Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.219/2004
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1P.219/2004 /gij

Urteil vom 6. August 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach,
4001 Basel,
Strafgericht des Kantons Basel-Stadt, Rekurskammer, Schützenmattstrasse 20,
Postfach, 4003 Basel.

Nichteintreten auf eine Strafanzeige,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Strafgerichts des Kantons
Basel-Stadt, Rekurskammer, vom 19. Februar 2004.

Sachverhalt:

A.
X.  ________ reichte am 30. September 2002 bei der Staatsanwaltschaft des
Kantons Basel-Stadt gegen den Augenarzt Prof. Dr. med. Y.________
Strafanzeige ein wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Darin warf er diesem
vor, ihn operiert zu haben, ohne ihn über die Risiken des vorgeschlagenen
Eingriffs aufgeklärt zu haben. Er habe eine unnötig risikoreiche Operation
durchgeführt, obwohl es nach den Erkenntnissen von Prof. A.________ eine
risikolose "nicht invasive" Behandlungsmöglichkeit gegeben hätte. Die
Operation sei zudem fehlerhaft ausgeführt worden und insbesondere die
Nachbetreuung mangelhaft gewesen. Sein Sehvermögen, welches ihm bis kurz vor
der ersten Operation durch Prof. Y.________ ein normales Leben ermöglicht
habe, sei durch dessen fehlerhafte Behandlung auf ein Minimum gesunken, er
sei heute hochgradig sehbehindert.

Am 29. Oktober 2002 trat die Staatsanwaltschaft auf die Strafanzeige nicht
ein mit der Begründung, es lägen keinerlei Anhaltspunkte für ein
strafrechtlich relevantes Verhalten vor.

Der Erste Staatsanwalt wies die Einsprache von X.________ am 18. November
2002 ab.

Die Rekurskammer des Strafgerichts Basel-Stadt wies den Rekurs von X.________
gegen diesen Entscheid des Ersten Staatsanwaltes am 19. Februar 2004 ab. Sie
kam - u.a. gestützt auf das Gutachten von Prof. B.________ vom 18. April 2001
- zum Schluss, die Staatsanwaltschaft sei berechtigterweise vom Vorliegen
einer gültigen Einwilligung in eine lege artis ausgeführte medizinische
Behandlung ausgegangen und habe ein strafrechtlich relevantes Vorgehen
seitens Prof. Y.________ zu Recht mangels Tatbestandsmässigkeit
ausgeschlossen.

B.
Mit Beschwerde vom 28. April 2004 beantragt X.________, diesen Entscheid der
Rekurskammer aufzuheben und die Durchführung eines Strafverfahrens
anzuordnen.

Die Rekurskammer des Strafgerichts und die Staatsanwaltschaft verzichten auf
Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer erhebt "Beschwerde", ohne sein Rechtsmittel genauer zu
bezeichnen.

1.1  Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, der angefochtene Entscheid
verletze materielles Strafrecht des Bundes, weshalb es sich  von vorn herein
nicht um eine Nichtigkeitsbeschwerde handeln kann (Art. 269 BStP).

1.2  Zu prüfen ist, ob sie als staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte im Sinn von Art. 84 Abs. 1 lit. a OG
entgegengenommen werden kann.

Der Beschwerdeführer rügt zwar nicht ausdrücklich die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte; sinngemäss wirft er der Rekurskammer indessen
vor, willkürlich zum Schluss gekommen zu sein, er habe in die Operation vom
7. Oktober 1997 eingewilligt und diese und die weitere Behandlung durch Prof.

Y. ________ und sein Team seien lege artis durchgeführt worden. Eine
derartige
Berufung auf das Willkürverbot von Art. 9 BV ist zulässig. Der
Beschwerdeführer ist heute unbestrittenermassen hochgradig sehbehindert; die
Rekurskammer hat eine derartige Einbusse der Sehfähigkeit zu Recht objektiv
als schwere Körperverletzung qualifiziert. Er ist Opfer im Sinne von Art. 2
Abs. 1 OHG und als solches befugt, die kantonal letztinstanzliche Einstellung
des Strafverfahrens gegen Prof. Y.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde
wegen Verletzung des Willkürverbotes von Art. 9 BV anzufechten (Art. 84 Abs.
1 lit. a, Art. 86 Abs. 1 und Art. 88 OG, Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG; BGE 120 Ia
101 E. 1a und 2a, 157 E. 2a und c). Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist
grundsätzlich einzutreten.

1.3  Die staatsrechtliche Beschwerde ermöglicht indessen keine Fortsetzung
des
kantonalen Verfahrens. Das Bundesgericht prüft in diesem Verfahren nur in der
Beschwerdeschrift erhobene, detailliert begründete und soweit möglich belegte
Rügen. Der Beschwerdeführer muss den wesentlichen Sachverhalt darlegen, die
als verletzt gerügten Verfassungsbestimmungen nennen und überdies dartun,
inwiefern diese verletzt sein sollen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38
E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift über weite Strecken nicht,
wiederholt und bekräftigt der Beschwerdeführer darin im Wesentlichen doch nur
seine bereits im kantonalen Einsprache- und Rekursverfahren vorgetragenen
Argumente, ohne konkret darzulegen, inwiefern die Rekurskammer im
angefochtenen Entscheid - nur dieser kann mit staatsrechtlicher Beschwerde
kritisiert werden - seine verfassungsmässigen Rechte verletzte. Soweit im
Folgenden auf Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht eingegangen wird,
erschöpfen sie sich in appellatorischer Kritik und genügen den gesetzlichen
Begründungsanforderungen nicht.

2.
Willkürlich handelt ein Gericht, wenn es seinem Entscheid
Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den Akten in klarem
Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweiswürdigung besitzt der Richter einen
weiten Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift im Rahmen einer
staatsrechtlichen Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich
unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht
oder auf einem offenkundigen Versehen beruht (BGE 124 I 208 E. 4a; 117 Ia 13

E. 2c; 18 E. 3c je mit Hinweisen).

3.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfüllt auch ein kunstgerecht
ausgeführter ärztlicher Heileingriff den Tatbestand der Körperverletzung,
welche nur durch die Einwilligung des Patienten zu rechtfertigen ist (BGE 124
IV 258 E. 2).

3.1  Der Beschwerdeführer macht geltend, nicht über die der Operation vom 7.
Oktober 1997 innewohnenden Risiken informiert worden zu sein. Er sei, als er
unmittelbar vor dem Eingriff das Formular "Einwilligung für einen ärztlichen
Eingriff" unterschieben und damit bestätigt habe, umfassend über den
bevorstehenden Eingriff informiert worden und mit dessen Durchführung
einverstanden zu sein, bereits für die Operation vorbereitet und damit -
wegen der eingenommen Medikamente und ohne Brille - nicht mehr in der Lage
gewesen, den Inhalt der von ihm unterschriebenen Erklärung zu erfassen. Diese
sei daher mit einem Willensmangel behaftet.

3.2  Die Rekurskammer hat dazu ausgeführt (angefochtener Entscheid E. 5 S.
7),
der Beschwerdeführer habe sich vor dem Eingriff nach einer ersten ambulanten
Konsultation drei Tage zu einer stationären Untersuchung im
Universitätsspital Basel aufgehalten, und die Frage einer allfälligen
Operation sei Gegenstand der abschliessenden Besprechung zwischen ihm und
Prof. Y.________ gewesen; anschliessend sei der Beschwerdeführer nach
Deutschland zurückgereist, wo er seinen Augenarzt konsultiert habe, bevor er
sich zur Operation nach Basel begeben habe. Es könne daher keine Rede davon
sein, dass er von Prof. Y.________ überrumpelt und zur Operation gedrängt
worden sei, vielmehr spreche alles dafür, dass sich der Beschwerdeführer
sachgerecht über den geplanten Eingriff informiert habe und seine
Einwilligung damit nicht an einem Willensmangel leide.

3.3  Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, der sich
offensichtlich intensiv mit seinem Augenleiden beschäftigte und deswegen
verschiedene Ärzte um Rat nachsuchte, völlig unkritisch und ohne weiter
nachzufragen in die Operation durch Prof. Y.________ eingewilligt haben will.
Dies insbesondere auch deshalb, weil er nach der Untersuchung durch Prof.

Y. ________, nach welcher ihm dieser riet, sich rasch operieren zu lassen,
von
seinem Augenarzt in Deutschland beraten liess. Selbst wenn er dessen
schriftlichen Bericht erst nach dem 7. Oktober 1997 erhalten haben sollte,
konnte die Rekurskammer unter diesen Umständen jedenfalls ohne Willkür davon
ausgehen, dass der Beschwerdeführer über die geplante Operation und deren
Risiken hinreichend informiert war, bevor er sich zum Operationstermin nach
Basel begab. Es ist zwar durchaus nachvollziehbar, dass er beim
Spitaleintritt am 7. Oktober 1997 wegen Schmerzen und der Besorgnis um sein
Augenlicht unter erheblichem psychischen Druck stand und nach seiner
Vorbereitung zur Operation, als er das Formular zur Einwilligung in die
Operation unterschrieb, wegen der eingenommenen Medikamente und ohne Brille
möglicherweise nicht mehr in der Lage war, dieses selber zu lesen. Es gibt
indessen keine Anhaltspunkte dafür, dass er in diesem Zeitpunkt nicht mehr in
der Lage gewesen wäre, die Tragweite seiner Einwilligung abzuschätzen und er
macht auch nicht geltend, vom Anästhesiearzt, der ihn das Formular
unterschreiben liess, über dessen Inhalt getäuscht worden zu sein. Vor allem
aber stand im Zeitpunkt, als er das Formular unterschrieb, für ihn - aufgrund
der erhaltenen hinreichenden Informationen (siehe oben) - bereits fest, dass
er sich der Operation unterziehen wollte, andernfalls wäre er nicht zu diesem
Zweck in das Spital eingetreten. Die Rekurskammer konnte somit willkürfrei
davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer im Wissen um die Risiken der
Operation und damit rechtsgültig in deren Durchführung einwilligte. Anders
wäre im Übrigen auch nicht erklärbar, dass der Beschwerdeführer nicht nur in
eine weitere Operation am rechten Auge einwilligte, sondern sich von Prof.

Y. ________ am 30. Oktober 1997 - also immerhin drei Wochen nach der ersten
Operation - auch noch das linke Auge operieren liess.

3.4  Was die Qualität der Behandlung des Beschwerdeführers durch Prof.

Y. ________ angeht, so ist der von der Gutachterstelle der FMH mit der
Begutachtung des Falles betraute Prof. B.________ zum Schluss gekommen, dass
keine ärztlichen Fehler vorlägen, vielmehr sei seine mittlerweile stark
ausgeprägte Sehschwäche die Folge eines ungünstigen Krankheitsverlaufs, der
auch durch andere Behandlungsmethoden nicht hätte beeinflusst werden können
(angefochtener Entscheid E. 3. S.5).

Dass Prof. Y.________ der Nachfolger von Prof. B.________ an der
Universitätsaugenklinik Basel ist, ist - wie die Rekurskammer zu Recht
entschied - für sich allein kein Grund, der den Gutachter befangen erscheinen
liesse. Weitere Anhaltspunkte für dessen Befangenheit sind nicht ersichtlich
und werden vom Beschwerdeführer auch nicht substantiiert dargetan. Ebenfalls
weder ersichtlich noch vom Beschwerdeführer in einer den Anforderungen von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise dargetan sind inhaltliche Fehler
des Gutachtens. Die Rekurskammer ist im angefochtenen Entscheid somit
keineswegs in Willkür verfallen, indem es sich dessen Schlussfolgerungen
anschloss und davon ausging, dass die Behandlung des Beschwerdeführers durch
Prof. Y.________ und sein Team lege artis erfolgte. Die Rüge ist unbegründet.

4.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Strafgericht des Kantons Basel-Stadt, Rekurskammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. August 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: