bern (KPG) als beitragsberechtigt genannt worden.

Die Revision steht in Zusammenhang mit der "Strategischen Aufgabenprüfung
durch den Regierungsrat" des Kantons Bern (Projekt SAR), welche die Sanierung
der Kantonsfinanzen zum Ziel hat. Im Bereich der Justiz-, Gemeinde- und
Kirchendirektion (JGK) wurden die Produktegruppen "Unterstützung und Aufsicht
Gemeinden" sowie "Raumordnung" des Amtes für Gemeinden und Raumordnung (AGR)
überprüft. Der Regierungsrat empfahl unter anderem den Abbau von
Staatsbeiträgen an Gemeinden, Regionen und Institutionen und stellte eine
entsprechende Änderung der PFV in Aussicht. Der Grosse Rat des Kantons Bern
stimmte den vorgeschlagenen Massnahmen in der Novembersession 2002 zu. Bei
den Beiträgen an Institutionen sollte der Beitrag an die KPG stufenweise
gestrichen werden. Die geänderte Fassung von Art. 15 PFV soll darum auch erst
am 1. Januar 2006 in Kraft treten, da der KPG 2003 noch Fr. 90'000.--, 2004
Fr. 50'000.-- und schliesslich 2005 noch Fr. 35'000.-- ausbezahlt werden
sollten.

B.
Gegen diese Teilrevision der Planungsfinanzierungsverordnung erhebt die KPG
mit Eingabe vom 19. Januar 2004 staatsrechtliche Beschwerde. Sie beantragt,
die Änderung von Art. 15 PFV sei wegen Verstosses gegen die Art. 5 und 9 BV
aufzuheben.

Die JGK schliesst im Namen des Bernischen Regierungsrates auf Abweisung der
Beschwerde.

Sowohl die Beschwerdeführerin wie auch der Regierungsrat halten im zweiten
Schriftenwechsel sinngemäss an ihren Anträgen fest.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach Art. 84 OG kann gegen kantonale Erlasse oder Verfügungen beim
Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde geführt werden. Mit der gerügten
Revision der Planungsfinanzierungsverordnung wird die Beschwerdeführerin von
der Liste der beitragsberechtigten Organisationen gestrichen. Die Beschwerde
richtet sich demzufolge gegen einen kantonalen Erlass, welcher eine
individuell konkrete Anordnung enthält und dem insofern Verfügungscharakter
zukommt. Die Beschwerdeführerin wird als juristische Person des Privatrechts
(es handelt sich um einen Verein gemäss Art. 60 ff. ZGB) in ihren eigenen
Interessen betroffen. Indessen setzt die Legitimation zur staatsrechtlichen
Beschwerde eine Beeinträchtigung in rechtlich geschützten Interessen voraus
(Art. 88 OG; BGE 120 Ia 227 E. 1 S. 229 f. mit Hinweisen). Die von der
Beschwerdeführerin geltend gemachten Interessen müssen darum entweder durch
eidgenössisches oder kantonales Gesetzesrecht oder unmittelbar durch die
Bundesverfassung rechtlich geschützt sein (BGE 129 I 217 E. 1 S. 219 mit
Hinweisen). Im vorliegenden Fall hält Art. 139 Abs. 2 des kantonalen
Baugesetzes vom 9. Juni 1985 (BauG; BSG 721.0) ausdrücklich fest, dass kein
Rechtsanspruch auf Staatsbeiträge besteht. Ein direkt auf die
Bundesverfassung gestütztes rechtlich geschütztes Interesse an der
Beibehaltung des kantonalen Unterstützungsbeitrages ist - aufgrund der
erhobenen Rügen und wie es sich aus der folgenden Erwägung ergibt - zu
verneinen.

1.2 Trotz fehlender Legitimation in der Sache kann die Beschwerdeführerin
eine Verletzung von Verfahrensgarantien geltend machen, die ihr nach dem
kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar gestützt auf die Bundesverfassung
zustehen und deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt
(BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f.; 127 II 161 E. 3b S. 167). Die
Beschwerdeführerin wirft dem Regierungsrat indes einzig Willkür vor. Zwar
macht sie auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 BV geltend, indem sie den
Standpunkt vertritt, die Verordnungsänderung könne sich nicht auf eine
genügende gesetzliche Grundlage stützen. Das in Art. 5 Abs. 1 BV verankerte
Legalitätsprinzip ist - abgesehen von seiner spezifischen Bedeutung im
Strafrecht und im Abgaberecht - kein verfassungsmässiges Individualrecht,
sondern stellt einen Verfassungsgrundsatz dar, dessen Verletzung nicht
selbständig, sondern nur im Zusammenhang mit der Verletzung des Grundsatzes
der Gewaltentrennung, der Rechtsgleichheit, des Willkürverbots oder eines
speziellen Grundrechts gerügt werden kann (BGE 127 I 60 E. 3a S. 67 mit
Hinweisen; vgl. Pra 91/2002 Nr. 146 S. 790 E. 3.1 S. 790 E. 3.1 S. 791). Im
vorliegenden Fall wäre die gerügte Verletzung des Legalitätsprinzips aufgrund
der vorgebrachten Rügen im Lichte von Art. 9 BV zu prüfen.

1.3 Die Willkürbeschwerde ist indes nur zulässig, wenn die willkürliche
Anwendung einer Bestimmung gerügt wird, die dem Beschwerdeführer einen
Rechtsanspruch einräumt oder den Schutz seiner Interessen bezweckt (BGE 126 I
81 E. 3b S. 85; 123 I 279 E. 3c/aa S. 280). Wie gesagt, kann sich die
Beschwerdeführerin vorliegend nicht auf eine solche Norm berufen. Auf die
Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten.

2.
2.1 Selbst wenn auf die Beschwerde einzutreten wäre, wären die Rügen der
Beschwerdeführerin materiell unbegründet, da dem Regierungsrat keine Willkür
vorzuwerfen ist. Weder Art. 139 Abs. 1 lit. c noch Art. 140 BauG verpflichten
den Regierungsrat, bestimmte Organisationen als beitragsberechtigt zu
bezeichnen. Das Gesetz räumt dem Regierungsrat einen relativ weiten Spielraum
ein, in welchem der Verordnungsgeber frei ist, festzulegen, ob überhaupt
Beiträge ausgezahlt werden und wenn ja, an wen. Selbst wenn im Rahmen der
Baugesetzrevision 1997 die Beschwerdeführerin als spätere Beitragsberechtigte
ausdrücklich genannt wurde, hatte dies aufgrund des unmissverständlichen
Gesetzestextes keine bindende Wirkung für den Verordnungsgeber.

2.2 Zur Konkretisierung der vom Grossen Rat gutgeheissenen SAR-Massnahmen,
welche das Amt für Gemeinden und Raumordnung betreffen, hat sich der
Regierungsrat neben dem Abbau von Personal aufgrund der Aufwandstruktur des
AGR für eine Reduktion der Staatsbeiträge entschieden
(Regierungsratsbeschluss Nr. 2039 vom 2. Juli 2003). Um die verbindlichen
Vorgaben zu realisieren, wurden u.a. auch Art. 4 und 7 PFV geändert, indem
bei den Beiträgen an Projekte der Raumplanung Kürzungen vorgenommen wurden.
Hinsichtlich der finanziellen Unterstützung von Organisationen bilden gemäss
Regierungsrat der Mitgliederbeitrag an die Vereinigung für Landesplanung mit
Fr. 104'000.-- und der Beitrag an die Beschwerdeführerin mit Fr. 90'000.--
die bedeutendsten Summen. Die übrigen Zahlungen in diesem Bereich umfassen
insgesamt einen Betrag von Fr. 25'500.--. Der Kantonsbeitrag stellt für die
Beschwerdeführerin rund 10 % ihres jährlichen Gesamtaufwandes dar. Der
Regierungsrat hielt eine Einkommenseinbusse in dieser Höhe für zumutbar; sie
bedrohe die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrer Existenz (Vortrag der JGK
zur Änderung der PFV vom 13. Oktober 2003 S. 5). In seiner Replik führt der
Regierungsrat sinngemäss ergänzend aus, die Beschwerdeführerin sei eine
Sektion der Vereinigung für Landesplanung. Die Zahlung an die
Dachorganisation komme indirekt den Sektionen und damit auch der
Beschwerdeführerin zugute. Die Beschwerdeführerin biete überdies u.a.
individuelle Beratung, telefonische juristische Auskünfte, Schulung sowie
Informationen im Bau-, Planungs- und Umweltrecht an, mithin Dienstleistungen,
für welche die Beschwerdeführerin grundsätzlich ein Entgelt bzw. ein höheres
Entgelt als bis anhin verlangen könne. In dieser Hinsicht unterscheide sich
die Beschwerdeführerin massgeblich von den übrigen, weiterhin unterstützten
Organisationen. Die "Berner Wanderwege", die "Vereinigung für Umweltrecht",
die "Interessengemeinschaft Velo des Kantons Bern" sowie die "Stiftung
Landschaftsschutz Schweiz" verfügten über keine, respektive nur in erheblich
geringerem Masse vermarktbare Produkte. Sie hätten darum keine oder
jedenfalls keine vergleichbare Eigenfinanzierungsmöglichkeit.

2.3 Die Gründe, welche der Regierungsrat für seinen Entscheid aufführt,
erweisen sich als sachlich und durchaus nachvollziehbar. Überdies wurde auch
geprüft, den Mitgliederbeitrag des Kantons an die Vereinigung für
Landesplanung zu streichen oder doch zu reduzieren. Dazu hätte der Kanton
jedoch vorab seine Mitgliedschaft bei der Vereinigung für Landesplanung
kündigen müssen. Der Regierungsrat befürchtete, dies könnte von den übrigen
Mitgliedskantonen als Zeichen mangelnder Solidarität für die im gemeinsamen
Interesse betriebene Einrichtung verstanden werden (Vortrag der JGK zur
Änderung der PFV vom 13. Oktober 2003 S. 6). Vor dem Hintergrund, dass die
Beschwerdeführerin gar keinen Rechtsanspruch auf einen Staatsbeitrag hat und
der Kanton Bern mit der "strategischen Aufgabenprüfung durch den
Regierungsrat" die Sanierung seiner Finanzen beschlossen hat, kann von einem
willkürlichen Vorgehen des Regierungsrates keine Rede sein.

3.
Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht
einzutreten ist. Von der Erhebung von Verfahrenskosten ist abzusehen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Regierungsrat des Kantons
Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. April 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: